Bürgerbegehren gegen das Jüdische Museum?

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Der schier unendliche, lähmende  Streit um ein jüdisches Museum in Köln schien entschieden. Vor sieben Jahren, im Mai 2006, hatte eine breite Koalition aus SPD, Grünen, FDP und Linken den Bau eines Jüdischen Museums grundsätzlich beschlossen, ein Jahr später war mit der Errichtung einer archäologischen Zone begonnen worden…

Von Roland Kaufhold

Seit Monaten werden auf dem unmittelbar vor dem Rathaus gelegen Ausgrabungsgelände für Interessierte kostenlose, gut besuchte Führungen angeboten. Geschichte, insbesondere Kölns jüdische Geschichte, wird zu einem öffentlichen Anliegen. Erinnert sei daran: Köln gilt als die älteste jüdische Stadt Deutschlands. Diese deutsch-jüdische Geschichte soll bis ins Jahr 321 zurück reichen. ((http://www.sgk.de/index.php/historischer-ueberblick.html)) Eigentlich könnte man in Köln darauf stolz sein.

Am 18. Juli dieses Jahres einigten sich der Kölner Stadtrat – erneut mit den Stimmen von SPD, Grünen, FDP und Linken – und der Landschaftsverband (LVR) auf einen Kooperationsvertrag zum Bau des jüdischen Museums und der archäologischen Zone. Die Stadt übernimmt die mit 52 Millionen Euro berechneten Baukosten, der LVR den späteren Betrieb. Die Stadt Köln baut das Projekt, der LVR entwickelt ein – in der Diskussion der letzten Monate offenkundig nicht ausreichend kommuniziertes – Ausstellungskonzept. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Barbara Moritz, eine entschiedene Befürworterin des Jüdischen Museums, war erleichtert: „Wir sind begeistert und dankbar, dass mit dem LVR erstmals eine solche Kooperation zustande gekommen ist.“

Insbesondere die Kölner Grünen hatten sich in den letzten Jahren konsequent für die Realisierung des jüdischen Museums eingesetzt – durch fachlich-historische Diskussionbeiträge ihrer kulturpolitischen Sprecherin Brigitta von Bülow und Frieder Wolf ((https://www.hagalil.com/2013/01/17/koeln-6/)) wie auch durch thematisch konsequente politische Stellungnahmen. ((http://www.gruenekoeln.de/ratsfraktion/sonstiges/2013/diskussion-um-juedisches-museum-und-archaeologische-zone.html))

Brigitta von Bülow betont in einem Videobeitrag: „Kein Kölner Museum wird so am richtigen Ort sein wie die Archäologische Zone und das Jüdische Museum. Denn dort, wo das Museum stehen wird, liegen Kölns Spuren kultureller Vielfalt. Es ist keine Rekonstruktion, kein beliebiger Sammelort, sondern selbst unmittelbares 2.000 Jahre altes geschichtliches Zeugnis.“

Kaum war die Planungssicherheit gegeben, und mit der Bautätigkeit begonnen worden, meldeten sich vor vier Wochen erneut Kölner Gruppierungen zu Wort, um in der liberal-aufgeklärten Stadt Köln – wofür sich der Kölner gerne hält – doch noch ein jüdisches Museum zu verhindern. Bereits in den letzten zwei Jahren hatten sich immer wieder neue, rational kaum noch nachvollziehbare Koalitionen gegen ein jüdisches Museum gefunden – wobei diese zugleich unisono postulierten, eigentlich gar nichts gegen ein jüdisches Museum zu haben. „Sparen für Geschichtsvergessene“ titelte Pascal Beucker in der taz im Februar 2013. ((http://www.taz.de/!111092/))

Anfang September meldeten sich nun der seit Jahren gegen das jüdische Museum agierende Hotelier Werner Peters – Ex-Mitarbeiter der CDU-Bundesgeschäftsstelle und Chef der bedeutenden „Partei der Nichtwähler“ – , der vor neun Jahren aus der SPD ausgetretene und zu den „Freien Bürgern“ gewechselte Ex-Schuldezernent Andreas Henseler sowie der frühere CDU-Ratsherr Lothar Theodor Lemper zu Wort. Sie planten, so ließen sie vernehmen, für Mai 2014 ein Bürgerbegehren gegen das Jüdische Museum. War in Köln vor drei Jahren auf diesem Wege der Abriss des alten Schauspielhauses verhindert worden so scheiterte vor gut einem Jahr ein Bürgerbegehren gegen den Godorfer Hafen.

Bemerkenswert: Obwohl die drei Initiatoren dieses Bürgerbegehrens innerhalb Kölns politisch weitgehend irrelevant sind wurde ihr Vorhaben in den beiden Kölner Tageszeitungen groß portraitiert: „Bürgerbegehren gegen Museumsbau“ titelte der Kölner Stadt-Anzeiger am 6.9.2013.

Avisiert ist dieses Bürgerbegehren für Mai 2014, parallel zur Kölner Kommunalwahl. Geweckt werden hierdurch vor allem heftige Affekte – Affekte auch gegen eine knapp 2.000-jährige jüdisch-deutsche Tradition. Es sei daran erinnert:

„Köln gilt als die deutsche Stadt mit der längsten jüdischen Tradition. Im Jahre 321 wurde sie erstmals urkundlich erwähnt – worauf man in Köln immer wieder gerne verweist. Prägende historische Vertreter des Zionismus – Moses Hess (1812-1875), Max I. Bodenheimer (1865-1940) und David Wolffsohn (1856-1914) – haben hier gewirkt, die frühe zionistische Bewegung des 19. Jahrhunderts maßgeblich geprägt.

In der im Zentrum Kölns gelegenen Richmodisstraße 6 erinnert eine im Gehweg eingelassene großformatige bronzene Gedenktafel an Bodenheimers zionistisches Engagement. Unter dem Motto „Juden aller Länder, vereinigt Euch“ hatte der jüdische Anwalt bereits 1896 von Köln aus die Idee eines jüdischen Staates protegiert. Bereits drei Jahre zuvor hatte er den Kölner Verein zur Förderung von Ackerbau und Handwerk in Palästina ins Leben gerufen. Gemeinsam mit Wolffsohn gründete er in Köln die erste zionistische Organisation. 1899 wurde er zum Mitbegründer des Jüdischen Nationalfonds, dessen Zentrale sich von 1905-1914 in der Richmodisstraße befand. Bodenheimer und Hess wurden auf dem kleinen, idyllischen Friedhof in Köln-Deutz beerdigt, später erhielten sie ihre letzte Ruhestätte in Israel.

Von Köln aus reiste 1960, noch incognito, die erste deutsche Schülergruppe, auf der Basis privater Kontakte, nach Tel Aviv, es werden Städtepartnerschaften sowohl zu Tel Aviv als auch zu Bethlehem gepflegt.“ ((http://buecher.hagalil.com/2013/01/koeln/))

Auch die Kunsthistorikerin Prof. Hiltrud Kier, Hochschullehrerin, ehemalige Kölner Stadtkonservatorin und ehemalige Generaldirektorin der Museen der Stadt Köln hat im April 2013 noch einmal überzeugende Argumente für den Bau eines Jüdischen Museums in Köln formuliert. ((https://www.hagalil.com/2013/06/08/juedisches-museum-koeln/))

Benötigt werden für die Einleitung eines Bürgerbegehrens 3 Prozent der Wahlberechtigten ab 16 Jahren, das wären 23.000 Unterschriften. Die Initiatoren hoffen, auch die Kölner CDU als Unterstützer zu gewinnen. Diese hat sich  hierzu noch nicht geäußert.

Die Begründung ihres Bürgerbegehrens löst Verwunderungen aus – oder auch nicht: „Wir sind weder gegen die Archäologische Zone noch gegen ein Jüdisches Museum“, ließ der taktisch erfahrene Polit-Profi Henseler vernehmen. „Uns geht es um eine kleinere Lösung.“

Hintergrund dieser Argumentation ist die Initiative einer Gruppierung um den in links-alternativen Kreisen beliebten Kölner Stadthistoriker und Journalisten Martin Stankowski. Als ehemaliges führendes Mitglied der Kölner Grünen sowie als Aktivist gegen den früher in Köln  allmächtigen SPD-Filz stößt der 69-jährige in Köln teils auf hohe Sympathie. Seine Verdienste sind unstrittig. Nach der politischen Ablösung des Grabungsleiters Sven Schütte im April 2013 – die Jüdische Allgemeine titelte hierzu: „Antisemitismusvorwurf kostet Job. Oberbürgermeister entlässt Projektleiter der Archäologischen Zone wegen Kritik an Grabungsgegnern“ ((http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/15728)) meldete sich Stankowski im April dieses Jahres mit einer einflussreichen Kölner Unterstützergruppe lautstark zu Wort: Er forderte statt eines jüdischen Museums ein Haus der Kölner Geschichte. Für ein jüdisches Museum, so argumentierte er, fehle jegliches Konzept. Auch würde die jüdische Geschichte durch ein eigenes Museum von der Kölner Geschichte abgespalten. Seine überraschende Intervention vermochte den Stadtratsbeschluss für das jüdische Museums nicht zu verhindern.

Diese erneute Infragestellung der Museumspläne ist in Köln nicht ohne Gegenreaktion geblieben: Im Mai 2013 gründete sich eine private Initiative, die auf einer Webseite für eine öffentliche Unterstützung des Museumsbaues eintritt und die Stadtratsparteien auffordert, an dem Beschluss festzuhalten: http://museumsbaukoeln.de/

Es gelang ihr, binnen weniger Wochen knapp 1400 Unterzeichner zu sammeln, hierunter 50 prominente Persönlichkeiten. Zu den Unterzeichnern gehören Dogan Akhanli, Micha Brumlik, Rouven Bodenheimer, Jaron Engelmayer, Peter Finkelgruen, Miguel Freund, Gideon Greif, Ralph Giordano, Annette Haller, Hiltrud Kier, Elisa Klapheck, Zehra İpşiroğlu, Cilly Kugelmann, Abraham Lehrer, Peter Liebermann, Horst Matzerath, Walter Rothschild, Mendel Schtroks, Ingrid Strobl, Ralf Unna, der Verein EL-DE-Haus und Eusebius Wirdeier. Auf Nachfragen betont Stankowski, dass er das geplante Bürgerbegehren politisch nicht unterstützen werde: „Wir haben das fehlende Konzept angemahnt und in dem Zusammenhang für ein integratives Haus der Kölner respiktive Rheinischen Geschichte geworben. Wir wollen die Geschichte der nichtjüdischen Mehrheits- und der jüdischen Minderheitsgesellschaft zusammen sehen, die Auseinandersetzung und Konflikte, Umgang, Geschichte, Verfolgung usw. zum Paradigma eines solchen Hauses machen und diese Spur bis in die Gegenwart verfolgen.“

Auch das Kölner Ratsmitglied Thor Geir Zimmermann von der Ein-Mann-Fraktion „Deine Freunde“, der den Museumsbau anfangs abgelehnt hatte, positioniert sich gegen das Bürgerbegehren: „Wir halten den Entscheidungsprozess nach vielen langen Diskussionen für abgeschlossen.“

Der seit 50 Jahren in Köln lebende Schriftsteller Peter Finkelgruen  ist über diese Entwicklung, diese teils populistische Kritik an den Plänen für ein Jüdisches Museum bestürzt:

„Im Winter des Jahres 1959 kam ich aus Israel nach Köln. Die Synagoge war gerade mit antisemitischen Parolen beschmiert worden. Dennoch blieb ich hier um ein neues Leben zu beginnen. Heute macht mich die schier endlose Debatte über den Bau des Museums traurig. Soweit man sachlich über Alternativen diskutieren kann,  hat der Austausch der Argumente stattgefunden. Inzwischen wurden demokratische und rechtliche Entscheidungen über den Bau des Museum getroffen. Wenn eine Handvoll politisch Aktiver in der Stadt nun zum Instrument eines Bürgerbegehrens greift dann werden Initiatoren die  Verantwortung dafür zu tragen haben, wenn sich die Ungeister von vorgestern, gestern und heute  in dieser Stadt erneut ermuntert finden. Denn Sie wissen, was sie da tun. Und das macht traurig – und wütend.“

Dieser Beitrag ist in einer gekürzten Version in der Jüdischen Allgemeinen vom 9.10.2013 erschienen.

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Ein vertiefender Hinweis: Der in Belgien aufgewachsene, seit vielen Jahren in Köln lebende norwegische Literatur- und Kunstkritiker Jussi U. Isaksen hat auf seiner Website zahlreiche anspruchsvolle Beiträge zur Kölner Museumsdiskussion veröffentlicht. Einige hiervon möchten wir als vertiefende Lektüre nennen:

http://the.kassiber.net/das-mit-israel-hat-sich-irgendwie-nicht-ergeben/
http://the.kassiber.net/antisemitismus-ist/

http://the.kassiber.net/vater-rhein-als-mutter-israels/
http://the.kassiber.net/petitionfueremanzipation/
http://the.kassiber.net/was-ist-ein-juedisches-museum/
http://the.kassiber.net/showdown-am-rhein/

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