Jahrestag ohne Jubel

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Am Jahrestag der Machtübernahme Muhammad Mursis ist der Tahrir-Platz in Kairo wieder von Demonstranten überfüllt. Der Sturz des Diktator Mubaraks und die demokratische Wahl des Präsidenten Mursis haben sich als Pyrrussieg erwiesen. Noch hält sich die Regierung, aber unter der Erde lodert es, und nicht erst seit Sonntag…

Von Benjamin Rosendahl

Es hätte eine große Feier werden sollen: Am 30. Juni jährt sich der Sturz Hosni Mubaraks, der Ägypten mit eiserner Hand über 30 Jahre regiert hatte, zum ersten Mal. Gestürzt wurde er nach Massendemonstrationen am Tahrir-Platz in Kairo, übersetzt „Platz der Freiheit“. Damals war der „arabische Frühling“ in Euphorie, und die Diktatoren von Tunesien, Lybien, Jemen – und auch Ägypten fielen wie Kartenhäuser. Der neue Präsident Ägyptens, Muhammad Mursi, wurde demokratisch gewählt – ein Novum in moderner ägyptischer Geschichte. Und er kam aus just der Partei, die in Ägypten seit ihrer Gründung verboten war – den Muslimbrüdern.

Ein Jahr später gibt es wieder Massendemonstrationen am Tahrir-Platz – der israelische Sender „Arutz 10“ spricht von 200.000. Zwar liegt die Zahl unter den angekündigten Millionen. Jedoch hörte man bei Übertragungen von „Aljazeera“ vor allem einen Slogan: „irhal“ – gehe weg! Gemeint ist damit diesmal Noch-Präsident Mursi.

Mursi, der die Wahl vor einem Jahr nur knapp als Kandidat der Freiheit- und Gerechtigkeitspartei, dem politischen Flügel der Muslimbrüder, gewonnen hatte, versprach damals ein Ende der Korruption, Vetternwirtschaft und hohen Armut eines Großteils der Bevölkerung, alles Zeichen der Mubarak-Ära.

Gehalten hat er davon wenig: So bat er zwar den Internationalen Währungsfond um eine Anleihe von über 8 Milliarden Dollar, hatte jedoch keine konkreten Pläne, die Wirtschaft anzukurbeln. Seine Opposition – vor allem im Militär und in den Gerichten – versuchte er, gesetzlich zu beseitigen oder mundtot zu machen, was teils gelang. Selbst relativ harmlose satirische Fernsehprogramme waren ihm suspekt, und so landete Bassam Youssef, der Moderator vom Mursi-kritischen „Al-Barnameg“ (das Programm) wiederholt in Untersuchungshaft.

Jedoch nimmt das Ägypten nach Mubarak diese Art der Unterdrückung nicht mehr wortlos hin. So wurde kürzlich eine Bewegung namens „Tamarud“ (Rebellion) gegründet, die es sich zum Ziel gesetzt hat, Mursi zu stürzen. Nach Angaben von „Arutz 10“ hat „Tamarud“ bereits über 15 Millionen Unterschriften zu diesem Ziel gesammelt, darunter auch die von Bassam Youssef.

Einer der Gründer von „Tamarud“, Machmud Badr sagte gegenüber „Aljazeera“: „Das Ziel der Kampagne ist es, Unterschriften des ägyptischen Volkes zu sammeln, um Präsident Mursi das Vertrauen zu entziehen.“ Mursi habe, so Badr weiter, ägyptisches Blut vergossen, und gleichzeitig bewiesen, dass er keine der Ziele der Revolution zu erreichen in der Lage sei. Sowohl politisch, wirtschaftlich als auch in der Sozialpolitik habe er versagt.

Mursi selbst zeigte sich am Sonntag nicht in der Öffentlichkeit. Zwar konnten seine Unterstützer einige tausende Gegendemonstranten organisieren, jedoch wird das anbetracht der Anti-Mursi-Demonstrationen, die auf ca. 3 Millionen Menschen in ganz Ägypten geschätzt werden, nur ein kleines Trostpflaster sein. „Irhal“ ertönt es im ganzen Land.

1 Kommentar

  1. Sagen wir mal so, nach der „freiwilligen“ Amtsübergabe von Bin Chalifa an seinen Sohn, sehe ich die Milliardenpumpmaschine der Katarer (und einiger Saudis) als unterbrochen an. Damit gehe ich von einem friedlichen Ausgang in Ägypten aus, auch Muslimbrüder brauchen Knete und das Militär weiß, daß die dann hoffentlich weniger zur Verfügung steht.
    Sehe ich relativ entspannt und hoffe recht zu behalten.

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