Willem Alexander und seine Ahnen aus Frankens Lonnerstadt

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Wenn  Kronprinz Willem Alexander im April zum König der Niederlande ausgerufen wird, darf auch der bayerische Markt Lonnerstadt mitfeiern. Denn von dort kommen jüdische Ahnen des künftigen Monarchen. In nur acht Generationen  vom 1720 geborenen bambergischen Schutzjuden Marx Gerst und seiner Frau Eva Chawwa an gelangten sie auf den Thron…

Von S. Michael Westerholz

Lonnerstadt in Mittelfranken als Wiege eines königlichen Geschlechtes? Ein ehrgeiziger  jüdischer Kleinbürger  und Immobilienhändler, der trotz unsicherer Existenz und Ablehnung durch seine Mitbürger, sowie ungeachtet  kaum mehr finanzierbarer Schutzsteuer-Forderungen der Obrigkeit einen sagenhaften Aufstieg schaffte  – das klingt wie das Märchen vom Goldregen. Und ist doch die reine Wahrheit. Der ehemalige Geschichtslehrer der Deutschen Bundeswehr und  heutige Ingenieur Johann Fleischmann (59) aus Mühlhausen und sein Arbeitskreis „Jüdische Landgemeinden an Aisch, Aurach, Ebrach und Seebach“  haben sie im Jahre 2011 in der 8. Ausgabe ihrer Buchreihe „Mesusa“ ans Licht gebracht. Auch „wikipedia .org“ sowie niederländische Websites haben Fakten dazu ausgegraben, Im Stammbaum des Klaus von Amsberg sel. A., der der Ehemann der nun scheidenden Königin Beatrix und Vater des Kronprinzen Willem Alexander war, wurden sie fündig.

Die Marktgemeinde Lonnerstadt, im Jahre 910 erstmals urkundlich genannt, hat  heute knapp 2000 Einwohner. Sie liegt inmitten einer Region, die bis zur radikalen Auslöschung durch die Deutschen durch große Judengemeinden und hervorragende jüdische Persönlichkeiten geprägt war. Eine eigenständige  Kultusgemeinde gab es in Lonnerstadt nie.  Erst 1676 kauft ein Abraham Schollum hier „ein Gütlein“.  Aber dann beginnt eine bewegte jüdische Dorfgeschichte:

  • 1699 ärgern sich christliche Nachbarn, weil jüdische Viehhändler erfolgreich sind;
  • 1705/06 wird ein Immobilienhändler David genannt;
  • 1715 lässt sich „der Judenknabe“  Abraham Hanock, 16 Jahre alt, taufen – er hält die grausige Armut seiner Familie nicht mehr aus und hofft auf Geschenke der Christen;
  • 1715 flehen die überschuldeten Nürnberger Patrizier Imhoff darum, dem jüdischen Interessenten Gerson ihr Herrenhaus in Lonnerstadt verkaufen zu dürfen. Herrschaft, Kirche und Nachbarn wehren Gerson ab.;
  • 1717 wird ein jüdischer Lehrer in Lonnerstadt erwähnt;
  • 1719 kauft aber Moyses Gerst aus der Ahnentafel des künftigen Königs Willem Alexander das Imhoffsche Herrenhaus für 400 Gulden – ein Vermögen.  Danach lassen sich mindestens zehn jüdische Familien in Lonnerstadt nieder.
  • 1734 gibt es dort elf jüdische Hausbesitzer inmitten des Ortes.

Judenschutzakten des 17. und 18. Jahrhunderts nennen  in Lonnerstadt rund 20  wiederkehrende jüdische  Personennamen – Familien, die einmal hier eingezogen waren, blieben meist über viele Generationen. Der „Judenschutz“, den die jeweiligen regionalen Herrscher garantierten, musste  teuer bezahlt  werden, bot aber nichts weniger als eine wirkliche Lebenssicherheit.

Die jüdische Basis für die nur acht Generationen  von Lonnerstadt bis zur Amsterdamer Krönungskirche  des künftigen Königs legte der 1720 geborene Marx Gerst. Der ließ sich und seine Kinder 1765 taufen, Ehefrau Eva lehnte das ab. Er hatte wegen einiger Kleingaunereien und durch den Neid seiner einst jüdischen Nachbarn einige Troubles. Seit er sich aber  Adam Friedrich Sensburg nannte, begann der Aufstieg- Der bescherte dem Sohn einen Adelsbrief und seinem Nachfahren in der 8. Generation eine Königskrone:

  1. Generation: Ernst Philipp Gerst, 1815 geadelt, als Freiherr von Sensburg Forstminister in Baden, verheiratet mit Thekla Schmitz.
  2. Generation: Tochter Anna von Sensburg ehelicht  1819 Maximilian Chellius;
  3. Generation: ihr Sohn Franz von Chellius  heiratet 1850  Marie Minet.
  4. Generation:  Tochter Warinka, die 1875 den Eberhard von dem Bussche-Ippenburg heiratet.
  5. Generation: Deren Tochter Baroness Gabriele heiratet  1896 Baron Georg von dem Bussche-Haddenhausen,
  6. Generation:  Ihre Tochter Gösta ehelicht 1924 Claus von Amsberg.
  7. Generation: Deren Sohn Claus heiratet 1966 Beatrix, Königin der Niederlande. Der ehemals deutsche Diplomat, erhält den Titel „Prinz der Niederlande“-
  8. Generation: Sie werden 1967 Eltern des Willem Alexander Claus Georg Ferdinand von Oranje-Nassau. Er besteigt am 200. Jahrestag der niederländischen Monarchie den Thron. Mehr als 66  Prozent seiner Landsleute trauen ihm die Fähigkeiten für den Job zu. Er wird der erste König nach 123 Jahren weiblicher Herrschaft – und heute ist schon sicher: Ihm wird wieder eine Frau folgen, die heute zehnjährige Tochter Catarina Amalia.

3 Kommentare

  1. Was soll dem geneigten Leser dieser Artikel nun sagen? Dass im Familienstammbaum des künftigen Königs der Niederlande im 18. Jahrhundert ein männlicher jüdischer Vorfahre auftaucht, dessen Nachkommen zum Christentum übertraten. Na und, beim Blick in die Stammbäume des europäischen Hochadels und nicht nur hier, tauchen hier und da immer wieder jüdische Vorfahre auf.

    • Na ich find solche genealogischen Forschungen interessant. Ausserdem befürworte ich die stärkere Vermischung deutscher und jüdischer Menschen. Hitlers Rassengesetze müssen ein für alle mal ad absurdum geführt werden. Was könnte ich heute sein, wenn Urgrossvater in die Rothschild-Familie eingeheiratet hätte ? Also jetzt bitte keine anzüglichen Witze, ein neuer Führer möchte ich nicht sein.

    • Deutsch und jüdisch ist kein Gegensatz. Nichtdeutsch und deutsch schon, genau wie nichtjüdisch und jüdisch. Die Nazis behaupteten, deutsch (bzw., das Gleiche bedeutend, „nordisch“) und jüdisch seien Bezeichnungen von Rassen. Alles klar? 🙂

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