Das Zentrum als Bedrohung: Rechtsextremismus der Mitte

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»Rechtsextremismus der Mitte – Eine sozialpsychologische Gegenwartsdiagnose« – der Titel zitiert die einflussreiche Formulierung Seymour Lipsets vom »Extremismus der Mitte«. Diese zunächst paradox anmutende Verbindung zweier Begriffe bringt einen Widerspruch in der Sache selbst zum Vorschein: Das gesellschaftliche Zentrum kann zur Bedrohung der bestehenden Gesellschaftsordnung werden…

Oliver Decker u. Elmar Brähler
(Vorwort zu Rechtsextremismus der Mitte)

Weil diese Formulierung lieb gewonnene Irrtümer erschüttert, provoziert sie noch heute. Die gesellschaftliche Mitte ist nicht davor geschützt, selbst zur Bedrohung der demokratisch verfassten Gesellschaft zu werden.

Die Demokratie ist kein Sockel, der, einmal errichtet, auf immer stabil bleibt. Im Gegenteil: Fährt der gesellschaftliche Aufzug für die meisten Gesellschaftsmitglieder nach unten statt nach oben, dann verliert auch die Demokratie ihre Integrationskraft. In diesem Moment wird sichtbar, wie wenig sich die Integration in die Gesellschaft durch demokratische Teilnahme vollzieht. Stattdessen zeigt sich, dass die Gegenwartsgesellschaft ihre Legitimation in viel höherem Maße durch ökonomische Teilhabe und sozialisatorische Gewalt sichert.

In unseren »Mitte«-Studien haben wir Lipsets Erkenntnisse mit den prominenten ersten Untersuchungen zum Vorurteil des exilierten Frankfurter Instituts für Sozialforschung verbunden. Von den Studien »Autorität und Familie« und »Der autoritäre Charakter« ausgehend, haben wir mit unserer Formulierung vom »Veralten des autoritären Charakters« die Gültigkeit ihrer Annahmen für die heutige Zeit bestätigt. Es findet ein Wechsel statt in der Vergesellschaftung – und es gibt Identisches im Wechsel: die sozialisatoriche Gewalt.

Uns geht es nicht allein um die antidemokratische Einstellung des Individuums. Wenn die Bedrohung der Gesellschaft thematisiert wird, geht es auch und besonders um die Bedingungen, unter denen diese Einstellung entstehen kann, kurz: Es geht um die Gesellschaft selbst.

Bereits zu Beginn der Untersuchungsreihe zeichnete sich die enge Verknüpfung unseres Themas mit den Grundlinien der europäischen Moderne ab, und dieser Zusammenhang schälte sich bis zur jüngsten »Mitte«Studie 2012 immer deutlicher heraus.

Seit 2002 führen wir im Zweijahres-Rhythmus quantitative Erhebungen zur rechtsextremen Einstellung in Deutschland durch, die wir im Jahr 2008 durch eine Gruppendiskussionsstudie ergänzten, und die zuletzt in die Veröffentlichung »Die Mitte im Umbruch« mündete (Decker, Kiess & Brähler 2012). Nicht alle Ergebnisse lassen sich in einer Veröffentlichung bündeln. Deshalb knüpfen wir mit dem vorliegenden Band »Rechtsextremismus der Mitte« an die letzten Befunde an.

2012 hatten wir den gesellschaftlichen Umbruch als zentrale Bedingung für die Entstehung rechtsextremer Einstellung identifiziert. Der hier ausgeführte theoretische Rahmen (s.Kap. 2 im Buch), der bereits der letzten Veröffentlichung zugrunde lag, hatte dort nicht den Raum für eine ausführliche Darstellung gefunden.

Der Umbruch der modernen Gesellschaft ist weder ein singuläres Phänomen noch ein periodisches. In der Moderne ist der Umbruch auf Dauer gestellt. Damit ist der deutlichste Unterschied zum Begriff der »Krise« gekennzeichnet. Wir haben es mit einem dauerhaften Umbruch in der Gesellschaft zu tun, der zwar auch durch Krisen zur Erscheinung kommt, aber doch mehr als eine bloße Erschütterung des Tagesgeschäftes ist. Darüber hinaus findet in diesem Begriff auch die Beschleunigung der Gesellschaft ihren Ausdruck. Der Umbruch ist nicht nur beständig, er ist auch expansiv, so dass die gesellschaftlichen Verhältnisse einem immer schnelleren Wandel zu unterliegen scheinen.

Wir haben deshalb untersucht, wie beständig die Erschütterungen der gesellschaftlichen Verhältnisse sind, auf denen die Gesellschaft selbst basiert. Damit ist diese »Mitte«-Studie einer umfassenden und vor allem weitgreifenden sozialpsychologischen Gegenwartsdiagnose gewidmet, denn die Beschleunigung selbst gibt Auskunft über etwas viel Älteres: das Streben hin auf ein messianisches Morgen. Hierin liegt die Ursache für die kontinuierliche Bemühung zu mehr Wachstum und Entwicklung in der modernen Gesellschaft. Das erlösende Morgen muss das unzulängliche Heuterechtfertigen.

Die Gegenwart bezieht ihre Legitimation nicht aus sichselbst, sondern aus einer besseren Zukunft. Eine auf Wachstum angelegte Ökonomie birgt damit ein aus dem Christentum stammendes, messianisches Moment. Sie ist in diesem Sinne eine Heilsökonomie. Die von Émile Durkheim beschriebene Anomie, der Verlust einer allgemein verbindlichen Religion, ist also nicht so allumfassend gewesen, wie vermutet. Es war eher eine Verschiebung und Verdichtung – die Säkularisierung wurde gar nicht abgeschlossen. Leben wir aber noch immer in einer versteckt sakralen Gesellschaft, dann erhält der in der Forschung bestätigte Zusammenhang von Anomie und Rechtsextremismus eine neue Rahmung.

Nicht zufällig begleiten beide Phänomene – unter wechselnden Bezeichnungen – die Gesellschaften der Moderne von Anfang an.

Der inzwischen omnipräsente Bildschirm – zuerst als Fernseher und Leinwand, nun als Smartphone und Tablet – ist das wirkmächtige Medium der Beschleunigung. Hier zeigt sich der Strukturwandel der Öffentlichkeit deutlich: Informationsleistung und politische Auseinandersetzung sind Kulturindustrie und Werbekanal gewichen. Das hat weitreichende Konsequenzen für den Ort der Demokratie. Die Frage lautet, wo letztlich die Agora, der Ort, an dem Demokratie stattfindet, liegt, wenn der beständige Umbruchsimperativ der sich selbst beschleunigenden Moderne hierfür Raum und Zeit verknappt. Dem Verständnis dieser Entwicklungen ist Kapitel 2 gewidmet.

Kapitel 3 ist als beschreibende Annäherung an Politik und Leben in Deutschland 2012 zu verstehen. Fragen der Demokratieakzeptanz, Partizipation und Legitimation der Demokratie werden darin in Bezug zur ökonomischen Verfassung der Gesellschaft und der Erfahrung von Beschleunigung und Anomie betrachtet. Zum einen verweisen die empirischen Ergebnisse auf die vorangestellten theoretischen Überlegungen,zum anderen stellt dieses Kapitel eine Brücke zu den analytischen Kapiteln 4 und 5 dar.

Die Persistenz des Autoritären

Die rechtsextreme Einstellung wird in Kapitel 4.1 in ihrer zeitlichen Dimension untersucht. Die seit 2002 gesammelten Daten gestatten es zum ersten Mal, die Zustimmung zu den Dimensionen der rechtsextremen Einstellung nach Altersgruppen zu differenzieren. Das fördert Überraschendes zutage. Im langjährigen Mittel wird sichtbar, dass die rechtsextreme Einstellung bei zwei Gruppen besonders stark ausgeprägt ist: bei jungen Ostdeutschen einerseits und den älteren Westdeutschen andererseits. Wenn wir uns fragen, was diese beiden Gruppen gemeinsam haben, kommen wir auf die Folgen einer autoritären Vergesellschaftung. Mit dem Zusammenbruch von Gemeinschaften, die ihre Mitglieder autoritär integrierten, treten hier wie dort, damals wie heute, dieselben autoritären Aggressionen hervor. Wenn sich diese Interpretation bestätigt, ist die Konsequenz eine Stabilität der rechtsextremen Einstellung bei jüngeren Erwachsenen in Ostdeutschland. Der Zeitverlauf, den wir im Anschluss dokumentieren, spricht für diese Vermutung. Die Zustimmung, die antidemokratische Aussagen finden, schwankt zwischen den Altersgruppen. Aber sie schwankt auch über die Gruppen hinweg mit derselben Tendenz, wenn sich tagespolitische Ereignisse auswirken. In den Altersgruppen scheint die Einstellung dagegen eher durch geteilte sozialisatorische Erfahrungsräume bestimmbar zu sein, als durch gegenwärtige politische Entwicklungen. Trotz dieser Persistenz des Autoritären deutet sich eine Veränderung im Vorurteil an, dem »Fremde« ausgesetzt sind.

Zur autoritären Aggression tritt noch eine weitere Motivation hinzu. In Kapitel 4.2 soll dieser Wechsel verzeichnet werden. Um die These vom religiösen Untergrund der modernen Gesellschaft zu plausibilisieren und gleichzeitig das integrierende Potenzial der Ökonomie zu untersuchen, greifen wir das Konzept der Alltagsreligion von Detlev Claussen auf. Antisemitismus und Islamfeindschaft sind Vorurteile und Ressentiments, die nicht zufällig etwas gemeinsam haben: die Objekte der Projektion sind Angehörige von Religionen. Diese Gemeinsamkeit wird im Vorurteil akzentuiert, und die Differenzen zwischen den Mitgliedern der so konstituierten Gruppe werden, in Verzerrung der Realität, verleugnet. Das sagt mehr über Eigenes aus als über das so beschriebene Fremde, nämlich über den sakralen Glutkern der modernen Gesellschaft. Gleichzeitig wird die Abwertung der Andersgläubigen umso notwendiger, je zweifelhafter die eigene Heilsökonomie erscheint.

In Kapitel 5 wird der Versuch fortgesetzt, die unterschiedlichen Zugänge der Sozialpsychologie in die Analyse der modernen Gesellschaft einzubeziehen. Die Differenz der theoretischen Zugänge lässt sich nicht additiv lösen. Aber: Nicht in der Summe, sondern im Unterschied selbst kommt der Gegenstand zur Sprache. Solange die Gesellschaft disparat und widersprüchlich ist, wird ihre theoretische Erfassung nicht einheitlich sein können. Dasselbe gilt für das Individuum, dessen psychische Struktur sowohl dem Vergesellschaftungsprozess einer in sich widersprüchlichen Gesellschaft geschuldet ist, als auch den Dynamiken von Gruppenprozessen. Die aus unterschiedlichen theoretischen Perspektiven vorgenommenen empirischen Analysen zeitigen interessante Ergebnisse. Die Untersuchung von Verschwörungstheorien mit ROLAND IMHOFF (Kap. 5.1) und ihrer Verbreitung und Ausprägung in der Bevölkerung weist ihre Bedeutung zur Reduktion von Kontingenzerfahrung nach. Dasselbe Motiv liegt dem in Kapitel 5.2 mit IMMO FRITSCHE und JANINE DEPPE analysierten Ethnozentrismus zugrunde… … … a.d. Vorw. zu Rechtsextremismus der Mitte

  • Oliver Decker, PD Dr. phil., Dipl.-Psych., ist Vertretungsprofessor für Sozial- und Organisationspsychologie an der Universität Siegen und Honorary Fellow am Birkbeck College der University of London. Johannes Kiess , M.A., ist Politologe und Mitarbeiter am Institut für Soziologie der Universität Leipzig. In seinem Dissertationsprojekt beschäftigt er sich mit der Rolle von Verteilungskonflikten für die Herausbildung einer europäischen Gesellschaft.
  • Elmar Brähler , Prof. Dr. rer. biol. hum., ist Leiter der Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie der Universität Leipzig und u.a. Mitglied im Rat für Sozial- und Wirtschaftsdaten und im Hochschulrat der Universität Leipzig.

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29 Kommentare

  1. @efem : „Und das allein zählt.“

    eben nicht !

    Die davon unmittelbar Betroffenen und ihre Nachkommen werden permanent auf Revision und Vergeltung setzen. Die Weltgeschichte ist randvoll damit. – Damit muss der Vertreiber aber zukünftig leben und sich darum Sorgen machen…

    • „Patriotismus wird gern als “Rechtsextremismus” dargestellt.“

      der deutsche patriotismus wird noch mit misstrauen gesehen.

      und wenn du nachdenkst, sogar unter deutschen haben eine lange
      zeit lang nur die rechten mit der fahne rumgewedelt.

      J

  2. „Wenn ich mir die mehr als sechzig Jahre israelischen Kolonialismus so durchdenke, wirkt Deine Begeisterung für einen Palästinensischen Staat in den Grenzen von 67` etwas klein.

    Aber wahrscheinlich lese oder rechne ich falsch. Sonst könnte ich auf die Idee kommen, dem Aufruf eine Negierung des Existenzrechtes Israels zu entnehmen“

    Man kann auch zu einem anderen Schluss kommen. Es ist keine Frage, dass die Vertreibung der Palästinener das war,was man ein Kriegsverbrechen nennt.

    Israel wurde gegründet – es ist anerkannt – es ist etabliert.

    Das ist Fakt. In der Politik muss man pragmatisch sein. Die Palästinenesr selbst waren das ja auch indem sie Israel anerkannten und den Staat Palästina jenseits der Grünen Linie ausgerufen haben.

    Daher halte ich es für das segensreichste eine Lösung im Einklang mit dem Völkerrecht und zwei Staaten nebeneinander anzuvisieren.

    Für eine friedliche Koexistenz wäre es allerdings sehr segensreich, wenn die Israelis ehrlich zurückschauen würden und die Nakba und das damit einhergehende Elend anerkennen würden.

    Das wäre wohl der beste Weg zu einem neuen gegenseitigen Verständnis zu kommen, wie es langfristig für gute nachbarschaftliche Beziehunen zu wünschen wäre.

    Die Geschichte der Nakba ist kein Ruhmesblatt für Israel – auch wenn man in Israel die Geschichte gerne aus einer ganz anderen Perspektive wahrnimmt.

    Ich gehe davon aus, dass die Unterzeichner des Aufrufs das genauso sehen – sicher sprechen sie Israel nicht das Existenzrecht ab. Das steht auch gar nicht zur Debatte.

    • „Es ist keine Frage, dass die Vertreibung der Palästinenser das war,was man ein Kriegsverbrechen nennt.“

      Palästinenser? Damals waren, vor der Ausrufung Israels, alle Leute westlich des Jordans mit Ausnahme des Personals der Mandatsmacht Palästinenser, Bewohner des britischen Mandatgebiets Palästina. Auf den Geldscheinen stand „Palästina“ bzw. das Äquivalent in hebräischer, arabischer und lateinischer Schrift, auf den Briefmarken, Pässen usw. ebenso.

      Militante Gruppen auf beiden Seiten versuchten sich – wohlgemerkt vor dem Inkrafttreten des UNO-Beschlusses – gegenseitig zu vertreiben, z.T. auch zu massakrieren. Unter den Augen der Mandatsmacht, die dagegen vorging. Jedenfalls lief das auf rel. niedrigem Level, war, höchstens, ein unerklärter Kleinkrieg, der mit Guerilla-Methoden geführt wurde, unter dem die Unbeteiligten litten und der zu keiner eindeutigen Ãœberlegenheit einer Seite führte.

      Eine sehr gute online-Einführung dazu bietet http://de.wikipedia.org/wiki/Palästinakrieg

      bis zum Kapitel „Unabhängigkeitserklärung Israels und Invasion der arabischen Armeen“

      Darunter steht, wie es weiterging.

      Kaum war Israel konstituiert, rückte eine Ãœbermacht arabischer Armeen an, um „die Juden ins Meer zu treiben“.

      Das, obwohl die Wikipedia AutorInnen es nicht so nennen, war ein Angriffskrieg,

      war ohne Wenn und Aber ein lupenreines Kriegsverbrechen,

      so gut wie fast jeder Angriffskrieg. Nur gab es danach kein Nürnberg, sondern „nur“ Waffenstillstand.

      Du, Jane, meinst zwar, die Angreifer seien moralisch berechtigt gewesen zu dem Angriff, um ihre arabischen Landsleute zu schützen. Ist genauso unhaltbar wie Hitlers Begründung, in der Tschechoslowakei einmarschieren zu müssen, um den dort lebenden Sudetendeutschen zur Hilfe zu kommen.

      Vielmehr sollten diese Armeen die Absicht ihrer Staatsführer umsetzen, das scheinbare Machtvakuum nach Abzug der britischen Mandatsmacht ausnutzend, bis ans Meer vorzustoßen, um, Nebeneffekt, die Juden zu verjagen und aber, Hauptzweck, ihr Herrschaftsgebiet zu vergrößern, wobei sie ihren Mitstreiter Jordanien verdächtigten, sich alles unter den Nagel reißen zu wollen und, um das zu verhindern, schon deshalb sich beteiligten, wie es in Wikipdia am Beispiel Syrin erklärt ist: „Das öffentlich nicht eingestandene Hauptziel der Regierung war dabei nicht die Unterstützung der pan-arabischen Kriegsziele, sondern die Erlangung eines territorialen Faustpfandes gegen eine mögliche jordanische Expansion auf palästinensischem Territorium.“

      Womit alle zusammen den Teilungsplan hätten zu Makulatur werden lassen und es anschließend weder ein Israel moch ein Palästina gegeben hätte, sie sich aber vermutlich bei der Verteilung der Beute in die Haare geratn wären.

      Man kann es garnicht oft genug wiederholen: der von der UNO beschlossene neue arabische Staat an der Seite Israels wurde durch arabische Militärmächte torpediert und erfolgreich verhindert, was sich dann zeigte nach dem Waffenstillstand, als weder Ägypten noch Jordanien auch nur im Traum daran dachten, den Bewohnern der von ihnen eingenommenen und kontrollierten Gebiete die Chance zur Gründung ihres später als Palästina bezeichneten Staates zu geben.

      Israel wurde keine Zeit gegeben, sich mit dem Problem der in seinem Gebiet ansässigen Araber auseinanderzusetzen, wozu es natürlich, auf friedlichem Wege, nach seiner Gründung quasi gezwungen gewesen wäre.

      Die Folgen eines Angriffskrieges trägt der Unterlegene seit es Menschen gibt. War etwa die Vertreibung der Ostdeutschen über die Oder-Neisse-Grenze ein Kriegsverbrechen? Aus der Sicht vieler Pommern, Schlesier usw.: Ja. Aber nicht aus völkerrechtlicher. Und das allein zählt. Genau wie im früheren Mandatsgebiet Palästina.

    • @ Janes: Oje, oje: Die Alten (Palästinenesr) antworten. Und das in einem Duktus der ähnlich alten Asta Mitgliedern durchaus bekannt vorkommt. Pragmatismus und etabliert war eigentlich wenigstens damals ein Synonym für: „können wir jetzt wenig machen, ändern wir dann.“

      Überraschenderweise erscheint mir die Stuttgarter BDS Erklärung demgegenüber recht klar:

      „Zionismus war und ist eine koloniale Siedlerbewegung und Israel ist ein kolonialer Siedlerstaat. So lange dies so bleibt, wird selbst ein Rückzug aus der Westbank und dem Gazastreifen und die Schaffung eines Bantustans, die Enteignung und die ethnische Säuberung, die 1948 begann, nicht beenden.“

      Ob dies so ein richtig Frieden stiftender Ansatz ist?

      Nach Existenzrecht klingt dies -natürlich nur für mich und persönlich- denn doch nicht ganz so.

      (Übrigens, kennt Ihr noch ein Land, das auf die mehrfach angekündigte Abstimmung zur Eigenstaatlichkeit wartet, durch sich ständig ändernde Grenzwälle begrenzt ist, nie eigenständig war, der regionalen Ländergemeinschaft angehört, von zig UN Staaten anerkannt wird und vor dem Palästinensischen Staat seine Unabhängigkeit ausgerufen hat. Scheint mir bei einigen hiesigen Problemlösern in Vergessenheit geraten zu sein, wäre doch auch ein schönes Betätigungsfeld )

      Um sinnvoll zu Argumentieren sollte, wieder meiner persönlichen Meinung nach, eine gewisse Stringenz für ein, zwei oder was weiß ich für Ideen in der Region vorhanden sein.

      Hauptsache dagegen, reicht nicht!

  3. Antisemitismus und Islamfeindschaft sind Vorurteile und Ressentiments, die nicht zufällig etwas gemeinsam haben: die Objekte der Projektion sind Angehörige von Religionen. Diese Gemeinsamkeit wird im Vorurteil akzentuiert, und die Differenzen zwischen den Mitgliedern der so konstituierten Gruppe werden, in Verzerrung der Realität, verleugnet. Das sagt mehr über Eigenes aus als über das so beschriebene Fremde, nämlich über den sakralen Glutkern der modernen Gesellschaft. Gleichzeitig wird die Abwertung der Andersgläubigen umso notwendiger, je zweifelhafter die eigene Heilsökonomie erscheint.

    Diese These findet meine volle Unterstützung. Anzunehmen, wie Uri Degania es intendiert, diese Haltung wäre vor allem bei Linken zu finden, ist Unsinn. Die BDS Bewegung wird von Nicht-Juden und Juden getragen, die eben für die Wahrung der Menschenrechte ALLER Menschen zielgebend ist – xenophobe und islamfeindliche, anti- wie auch philosemitische Gesinnung, die Kritik an Israel zu delegitimieren versucht, findet sich, das eine wie das andere, eher im rechten Spektrum, wenn man mal von den Anti-Deutschen absieht.

    „Die Rechtsaußenchefs führten in Israel „politische Gespräche“ aus Anlass einer Tagung, zu der dortige Hardlinerpolitiker in die Stadt Ashkelon am Mittelmeer geladen werden. Dabei soll ab heute über „Strategien gegen den islamischen Terror“ beraten werden. Aus Sicht der europäischen Rechtsprominenz beinhaltet das natürlich hauptsächlich die Abwehr gegen Einwanderung und die Verweigerung gleicher Rechte für in ihren jeweiligen Ländern lebende „Ausländer“. Für die beteiligten israelischen Rechten gegen es hingegen um Siedlungsbau und das Verweigern jeglichen Territorial- oder sonstigen Kompromisses mit „den Arabern“

    Es wäre falsch, anzunehmen, dass der Antisemitismus aus der extremen Rechten verschwunden sei, etwa aus taktischen Rücksichtnahmen auf bürgerliche Bündnispartner. Einige ihrer Protagonisten plädieren dafür. Und der in mancherlei Hinsicht „atypische“ niederländische Rechtsauβenpolitiker Geert Wilders – der soeben erst in Tel Aviv für eine Ausweitung der jüdischen Siedlungen im Westjordanland plädierte und rund 45 mal Israel besuchte – geht noch mehrere Schritte weiter. Er scheint wirklich davon überzeugt zu sein, dass Israel wie auch „die Juden“ für Seinesgleichen Verbündete gegen „den Islam“ seien. “

    http://www.heise.de/tp/artikel/33/33797/1.html

    Der Hass gegen Linke und die Sehnsucht nach einem homogenen Volkscharakter veranlasste den norwegisch-völkischen Nationalisten zu einem Massenmord an der sozial-demokratischen Jugend, die für ein kulturelles Miteinander steht.

    In seinen Schriften sympathisiert er mit Israel.

    „Es ist eine seltsame Szene, die ihren Ausdruck in solchen Blogs findet und in der sich Breivik bewegte: tatsächlich pro-westlich und ausgesprochen pro-amerikanisch, Israel freundlich zugetan, dagegen aber deutlich anti-muslimisch, aggressiv christlich und „wehrhaft“, „mono-kultistisch“ und offen feindlich gegen alles, das liberal, links, „Multi-Kulti“ und „internationalistisch“ ist. Nazis verabscheut diese „patriotisch-nationalistische“ Szene dabei, Sympathien und informelle Kontakte pflegt man hingegen mit der US-amerikanischen Tea-Party-Bewegung, zur FPÖ, aber auch in die rechte Fußball-Fan-Kultur der „Casuals“ – und zur britischen „English Defence League“ (EDL).

    Die gilt zwar als militant und ultrarechts, kooperiert aber auch schon mal mit der unter Terrorverdacht stehenden Jewish Defence League (JDL) – undenkbar bei der „Konkurrenz“ aus dem Neonazi-Lager. Das geht bis zu gemeinsamen Veranstaltungen und Demonstrationen. Die Allianzen in dieser Szene sind so überraschend wie eindeutig: Hauptsache, es geht gegen Muslime.“

    http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/anders-breivik-der-attentaeter-und-die-hassblogger-a-776275.html

    „The Jerusalem Post describes his support for Israel as a „far-right Zionism“. He calls all „nationalists“ to join in the struggle against „cultural Marxists/multiculturalists“.[11]

    He summarizes his goals, stating „I believe Europe should strive for: A cultural conservative approach where monoculturalism, moral, the nuclear family, a free market, support for Israel and our Christian cousins of the east, law and order and Christendom itself must be central aspects (unlike now).“

    http://en.wikipedia.org/wiki/Anders_Behring_Breivik

  4. „..das Streben hin auf ein messianisches Morgen. Hierin liegt die Ursache für die kontinuierliche Bemühung zu mehr Wachstum und Entwicklung in der modernen Gesellschaft. Das erlösende Morgen muss das unzulängliche Heuterechtfertigen.

    Die Gegenwart bezieht ihre Legitimation nicht aus sichselbst, sondern aus einer besseren Zukunft. Eine auf Wachstum angelegte Ökonomie birgt damit ein aus dem Christentum stammendes, messianisches Moment. Sie ist in diesem Sinne eine Heilsökonomie.“

    Und was veranlasst Juden in die besetzten Gebiete zu ziehen? Bei den Überzeugungstätern handelt es sich ja ebenso um Messianisten, die den Konflikt bewusst schüren, um ihre Heilsversion selbstständig zu realisieren. Das ist also weiß Gott nicht nur ein christliches Momentum, sondern vermutlich ein strukturelles wesentliches Element zahlreicher Religionen.

    Dass die Gegenwart ihre Legitimation aus dem Streben nach einer besseren Zukunft, ja auf einer messianischen Heilslehre beruht – dafür gerade ist die israelische Besatzungspolitik auch ein recht gutes Anschauungsobjekt.

  5. In den 30ern wäre es sicherlich angezeigt gewesen Deutschland und deutsche Unternehmen zu boykottieren – was zum Teil wohl recht spät, auch geschah.

    Die Sanktionen gegen Deutschland unterlief übrigens der GroßVater von George Bush – Prescott Bush – als Geschäftsführer der Harriman Bank, der durch seine Geschäfte mit den Nazis einen Grundstein für das Familienvermögen legte:

    “ Die Harriman Bank war der wichtigste Wall-Street-Kontakt für deutsche Firmen und die verschiedenen finanziellen Interessen von Fritz Thyssen in den USA, der bis 1938 ein früher finanzieller Unterstützer der NSDAP gewesen, jedoch 1939 aus Deutschland geflohen war und eine kritische Haltung zu Hitler eingenommen hatte. Handel mit dem Deutschen Reich war nicht illegal, bis Hitler den USA den Krieg erklärte. Das änderte sich sechs Tage nach Pearl Harbor, als Präsident Roosevelt den Trading With the Enemy Act unterschrieb. Am 20. Oktober 1942 ordnete die US-Regierung die Einstellung des Bankverkehrs mit Deutschland in New York an.

    1942 wurden Bushs Geschäftsanteile an der Union Banking Corporation enteignet, einem Unternehmen, in dessen Management er tätig war und das gegen den Trading with the Enemy Act verstoßen hatte. Als Entschädigung erhielt er dafür 1,5 Millionen Dollar, die er als finanzielle Grundlage für das spätere Engagement der Familie Bush in der texanischen Ölindustrie nutzte.

    …Die Journalistin Eva Schweitzer kommt in ihrem Buch Amerika und der Holocaust zu dem Urteil: „Sie haben an den ganzen Geschäften mit der Schwerindustrie verdient und hinterher noch Entschädigungen kassiert. Ein Gutteil ihres Vermögens stammt aus Geschäften mit dem Dritten Reich.““

    http://de.wikipedia.org/wiki/Prescott_Bush

    „Ein gern verschwiegener Teil der Bush-Geschichte ist die Tatsache, dass Prescott Bush, der Großvater des heutigen Präsidenten, die Familie durch Geschäfte mit den Nazis zu erheblichem Reichtum geführt hat.

    Bush nutzte seine guten Kontakte zum Harriman-Clan, die aus der gemeinsamen Mitgliedschaft im Geheimorden Skull & Bones an der Yale-Universität stammten.“

    http://www.uni-muenster.de/PeaCon/global-texte/g-a/g-ss/AmericanEmpire/nazis.htm

    „Deutsche Zionisten sprachen sich übrigens in den 30ern ausdrücklich GEGEN einen internationalen Boykott Deutschlands aus. Die völkische Separation, ja die Nürnberger Rassengesetze, sahen sie als Erfüllung zionistischer Forderungen. …Deutlich wird dies in den Worten Ben Gurions: »Wenn ich wüßte, daß es durch Transporte nach England möglich wäre, alle (jüdischen) Kinder aus Deutschland zu retten, durch Transporte nach Palästina aber nur die Hälfte, würde ich mich für Letzteres entscheiden. Denn wir müssen nicht nur das Leben dieser Kinder abwägen, sondern auch die Geschichte des Volkes Israel.«

    http://www.marxismus-online.eu/display/dyn/xe7d6cc76-59b3-4ce6-9696-dd4a5f4727e1/content.html

    Das von den Zionisten mit den Nazis ausgehandelte Hawaara Abkommen wurde von anderen jüdischen Vereinigungen heftig kritisiert.

    Ein maßgebliches Motiv der Nazis für das Hawaara-Abkommen, welches einen teilweisen Transfer jüdischen Vermögens nach Israel ermöglichte, war es die weltweite jüdische Boykottbewegung zu spalten.

    – ein gutes Beispiel für eine erfolgreiche Boykottierung ist der Boykott gegen Süd-Afrika. Natürlich wendete der sich nicht gegen süd-afrikanische Individuen, sondern gegen die Apartheidpolitik. Heute ist Süd-Afrika ein in der Welt recht beliebtes Land.

    Heute gibt es gute Gründe Israel zu boykottieren, da Israel seit zig Jahren das Völkerrecht, zahlreiche UNO-Resolutionen und fundamentale Menschenrechte von Millionen Palästinensern systematisch missachtet.Nach allemdem scheint es illusionär auf einen Kurswechsel Israels noch weiter zu hoffen:

    „Erklärung Jüdischer Aktivisten und Organisationen,
    die sich für BDS gegen Israel einsetzen

    Weil akademischer, kultureller und ökonomischer Boykott, Des-Investitionen und Sanktionen gegen Israel:

    von der palästinensischen Zivilgesellschaft als Antwort auf die Besetzung und Kolonisierung ihres Landes eingefordert werden,

    ein moralisches Mittel der gewaltlosen und friedfertigen Erwiderung auf mehr als sechzig Jahren israelischen Kolonialismus sind und
    geeignet sind, israelische Institutionen (sowie ihre Verbündeten und Partner) zu Recht zur Rechenschaft zu ziehen, die geschäftliche, kulturelle und akademische Beziehungen missbrauchen, um Israel von der Verantwortung für fortwährende Verbrechen gegen die Menschlichkeit reinzuwaschen:

    Die unterzeichnenden Organisationen und Individuen halten solange an ihrer Unterstützung von BDS-Initiativen gegen Israel fest, bis es seinen Verpflichtungen nachkommt, das unverzichtbare Recht des palästinensischen Volkes auf Selbstbestimmung anzuerkennen und dem Völkerrecht vollständig zu entsprechen.:::

    BDS ist nicht antisemitisch. Wir weisen die Auffassung zurück, dass der BDS Aufruf Palästinas im Jahre 2005 und die ausgehend von diesem entfaltete weltweite BDS-Kampagne in anti-jüdischen Ressentiments wurzeln. Im Gegenteil, BDS ist eine anti-rassistische Bewegung gegen die tägliche brutale Besatzung Palästinas und die militärische Bedrohung der Region durch den Staat Israel. Seine Fehldeutungen als Antisemitismus verzerren den wahren Charakter des palästinensischen Kampfes und sind zugleich eine Verunglimpfung und ein Verrat an der langen Geschichte des jüdischen Ãœberlebenskampfs und des Widerstands gegen Verfolgungen….“

    http://www.juedische-stimme.de/?p=149

    • „ein moralisches Mittel der gewaltlosen und friedfertigen Erwiderung auf mehr als sechzig Jahren israelischen Kolonialismus sind“

      Wenn ich mir die mehr als sechzig Jahre israelischen Kolonialismus so durchdenke, wirkt Deine Begeisterung für einen Palästinensischen Staat in den Grenzen von 67` etwas klein.

      Aber wahrscheinlich lese oder rechne ich falsch. Sonst könnte ich auf die Idee kommen, dem Aufruf eine Negierung des Existenzrechtes Israels zu entnehmen.

  6. Rechtsextremismus und Fanatismus hat viele Gesichter.

    Soeben hat Ahmad Mansour, 1976 als arabischer Israeli geboren, Diplom-Psychologe in Deutschland, eine vorzügliche Studie über seine eigene moslemische Radikalisierung als Jugendlicher in israel veröffentlicht.
    „Seit September 2010 arbeitet Ahmad Mansour als Wissenschaftlicher Mitarbeit des Zentrums für Demokratische Kultur in Berlin. Seine Schwerpunkte sind Salafismus, Antisemitismus sowie psychosoziale Fragen und Probleme bei Migranten muslimischer Herkunft. Er ist Mitglied der Arbeitsgruppe „Präventionsarbeit mit Jugendlichen“ der Deutschen Islam Konferenz und berät die European Foundation for Democracy.

    http://www.tagesspiegel.de/kultur/religioeser-fundamentalismus-ich-war-einmal-ein-islamist/7982968.html

  7. Ein Zitat hieraus:
    „Spätestens hier, wo das Ende des israelischen Staats angepeilt wird, belastet die deutsche Geschichte das naive moralische Engagement. Antisemiten, aber auch Kinder und Enkel antisemitischer Mitläufer oder Massenmörder, könnten sich – wenn auch aus edelsten Motiven – von derartigen Boykottaktionen gegen den Staat Israel hingezogen fühlen.
    1933 begründeten die Nationalsozialisten ihren Boykott jüdischer Geschäfte unter anderem damit, dass „jüdische Kreise“ Deutschland boykottieren wollten.
    Der heute als politisches Druckmittel gegen Israel geplante Boykott repräsentiert offenkundig im historischen Unbewussten vieler Deutscher nur eine Wiederholung der Geschichte. Derlei unbewusste Gleichsetzungen aber sind strikt zu vermeiden. Vorbedingung zu einem begründeten moralischen Urteil und vernünftigen politischen Handeln kann nur die nüchterne, das heißt, differenzierte Erkenntnis sozialer Fakten sein kann. Pointiert gesagt: Die deutschen Juden wären froh gewesen, hätten sie im April 1933 jene politischen Spielräume gehabt, über welche die israelischen Staatsbürger arabischer Nationalität heute verfügen.“

    • @ Uri: Oh,oh, : „Pointiert gesagt: Die deutschen Juden wären froh gewesen, hätten sie im April 1933 jene politischen Spielräume gehabt, über welche die israelischen Staatsbürger arabischer Nationalität heute verfügen.“

      Dies stellt natürlich, gerade in diesem Zusammenhang, die Frage: Was ist mit den nicht israelischen Staatsbürgern arabischer Nationalität. Wenn man es noch mal liest, Brumlik nicht für dumm hält, scheint mir dies der entscheidende Satz zu sein: “ … über welche die israelischen Staatsbürger arabischer Nationalität heute verfügen.“ nicht die arabischen, palästinensischen Bewohner des oder der Länder.
      Verbunden mit dem Satz: „Der 1. April 1933 hat – jedenfalls in Deutschland – die Voraussetzung für einen naiven Boykott israelischer Waren ein für allemal zerstört.“

      Lese ich persönlich etwas ganz Anderes.

  8. Micha Brumlik hat soeben in der taz einen feinen Beitrag zur beliebten antisemitischen Forderung „Boykottiert israelische Waren“ veröffentlicht:
    http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=sw&dig=2013%2F03%2F30%2Fa0182&cHash=1057aa0f9deb6089477fad280c03f050

    Auch die gestrige Filmdokumentation über die Flugzeugentführung und Befreiung in Entebbe (1976) zeigt, leider: Linksradikaler Antisemitismus schließt geistig und biografisch unmittelbar am Nazismus an. Dies ist auch das Thema von Wolfgang Kraushaars neuem Buch. Deprimierend…

  9. @fairness: Oh, Hinweis auf pharmacon.net – da haben Sie aber ins Volle getroffen… Wenn Sie wüssten… Böse Menschen, die Betreiber dieser Website (ich glaub noch böser als die Betreiber von haGalil.com -;) -;) 😉 😉
    Ãœbrigens: Medizin ist ja so furchtbar – darum sterben wir im Durchschnitt ja schon viel früher, im Schnitt mit etwa 82…
    Ja, diesmal ohne Ironie: Mitscherlichs haben ein wichtiges Buch vorgelegt, in den 60er Jahren…
    Ja, Bildung, Wissen zeigt sich im Googeln…

  10. nochwas: Es ist auch richtig, die Literatur von Alexander u. Margarete Mitscherlich über
    „Die Unfähigkeit zu trauern“ und
    „Eine deutsche Art zu lieben“ –

    zu lesen und zu empfehlen; Darin werden die Omnipotenzphantasien der Vor-Weimarer und der Führergläubigen Deutschen einfach und klar u. umfassend behandelt.

  11. Die Anklickung des mitgelieferten Links von Oliver Decker u. Elmar Brähler
    (Vorwort zu Rechtsextremismus der Mitte)

    führt mich auf diese seltsam-fragliche Seite :

    http://www.pharmacon.net/2013/03/scham/

    Ist das die wissenschaftliche Grundlage und/oder der thematische Wegbegleiter oder die Fortsetzung für den Artikel?
    Ein Pharmazieunternehmen gleich Meinungsbildenes Unternehmen? Viel Spaß!

    Es ist nie verkehrt, in Wiki nach Seymour Lipset und seinen anderen soziologischen Gegen-/ bzw. Wegbegleitern zu googeln. Kommt mehr dabei raus als sich diesen Kommentar ernsthaft zeitraubend zu widmen…

    • @ fairness

      April, April! Deinen „Scherz“ von wegen „seltsam-fragliche Seite“ hat zwar schon Uri Degania entlarvt, aber es lohnt, weiterzugehen, denn mit Scham hat es so einiges auf sich.

      Hier verfocht vor einigen Jahren eine damals sehr engagierte Posterin aus Israel – manche hefteten ihr das Label Neocon an, manche sahen in ihr einen Falken in Bezug auf den Nahostkonflikt, manche verehrten sie geradezu – die ihr schlüssig erscheinende Theorie von zwei sich gegenüberstehenden „Kulturen“, nämlich einerseits die „Schuldkultur“ des Westens, in der das Individuum für seine (Un-)Taten allein verantwortlich ist ohne dass die übrige Gesellschaft (Familie, größere Gemeinschaften) dadurch positiv betroffen oder auch, im Falle des (Un-), gebrandmarkt ist, andererseits die Schamkultur des, landläufig, Orients, in der das Handeln der/des Einzelnen sich genau gegenteilig auswirkt bzw. so betrachtet wird: http://de.wikipedia.org/wiki/Schamkultur

      Zwanglos lassen sich in der Schamkultur uns unverständlich erscheinende Phänomene wie etwa „Ehrenmorde“ einsortieren, ebenso der Aufruhr, der etwa um die Mohammed-Karikaturen entstand usw. „Im psychoanalytisch-therapeutischen Prozess ist Scham eine Hauptquelle für Widerstand, Verstrickungen und problematische Ãœbertragungs-Gegenübertragungs-Konstellationen.“

      Oder: „Einer für alle, alle für Einen!“*) Das hatten wir 12 Jahre lang… Es gibt, leider, viele Leute, die meinen, der (uralte) Spruch passe gut, um Zusammenhalt auszudrücken, ohne zu verstehen, dass sie sich damit dem Denken des Faschismus annähern, gegen den sie eigentlich vorgehen wollen. Nur ein Beispiel aus unzähligen Suchmaschinenergebnissen: http://braunraus.blogspot.de/2008_05_10_archive.html , vorletzter Satz. Anscheinend ist es nicht einfach, mit Scham, diesem Schielen auf ein gewähntes Empfinden der Mehrheit, umzugehen… Womit wir in dem interessanten Bereich der Gruppendynamik angekommen wären. Das „ist ein weites Feld“ (Grass).

      *) einfacher: „Führer befiehl, wir folgen dir!“

  12. Wo ist da die Messlatte, und was sind das für Fragen auf dem Fragebogen ? Setzt man statt „pseudowissenschaftlichen“ Fragestellungen, eher menschenrechtliche Fragen, sieht das Ganze sehr viel düsterer aus. Danach kommt man eher zu einer Verteilung, 95% potentiel in der Lage, aus ökonomischen Gründen auch zu morden, 4% nicht definierbar, 0.9% neutral, und 0.1% Menschen, die tatsächlich moderne Menschenrechte verarbeitet haben und sie auch praktizieren sowie verteidigen. Mein Fazit, Aussagen der Sozialpsychologie sind sehr schwammig und niemals falsifiziert.

  13. Was ist mit „Mitte“ gemeint? Ist es, wie es der von HenningM erwähnte Geiger betrachtet, der Mittelstand (der zusammen mit den Größen in der Industrie den Braunen sich nicht nur nicht widersetzte, sondern sie an die Macht brachte), oder aber die in einer Demokratie als solche bezeichnete Gruppierung, die als zwischen Links und Rechts angesiedelt gesehen und höchst unspezifiziert, weil eben nicht direkt von einer Partei vertreten, anzusehen ist?

    Und war es nicht schon immer so, dass diese Mitte sich in ihrer Position ungemütlich fühlte, weil sie sich als von Links und Rechts belagert sah?

    Ãœbrigens: Kann mal jemand den letzten Absatz des Artikels aus der sozialwissenschaftlichen Ausdrucksweise befreien und verdeutschen?

    Außerdem: Im Absatz „Die Persistenz des Autoritären“ wird eine Gemeinsamkeit von „älteren Westdeutschen“ und „jungen Ostdeutschen“ konstatiert. Weil beide Gruppen aus autoritären Zusammenhängen entlassen worden seien. Ja Moment mal: wie verhält es sich denn dann mit „älteren Ostdeutschen“? Die sind angeblich, lt. Gauck, von der einen Diktatur in die andere gerutscht. Oder spielt der in der DDR von staatswegen versucht gelöschte „sakrale Glutkern“ dabei ein Rolle? Puzzled…

    • @ efem: Man darf aber auch nicht vergessen, daß die älteren Westdeutschen 68 jung waren, eigentlich mit Thadden fleißig autoritäre Verhältnisse herstellten sollten und stattdessen „mehr Demokratie wag(t)en“ , wobei die Führung und ein großer Teil der NPD-Wähler damals dann ja eigentlich aus kleinen Äpfeln und… Verwirrend, verwirrend.

    • @ ente

      Also wenn schon: dann bitte „von Thadden“ http://de.wikipedia.org/wiki/Von_Thadden !

      Als die älteren Westdeutschen jung waren, gab es die im Artikel genannten jüngeren Ostdeutschen noch nicht, aber gleichaltrige Ostdeutsche, sorry Mitteldeutsche schon. Ja, und das treibt mich eben um, wo sind diese damals gleichaltrigen Ossis geblieben? In den Westen rübergemacht? Das wäre stimmig. Aber alle? Vielleicht die mit dem sakralen Glutkern (die uns jetzt regieren: Merkel, Gauck? Aber die blieben ja!)? Verwirrend, verwirrend.

  14. Wer so argumentiert, muss sich dann als erstes mal den politischen ‚Kultur-Bruch‘ von Gerhard Schröder unter die Lupe nehmen. Seine Agendapolitik kommt praktisch einem Mandantenverrat der ursprünglichen Wählerschaft seines Lagers gleich. Kaum, dass er mit Müh und Not die Wahlen 2002 noch mal gewonnen hatte (gegen Steuber) kündigte dieser eine ganz andere, neue Stoßrichtung an (mit lächerlichen Versprechungen, wie man weiss, und persönlich mit Abgang aus der Politik: nach seinem sich bald angekündigten Wahldebakel, beim selbst angesetzten nächsten Termin 2005).

    Damit hatte dieser eine ganze aufgeklärte Mittelschicht vor den Kopf gestossen und politisch heimatlos gemacht (einige Millionen im Lande).

    Es ist eben nichts unmöglicher, als einmal verloren gegangenes Vertrauen wieder zurück zu gewinnen (und das wird diese ehemals sozialdemokratische Partei auch 2013 bitter zu spüren bekommen). Heiner Geißler hatte es in einem Interview so wunderbar treffend ausgedrückt. „Die SPD hatte mit Schröder ihre Seele verkauft…“

    So, und was ist nun mit den Mengen, die sich von dieser Klientel-Politik „der Partei links von der Mitte“ abgewandt haben, was denken die, was machen die, wo (und ob überhaupt) werden die ihr Wählerkreuzchen machen, die ja offensichtlich jegliche politische Bindung verloren haben ?

    Da sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Und da sollten sich jene gut-situierten Bequembürger über Ursache und Wirkung Gedanken machen, die sich nun angeblich um die „Panik im Mittelstand“ sorgen machen. Wenn Leute mit gutem Hochschulabschluß und anschließender „Praktikantenkarriere“ gem. Hartz-IV-Verordungen sich auch als Klo-Reiniger und Lidl-Gehilfen bemühen sollten, dann hab ich durchaus Verständnis für deren Gefühlslage a la „Ich-scheiss-auf-dieses-Gesellschafts-und-WirtschaftSystem“. Ein System, von dem eine immer winziger werdene private Finanz- und Wirtschaftsoligarchie hervorragend profitiert. Nimmt es also wunder, dass von inzwischen immer mehr Betroffenen diese „deutsche Staatlichkeit“ als undemokratisch, majonetten- und lakaienhaft empfunden wird? (Stichwort: Parteien als geeignete Machtergreifungsagenturen nicht nur in D, sondern letztlich im gesamten EU-Apparat.)

    Da brauch ich nicht erst ein Geiger-Buch lesen: das allgemeine Unbehagen, das sich immer mehr ausbreitet, brodelt unter der bundesrepublikanischen Oberfläche.

    Hier und da äußert sich das dann (noch vereinzelt) im rechtsextremen Verbrechertum oder auch – zum Beispiel – im Totalkonvertitentum zum Salafismus. Hauptsache eben: total anders, total dagegen…

    Da man sich in D nicht – z.B. mit einer militärischen Bedrohung, welche viele Kräfte bindet – auseinanderzusetzen hat, ist der Focus, auf den die Mittelschicht gerichtet ist, ziemlich offensichtlich: dem „System“ laufen immer mehr gute Leute davon, weil eben die oben erwähnten „Demokraten“ keineswegs (mehr) sogenannte Volksvertreter sind (wie wir das so schön in der Schule mal gelernt hatten) sondern aufstiegswillige Parteichargen jener eingangs beschriebenen Machtergreifungsagenturen „CDU/CSU/SPD/GRÃœ/FDP“.

    Ãœbrigens: wenn die Exportsindustrie-Lobby, die die derzeitige Bundesregierung eigentlich ausmacht, so weiter macht, dann werden der Rest der EU-Länder auch bald hier nichts mehr kaufen können und wollen, von Finnland, Österreich und den Niederlanden vielleicht mal abgesehen. (Schulden dürfen sie ja eh nun nicht mehr machen.) Vielleicht auch mit Ausnahme der noch bestehenden Autoindustrie für „Premiumwagen“, da für die Reichen und Wohlsituierten weltweit bekanntlich Geld keine Rolle spielt…

    Und was dann? Na, dann möchte ich mal sehen, ob sich nicht der angedrohte „Rechtsextremismus der Mitte“ bahnbricht…

  15. 1930 hat der Soziologe Theoder Geiger die bahnbrechende Studie „Panik im Mittelstand“ veröffentlicht. In diesem Buch beschreibt er sehr gut, und auch noch für heute valide, wie sich die Mittelschicht durch diverse ökonomische und insg. gesellschaftliche „Erdrutsche“ zum Schluss regelrecht umzingelt und unter Beschuss genommen gefühlt hat – und aus dieser Wagenburgmentalität heraus den „besten“ Retter wählte – A.H. Ãœbrigens ist das Abgleiten der Mittelschichte vorher nicht mit Krach und Krawall gekommen, sondern peu a peu. Weil nämlich die Demokraten in Weimar an keiner „Front“ Ruhe garantieren konnten, nicht im Wirtschaftlichen, nicht im Kulturellen, nicht im Auspolitischen, nirgends. Es lohnt sich, das Buch von Geiger durchzulesen und Rückschlüsse auf Italien/Ungarn (!)/Spanien/Griechenland 2007ff. zu ziehen – und auf Deutschland 2013ff.

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