Ufos, Bambis und Roboter

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Luftfahrt und militärische Kriegsführung erleben eine dramatische Revolution. Ferngelenkte, halbautomatische und „selbstdenkende“ Roboter werden für den Einsatz in der Luft, am Boden und auf See entwickelt. Im deutschen Bundestag wurde am 28.12. eine Gesetzesvorlage eingebracht, unbemannte Flugzeuge nicht nur der Polizei im Luftverkehr zuzulassen. Heute schon starten, fliegen und landen Jumbo-Jets mit dem „Auto-Pilot“ zu vorprogrammierten Zielen…

Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 5. Januar 2012

Bei Oberstleutnant Eitan Aviv stehen Kettenfahrzeuge auf dem Schreibtisch und in der Ecke seines Büros. Der gelernte Ingenieur ist in der israelischen Armee verantwortlich für die technologische Entwicklung von „allem, was sich am Boden bewegt“. Sein „Spielzeug“ sind mit Elektronik und Kameras vollgestopfte „Plattformen“, die Treppen steigen und durch Zimmer flitzen können, aber auch im freien Gelände oder in Schächten und unterirdischen Gängen kaum aufzuhalten sind. Sie übermitteln aus sicherer Entfernung dreidimensionale Bilder von Räumen, in denen sich ein Feind aufhält. Manche Militärroboter können sogar Sprengsätze neutralisieren.

„Normalerweise sitze ich nicht mit gebügelter Uniform hier im Büro. Ich bin bei den Soldaten. Nach jeder Operation ziehen wir Bilanz und lernen aus dem, was geschehen ist. Wir schauen, wie wir den Soldaten mit neuer Technologie helfen könnten“, sagt Aviv. Sein aus Jugoslawien stammender Mitarbeiter Leon fügt hinzu: „Mit technischem Vorteil schützen wir das Leben unserer Soldaten und halten gleichzeitig den Kollateralschaden gering. Wir schützen auch das Leben der Gegner.“

Für die Israelis hat sich schon vor zwanzig Jahren das Schlachtfeld gewandelt. Heute stehen sich nicht mehr Armeen gegenüber. Operationen in einem dicht besiedelten, unübersichtlichen Umfeld, Häuserkampf, angreifende Kinder, professionell getarnte Sprengsätze stellen die Militärs vor neue Herausforderungen. Aviv zeigt das Foto eines israelischen Panzers in einer palästinensischen Stadt. Kinder sind von hinten auf den Panzer geklettert: „Was nützt in solcher Situation die Feuerkraft seiner Kanone?“ Wegen der Medienaufmerksamkeit und der damit verbundenen „Lawfare“, Kriegführung auf juristischer Ebene, begleiten Rechtsexperten alle Erfindungen israelischer Militärtechniker, um sie auf Kompatibilität mit internationalem Recht überprüfen.

Aviv präsentiert Bilder und Videoaufnahmen von Panzern, Schneeräumgeräten, Baggern und Patrouillenfahrzeugen im Einsatz. Alle sind unbemannt und ferngelenkt unterwegs. Sie bewegen sich vollautomatisch im Gelände. Riesige D9-Bulldozer, mit elektronischen „Augen“ ausgestattet, manövrieren auf diese Weise in extremen Gefahrenzonen, ohne dass ein Fahrer in Gefahr gebracht wird.

Der Oberstleutnant will auf den tragischen Tod der amerikanischen Friedensaktivistin Rachel Corrie nicht eingehen, die am 16. März 2003 im südlichen Gazastreifen von einem Bulldozer zu Tode gewalzt wurde, weil der Bulldozerfahrer, den sie an seiner Arbeit hindern wollte, angeblich nicht sehen konnte. „Von Politik verstehe ich nichts,“ erklärt Aviv. „Aber das Blickfeld eines Menschen ist in so einer Situation immer eingeschränkt. Mit Laser, Infrarot-Kameras und anderem Gerät kann der Bediener eines ferngelenkten Bulldozers heute ein Blickfeld in höchster Auflösung von 360 Grad Operationsradius auf dem Bildschirm seines Computers haben.“ Damit deutet er an, dass dank modernster Technologie Corrie heute möglicherweise nicht zur „Märtyrerin“ des palästinensischen Kampfes geworden wäre.

Eitan Aviv greift sich auf dem Tisch eine schwarz-metallene Zigarrenkiste mit seitlich montierten Hartgummi-Panzerketten. Mit Schwung wirft er das Gerät auf den Boden. Es richtet sich von alleine auf, flitzt durch den Flur und stürzt sich die Stufen zum Vorgarten der Militärbaracke hinab. „Für die junge Generation ist es ganz natürlich, mit einer Sony Playstation umzugehen“, erklärt der Offizier und lenkt den Roboter mit dem Joystick vom Schreibtisch aus, der draußen einer erschreckten Soldatin „nachläuft“.


Zwei „Kollegen“

Leon erklärt den Nutzen dieses 30 bis 40 Tausend US-Dollar teuren Spielzeugs. „Der Soldat gefährdet nicht Leben und behält einen kühlen Kopf, während der Roboter das feindliche Umfeld erkundet. Müsste er selbst in einem unbekannten Haus die Zimmer durchsuchen, würde ihm das Adrenalin in den Kopf steigen. Da könnte er aus Affekt vorschnell schießen und vielleicht Zivilisten treffen, aus Angst, selbst erschossen zu werden.“ Wenn ein Roboter auf einen Terroristen trifft, gibt es höchstens materiellen Schaden. „Aber mein Spielzeug hat nicht nur nur ein Blickfeld rundum, sondern weiß auch, sich gegen unerwünschte Berührungen zu wehren“, lächelt der Militärtechniker geheimnisvoll. Sein Chef betont, dass bis dato keine schießenden Roboter im Einsatz seien. Würde der Terrorist dem Roboter hinterher laufen, „wäre er ein Idiot“, meint Leon, „das Gerät würde ihn geradewegs in unsere Arme locken.“

Die Frage, ob für den Kampfeinsatz trainierte Hunde nicht bessere Dienste leisten als ein seelenloses Spielzeug, verneint Oberstleutnant Aviv: „Ein Hund ermüdet, will fressen, seine Geschäfte erledigen und ist auch sonst allerhand natürlichen Trieben ausgeliefert. Zudem dauert es Monate, einen Hund abzurichten.“

Zu den Entwicklungen der israelischen Armeetechniker gehört auch eine „Schlange“, die sich durch unwegsames Gelände windet, ein Kameraauge im offenen „Maul“ hat und selbst durch engste Löcher in Wänden oder in Höhlen schlüpfen kann. „Stellen Sie sich mal ein eingestürztes Haus nach einem Erdbeben vor“, meint Aviv. „Mit dieser Schlange könnten wir durch enge Schlitze eindringen und Verschüttete ausmachen.“

Leon weiß, dass bereits Leonardo Da Vinci mit Soldatenrobotern experimentiert habe. Die ersten ernsthaften Militärroboter, so erzählt er, hätten die Russen im Zweiten Weltkrieg eingesetzt. Doch die Kommunikation zu deren ferngelenkte Panzer sei damals in der Nähe von Hochspannungsleitungen abgerissen. Zeitgleich hätte die deutsche Wehrmacht ferngelenkte Sprengsätze unter feindliche Panzer gelenkt.

Vor zwei Jahrzehnten hat die israelische Polizei ihr legendäres „Bambi“ entwickelt, ein 20.000 Dollar teures Kettenfahrzeug mit aufmontiertem Jagdgewehr, Greifarm und Kamera. Die Bambis gehören heute zur Standardausrüstung der Sprengstoffexperten. Sie können suspekte Objekte greifen, auseinander reißen, auf sie schießen oder Verletzte aus der Gefahrenzone zerren. Ein „Bambi“ hat auch schon einmal mit seinen Greifarmen einen gefassten Selbstmordattentäter aus seiner Sprengjacke geschält, um diese dann kontrolliert zur Explosion zu bringen.


Ein Bambi im Polizeimuseum von Sderot zwischen Kassamraketen

Standhaft bleibt Oberstleutnant Aviv bei seiner Behauptung, wonach die in der israelischen Armee entwickelte „Plattformen“ ausnahmslos unbewaffnet seien. Und selbst wenn sie – wie etwa Drohnen – mit einem Gewehr ausstatten würden, „wäre es immer ein Mensch, der die letzte Entscheidung trifft und schießt.“

(C) Ulrich W. Sahm/ haGalil.com

4 Kommentare

  1. Naja, es sind raffinierte Einleitungssätze wie „Luftfahrt und militärische Kriegsführung erleben eine dramatische Revolution.“ die mich stutzig machen. Ferngesteuerte Roboter gibt es schon seit 70 Jahren, ebenso wie die erwähnten Joysticks, weswegen ich die dramatische Revolution einfach nicht sehe. Der Rest des Artikels ist ansonsten solide, widerspricht aber der Einleitung…

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