Miriam Weissenstein: Legende der Geschichte des Landes Israel

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Miriam Weissenstein war eine Legende der Geschichte des Landes Israel. Die unersetzlichen Negative der Fotos der Unabhängigkeitserklärung liegen bei ihr zu Hause…

Ihr Mann Rudi Weissenstein ist damals der einzige Fotograf, der die Zeremonie fotografieren darf. Zusammen mit ihm dokumentiert sie die Geschichte und die Persönlichkeiten des jungen Staates über Jahrzehnte. Wer im Schaufenster ihres Ladens in der Allenbystraße in Tel Aviv als großes Porträt hängt, der wird gewählt – so sagt man.

Miriam Weissenstein ist nicht etwa weise oder milde geworden im Alter, nein sie blieb rastlos, kämpferisch und streitsüchtig wie eh und je. Gemeinsam mit ihrem Enkel Ben erhielt sie das unendliche Bilderarchiv des Landes – schlug jedes Kaufangebot ab und organisierte Ausstellungen in aller Welt. Die modernen Vermarktungsideen ihres Enkels findet sie ebenso seltsam wie sein unkonventionelles Leben. Mit beidem arrangiert sie sich trotzdem und streitet mit ihm lieber über wichtigere Dinge.

Tamar Tals preisgekrönter Film begleitet die beiden großherzigen und originellen Menschen mit viel Humor durch Höhen und Tiefen, durch private Tragödien ebenso wie bei persönlichen Höhepunkten, wie der Reise zu ihrer großen Fotoausstellung nach Frankfurt. Nach dem Film hat man den Eindruck, zwei Freunde in Tel Aviv zu haben, mit denen man gelacht und geweint hat, so sehr und so herzlich lässt einen der Film Anteil haben an ihrem bewegten Leben.

Miriam Weissenstein starb im Juli 2011 im Alter von 98 Jahren.

Life in Stills startet in folgenden Kinos

Vorstart ab 9.8. in folgenden Kinos
Frankfurt – Orfeos Erben
ab 16.8. in folgenden Kinos:
Berlin – Moviemento
Berlin – Lichtblick Kino
Essen – Filmstudio
Leipzig – Kinobar Prager Frühling
Köln – Odeon
Aachen – Apollo
ab 23.8. in folgenden Kinos
Dresden – Kino im Dach
und ab 30.8.
Regensburg – Kinos im Andreasstadl
München – Neues Arena
am 5.9.
Köln – Filmpalette
ab 6.9.
Hamburg: Abaton
ab 28.9.
Wiesbaden – Murnau Filmtheater

Israel 2012, 58 min
Produktion: Barak Heymann, Koproduktion: Tamar Tal, Produktionsleitung: Tali Shamir-Werzberger
Kamera: Daniel Kedem, Tamar Tal, Schnitt: Tal She, Zusätzlicher Schnitt: Eyal Tsarfati, Musik: Alberto Shwartz

MIRIAM UND RUDI WEISSENSTEIN

Das Schaufenster ist gefüllt mit wunderbaren Schwarz-Weiß-Porträt-Fotogra en von Berühmtheiten aus den prägenden Jahre Israels. Im Inneren bedecken Bilder aus Tel Avivs Stadtgeschichte die Wände. Als Rudi und Miriam Weissenstein 1940 die Zalmania in der Allenbystraße eröffnen, ahnen sie nicht, dass Rudi bald zum bekanntesten Fotografen Israels werden wird und ihr Laden eine Institution. Miriam Arenstein wird 1913 in einem Vorort von Prag geboren und kommt mit ihrer Familie als erste tschechische Familie 1921 nach Palästina. Sie studiert Sport und Gymnastik in Wien.1936 tri t sie in der Allenbystraße auf den gerade eingewanderten Fotografen Rudi Weissenstein. Sofort machen sie sich auf das Land zu fotografieren.

Vier Jahre später gründen sie das Photohouse. Zu Beginn fotogra ert er britische, kanadische und australische Soldaten, die Fotos zu ihren Freundinnen und Familien nach Hause schicken wollen. Dann, am 15. Mai 1948, bekommt Rudi Weissenstein eine geheime Einladung mit der Au orderung zum Rothschild Boulevard in festlicher Kleidung zu erscheinen. Dort macht er sein berühmtestes Foto: Ben Gurion proklamiert den Staat Israel – Rudi ist der einzige Fotograf. Bald fotogra ert er alle wichtigen Politiker des Landes, denn es heißt, wessen Portrait vor den Wahlen im Schaufenster des Ladens hängt, gewinnt die Wahl. Rudi wird zu fast allen wichtigen gesellschaftspolitischen Ereignissen eingeladen. Er wird der o zielle Fotograf der Philharmoniker.

Er dokumentiert die städtische Entwicklung Tel Avivs. Inzwischen  nden sich neben Fotos von David Ben Gurion, Golda Meir, Menachem Begin, Jitzhak Rabin und Schimon Peres fast eine Millionen Negative, die die Geschichte Israels dokumentieren. Seine Fotos sind in einem riesigen Archiv sortiert, das o en für jeden ist.
Fast täglich kommen Leute, um Bilder zu bestimmten Ereignissen oder Orten zu suchen, fast immer werden sie fündig.

Inzwischen hat Miriam Weissenstein, nachdem sie die Zalmania 12 Jahre lang alleine geleitet hat, Unterstützung von ihrem Enkel Ben. Gemeinsam halten sie das Archiv am Leben, geben Bildbände heraus, organisieren Ausstellungen in aller Welt. Schon oft wurde ihnen viel Geld für das Archiv geboten, aber sie wollen es nicht verkaufen. Sie wollen, dass das Archiv weiterhin jedem o en steht, am selben Ort in der Allenbystraße. Gemeinsam kämpfen sie erfolgreich um den Erhalt des Ladens, dessen Gebäude abgerissen werden und einem Neubau weichen soll. Am Tag der Tel Aviver Premiere des Films »Life in Stills« erö neten sie die Zalmania an seiner temporären neuen Adresse. Wenn der Neubau fertiggestellt ist, ziehen sie zurück.

TEL AVIV

Heute erinnert nur noch der schöne Stadtstrand an Tel Avivs Anfänge, als sich vor mehr als 100 Jahren die ersten Pioniere in den Sanddünen am Meer tre en, um die erste jüdische Stadt Palästinas zu gründen. Zionisten haben ein Stück Ödland von den Türken gekauft, nur wenige Kilometer entfernt von der arabischen Stadt Jaffa und geben ihrer Siedlung den bis heutige gültigen o ziellen Namen: »Tel Aviv« – so lautet die hebräische Übersetzung des Buchtitels »Altneuland« von  eodor Herzl. Tel Aviv wächst rasant und konkurriert auch bald ökonomisch und räumlich mit Ja a. Mitte der zwanziger Jahre leben hier bereits mehr als 30.000 Einwohner.

Der amtliche Status einer Stadt wird Tel Aviv erst 1934 verliehen. Zu dieser Zeit sind bereits zehntausende europäische Flüchtlinge in Palästina angekommen, mit ihnen viele Architekten, die am Bauhaus studiert hatten. Der schnörkellose sachliche Stil, den sie mitbringen, passt zu der Aufbruchstimmung dieser Tage: Tel Aviv soll eine moderne Stadt sein und nichts mehr mit den engen Gassen Osteuropas gemeinsam haben. Tel Aviv ist heute die Stadt mit den meisten Gebäuden des »Neuen Bauens« auf der Welt – ein Bauhaus Museum unter freiem Himmel. In einem dieser Häuser be ndet sich in der Allenbystraße das Photohouse.

Die ökonomische Konkurrenz und die gesellschaftlich räumlichen Trennungsversuche zwischen Ja a und Tel Aviv nehmen Anfang der vierziger Jahre weiter zu. Ja a ist eine zwar arabisch dominierte, aber dennoch gemischte Stadt – auch wenn immer mehr jüdische Bürger nach Tel Aviv abwandern. Dies ändert sich erst nach der Proklamation des israelischen Staates 1948, als im Zuge des darau olgenden Krieges ein Großteil Gesamtstadt lautet seither Tel Aviv-Yafo. Jaffa wird lange vernachlässigt, der Stadtteil gilt als arm und kriminell. In den achziger Jahren beginnt man schließlich von Tel Aviv aus, Jaffa touristisch und sozial ›aufzuwerten‹ – ein bis heute anhaltender Prozess der Umgestaltung und Privatisierung.

Ebenso im Prozess der Aufwertung sind die zwischenzeitlich verfallenen Bauhausviertel im Zentrum, für die die Stadt berühmt ist. Die Stadtverwaltung beginnt in den neunziger Jahren eine Übersicht herzustellen, um herauszu nden wieviele historische Gebäude es überhaupt gibt und welche davon erhalten werden sollen. 2003 wird Tel Aviv von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt und 2009 werden etwa 1.000 der historischen Bauten unter Denkmalschutz gestellt.
Das Gebäude des Photohouse ist nicht dabei.
Inzwischen hat Tel Aviv-Yafo 350.000 Einwohnern und gilt mit seinem wilden Nachtleben als einer der tolerantesten und brodelnsten Orte der Region.

TAMAR TAL ÜBER IHREN FILM

»Als ich das Photohouse zum ersten Mal betrat, hatte das etwas Magisches. Die Vergangenheit wird in diesem Laden zum Leben erweckt: Fast eine Millionen Fotos an Wänden und in Schubladen erzählen die Geschichte Tel Avivs und Israels.

Aber am meisten war ich fasziniert von Miriams außergewöhnlichem Charakter und ich beschloss sie und ihr Lebenswerk zu dokumentieren. Einige Zeit, nachdem ich den Kurz lm »Die eiserne Lady und das Photohouse« fertiggestellt hatte, lernte ich ihren Enkelsohn Ben kennen, der inzwischen in das Familiengeschäft eingestiegen war. Ich wurde zum Beobachter ihrer immer enger werdenden Beziehung und ihres Kampfes um den Laden und mir war klar, dass mein Kurz lm nur der Anfang einer Geschichte war. Als Fotografin war mir sehr wichtig die historischen Fotos und auch die 8mm Familienfilme zu integrieren, um die gesamte Geschichte erzählen zu können. Es war ein großes Privileg für mich Miriams und Bens Vertrauen zu gewinnen und an ihrem Leben teilhaben zu dürfen.«