Trotz fehlender Fraktionsstärke

0
24

In Frankreich unterzeichnen Rechtsextreme und konservative Abgeordnete gemeinsam Gesetzesvorschläge…

Von Bernard Schmid, Paris

Drei rechtsextreme Abgeordnete sitzen seit Juni 2012 in der französischen Nationalversammlung: der Anwalt Gilbert Collard (parteilos und als Kandidat des FN gewählt), Marion Maréchal-Le Pen (FN und Enkelin dessen Gründers) sowie Jacques Bompard. Letzterer ist der neofaschistische Bürgermeister von Orange. Er gehörte bis im September 2005 dem FN an, danach ab November desselben Jahres kurzzeitig der rechtskatholischen Kleinpartei MPF (Mouvement pour la France, „Bewegung für Frankreich“) des Grafen Philippe de Villiers. Heute steht er an der Spitze einer eigenen Kleinpartei, der Ligue du Sud, in deren Strukturen auch die Anhänger der „identitären“ Bewegung (Bloc identitaire und Ableger) vertreten sind. Bei seiner Wahl ins französische Parlament unterstützte ihn 2012 allerdings auch der Front National, an welchen er sich wieder angenähert hatte.

Die drei besitzen natürlich keine Fraktionsstärke und keinen -status, weder gemeinsam noch getrennt. Insofern hätte man erwarten können, dass sie in der parlamentarischen Arbeit vielleicht relativ isoliert bleiben. Doch weit gefehlt: Bei aus ihrer Sicht wichtigen Themen konnten sie nun gemeinsam mit konservativ-reaktionären und konservativ-wirtschaftsliberalen Abgeordneten Anträge, welche Gesetzentwürfe zum Gegenstand haben, unterzeichnen.

Am 17./18. Januar dieses Jahres wurde zunächst bekannt, dass Marion Maréchal-Le Pen einen Gesetzesvorschlag von einigen Abgeordneten der stärksten Oppositionspartei – der rechtsbürgerlichen UMP – mit unterzeichnet hatte. In ihm wird die Anerkennung der Ereignisse in der Vendée von 1793/94 als „Völkermord“ gefordert. In dieser westfranzösischen Region hatten sich Adelige sowie zahlreiche Bauern, die nach wie vor zu „Gott und König“ hielten, gemeinsam gegen die junge Republik (welche sich gleichzeitig im Krieg mit den europäischen Monarchien befand) erhoben. Letztere antwortete mit scharfer Repression, wobei man die Taten ihres Abgesandten Jean-Baptiste Carrier in Nantes – unter den Befehlen des alkoholkranken Wahnsinnigen wurden u.a. zahlreiche Gefangene in der Loire versenkt – durchaus als Massaker und Massenmord in Bürgerkriegszeiten bezeichnen kann. Seit langem benutzt die politische Konterrevolution und die extreme Rechte diese Ereignisse, die realen und einige dazu erfundene, um die Royalisten und die katholischen Reaktionäre der Anti-1789-Bewegung als unschuldige wahre Opfer der Revolutionsperiode hinzustellen. Seitdem Hitlers Völkermord den historischen Faschismus und Nazismus nachhaltig diskreditierte, wird von Rechtsaußen ferner versucht, diese Ereignisse in der Vendée von 1793 und 1794 als „Genozid“ zu charakterisieren, was schlicht falsch ist, und ihn dann gegen den Holocaust in die Waagschale zu legen.

So auch dieser Gesetzesvorschlag. Bereits im Jahr 1987 hatte Monsieur Opa, Jean-Marie Le Pen, einen Gesetzesantrag zum Thema in die damalige Nationalversammlung – der er während der kurzen Legislaturperiode 1986-1988 als Abgeordneter angehörte – eingebracht. Den jetzigen Text, den seine Enkelin unterzeichnete, brachte allerdings der konservative Rechtsaußen-Abgeordnete Lionel Luca (aus Nizza) ein. Der rechte Lucky Luke gehört der Parlamentariergruppe Droite populaire – rund 20 Abgeordnete vom rechten Flügel der UMP, in der Legislaturperiode 2007-12 waren sie noch 39 – an. Ein weiteres Mitglied dieses Zusammenschlusses, der Abgeordnete Dominique Tian, unterzeichnete den Initiativantrag ebenfalls. Er zog seine Unterschrift (im Gegensatz zu L. Luca und Anderen) wieder zurück, nachdem er erfuhr, dass auch die FN-Parlamentarierin ihn unterzeichnet hatte. Ferner unterschrieben der frühere Staatssekretär Alain Marleix, und die drei konservativ-reaktionären Abgeordneten des Départements Vendée in der französischen Nationalversammlung.

Erneut wurde Ende Januar 2013 publik, dass Gesetzesanträge aus den Reihen der UMP die Unterschrift von rechtsextremen Abgeordneten trugen. Dieses Mal waren es Gilbert Collard und Jacques Bompard, die gleich mehrere Initiativanträge unterzeichneten, welche sich gegen die geplante Legalisierung der Homosexuellen-Ehe – die Debatte dazu hat am 29.01.13 begonnen, und die entscheidende Abstimmung in dieser Frage findet voraussichtlich am 12. Februar d.J. statt – richten. Dies wurde am 29. Januar bekannt. Es geht um vier Anträge des Abgeordneten Jean-Pierre Decool, welche u.a. darauf abzielen, dass Bürgermeister sich „aus Gewissensgründen“ weigern dürfen, homosexuelle Paare in ihren Rathäusern zu trauen. Decool bekannte sich dazu, seine Anträge mitsamt Unterschrift der Rechtsextremen aufrecht zu erhalten: „Ich habe noch nie einem Abgeordneten verweigert, meine Anträge zu unterschreiben, dies liegt nicht in meinen Gewohnheiten“, erklärte er zu der Pariser Abendzeitung Le Monde.