Pessach 5773: Am 25. und 26. März 2013 Sederabende

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Sehr geehrte Dame, sehr geehrter Herr, wir beehren uns Ihnen mitzuteilen, dass die Feiertage mit den traditionellen Seder-Abenden am 25. und 26. März (erster und zweiter Seder) beginnen. Beide Seder-Abende schließen sich jeweils einem vorherigen G“ttesdienst in unserer Synagoge  wie folgt an: Am Montag, dem 25. März 2013 beginnt der Abendg“ttesdienst um 17.30 Uhr,  anschließend beginnt der 1. Seder. Am Dienstag, dem 26. März 2013 beginnt der Abendg“ttesdienst um 17.30 Uhr, anschließend beginnt der 2. Seder…

So beginnt die Einladung der Frankfurter Budge-Stiftung zum diesjährigen Fest der Freiheit. Die Stiftung ist das einzige jüdisch-christliche Alterswohnheim in ganz Mitteleuropa.

Zum Pesach schreibt Rabbiner A. Steinman, Rabbiner der Budge-Stiftung:

Pessach

Oft heisst es: Pessach ist das jüdische Ostern. Richtiger wäre: Ostern ist das christliche Pessach. In der Tat ist Ostern eine „Verchristlichung“ von Pessach – was schon durch die Bedeutung des Begriffs Pessach nachvollziehbar wird. Wörtlich heisst „Pessach“ nämlich: Überschreitung. Beim christlichen Osterfest geht es um die Überschreitung bzw. Überwindung des Todes durch die Auferstehung. So wird verständlich, weshalb das Osterfest in vielen Sprachen auch noch nach dem hebräischen Pessach benannt wird.

Den Namen hat das Pessach-Fest von einer Episode in der biblischen Erzählung vom Auszug der Kinder Israels aus Ägypten, die auch in Zusammenhang mit einer Überwindung des Todes steht: der letzten der zehn biblischen Plagen. Bei dieser Plage ging es um den Todesengel, der die Kinder Israels verschonte, als er in Ägypten alle Erstgeborenen dahinraffte – der Todesengel überschritt die Häuser der Juden (die entsprechend von ihren Bewohnern für den Auszug aus Ägypten vorbereitet wurden).

Der Auszug aus Ägypten – Exodus – ist im Judentum ein zentrales Motiv. Das Pessach-Fest erinnert alljährlich an dieses große Ereignis – im wahrsten Sinn werden die einzelnen Episoden verinnerlicht, und zwar durch Rituale, die wie die Liebe durch den Magen gehen: bei einem großen Festessen wird die Geschichte erzählt (nach einem uralten Text, der sich Haggada nennt, was „Erzählung“ heißt), wobei sich die Speisenfolge der Erzählung anpasst. Beides geschieht nach einer festen Ordnung – was dem Festessen seinem Namen gibt: Seder („Ordnung“). Der Seder-Abend findet beim ersten Vollmond im Frühling statt – entsprechend dem biblischen Exodus. Aus diesem Grund wird Pessach auch als „Frühlingsfest“ (Chag ha-Aviv) bezeichnet – schließlich eignet sich der Frühlingsbeginn bestens als Zeitpunkt, an die eigene Befreiung nachzudenken. Da ist auch ein weiterer Name für das Fest nicht weit: „Fest der Freiheit“ (Chag ha-Cherut).

Pessach hat noch einen vierten Namen: In der Torah heisst es „Fest der ungesäuerten Brote“ (Chag ha-Mazzot) – zur Erinnerung an die Eile, in der der Auszug stattfand: Es gab nicht einmal genug Zeit, um richtiges Brot für die lange Reise vorzubereiten. Das ungesäuerte Brot (Mazza) gehört zu den rituellen Speisen, die aus Erinnerung eine Verinnerlichung machen. Ein anderes Beispiel der rituellen Speisen ist das sogenannte „Bitterkraut“ zur Erinnerung und Verinnerlichung der bitteren Zeit der Sklaverei. In unseren Breiten wird dazu Meerrettich gereicht. An die vergossenen Tränen erinnert einfaches Salzwasser, in einer Schale gereicht, in welches „Erdfrucht“ getunkt wird – zur Erinnerung an die karge Sklavenmahlzeit. Als „Erdfrucht“ kommt etwa Petersilie in Frage: Ein Gewächs, welches in Bodennähe vorkommt und damit die Erniedrigung durch Sklaverei darstellt. Im Dienst Pharoahs schufteten die Sklaven in Schlammgruben, um Ziegelsteine zu formen. Ein Brei aus Apfelmus, Zimt, geriebenen Nüssen und Wein erinnert daran. Erst nach Verzehr dieser rituellen Speisen kommt mit einem festlichen Menu das Symbol der Freiheit.

Pessach beginnt also mit dem Seder, welches seinem Wesen nach einem Symposion im antiken Griechenland gleicht. Zu einem Symposion gehört ein Thema (hier: der Exodus), gutes Essen und Trinken (hier: das Festmahl, inklusive ritueller Speisen und Wein), Unterhaltung (hier: Gesänge zum Exodus und der jüdischen Tradition, sowie Spiele für die Kleinen); und natürlich gute Gäste. Als Gast ist immer auch der Prophet Elias eingeladen, für den ein Gedeck bereitsteht – falls er kommt (davon gehen wir freilich aus), um unsere vollständige Erlösung zu verkünden. Für diesen Propheten der Erlösung steht auch ein festlicher Becher Wein bereit.

Wein ist das Getränk der Freiheit und „erfreut des Menschen Herz“ (so der Talmud). Im Laufe des Seders wird vier mal Wein getrunken – als Verinnerlichung der vierfachen Verheissung auf Erlösung in der Exodus-Erzählung. Beim festlichen Vortragen der Haggada entnimmt jeder Seder-Teilnehmer aus seinem Becher zehn Tropfen heraus. Jeder dieser Tropfen steht für einen der zehn biblischen Plagen, die laut aufgezählt werden. Zudem soll die Freude, die der Wein darstellt, um ebenjene Tropfen vermindert werden, die symbolisch für das Leiden der Ägypter an den Plagen stehen – hier wird wieder erinnert durch Verinnerlichung: die Freiheit des Einen ist immer auch zu messen an der Freiheit des Anderen; oder: des Einen Freud‘ ist zuweilen auch des Anderen Leid. Überhaupt hat der Seder-Abend eine humanistische Grundstimmung. Zusammen mit der Festlichkeit, der Freude und der vielen Rituale ist es diese Stimmung, die erklärt, weshalb gerade Pessach das am meisten gefeierte Fest im Judentum ist: es gibt kaum einen Juden, der nicht irgendwie Pessach feiert – so beliebt und wichtig ist das Fest, welches ja auch wie kaum ein anderes die jüdische Identität prägt. Das Bewusstsein, einst Sklave gewesen zu sein, wird zu Pessach geschärft, ja im wahrsten Sinn durch die rituellen Speisen verinnerlicht – und damit auch hehre Werte: Neben Mitgefühl für den Nächsten und ein Bewusstsein für geschichtliche Abläufe auch die Erkenntnis, dass Freiheit ein hohes Gut ist und stets aufs Neue errungen werden muss – sonst droht ihr Verlust oder gar ein Rückfall in die Sklaverei.

Lieber freudig und festlich Pessach feiern als das!