Rechtes Theater

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Der antisemitische Schriftsteller István Csurka übernimmt nach einer umstrittenen Entscheidung des Budapester Bürgermeisters gemeinsam mit dem rechtsextremen Schauspieler György Dörner die Leitung des Neuen Theaters Budapest…

Von Karl Pfeifer
Jungle World v. 8. Dezember 2011

Im Jahr 1982 erschien in der DDR das Buch »Wer setzt schon auf Fortuna« von István Csurka. Es geht darin um Untreue in der Ehe, Pferderennen und den Mangel an Bier im Sommer, was nach Meinung des Schriftstellers das größte Problem des ungarischen Sozialismus war. Im Nachwort wird Csurka gelobt, weil er bereit gewesen sei, für die »moralischen Werte des Sozialismus einzutreten«.

Schon während des Kádár-Regimes ließ sich Csurka zu antisemitischen Ausfällen hinreißen. Nach dem Ende des Realsozialismus wurde auch bekannt, dass er ab 1956 Informant der politischen Polizei gewesen war. Das hielt die damalige konservative Regierungspartei MDF nicht davon ab, ihn zum Vizepräsidenten zu wählen. Auch sein 1992 publiziertes, antisemitisches Pamphlet »Ein paar Gedanken über die zwei Jahre des Systemwechsels« wurde toleriert.

Der derzeitige Vorsitzende des Parlaments, László Kövér von der Fidesz, der damals noch liberal gesinnt war, nannte das Machwerk schlicht und einfach die »Grundlage des ungarischen Nazismus«.

Die in dem Pamphlet entwickelten paranoiden Vorstellungen über die Israelis, die angeblich planten, Ungarn zu erobern, sind seitdem zum Glaubenssatz aller ungarischen Rechtsextremisten geworden. Der Antisemitismus ist in die Mitte der Gesellschaft vorgerückt.

Als Csurka versuchte, innerhalb der Partei eine Fraktion zu bilden, wurde er aus der rechtskonservativen MDF ausgeschlossen. Daraufhin gründete er die Partei für Ungarisches Recht und Leben (MIÉP), die während der ersten Regierung unter Viktor Orbán 1998 bis 2002 im Parlament vertreten war. Nach dem Terrorangriff auf die USA am 11. September 2001 sagte Csurka: »Die unterdrückten Völker der Welt konnten die Ernie­drigung durch die Globalisierung, die Ausbeutung und den in Palästina planmäßig durchgeführten Genozid nicht ohne einen Antwortschlag erdulden.« Auf eine Frage der Süddeutschen Zeitung zu István Csurka antwortete der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán im November 2001: »Es ist Teil der ungarischen Politfolklore, dass die Linke jeden Nichtlinken zum Antisemiten erklärt.«

Die führenden Politiker der Regierungspartei Fidesz waren und sind nicht unbedingt fremdenfeindlich, rassistisch oder antisemitisch eingestellt, sie stellten sich aber auch nicht gegen solche Strömungen. Im Gegenteil, nach ihrer Wahlniederlage 2002 unterstützte Fidesz die rechtsextreme Partei Jobbik und begann selbst eine Kampagne, in der alle »Fremdherzigen«, »die in unserer Heimat sich provisorisch aufhaltenden Mainstream-Linken«, die Bankiers, Oligarchen, Off-Shore-Spekulanten, Liberalen, Homosexuellen und selbstverständlich Roma und Juden denunziert wurden. Zurzeit werden aggressive Kampagnen gegen Sündenböcke aller Art geführt.

Die Existenz des Antisemitismus wird von der Regierung geleugnet. Journalisten, die es wagen, über den Antisemitismus zu schreiben, wird die angeblich blühende jüdische Kultur Ungarns ebenso entgegengehalten wie die Tatsache, dass einige Hundert israelische Studenten in Ungarn studieren. Beliebt ist auch die zynische Methode der Regierung, sich als gesellschaftliche Mitte zu definieren, als ausgleichende Kraft, zwischen den Linken, die die »Antisemitismuskeule« schwingen würden, und der rechtsextremen Partei Jobbik, die Fidesz beschuldigt, eine zionistische Partei zu sein. Fidesz verwirklichte einige Forderungen der rechtsextremen Jobbik, um ihr »den Wind aus den Segeln« zu nehmen. Diese Zugeständnisse führten jedoch zum Erstarken von Jobbik, die laut jüngsten Meinungsumfragen in der Wählergunst noch vor der sozialdemokratischen MSZP liegt.

Es ist erfreulich, dass es dennoch eine Minderheit in Ungarn gibt, die den offenen Antisemitismus, der von der Regierung toleriert wird, nicht stillschweigend hinnimmt. Nachdem im Oktober 2011 der Fidesz nahestehende Budapester Oberbürgermeister István Tarlós entgegen dem Rat eines Fachgremiums den rechtsextremen Schauspieler György Dörner zum Direktor des »Neuen Theaters« und den antisemitischen István Csurka zum Intendanten gewählt hatte, brach ein Sturm der Entrüstung in Budapest los. Tausende Ungarn gingen auf die Straße, um dagegen zu protestieren. Einige bedeutende ungarische Dramatiker – oder deren Erben – haben dem Theater untersagt, ihre Stücke aufzuführen.

Der deutsche Dirigent Christoph von Dohnányi hat seinen geplanten Gastauftritt an der Ungarischen Staatsoper abgesagt. Dohnányi habe der Oper mitgeteilt, dass er nicht in einer Stadt auftreten wolle, »deren Oberbürgermeister die Führung eines Theaters zwei bekannten rechtsradikalen Antisemiten anvertraut hat«, berichtete die ungarische Nachrichtenagentur MTI.

Die Berliner Akademie der Künste protestierte gegen die Entscheidung, Csurka und Dörner in die Leitung des Budapester Theaters zu berufen. Bürgermeister Tarlós bezeichnete den schriftlichen Protest der Akademie der Künste als »zudringlich«. »Ich verstehe nicht, auf welcher Grundlage und Kompetenz Sie sich in die Angelegenheiten des Budapester Neuen Theaters einmischen, ohne die gesamten Umstände zu kennen«, antwortete er und lehnte jegliche Diskussion über seine Entscheidung ab. Nicht nur der pampige Stil fällt auf, sondern auch das primitive Argument, dass Ausländer nicht »die gesamten Umstände« erkennen könnten.

Dabei liegen die Umstände auf der Hand. Der notorische Antisemit Csurka agitiert seit Jahren in seiner Zeitschrift Magyar Forum für Fidesz und wird deswegen als möglicher Partner der Partei gehandelt und mit dem Posten des Theaterintendanten belohnt. Als Csurka in seiner Zeitschrift wüste antisemitische Beschimpfungen gegen seine Kritiker publizierte, sah sich selbst Bürgermeister Tarlós genötigt, ihn zur Mäßigung aufzurufen. Man kann gespannt sein, ob Tarlós, der keine Berührungsängste mit der rassistischen und antisemitischen Jobbik-Partei hat, seine Entscheidung für das Duo Csurka-Dörner zurückzieht.

3 Kommentare

  1. Oberbürgermeister Tarlos hat wegen dem letzten antisemitischen Ausfall von Csurka, den rechtsextremistischen Schauspieler Dörner gebeten, Csurka nicht anzustellen.
    Wasch mir den Pelz aber mach mich nicht nass. Tarlos ist auf einen hohen Baum geklettert und will jetzt herunterkommen.

  2. Der Antisemitismus hat Tradition in Ungarn. Dennoch wundert mich dieses so unverhohlen gezeigte Bekenntnis in einem Land, das Teil von Europa ist. Es ist schändlich und widerwärtig. 

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