Einreiseverbot für Grass

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Ein Blick in die Schlagzeilen der größten deutschen Nachrichtenportale sagt mehr über die deutsche Seele als über Israel…

Ein Kommentar von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 9. April 2012

Innenminister Eli Ischai, der aus Marokko stammende Chef der frommen Schasspartei, hat mit Sicherheit die Blechtrommel nie gelesen und von Günter Grass wohl erstmals nach der Veröffentlichung seines „Gedichts“ gehört. Israelische Juristen lachten über Ischai, Grass zur „Persona non Grata“ erklärt zu haben. Denn das kann nur das Außenministerium beschließen, zumal die Formel laut Wiener Konvention nur für Diplomaten gilt, die des Landes verwiesen werden sollen.

Gleichwohl hat der Innenminister die Befugnis, Ausländern die Einreise zu verweigern. Zum Beispiel Nazis. Das ist eine Verfügung, die noch aus einer Zeit stammt, als Ischai noch gar nicht geboren war.

Grass war der erste deutsche Schriftsteller, der 1967 noch vor dem Sechs-Tage-Krieg offiziell nach Israel eingeladen worden ist. Bei seinem zweiten Besuch 1971 wurde Grass allerdings mit Tomaten beworfen und hatte deshalb in den letzten 40 Jahren keine Lust mehr, sich in Israel blicken zu lassen, mit dem er sich doch so sehr „verbunden fühlt“.

Die Israelis haben wirklich andere Sorgen als Angst vor dem Besuch eines 84 Jahre alten ehemaligen SS-Mannes, der sich nach Jahrzehnten seiner Jugendsünden erinnert.

Den treffendsten Kommentar dazu hat der Sprecher des israelischen Außenministeriums, Jigal Palmor, abgegeben: „Das erscheint mir Quatsch, ich weiß nicht, wo das herkommt.“

Als gäbe es nirgendwo anders Einreiseverbote, liest sich die Namensliste jener, denen Israel (zurecht oder unrecht) früher schon die Einreise verweigert hat, wie ein Sündenregister.
Warum wird da nicht erst mal vor der eigenen Haustür gekehrt?

Deutschland verweigerte Personen die Einreise, die im Verdacht standen, „die öffentliche Ordnung zu stören“, darunter dem Sektenführer Mun, dem weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko, dem Ghadafisohn Saif el Arab Gaddafi, dem ehemaligen Thailändischen Ministerpräsidenten Thaksin Shinawatra und einem Vertreter der Hamas-Organisation. Bayerns Innenminister Günther Beckstein sagte: „Ein Verbrecher wie Ahmadinedschad ist in Deutschland nicht willkommen.“ Europa hat sich in Ceuta, Mellila und in Griechenland mit zehn Meter hohen Zäunen gegen illegale Immigranten aus Afrika eingeigelt. Arbeitssuchende aus der Dritten Welt, die ohne gültiges Visum über Lampedusa oder Teneriffa nach Europa kommen, werden deportiert oder ertrinken im Meer.

Dann wird im deutschen Blätterwald noch faktenresistent über Neuwahlen in Israel gemunkelt. Zeitgleich zog Ministerpräsident Benjamin Netanjahu angesichts einer völlig verzettelten und geschrumpften Opposition nach drei Jahren die Bilanz einer der „stabilsten Regierungen in der Geschichte Israels“. Er wies jegliche Gedanken an vorgezogene Neuwahlen weit von sich.
Von Israel aus gesehen, kann man angesichts der abstrusen deutschen Kommentare nur sagen, was schon Robert Gernhardt zum »Butt« bemerkte: »Man kann alles übertreiben/auch das Schreiben.«

(C) Ulrich W. Sahm / haGalil.com

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