Knobloch fordert härteres Durchgreifen gegen bekannte Neonazis

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„Es ist verstörend, dass einzelne, einschlägig verurteilte Neonazis weiterhin unbehelligt die Mobilisierung und Radikalisierung der Szene vorantreiben können“, beklagt Dr. h.c. Charlotte Knobloch. Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern beobachte mit Sorge, dass die rechtsextremistische Szene seit der Aufdeckung des NSU auch im Freistaat noch aktiver geworden sei…

An ihrer Gewaltbereitschaft und der entsprechend kalten und skrupellosen Entschlossenheit bestehen keine Zweifel“, warnt sie.

Für das kommende Wochenende hatte der militanteste Teil der bayerischen rechten Szene sein jährliches Rechtsrock-Open-Air angekündigt. Die Veranstaltung in Roden-Ansbach wurde vorerst verboten. Das Würzburger Verwaltungsgericht bestätigte am Mittwoch, 7.8.2013, den Untersagungsbescheid der Gemeinde. Die Neonazis können wiederum Beschwerde beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in München einlegen. Ersatzweise haben sie eine „politische Kundgebung mit Musik und Rednern“ angekündigt.

Somit sei zu befürchten, dass Roden erneut von zahlreichen vorbestraften Gewalttätern und bekannten Rechtsterroristen heimgesucht werde, erklärt Knobloch. „Bayern kann es sich nicht leisten, dass die Neonazis ungehindert ihr menschenverachtendes Spektakel zelebrieren und damit unsere tolerante und weltoffene Heimat mit braunem Gift besudeln“, so Knobloch.

„Insofern ist es unerlässlich, den Druck auf die Szene weiter zu erhöhen, wie es der neue Münchner Polizeipräsident Hubertus Andrä angekündigt hat.“ Auch Innenminister Joachim Herrmann habe mit den Razzien und dem Verbotsverfahren gegen das „Freie Netz Süd“ zuletzt das ersehnte Signal gesetzt, dass Bayern die Bedrohung, die von den rechtsideologischen Netzwerken ausgeht, endlich ernst nimmt.

„Demgegenüber ist es absolut unerträglich, dass weiter tatenlos zugesehen wird, wie Martin Wiese ungehindert, offen und ungeniert im rechtsextremen Spektrum agiert. Ausgerechnet derjenige, der die Grundsteinlegung des jüdischen Zentrums am St.-Jakobs-Platz in ein Blutbad verwandeln wollte, kann heute wieder schalten und walten, wie es ihm beliebt. Das ist eine Zumutung. Und es ist ein Armutszeugnis für unseren freiheitlich-demokratischen Staat, der sich als wehrhaft begreift und der diesem Selbstverständnis Folge leisten muss. Darauf warten wir im Fall Wiese seit Langem vergeblich.“

Knobloch erinnert daran, dass Wiese aufgrund seiner Äußerungen auf dem Frankentag vor zwei Jahren wegen Volksverhetzung und Bedrohung zu einer Haftstrafe verurteilt wurde. „Dass das Berufungsverfahren so lange auf sich warten lässt, ist die eine Sache“, gibt Knobloch zu bedenken, „aber was ist eigentlich aus den Führungsauflagen geworden, die er seit seiner Entlassung 2010 beachten muss? Nach meiner Beobachtung verhöhnt Wiese Justiz und Polizei.“ Und die lasse sich das auch noch gefallen, konstatiert Knobloch. Ende Juni erst habe Wiese munter und ungestört mit seiner Neonazi-Clique im „Braunen Haus“ in Obermenzing gefeiert. „Die Leichtfertigkeit im Umgang mit offen bekennenden Verfassungs- und Menschenfeinden ist mir unbegreiflich und schadet in erheblichem Maße der Integrität unserer politischen und gesellschaftlichen Kultur“, so Knobloch.

„Welche Form von Neonazi-Aufmarsch wir am Wochenende auch erleben müssen, es wäre es ein verheerendes Signal der Unbekümmertheit gegenüber der rechten Gefahr, wenn die Polizei, wie aus früheren Jahren berichtet, nur halbherzig und inkonsequent vorgeht und nicht verhindern kann, dass rechtsextreme Straftäter ein Forum für die Verbreitung ihrer Hassideologie haben.“

8 Kommentare

  1. Widerstand lohnt sich!

    Untertitel eines Berichts über die Nazi-Zsammenrottung in Roden. http://www.endstation-rechts-bayern.de/2013/08/desaster-fur-die-nazis/

    Zitat:

    „Es läuft derzeit nicht so gut für die bayerischen Nazis: nachdem aufgrund des örtlichen Widerstands bereits der „Bayerntag“ der NPD in Schwarzach nicht stattfinden konnte und der NPD-Landesparteitag kurzfristig verlegt werden musste, fiel nun mit dem Rechts-Rock-Festival des „Freien Netz Süd“ die zweite wichtige Veranstaltung der bayerischen Nazis ins Wasser. Ãœberall, wo Nazis auftreten, stoßen sie auf Menschen, die gegen ihr braunes Gedankengut, gegen ihre rassistische Ideologie demonstrieren.“

    Siehe auch http://www.main-netz.de/nachrichten/region/frankenrhein-main/franken/art4005,2706134 , mit zwei kurzem Video-Clips zum Geschehen (runterscrollen in der Seite zum ersten).

    Fast belustigend wirkt es, wie die Herren (und Damen?) von der braunen Zunft mit ihrem Zeltdach gemächlichen Schrittes analog einer Prozession, naja, ist halt Franken, über die Straße wandeln und in eine Wiese (von dem Wiese wird nicht berichtet) abschwenken. Der Rest drückt sich und trottet hinterdrein. Gleichschritt? Zackige Kommandos? Keine Spur. Dennoch: bei Nacht möchte man denen nicht unbedingt begegnen. Bei Tag auch nicht.

  2. Ich kenne zwar die Einzelheiten des Wiese-Falles nicht (Stand des Strafverfahrens bzw. der Strafvollstreckung), aber Charlotte Knoblochs Kritik an der Justiz und ihr Dringen auf konsequenteres Durchgreifen sind vollkommen berechtigt !

    Es ist wirklich an der Zeit, dass Justiz, Innenbehörden und Polizei die Neo-Nazi-Szene in ihrer Gefährdung für die Republik ernst nimmt und entsprechend reagiert.

  3. Eine Bilanz des Neonazi-Wahnsinns:

    ======================================================

    183 Todesopfer rechter Gewalt

    Seit 1990 wurden in Deutschland 183 Menschen Opfer rechtsextremer oder rassistischer Gewalt gezählt. Die rassistische Mordserie von 2000 bis 2007 zeigt einen würdelosen Umgang der staatlichen Behörden mit rechtsextremer Gewalt.

    Seit dem Wendejahr 1990 bis Ende 2012 sind nach Recherchen der MUT-Redaktion und des Opferfonds CURA der Amadeu Antonio Stiftung 183 Menschen durch die Folgen menschenfeindlicher Gewalt ums Leben gekommen. Oft waren die Täterinnen und Täter in rechtsextremen Gruppen organisiert und sind mit ihrer Tat einer rassistischen, homophoben und/oder obdachlosenfeindlichen Gesinnung gefolgt. Oft genug hatten sie aber auch keinen offensichtlichen rechtsextremen Hintergrund, sondern handelten auf Grundlage eines diffusen rechten Weltbilds. Aufnahme in diese Liste fanden alle Mordfälle, die nach gründlicher Sichtung der Quellen aus rechtsextremen und rassistischen Motiven erfolgten oder wenn plausible Anhaltspunkte für diese Annahme bestehen. Dazu kommen solche, in denen Täterinnen und Täter nachweislich einem entsprechend eingestellten Milieu zuzurechnen sind und ein anderes Tatmotiv nicht erkennbar ist…“
    http://www.opferfonds-cura.de/zahlen-und-fakten/todesopfer-rechter-gewalt/

  4. Da kann mensch nur sagen: Vielen Dank, Charlotte! Danke, das Du Dich einmischst!

    Das dürfte den braunen Spuk mehr ärgern als alles andere: muss er sich doch abmühen, die vorgetäusche Nonchalance zu wahren, was ihm gerade bei fundierter Kritik von jüdischer Seite schwerer fällt als bei denen, die routinemäßig sich verpflichtet fühlen, gegen das rechte Element, anstatt sich wie Frau Knobloch ein ganz bestimmtes Element, hier den bereits verurteilten Martin Wiese, herauszugreifen, zu wettern – und kaum gehört werden.

    Interessant ist, was Indymedia zum sog. „Nationaler Frankentag“, jetzt umbenannt in „Europa Erwacht“ von 2011 schreibt: https://yser.mayfirst.org/de/node/45249 .

    Fundierte Kritik an der Vorfeldorganisation der diversen Antifa-Gruppen, ebenso an dem „bürgerlichen Bündnis“, den Nazi-Sympies im Dorf (einer stellte seinem Gesinnungsgesocks den „Festplatz“, auch trieb sich der Sohn des Bürgermeisters dort ungeniert herum), der Presse – und der Polizei, die alles tat, damit das Spetakel ungestört ablaufen konnte. Es lohnt, dn Artikel zu lesen.

    Dies Jahr allerdings geht wenigstens auf dem „Festplatz“ nichts ab. Anstatt politisch für eine Untersagung der Veranstaltung zu argumentieren, was vor Gerichten in letzter Instanz für gewöhnlich gekippt wird, fuhr man jetzt ein Geschütz auf, mit dem Braun nicht gerechnet hatte: Sicherheitsbedenken. Nach Duisburg (Loveparade) durchaus ernstzunehmen von Gerichten und vermutlich standhaltend. Die Szene jammert auch schon rum und vertröstet aufs nächste Jahr. Allerdings will man, grichtlich genehmigt, dennoch sich zusammenrotten und eine Kundgebung „mit Musik“ und Redebeiträgen durchziehen. Mal gucken, was das wird. Ist doch gar nicht zu vergleichen mit einem zünftigen Rechtsrock-Zauber, mit „Deutschem Gruß“ hinter Sichtschutzwänden und ähnlicher Selbstbeweihräucherung der ewigen Looser. Entsprechend niedrig mag die TeilnehmerInnenzahl ausfallen. Hoffentlich.

    Ein Aufruf des ‚Nürnberger Bündnis Nazistopp‘ (nicht direkt Antifa, die dazu gern „bürgerlich“ sagt) zu friedlichen Gegenmaßnahmen findet sich hier:
    http://www.nazistopp-nuernberg.de/

    Antifas lassen sich nicht immer in die Karten gucken. Eine aufschlussreiche Stellungnahme findet sich aber bei ‚aida‘ (Antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München e.V.), hier: http://www.aida-archiv.de/index.php?option=com_content&id=3698:10-august-2013&Itemid=1216

    Jedenfalls, nochmal: vielen Dank, liebe Charlotte!

  5. Frau Knobloch hat vollkommen recht, wenn sie mehr Druck auf die rechte Szene verlangt, jedoch sollte sie von der bayerischen Staatsregierung noch etwas ganz anderes verlangen: Mehr und bessere Aufklärung der Bürger über die eigene intolerante Vergangenheit.

    Nur weil die Bürger so schlecht über ihre Geschichte, besonders die jenseits der NS-Zeit, informiert sind, stören sie sich so wenig an den modernen Rechten.

    Dass z.B. die bayerische Dynastie der Wittelsbacher den Nazis an Intoleranz mit ‚gutem‘ Beispiel geradezu voranging, weiß so gut wie keiner in Bayern. Ebenso sind die rassistischen Eskapaden der heimischen bayerischen Lieblingsdichter der Bürgermehrheit im Freistaat weitgehend unbekannt. Der massive und Jahrhunderte währende Antisemitismus der katholischen Kirche in Bayern gilt als absolutes Tabu, das nicht, auch von den kritischsten aller heimischen Historiker nicht, in Frage gestellt wird.

    So verwundert es denn nicht, dass die meisten Bayern heute sich lediglich über ihre prosperierende Wirtschaft und über den Fussball definieren, und dass sie ihre Freizeit nur in Ausnahmefällen zur Erweiterung ihres Wissens über die eigene Identität nutzen. Es fehlt die Sensibilisierung.

    Zwar sind immer wieder auch in Bayern Leute bereit auf die Straße zu gehen, bei Demos gegen rechts, jedoch noch relativ viel zu wenige.

    Wer gar in die bayerische Provinz fährt und mit den Leuten dort redet, staunt nur so über die Bürgermeinungen zur Wehrmacht und verwandten Themen („eine ganz normale Armee, wie andere Armeen auch“, „wir haben keinen Grund uns wegen der Wehrmacht zu schämen“; „schaut’s doch die anderen an, die Amis und die Franzosen, oder die Israelis erst! Die san ned besser.“
    Hierzu auch der kürzlich veröffentlichte Beitrag: http://test.hagalil.com/2013/07/29/deggendorf-15/
    Mehrere Jahrzehnte über bis heuer war keinem aufgefallen, dass in einer Kleinstadt alljährlich SS und Wehrmacht mit Riesenbrimborium (Bundeswehr, Klerus, Bürgermeister etc.) gedacht worden war.

    Eine bessere Aufklärung über die eigene Vergangenheit wäre dazu geeignet, größere Kreise unter den Menschen in Bayern sensibler zu machen gegen rechte Aufmärsche, gegen rechte Demos, gegen die rechte Musikszene und gegen neorechte Ideologien.

    Diese Aufklärung sollte Frau Knobloch vom bayer. Innenminister Herrmann unbedingt fordern, auch wenn sie sich damit in gewissen Kreisen noch unbeliebter machen würde.

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