Es fehlt ein schlüssiges Gesamtkonzept gegen Rechtsextremismus

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Petra Pau (Vizepräsidentin des Bundestags) während der Debatte zum „Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung des Rechtsextremismus“…

Die Rede ist von einer Verbunddatei für rechtsextreme Gewalttäter. Diese soll, so der Gesetzentwurf, die „bewährte Zusammenarbeit“ zwischen den Ämtern „sinnvoll ergänzen“. Auslöser ist eine jahrelange Nazi-Mordserie mit zehn Toten. MdB Pau meint, es sei zynisch bei solchen Resultaten von „bewährter Zusammenarbeit“ zu reden.

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Auch bei Familienministerium, eigenartigerweise für die Bekämpfung des Rechtsextremismus zuständig, gebe es Fragebedarf. Hierzu siehe auch: Was das BMFSFJ so fördert – und was nicht… … Die Bundestagsvizepräsidentin meint dazu: „Wer Ahnung hat von dieser Materie, ist fassungslos“…

Hier die Rede im Wortlaut:

Wir reden über eine Verbunddatei für rechtsextreme Gewalttäter. Zur Begründung heißt es im Gesetzentwurf ich zitiere : Sie soll die „bewährten Formen der Zusammenarbeit“ zwischen den Ämtern „sinnvoll … ergänzen“.

Es war heute schon die Rede davon: Auslöser für die heutige Debatte ist eine jahrelange Nazimordserie mit zehn Toten. Danach von einer bewährten Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden in diesem Fall zu sprechen, finde ich allerdings dreist und würdelos, auch gegenüber den Hinterbliebenen.

Nachdem die Nazimordserie publik wurde, hat der Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich drei Schlussfolgerungen bzw. Maßnahmen angekündigt:

  1. erstens ein Abwehrzentrum gegen rechten Terror,
  2. zweitens die besagte Verbunddatei für rechtsextremistische Gewalttäter und
  3. drittens eine Sonderkommission, die sich mit den Ermittlungspannen beschäftigen sollte.

Was Sonderkommissionen sollen, dürfen oder tun, ist unklar. Eine Bund-Länder-Koordinierung gegen Rechtsterrorismus gab es schon einmal. Sie stellte im Jahre 2007 unverrichteter Dinge ihre Arbeit ein. Ebenso gab es eine Spezialdatei für rechtsextreme Kameradschaften. Sie wurde im Jahre 2010 gelöscht, und zwar so nachhaltig, dass sich der zuständige Staatssekretär im Dezember letzten Jahres auf meine Nachfrage nicht einmal mehr an die Existenz dieser Datei erinnern konnte.

Kurzum: Wir erfinden heute nicht den Stein der Weisen. Es geht zum Teil um alte Hüte, die zuvor abgelegt wurden und nun lediglich aufpoliert werden. Die Verbunddatei soll vor allem Erkenntnisse der Kriminal- und Verfassungsschutzämter von Bund und Ländern bündeln. Dazu wird es eine Anhörung im Innenausschuss geben. Dazu drei Anmerkungen von mir: Erstens. Es heißt, das sei eine Täterdatei, keine Gewissensdatei. Der Gesetzentwurf schließt allerdings eine Gesinnungsdatei nicht aus. Einem solchen Vorstoß wird die Linke nicht zustimmen.

Zweitens. Wenn Sie den Gesetzentwurf lesen, dann stellen Sie fest, dass die unsägliche V-Leute-Praxis im rechtsextremen Milieu durch Sonderregelungen fortgeschrieben wird. Das wäre für die Linke nicht hinnehmbar.

Drittens. Lapidar wird im Text mitgeteilt, dass verbriefte Grundrechte eingeschränkt werden. Auch das ist so nicht akzeptabel.

Der Entwurf, um den es hier geht, trägt den Titel „Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung des Rechtsextremismus“. Ich halte das ein wenig für anmaßend andere haben schon darauf hingewiesen , denn es ist nur diese Datei, die tatsächlich Bestandteil des Gesetzes ist.

Kollege Hartmann hat es bereits gesagt: Es fehlt ein Gesamtkonzept, gerade auch was die Prävention im Kampf gegen Rechtsextremismus angeht. Das ist das eigentliche Problem. Nun erwarte ich nicht das ist auch nicht ihre Aufgabe , dass das Bundesinnenministerium ein Gesamtkonzept vorstellt. Allerdings erwarte ich es auch nicht vom Familienministerium, das nach der Geschäftsverteilung der Bundesregierung eigenartigerweise zuständig ist. Meines Wissens gab es nach der unglaublichen Nazimordserie von der Bundesfamilienministerin zwei Reaktionen: Erstens sei sie für Prävention und nicht für Morde zuständig das ist richtig , und zweitens werde ein Kompetenz- und Informationszentrum geschaffen; dieses Zentrum solle wertvolle Erfahrungen, auch pädagogische, im Umgang mit Rechtsextremen sammeln und verbreiten.

Inzwischen konnten wir lesen, was als pädagogisch wertvoll gilt. So sollten in Dortmund 30 militante Neonazis mit 30 demokratischen Jugendlichen plaudern, um die Nazis vom rechten Weg abzubringen. Von derselben pädagogischen Güte waren übrigens geplante Ausflüge junger Kölner CDU-Mitglieder nach Berlin-Kreuzberg. Sie sollten sich besetzte Häuser ansehen, um der linken Gefahr ins Auge zu schauen. Das alles wurde gefördert mit Geldern aus dem Bundesfamilienministerium. Wer von diesem Thema Ahnung hat, der ist fassungslos.

Wir können weiter über das Für und Wider von Verbunddateien streiten und werden das auch tun. Aber das eigentliche Manko besteht darin, dass ein gesamtgesellschaftliches Konzept für gemeinsames Handeln fehlt. Dieser Bereich liegt weiterhin brach. Überhaupt: Solange Rechtsextremisten verharmlost und Antifaschisten misstrauisch beäugt werden, ist etwas faul. Dieser Angelegenheit sollten wir uns gemeinsam zuwenden.

Soweit Petra Pau im März 2012. Dass sich Politik (und insbesondere das Familienministerium) hier für viel Geld immer weiteres Versagen leisten kann, ist auch der Tatsache geschuldet, dass das Thema eigentlich niemanden interessiert, sobald die Ermordeten begraben sind. Und da spielt es keine Rolle, ob die sozialdemokratische Familienministerin Renate Schmidt oder Christine Schröder von der CDU heisst. Wer von diesem Thema Ahnung hat, wäre manchmal froh, die Politik würde ihr Herumgepfusche sein lassen, denn solche Aktionen sind nicht nur nutzlos, sie schaden auch. Sie vermitteln den gefährlichen Eindruck, eine Krankheit werde behandelt, dabei wird sie vertuscht, und sie konkurriert mit effektiven und sinnvollen Aktionen, wie haGalil, die sich gegen die Flut, vielleicht gut gemeinter, aber schlecht gemachter Hochglanzprojekte durchsetzen müssen, um auch dann weiterarbeiten zu können, wenn der Hype mal wieder verflogen ist.

Bundeskanzler Schröder und der Aufstand der Anständigen:
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Ein Brief an Deutschlands Kanzler im Januar 2005