Der Eintrag „Bayern“ im Jüdischen Lexikon von 1927

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Unsere Reihe Beiträge zur Geschichte der Juden in Bayern erfährt eine Ergänzung durch einen Eintrag aus einem Nachschlagewerk. Er stammt aus dem „Jüdischen Lexikon“, und damit aus einem der bedeutenderen jüdischen allgemeinen Wissenskompendien aus den Jahren unmittelbar vor der Shoa…

Von Robert Schlickewitz

Das aus fünf Teilbänden bestehende Jüdische Lexikon(„Ein enzyklopädisches Handbuch des jüdischen Wissens in vier Bänden. Begründet von Dr. Georg Herlitz und Dr. Bruno Kirschner. Unter Mitarbeit von über 250 jüdischen Gelehrten und Schriftstellern“) bestand unabhängig neben der noch wesentlich umfangreicheren „Encyclopaedia Judaica“, deren erste Bände ebenfalls ab den 1920er Jahren in Berlin erschienen, die jedoch durch die politischen Umstände nicht weiter als bis zum Buchstaben „L“ geführt werden konnte und die somit ein Fragment blieb. Das Mitarbeiterregister des „Jüdischen Lexikons“ enthält neben der Angabe des Namens, weitere Informationen zu akademischem Grad, Beruf, Zugehörigkeit zu einer Schule, Universität oder anderer Einrichtung des jeweiligen Autors. Der hier interessierende „Bayern“-Artikel stammt von Fritz Leopold Steinthal, einem promovierten Philologen, Rabbiner sowie Direktor des jüdischen Lehrerseminars Mark-Haindorfsche Stiftung mit (bis 1938) Wohnort Münster in Westfalen. Dr. Steinthal stammte aus Charlottenburg, wo er am 4. 8. 1889 zur Welt gekommen war und verließ Deutschland im Jahre 1938 noch rechtzeitig. Im argentinischen Exil gründete der Rabbiner bereits 1939 die liberale Gemeinde Culto Israelita de Belgrano und lebte dort bis zu seinem Tod in Buenos Aires am 12. 10. 1969. Zu seinen weiteren Veröffentlichungen zählen ein Buch zur Geschichte der Augsburger Juden im Mittelalter (1911) sowie kleinere Arbeiten besonders zur jüdischen Vergangenheit Westfalens.

Ebenso wie bei mehreren bereits früher an dieser Stelle zitierten Autoren fallen auch bei Steinthal zwei Hinweise auf die besondere Stellung Bayerns in der deutschen bzw. europäischen Judengeschichte ins Auge. So hebt er einmal, auf das Mittelalter bezogen, hervor: „Kaum in einem anderen Lande haben sie (die Juden) im MA so viele Leiden erduldet wie in B.“ Während er für die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg festhält: „Nach der Eisnerschen Ministerschaft (…) und der Räteregierung (…) war der Antisemitismus in B. stärker, roher und gefährlicher als im übr. Deutschland.“ Dies waren Hinweise, die vorerst nur wenige Juden so ernst nahmen, dass sie etwa ihre alte, und trotz allem lieb gewonnene, bayerische Heimat gegen eine ungewisse Zukunft in der Fremde einzutauschen bereit gewesen wären. Denn wohl nur ein kleiner Teil von ihnen vermochte sich vorzustellen, dass aus der 1919/1920 in München entstandenen, zwar bedrohlich und radaureich auftretenden, aber lange Zeit von breiten Kreisen verharmlosten NSDAP, die sich ab 1925/1926, zunehmend von Bayern aus auch auf andere deutsche Landesteile ausbreitete, eine zunächst ihre berufliche Existenz, dann ihr Leben bedrohende Gewalt entwickeln würde.

Im Falle der von Steinthal zitierten Bezeichnung für Juden („diese(r) unglückliche(n) Menschenklasse“) des bayerischen Kurfürsten Maximilian IV. Joseph in dessen Resolution von 1801 vermeint man eine Spur von Mitgefühl gegenüber der sonst so verachteten Minderheit herauslesen zu können. Was nur, drängt sich daraufhin heute unwillkürlich die Frage auf, hielt den Herrscher davon ab, seine christliche Überheblichkeit vollends abzulegen und sich näher mit dieser damals noch sehr kleinen Gruppe in seinem Lande zu befassen (oder von berufener Seite befassen zu lassen), sowie daran anknüpfend allmählich die trennenden Barrieren ganz einzureißen und die unbestrittene, bereits damals von verschiedener Seite anerkannte Nützlichkeit der Juden für Bayern auf eine breitere Basis zu stellen, so wie dies etwa in anderen Teilen Europas geschehen war oder gerade geschah (?). Es werden wohl der für viele von uns Bayern so typische innere Zwang zum Festhalten an alten (traditionellen) Werten und Einstellungen gepaart mit dem judenfeindlichen Einwirken der damals noch das politische wie gesellschaftliche Leben mit beherrschenden bzw. mitbestimmenden katholischen Kirche gewesen sein, die Bayern in dieser Beziehung auf die Stufe eines unentwickelten Landes herabdrückten.

Steinthal erwähnt den Würzburger Theologieprofessor Franz Oberthür und dessen erfolglos gebliebene Bemühungen um eine rechtliche Gleichstellung der Juden. Wie aus der neueren Literatur hervorgeht (u. a.: „Geschichte der Juden in Bayern. Lebensläufe“), setzte sich dieser Christ durchaus mit Nachdruck und gutem Willen für die Belange der Minderheit ein, lediglich erwies sich der auch ihm entgegengebrachte Widerstand von regierender Seite her als noch zu stark, bzw. war Oberthürs Einfluss zu gering.

Bedauerlicherweise kann Steinthal im ihm hier zur Verfügung stehenden Rahmen nur wenige Einzelheiten der von breiten Teilen der bayerischen Gesellschaft getragenen, zum Teil leidenschaftlichen und fanatischen Gegnerschaft der jüdischen Gleichberechtigung ansprechen. Eine ganze Reihe von Eingaben im Landtag, Landtagsdebatten, heftige und zahlreiche Bürgerproteste, gewalttätige Aktionen (!), Presseartikel und -aufrufe, einschlägige Kanzelpredigten in den Kirchen und eine extrem judenfeindliche Haltung des höheren und hohen bayerisch-katholischen Klerus‘ (gedeckt von einem latent judenfeindlichen Papsttum), schufen einen nur zu fruchtbaren Boden für den ab dem letzten Viertel des 19. Jh. vielfach aufkeimenden politischen und rassischen Antisemitismus in Bayern.

In Zusammenhang mit den Debatten im Bayerischen Landtag über eine Revision der restriktiven Judengesetze, fällt bei Steinthal der Name des Historikers Ignaz von Döllinger. haGalil-Leser werden sich noch an meinen Artikel über diesen ganz und gar untypischen Bayern bzw. an die Wiedergabe seines Aufsatzes „Die Juden in Europa“ erinnern.

Überraschend, jedoch bedauerlicherweise nicht näher erklärt oder belegt, steht Dr. Steinthals Behauptung im Raum, die Juden hätten in Bayern im Jahre 1872 die gleichen Rechte wie ihre christlichen Landsleute erhalten. Neuere Historiker und Publizisten geben gewöhnlich 1871, also das Jahr, in dem das Königreich Bayern Teil des Deutschen Reiches wurde, als das Emanzipationsjahr für die bayerischen Juden an. Es existieren jedoch daneben noch andere, ernst zu nehmende, Andeutungen, dass sogar erst 1881 die letzten Gesetze, die Sonderregelungen für bayerische Juden beinhalteten, abgeschafft wurden, somit deren gesetzliche Gleichberechtigung noch wesentlich später erreicht war. Es bleibt zu hoffen, dass die moderne bayerische Geschichtsforschung diesbezüglich bald zu einer endgültigen und vor allem ehrlichen (!) Aussage kommt.

Klärungsbedarf herrscht gleichfalls bezüglich tatsächlicher Anzahl und Stellung der Juden im bayerischen Offizierskorps. So heißt es bei Steinthal: „…erreichten sie dagegen lange Zeit sogar die Beförderung zu aktiven, wenn auch untergeordneten Offiziersposten und wurden vielfach zu Reserveoffizieren befördert.“ Den Angaben des oben bereits zitierten Werkes „Geschichte der Juden in Bayern. Lebensläufe“ nach blieb die Offizierslaufbahn in Bayern so gut wie ausschließlich Christen vorbehalten. Für die rund einhundert Jahre ab den Befreiungskriegen bis kurz vor Beginn des Ersten Weltkrieges werden insgesamt lediglich sechs jüdische aktive Offiziere in der Bayerischen Armee genannt, deren Karrieren noch dazu, anscheinend auf Geheiß von oben, schweren und ungerechten Beeinträchtigungen ausgesetzt waren. Zum Vergleich – die Ranglisten der österreichisch-ungarischen Armee geben allein für das Jahr 1910 nicht weniger als 2179 jüdische Offiziere an! Der Stellenwert Bayerns als eines der antisemitischsten Länder Europas, vielleicht gerade noch mit Russland vergleichbar, hatte sich also schon lange vor Hitler offenbart.

 

„Bayern. Der Freistaat B. besteht in seinem ungefähren jetzigen Umfang erst seit etwa 120 Jahren. Seine früheren Bestandteile waren die Herzogtümer Ober- und Niederbayern, die Rheinpfalz, Oberpfalz, verschiedene Freistädte (große J.-Gemeinden in *Regensburg, *Nürnberg und *Augsburg), die Bistümer (u. a. Bamberg, *Passau, Eichstädt, Freising) u. a. m. Die j. Geschichte ist in diesen einzelnen Landesteilen ungleichartig verlaufen.

Die ältesten bayerischen J.-Gemeinden stammen wahrscheinlich aus alter, aber nicht – wie für Augsburg und Regensburg behauptet wird – aus vorchristlicher Zeit. Die Raffelstetter Zollordnung von 906 über den Brückenzoll in Passau ist der erste urkundliche Beweis für den Aufenthalt von J. in B. In Regensburg sind sie erstmals im Jahre 981 nachweisbar, in Passau und München seit dem 13. Jhdt., in der herzoglichen Residenz Landshut seit der Gründung (1204). Jedoch darf man schon frühere Anwesenheit in den Städten vermuten. Sie betrieben Handel, hauptsächlich mit Sklaven, Salz und Pferden, später auch mit Edelmetallen, und das Geldgeschäft. Kaum in einem anderen Lande haben sie im MA so viele Leiden erduldet wie in B. Die *Kreuzzüge, die falschen *Blutbeschuldigungen und Anklagen der *Hostienschändung, der *‘Schwarze Tod‘ u. a. brachten immer von neuem Ausplünderung, Vertreibung und Tod über sie. 1096 wurden sie u.a. in Regensburg verfolgt. 1276 aus ganz Ober-B. verjagt, 1285 wurden sie in München der Ermordung eines Christenkindes angeklagt, und die Synagoge (in der heutigen Gruftstraße) wurde in eine Kapelle verwandelt. 1298 wiegelte der Edelmann *Rindfleisch durch die Beschuldigung der Hostienschändung die Pöbelmassen gegen die J. auf, und in den Gemeinden Röttingen, Rothenburg, Würzburg und Nürnberg wurde ein entsetzliches Blutbad angerichtet. Zu den Märtyrern in Nürnberg gehörte u. a. der Rabbiner Mardochaj ben Hillel, Verfasser des Kompendiums ‚Mardochaj‘. 1314 wurden die J., wohl nur für kurze Zeit, des Landes verwiesen, 1336-38 wütete die *Armleder-Verfolgung; besonders schwer war das Blutbad in *Deggendorf (1337), zu dessen Andenken noch im Jahre 1800 in Regen ein Theaterstück ‚Der Religionseifer oder die Ausrottung der J. in Deggendorf anno 1337‘ aufgeführt wurde. In wirtschaftlicher Hinsicht wurden für die J. die im Mittelalter beliebten und bis in die neuere Zeit häufigen Schulderlässe für ihre christlichen Schuldner besonders drückend. Erwähnenswert sind die Schuldenerlässe des Herzogs Heinrich nach einer J.-Verfolgung in Straubing für die Bürger (1338) und des Kaisers Wenzel vom Jahre 1390 für den Herzog Friedrich, worauf auch alle ‚Grafen, Ritter, Herren, Knechte und andere Untertanen‘ dieselbe Vergünstigung erhielten.

Vor 1442 wurden die J. abermals aus Oberbayern, 1477 aus Eichstädt vertrieben, 1478 in Passau verfolgt, 1498 aus Nürnberg, 1519 aus Regensburg, 1551 aus dem ganzen damaligen B. verjagt, wobei *Joselman von Rosheim sich dafür verbürgen musste, daß das Gebiet von Ober- und Niederbayern in Zukunft von J. nicht betreten würde. In der Landesordnung von 1553 werden sie als ‚schädliches Element‘ bezeichnet. Sie mußten bei der Durchreise mit Geleitbriefen versehen sein (*Judengeleit) und durften sich in derselben Ortschaft, während der Dauer des Geleitbriefes, nur einmal aufhalten. Ja, sie konnten sogar ihre Forderungen nicht persönlich geltend machen, und den Christen wurde jeglicher Handel mit J. auch außerhalb des Landes untersagt; selbst Verträge waren ungiltig. Diese und andere Bestimmungen der Landesordnung wurden durch die Polizeiordnung von 1616 noch verschärft. – Allerdings wohnten J. seit langem und mit nicht allzu großen Unterbrechungen in Ländern, die später an B. fielen, so bes. im Bistum Würzburg, Bamberg, in Ansbach-Bayreuth, in Teilen der Pfalz, im Schwäbischen usw., während Ober- und Niederbayern ihnen fast zwei Jahrhunderte lang verschlossen blieben. In der Pfalz, in Franken und in Schwaben nahm die Zahl der J. im 17. und 18. Jhdt. bedeutend zu. Von hier aus fand dann die Besiedlung der in der Zwischenzeit judenfreien Zentren des Landes, München, Nürnberg, Regensburg usw., statt.

Während der österreichischen Besetzung des Landes im spanischen Erbfolgekrieg (1701-14) kamen vornehmlich J. aus Österreich nach B., die größere Geldgeschäfte machten. Nach dem Kriege wurden sie gegen den Widerspruch der Stände ausgewiesen. Aber bald darauf findet man sie wieder in München. Der Kurfürst selbst nahm bei J. Anleihen auf, die nach und nach den Betrag von 3 Millionen überstiegen. Als die Zahlung verlangt wurde, warfen die Verordneten die Frage auf, ob man im Hinblick auf andere Verbindlichkeiten ‚die stipulirten übermäßigen Gewinne zu zahlen gehalten sei‘. 1750 wurden die Beschränkungen der Polizeiordnung von 1616 für die Hoffaktoren und die mit Freipässen versehenen J. aufgehoben. Die letzteren mußten allerdings die Pässe alljährlich erneuern, andernfalls sie dem Leibzoll und Geleit unterlagen. Der um jene Zeit herausgegebene Codex Maximilianeus enthielt mehrere drückende Bestimmungen für die J. Vollkommen rechtlos waren die ausländischen J., die nur auf kurfürstliche Pässe zu den Jahrmärkten kommen durften; den unbefugt Durchreisenden drohte die Konfiskation ihrer Waren. Im letzten Viertel des 18. Jhdts. wurden zwar einzelne, wirtschaftlich schädigende Maßnahmen gegen die J. ergriffen (so in der Oberpfalz Ausschluß vom Erwerb von Liegenschaften, Hausierverbot usw.), andererseits aber wuchs die Duldung gegenüber ihrem religiösen Leben. So wurde in München die früher verbotene Abhaltung des Laubhüttenfestes gestattet, das Verbot, daß Jüdinnen dort nicht entbinden dürfen (sie mußten sich früher zu diesem Zwecke nach Kriegshaber bei Augsburg begeben), aufgehoben usw.

B. war lange eine Stätte j. Gelehrsamkeit. Regensburg, Fürth, Nürnberg u. a. Gemeinden hatten berühmte Talmudschulen. Von bedeutenden Gelehrten, die in B. wirkten, seien Jakob Weil, Israel Bruna, Moses Minz genannt. Im 18. Jhdt. spielten im wirtschaftlichen, z. T. auch im politischen Leben die Hoffaktoren, dann die j. Heereslieferanten eine Rolle, so Noe Samuel Isaak, I. Westheimer, A. E. Seligmann u. a.

Unter der Wirkung der *Aufklärung und mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen Interessen des Landes änderte sich allmählich die Stellung des Staates zu den J. Nach Erlaß des Edikts über die Glaubensfreiheit der Protestanten seitens des Kurfürsten, späteren Königs Maximilian IV. Joseph (1800) wandte dieser sein Augenmerk auch der J.-frage zu und verkündete in einer Resolution i. J. 1801, daß auch ‚dieser unglücklichen Menschenklasse‘ – wie man damals die J. nannte – ‚nachdem  man sie doch aus den Erbstaaten nicht verbannen könne, ohne sich einer Grausamkeit und Ungerechtigkeit schuldig zu machen, eine solche Einrichtung gegeben werden möchte, durch welche sie allmählich zu nützlichen Staatsbürgern erzogen werden würden.‘ Diese Kundgebung ermutigte die J. des Fürstbistums Würzburg zu dem Versuche, durch die Hilfe des Würzburger Theologieprofessors Oberthür die *Gleichberechtigung zu beantragen. Seine Eingabe war sehr vorsichtig und zurückhaltend abgefaßt, sodaß sie in keiner Weise den gewünschten Erfolg haben konnte. Immerhin, die Frage war ins Rollen gebracht. 1804 erhielten die J. das Recht, allgemeine Schulen zu besuchen, im folgenden Jahre wurde ihnen der Zugang zur Bürgermiliz gestattet. 1808 wurde der lästige Leibzoll abgeschafft. Die damals versuchte Beseitigung der Rabbinergerichte wurde durch die Bemühungen der Judengemeinde in Fürth wieder rückgängig gemacht. Die Konstitution vom 1. Mai 1808 stellte zwar den Grundsatz der *Religions- und Gewissensfreiheit auf, besserte aber keineswegs dadurch die Rechtslage der Juden. Das Edikt vom 10. Juni 1813 erklärte sie zwar in bezug auf ihre Pflichten für Bürger, gab ihnen aber noch nicht die vollen Rechte. Insbesondere waren es die §§ 12 und 13 des Edikts, die eine starke Benachteiligung der J. enthielten. Nach ihnen durfte die Zahl der J.-familien ‚an den Orten, wo sie dermalen bestehen, in der Regel nicht vermehrt werden, soll vielmehr nach und nach vermindert werden, wenn sie zu groß ist.‘ Ferner wurde die Niederlassung von J. in einer Zahl, die über diejenige der z. Zt. des Edikts an einzelnen Orten ansässigen J. hinausging, oder die Neuansiedlung von J. dort, wo sie noch nicht wohnten, von der besonderen königlichen Genehmigung abhängig gemacht, die nur an Fabrikanten oder Handwerker oder Ackerbautreibende erteilt werden sollte. Die Einrichtung des Schutzbriefs wurde durch die Matrikel ersetzt, die für jede 1813 niedergelassene Familie bei der Kreisregierung eingetragen wurde und auf den ältesten Sohn sich vererbte. Die übrigen Söhne mußten, um eine Familie gründen zu können, eine Matrikelvakanz, die nur durch einen Todesfall oder die Auswanderung einer Familie eintreten konnte, abwarten und dann für den Kauf noch große Geldopfer bringen.

Gegen diese Gesetzesbestimmungen kämpften die Gemeinden unter Führung der Gemeinde Fürth ein halbes Jahrhundert. Die Verfassung vom 26. Mai 1818 brachte den J. noch immer keine Gleichheit der Rechte, obwohl die Gleichheit der Pflichten unverändert fortbestehen blieb. Die J. waren von der ständischen Vertretung ausgeschlossen. Die Fürther j. Gemeinde, die früher durch zwei Mitglieder im Magistrat vertreten war, blieb bei den Wahlen im Jahre 1818 ohne jede Vertretung, und erst auf ihre Vorstellungen erhielt sie durch königliche Verordnung einen Vertreter. Eine im April 1819 in München abgehaltene j. Notablenversammlung beschloß eine Petition an den Landtag um Gewährung der Vollberechtigung, und in Ausführung dieses Beschlusses verfaßte der Rabbiner S. W. Rosenfeld, nachmaliger Distriktsrabbiner in Bamberg, eine Denkschrift, die dem Landtage eingereicht wurde. Während die Münchener Kaufmannschaft die Bemühungen der J. um Gleichberechtigung zu durchkreuzen suchte, trat der Erlanger Prof. Lips für sie ein. 1819 beschloß der Landtag, eine Revision des Edikts von 1813  bei der Regierung zu beantragen. Aber schon zwei Wochen darauf kam es durch die *Hep-hep-Hetze zu Überfällen auf J. an verschiedenen Orten B.‘s, und unter dem Einfluß der Gasse wurde die Revision hinausgeschoben. Umsonst bemühten sich die Vertreter der J. auf Grund der Beschlüsse einer neuen Notablenversammlung (Ende 1821), die Regierung erklärte die Revision für ‚noch nicht zeitgemäß‘. 1831 petitionierten die Gemeinden Ansbach, Fürth und Würzburg aufs neue, und nach der Landtagsdebatte vom 5. November dieses Jahres wurde eine Entschließung im Sinne einer umfassenden Revision angenommen, der auch die Regierung zustimmte. Aber die Regierung wollte, nachdem sich drei Jahre hindurch die Vorarbeiten hingezogen hatten, zunächst eine Vereinheitlichung der j. Gemeinden und ihre Unterordnung unter eine Oberkirchenbehörde bewirken. Die im Jahre 1836 auf Veranlassung der Regierung abgehaltenen Kreissynoden zeigten, daß die Meinungsverschiedenheiten unter den J. unüberbrückbar waren, und dies diente als Vorwand für eine weitere Zurückhaltung der Revision. Das Ministerium Abel nahm überdies noch Anlaß, den J. zu erklären, daß die alles verflachende ‚rationalistische Kritik‘ und die zu der ‚so verderblichen Neologie und dem religiösen Indifferentismus‘ ausartende *Aufklärung von der Regierung mißbilligt werden müßten (1838). Erst 1846 kam es zu einem neuen Landtagsbeschluß, der jedoch nur die Beseitigung einiger Beschränkungen forderte und die Zustimmung der Regierung enthielt. In der Debatte hatte sich bes. der katholische Theologe und Historiker v.*Döllinger hervorgetan. Die unbefriedigende Lage der bayerischen J. in der ersten Hälfte des 19. Jhdts. hatte bewirkt, daß viele von ihnen nach Amerika auswanderten und es dort zum großen Teil zu Wohlstand und Ansehen brachten. Die Bestrebungen der Regierung, die J. durch Gewährung der Gleichberechtigung nur an j. Landwirte, Handwerker und Industrielle (…) vom Handel abzuwenden, hatten nur geringen Erfolg. 1822 zählte man unter 53 402 J. in B. 252 Bauern- und 169 Handwerkerfamilien; 1844 waren es 1216 Bauern und 4813 Handwerker.

Auch nach der Revolution von 1848 trat nur allmählich eine Besserung der Rechtslage ein. Die Proklamation des Königs vom 6. März 1848, die eine ‚Verbesserung‘ der Lage der J. in Aussicht gestellt hatte, blieb zunächst ohne praktische Folgen. Wohl sprach sich im folgenden Jahre die Abgeordnetenkammer grundsätzlich für die Gleichberechtigung aus, aber die zweite Kammer desavouierte sie. Die Zeit der Reaktion war für eine befriedigende Lösung noch nicht reif, und 1851 wurde die Aufrechterhaltung der drückenden Bestimmungen des Edikts von 1813, gegen die die Gemeinden immer wieder mit Petitionen ankämpften, ausdrücklich bestätigt. Abermals wanderten in jener Zeit zahlreiche J. aus B. nach Amerika aus. 1861 fiel endlich das Gesetz über die Matrikeln. Doch erst das Jahr 1872 brachte die volle Gleichberechtigung, sodaß man von da ab theoretisch in B. zwischen den J. und Nichtjuden keinen Unterschied mehr kannte. Die *antisemitische Bewegung der 80er Jahre wirkte sich aber auch in B. aus. Abgesehen von vereinzelten Sozialdemokraten wurden J., nachdem zuerst zwei j. Abgeordnete dem Landtag angehört hatten, in diese Körperschaft nicht gewählt. Auch im Staatsdienst wurde ihre Zulassung zeitweise beschränkt. Im Heeresdienst, wo urspr. das Patent käuflich war, erreichten sie dagegen lange Zeit sogar die Beförderung zu aktiven, wenn auch untergeordneten Offiziersposten und wurden vielfach zu Reserveoffizieren befördert. Zu Beginn des 20. Jhdts. gab das wirtschaftliche Vordringen von J., besonders als Warenhausbesitzer, die äußere Ursache für das Hervortreten des latenten Antisemitismus. Der Zustrom von Emigranten im Jahre 1906 veranlaßte den ersten größeren Vorstoß gegen die *Ostjuden. Nach der *Eisnerschen Ministerschaft (…) und der Räteregierung (…) war der Antisemitismus in B. stärker, roher und gefährlicher als im übr. Deutschland. Das Treiben Hitlers und der nationalsozialistischen Bewegung unter Führung Ludendorffs führte zu einer wüsten Agitation  gegen die J., die 1923 in der Ausweisung zahlreicher Ostj. ihren Höhepunkt erreichte. (…)

1921 bildete sich der *‚Verband Bayerischer Israelit. Gemeinden‘. Von den (1925) 49 163 bayerischen J. wohnen 7813 in der Pfalz. Das ganze Land ist in 21 Rabbinatsdistrikte, davon 4 pfälzische, aufgeteilt. Die Zahl der J. betrug in:

München                 10 687
(Gesamtgebiet)

Nürnberg                   8 603

Fürth                            2 504

Würzburg                    2 261

Augsburg                     1 208

Ludwigshafen             1 241

Bamberg                          972

Die j. Bevölkerung B.‘s ist in den Jahren 1910 bis 1925 von über 55 000 um fast 6000 Personen = annähernd 11 % zurückgegangen, während die Gesamtbevölkerung in Bayern sich um über 7 % vermehrt hat. 1925 betrug der Anteil der J. an der Gesamtbevölkerung 0,7 %.

Lit.: …

F. L. St.“

 

Quelle:

Jüdisches Lexikon. Vier Bände (5 Teilbände), Band I, 1. Aufl., Berlin 1927, „Bayern“

Anmerkungen:

Der Lexikontext wurde in seiner Originalschreibweise belassen; * deutet auf einen korrespondierenden Artikel in diesem Nachschlagewerk hin; j = jüdisch; J = Jude(n); MA = Mittelalter; übr. = übrigen

Literatur:

R. Braun, Die Offiziere Isidor und Maximilian Marx (1769-1862 und 1842-1916). In: Geschichte und Kultur der Juden in Bayern. Lebensläufe, (Hg.) M. Treml und W. Weigand, München 1988, zugleich: Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur Nr. 18/88, S. 95-100

James F. Harris, The People Speak! Anti-Semitism and Emancipation in Nineteenth Century Bavaria, Ann Arbor (Michigan) 1994

Aus Geschichte und Leben der Juden in Westfalen. Eine Sammelschrift, (Hg.) H. Ch. Meyer, Frankfurt/M 1963

H. Mussinghoff, Rassenwahn in Münster, Münster 1989

Neues Lexikon des Judentums, (Hg.) J. H. Schoeps, Gütersloh/München 1998, Stichwort: Bayern

G. Och und G. Renda, Simon Höchheimer (1744-1828), Arzt und Schriftsteller. In: Geschichte und Kultur der Juden in Bayern. Lebensläufe, (Hg.) M. Treml und W. Weigand, München 1988, zugleich: Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur Nr. 18/88, S. 43-47

http://de.wikipedia.org/wiki/Fritz_Leopold_Steinthal

http://www.ajr.org.uk/journalpdf/1959_november.pdf (dort S. 7)

http://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Oberthür

5 Kommentare

  1. Da steckt wirklich viel Arbeit dahinter. Danke für diesen Beitrag hier.

    Die Spur kann man hier im Mittelalter sehr gut verfolgen, aber seit der Gegenreformation haben sie ihre Strategie geändert.

    Und es ist schwieriger geworden zu sehen, was heute läuft.

    Je verborgener und verdeckter, umso gefährlicher!

    Vergesst nicht dass sie Pläne haben, die sie durch Hitler und Mussolini teilweise verwirklicht haben. Hitler: Einsammeln der Kirchensteuer durch den Staat Deutschland, und Gründung eines eigenen Staates Vatikan.

    Wohlgemerkt ist der Drache in ihrem Wappen des Staates, der zeigt wer sie sind. Dieses Wappen war lange auf der Seite des Vatikan zu sehen und ist jetzt in letzter Zeit verschwunden. Auch haben sie die größte Schlange der Welt in ihren Tempel im Vatikan als Säule. Sie sind, wie die Offenbarung 2, 9 + 2, 12 beschreibt der Thron Satans und in der Schlachterübersetzung lesen wir in 3, 9 dass sie eine Synagoge des Satan sind. Sie tun aber so wie wenn sie das Volk G´ttes wären. Wie wenn sie Juden wären:  Siehe, ich verschaffe, daß solche aus der Synagoge des Satans, die sich Juden nennen und es nicht sind, sondern lügen, siehe, ich will sie dazu bringen, daß sie kommen und vor deinen Füßen niederfallen und erkennen, daß ich dich geliebt habe.  

    Es gibt keine Zweifel, dass G´tt sein Volk kennt und er lässt sie siegen gegen diese Schlangenbrut. 

    Durch die r Minorah der Geschichte zeigt er die Entwicklung der Gemeinde und gleichzeitig die Entwicklung des Feindes. So haben wir nach der Entwicklung dieser  in den Satanskult nun die Erscheinung der Hure Isebel. Sie arbeiten mit Verführung.

    Wenn sie die größte Schlange als Symbol haben, dann sind sie die größten Verführer der Welt und keiner merkt es.
    Die Schlange in Eden war ein wunderschönes Tier im Garten Eden, mit Flügeln und mit Gold glänzend. Sie war ein Drachen, aber nachdem sie G´tt verflucht hatte, sieht sie so aus wie heute als Kriechtier.

    Wenn es der Teufel geschafft hat ein vollkommenes Wesen wie Eva zu verführen, wie leicht hat er es heute mit der schläfrigen Masse der Sünder.

    Und die Christen merken nichts von diesen Dingen was da vor ihren Augen  passiert und was noch kommen wird. 

    Was hat denn der Teufel vor, wenn er alle Karten in dieser Welt in der Hand hat?

    Er hasst Jahwe und er wird G´ttes Volk niemals lange dulden. Entweder hat er sie auf seiner Seite oder er vernichtet sie.

    Und diese zunehmende Überwachung, Digitalisierung etc sind ein Netz, ein Netzwerk, durch das er sich die Welt sichert, überwacht und niemand unerkannt fliehen kann und wodurch er sein Ziel erreicht noch bevor der Messias kommt. 

    Seht euch einmal das Faro de Colon an in Santo Domingo! Das ist voll mit Luftschächten und unzähligen Türen und anderen Dingen. Wenn ich Geheimdienst wäre, würde ich einen Filmroboter bauen mit guter Lichtstrahlung und das Ding da hinein fliegen und Aufnahmen machen. Kein Mensch kann da unbeobachtet hinein kommen. Es gibt dort fast keine Fenster und unzählige Luftschächte und schaut euch das einmal an! Unheimlicher Ort! Und die Menschen spazieren herum mit Ahnungslosigkeit.
    Nach unseren Informationen sind dort Folterkammern enthalten. Das wird nur als Museum gehalten, damit es nicht auffällt. 

    http://www.youtube.com/watch?v=bQ9XmK6AFbs 

    http://www.youtube.com/watch?v=8vC2E1DtJtc&feature=related 

    Es ist mit Treppen aufgebaut und ähnelt den Bauten der Heiden, die Menschenopfer machten.

    Ist das Zufall, dass der Vatikan solche Gebäude baut? Da sieht man doch wie sie heimlich arbeiten. 

    Aber wer ist ungesehen vor unserem G´tt? 

    An dieser Stelle kann ich garantieren, dass G´tt auch seine Pläne hat und mit seinem Volk arbeitet wie in der Bibel beschrieben. Er liebt uns sehr!

     

  2. Ergänzung:



    CIVILTÀ CATTOLICA, LA, official Catholic bi-monthly. Founded in 1849 by Jesuit writers, and published first in Naples (1850) then in Rome, this review has been the faithful interpreter of papal thought and gained an influence far beyond Catholic circles. Until 1933, its contributors also remained strictly anonymous. From the outset, the review attacked *Freemasonry, liberalism under all forms, and, above all, the synagogue which „had put Man-The-God on the Cross“ (vol. 46 (1895), no. 1, 262), thus bringing about the dispersion of the Jews and causing their „irritating“ presence throughout the earth.
    With the accession of Pope Leo XIII (1878), the casuistic approach was replaced by systematic defamation. Civiltà wrote of „Jewish hatred… against mankind – Jews excepted“ (vol. 32 (1881), no. 5, 727); of the „anti-social spirit of Judaism“; and of the „necessity of hating it“ (ibid., no. 6, 603, 608). Worst of all was the review’s attitude concerning the *blood libel. More than a century earlier Cardinal Ganganelli (later Pope *Clement XIV) had declared the accusation groundless but Civiltà Cattolica nonetheless wrote of the Jews of *Trent, „mingling unleavened bread with Christian blood, every year, at Passover,“ and of the „present Jewish use of Christian blood in paschal bread and wine.“ Civiltà dwelt further on „the reality of the use of Christian blood in many rituals of the modern synagogue“ (vol. 34 (1883), no. 1, 606ff.) as „demonstrated“ in the *Tiszaeszlar case, which Civiltà considered to be authentic beyond doubt. Likewise Captain *Dreyfus could be nothing but a traitor, while France was governed by *Freemasonry, which itself was controlled by the Jews. However, the Jews should not be exiled from France for they were a people accursed by God, scattered to the four corners of the earth in order to testify by their ubiquity to the truth of Christianity (vol. 49 (1898), no. 1, 273–87). Thus, anti-Jewish prejudice had again been given a moral nihil obstat and an encouragement to proceed with the worst excesses. Nor did Civiltà relent during the following decades, although „blood“ charges were dropped.
    Three years after the advent of the Third Reich, the review actively competed with Nazi propaganda, setting out in detail all the arguments for Christian antisemitism as distinguished from the racial antisemitism of the Nazis. The Jews, stated the writer, „have become the masters of the world“ (vol. 87 (1936), no. 37–8); „Their prototype is the banker, and their supreme ideal to turn the world into an incorporated joint-stock company“ (ibid, 39–40). In search of a solution to the „Jewish Question“ Civiltà analyzed Zionism. Would the Jews, asked the writer, once they had realized the Zionist state, „give up their messianic aspiration to world domination and preponderance, both capitalistic and revolutionary? Besides, what would be the attitude of the Christians when they saw the Holy Places in Jewish hands?“ (vol. 88 (1937), no. 2, 418–31). As Civiltà Cattolica saw it, the only way to salvation was through conversion.
    Throughout World War II (1939–45), Civiltà’s silence over the fate of the Jews echoed that of *Pius XII. Later, the „unprecedented cruelty of the massacres of Jews and Poles,“ and „the horror of concentration camps, gas and torture chambers,“ were mentioned in an article which raised doubts about the very principle and objectivity of the Nuremberg trials and stated, among other things, that „conceding even that, on the diplomatic ground, Germany had been the one to set the gunpowder on fire, historically, they had been compelled to do so“ (vol. 97 (1946), issue 2297). From the 1950s Civiltà’s century-long antipathy was replaced by a definitely more dispassionate attitude, in conformity with the Vatican’s recent moves toward reconciliation.
     
    (Encyclopaedia Judaica, Jerusalem 1971)

  3. Eine Leserin fragte mich, ob man denn tatsächlich von einem „latent judenfeindlichen Papsttum“ für die Zeit bis zum Erscheinen dieses Lexikonartikels (1927) sprechen könne.
     
    Als Antwort wiederhole ich das, was ich an anderer Stelle bereits in Bezug auf die Jesuiten gesagt habe. Wer ein Presseorgan wie die Civilta Cattolica als offizielles Sprachrohr seiner jeweiligten Meinungen und Ansichten betreibt, kann nur judenfeindlich sein.
     
    Die offizielle, maßgebende und bedeutendste vatikanische Publikation “Civilta cattolica”, wurde 1850 von Jesuiten gegründet und existiert bis in die Gegenwart.
    Antijudaismus und Antisemitismus dieses Periodikums sind vielfach belegt und es hat auch an (fadenscheinigen) Rechtfertigungsschriften des Vatikans hierfür nicht gefehlt.

     
    Zitat aus einer 1880er Ausgabe:
    “Oh, wie sehr täuschen sich jene, die meinen, das Judentum sei nur eine Religion, wie Katholizismus, Paganismus und Protestantismus, und nicht vielmehr eine Rasse, ein Volk und eine Nation!”

     
    Zitat aus einer 1893er Ausgabe:
    “Die jüdische Nation (…) arbeitet nicht, sondern wächst und gedeiht im Glanze des Wohlstands und Fleißes der Nationen, die ihnen Zuflucht geben.” Sie sei “ein riesiger Krake, der mit seinen übergroßen Tentakeln alles ergreift. Sein Bauch sind die Banken (…), und die Saugnäpfe sind überall: in Verträgen und Monopolen, in Kreditvereinen und Banken, in Postdiensten und Telegrafengesellschaften, in Schiffahrt und Eisenbahn, in Stadtsäckeln und Staatsfinanzen.” Die jüdische Nation verkörpere “das Königreich des Kapitals”, die “Aristokratie des Goldes” und regiere unangefochten.

    Zitat aus einer 1897er Ausgabe:
    “Der Jude bleibt immer und überall unveränderlich ein Jude. Seine Nationalität gründet nicht in dem Boden, auf dem er geboren ist, noch in der Sprache, die er spricht, sondern in seinem Samen.”
     
    Zitat aus einer 1922er Ausgabe:
    “Die Welt ist krank (…) Überall werden Völker von unerklärlichen Krämpfen geschüttelt (…)” Und wer ist daran schuld? “Die Synagoge”, natürlich. “Jüdische Eindringlinge” stecken hinter Russland und der Kommunistischen Internationale, der größten Gefahr für die Weltordnung…
     
    Zitat aus einer 1936er Ausgabe (man erinnere sich, die Nürnberger Gesetze waren damals bereits erlassen und Juden wurden in Deutschland verfolgt, bedrängt, Repressionen unterworfen):
    Juden seien “einzig und allein mit den Eigenschaften von Parasiten und Zerstörern versehen” und zögen im Kapitalismus wie im Kommunismus die Fäden, um durch einen Zangenangriff die Weltherrschaft an sich zu reißen.
     
    Zitat aus einer 1937er Ausgabe:
    CC verbreitet es als “eine offensichtliche Tatsache, dass die Juden auf Grund ihres Herrschaftsgeistes und ihrer revolutionären Übermacht ein störendes Element sind. Das Judentum ist (…) ein Fremdkörper, ein Entzündungsherd, der Reaktionen jenes Organismus hervorruft, den er befallen hat.”
    Paar Abschnitte weiter erörtert das Jesuitenblatt verschidene Lösungen der “Judenfrage”, darunter auch Formen von “Eliminierung” (!). “Vertreibung” ist ein gesondertes, ebenfalls gennantes Diskussionsthema.
     
    Zitat aus einer 1938er Ausgabe (das Jahr der Reichspogromnacht!):
    Ein CC-Autor erinnert an “die anhaltenden Verfolgungen der Christen, insbesondere der katholischen Kirche, durch die Juden und an ihre Allianz mit den Freimaurern, den Sozialisten und anderen antichristlichen Parteien”.
     
     
    Den Verantwortlichen des NS-Antijudenmagazins “Der Stürmer” (gegründet 1923) blieb der vatikanische Judenhass keinesfalls verborgen. Belegt ist mindestens ein Lob des “Stürmers” für Civilta cattolica als dessen antisemitisches Vorbild.
     

     

  4. Das war aber viel Arbeit 🙂 Chapeau!

    Das Lexikon „von 1927“ muss wohl später herausgegeben worden sein, es finden sich darin Bezugnahmen bis zu 1930, z.B. unten in Spalte 719, Stichwort „Palästina (Wirtschaft und Verkehr)“.

    „rassischen Antisemitismus“ ?? Gibts anderen?

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