Palästinenser – Flüchtlinge für immer?

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Vor einigen Wochen genehmigte der Haushaltsausschuss des US-Senats einstimmig den so genannten Kirk-Änderungsantrag als Teil der Bewilligungsvorlage des US-Außenministeriums für 2013…

Ein Kommentar von Asaf Romirowsky und Alexander Joffe, Ha’aretz, 05.06.2012
Übersetzung von Daniela Marcus

Der Gesetzesentwurf fordert vom Außenministerium zum ersten Mal, vor dem Kongress zu präzisieren, welcher Anteil der fünf Millionen Palästinenser, die von der UNRWA (Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten) unterstützt werden, Flüchtlinge sind, die tatsächlich aus ihren Häusern vertrieben wurden und wie hoch die Zahl der Nachkommen dieser Flüchtlinge ist.

Jedes Jahr wird eine Summe von 240 Millionen US-Dollar aus öffentlichen Geldern für die Unterstützung palästinensischer Flüchtlinge an die UNRWA überwiesen. Der Kirk-Änderungsantrag zweifelt die Ansicht an, nach der der Status „palästinensischer Flüchtling“ von Generation zu Generation vererbt wird, und stellt somit die ständig wachsende Anzahl von Palästinensern, die zur Zielgruppe der UNRWA gerechnet werden, in Frage. Der ursprüngliche Vorschlag von Senator Mark Kirk, einem Republikaner aus Illinois, macht die persönliche Vertreibung und Staatenlosigkeit für den Status „Flüchtling“ notwendig.

Senator Mark Kirk und seinen Mitstreitern gebührt Dank für ihren ernsthaften Versuch, einen Bestandteil –wenn nicht sogar den Hauptbestandteil–, der den israelisch-palästinensischen Konflikt aufrecht erhält und verschärft, in Angriff zu nehmen. UNRWA behauptet, ihre Dienste werden nicht länger benötigt, sobald es eine Lösung für den israelisch-palästinensischen Konflikt gibt. Doch es ist die UNRWA –die als vorübergehende Organisation errichtet wurde–, die eine unendliche Geschichte der Besatzung und eine endlose Fortsetzung des Flüchtlingsdaseins vertritt.

Die UNRWA ist ein unbefristetes Erziehungs-, Sozial- und Wohlfahrtssystem für Millionen von Palästinensern, hauptsächlich im Westjordanland, im Libanon, in Syrien und in Jordanien. Doch inwieweit sind diese Personen wirklich Flüchtlinge, solche, die unter den Aufgabenbereich der UNRWA fallen sollten?

Öffentlich charakterisiert UNRWA einen palästinensischen Flüchtling als einen, dessen „regulärer Wohnort während der Zeit vom 1. Juni 1946 bis zum 15. Mai 1948 in Palästina war und der sowohl Haus als auch Erwerbsquelle infolge des Konfliktes von 1948 verloren hat“. In Wirklichkeit hat die UNRWA die Definition ständig erweitert und hinzugefügt: „Die Kinder und Enkel dieser Flüchtlinge sind berechtigt, Unterstützung von der Organisation zu erhalten, wenn sie (a) bei der UNRWA registriert sind, (b) im Handlungsgebiet der UNRWA leben und (c) in Not sind“. Nach höchsten Schätzungen wurden vielleicht 700.000 Palästinenser von 1948 bis 1949 zu Flüchtlingen. Doch gemäß der UNRWA-Zählung ist praktisch jeder Palästinenser, der seitdem geboren wurde, auch ein Flüchtling. Diese Zahl geht inzwischen in die Millionen.

In der Geschichte der Flüchtlingskrisen ist dies beispiellos. In keinem anderen Fall wurde einer Gruppe ein besonderer Status gewährt, der beständig verlängert wird und über Jahrzehnte hinweg die Folge-Generationen einbezieht. Die Folge dieses 60 Jahre andauernden Prozesses ist, dass der Antrieb für die Flüchtlinge, sich in arabischen Ländern oder sonst wo anzusiedeln, minimal ist. Und auch der Antrieb für die UNRWA, jemals ihre Aktivitäten einzustellen, ist gering.

UNRWA erklärt, dass die Palästinenser besetzt sind – auf unbestimmte Zeit. UNRWA hat finanzielle und politische Interessen in der Aufrechterhaltung dieser Fiktion: So lange die Palästinenser Flüchtlinge sind, ist die UNRWA im Geschäft. Von den 30.000 Mitarbeitern der UNRWA sind die allermeisten Palästinenser: UNRWA ist der größte Arbeitgeber der Palästinenser im Gazastreifen und im Westjordanland. Im Gegensatz dazu hat die UNHCR-Flüchtlingsorganisation weltweit nur 5.000 bis 6.000 Mitarbeiter. UNHCR kümmert sich viel stärker um Wiederansiedelung, Resozialisierung und den Aufbau eines neuen Lebens der Flüchtlinge, die ihr unterstellt sind, und nicht darum, ihre Dienstleistungen und den Status Quo der Flüchtlinge aufrecht zu erhalten.

Im Jahr 2009 führten die US-amerikanischen Kongressmänner Mark Kirk und Steve Rothman (ein Demokrat aus New Jersey) Maßnahmen zur Verantwortlichkeit der UNRWA für das Fördermittel-Gesetz ein. Sie riefen zu Transparenz und Verantwortung der UNRWA auf und versuchten sicher zu stellen, dass die Gelder, die die UNRWA von den USA erhielt, keine Terrorakte finanzierten. Damit brachten sie die Unterstützung für die Palästinenser in Übereinstimmung mit dem US-Auslandshilfegesetz von 1961. Die gewünschten Maßnahmen kamen jedoch nicht über den Ausschuss hinaus.

Zum ersten Mal schlagen nun israelische Politiker vor, dass die UNRWA die Zahl der Flüchtlinge einschränkt. Beflügelt durch Kirk startete das israelische Knessetmitglied Einat Wilf (Unabhängigkeitspartei) eine neue internationale parlamentarische Kampagne, um die UNRWA zu restrukturieren und „die Inflation der Flüchtlingszahlen zu bekämpfen“ und somit eine Zweistaatenlösung möglich zu machen. Wilf rief die internationale Gemeinschaft auf, die ständige Inflation der Flüchtlingszahlen zum Thema zu machen, und plant, auf die parlamentarischen Komitees, die für die Genehmigung der UNRWA-Zuschüsse verantwortlich sind, einzuwirken.

Schon längst ist es Zeit, dem nicht endenden Wachstum palästinensischer Flüchtlingszahlen Einhalt zu gebieten. Durch die gegenwärtige Initiative im US-Kongress und die Fokussierung des Themas auf internationaler Ebene besteht nun endlich die Möglichkeit für die internationale Gemeinschaft, einen ernsthaften Blick auf die Rolle der UNRWA bei der Aufrechterhaltung der palästinensischen Flüchtlingszahlen zu werfen, was wiederum eine entscheidende Rolle in allen zukünftigen Friedensverhandlungen spielen wird.

Asaf Romirowsky ist wissenschaftlicher Assistent bei der „Foundation for Defense of Democracies“. Alexander Joffe ist Historiker und Autor in New York.