Angeblich illegal: Stimme des Friedens verstummt

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Der israelisch-palästinensische Sender „Kol haSchalom“ schweigt seit dem 17. November. Er hatte sieben Jahre lang eine Mischung aus Gesprächsrunden, Interviews und Popmusik gesendet. Die Sendungen wurden in Ostjerusalem produziert und von Bitunia bei Ramallah ausgestrahlt…

Sound zum Artikel: Kol haSchalom, diesmal aus dem Radio haGalil

Das Radio berief sich auf eine Funklinzenz der Palästinensischen Autonomiebehörde, unterliegt also nicht israelischem Recht. Die Station wurde von der palästinensischen Organisation Biladi und dem jüdisch-arabischen Zentrum für Frieden unterstützt. Hauptakteur war der frühere Knesset-Abgeordnete Mossi Ras von der sozialdemokratischen «Meretz»-Partei.

Das Radio ging im November 2003, am Jahrestag der Ermordung Yitzhak Rabins (04-11-1995) auf Sendung und wollte eine Tradition fortführen, die mit Abi Nathans „Voice of Peace“ begonnen worden war. Nathan hatte von einem Schiff im Mittelmeer ein Programm für alle Menschen in der Region ausgestrahlt.

Das Programm wurde von einem Schiff, das kurz vor den israelischen Gewässern geankert war, gesendet. Die Jingles und Slogans des Senders klingen den meisten Israelis, die damals jung waren, noch deutlich in den Ohren: „From somewhere in the Mediterranean, this is the Voice of Peace“ – „No More War – No more Bloodshed“.

Abie Nathan hatte seinen Sender 1993, teils aus finanziellen Gründen, teils aus der Überzeugung heraus, dass der Oslo Friedensprozess stabil sei, aufgegeben. Er versenkte damals das Schiff und übergab die Sendearchive dem Givat Haviva Zentrum, dessen Direktor Mosi Ras war.

Hanna Siniora, Ras‘ palästinensischer Partner und Herausgeber der Jerusalem Times, betonte, der Sender solle Vertrauen fördern und die Distanz zwischen den beiden Völkern vermindern helfen. Die von den Medien präsentierten Stereotypen von Palästinensern und Israelis sollten durchbrochen werden. Der Sender war um Ausgewogenheit bemüht und widmete Fragen der Koexistenz und Initiativen des Miteinanders viel Aufmerksamkeit. Die Musik war mediterran, arabisch, hebräisch, international. Die Beiträge hauptsächlich hebräisch und arabisch.

Die Polizei hielt Ras nun vor, dass er sich in hebräischer Sprache an ein jüdisches Publikum wende und somit einen Piratensender gegen Israel betreibe. Die Schließung des Senders soll seit September vom Abgeordneten Danny Danon (Likud) mit dem Argument vorangetrieben worden sein, die Station würde «gegen Israel aufhetzen». Das israelische Kommunikationsministerium verlangte am 4. November die Schließung von Radio «Kol haSchalom», weil es angeblich illegal betrieben werde.

Als der Sender Widerspruch einlegte, wurde Direktor Ras nach eigenen Angaben drei Stunden lang von der israelischen Polizei verhört und aufgefordert, den Sendebetrieb unverzüglich einzustellen. Wenn er dies nicht umgehend verfüge, werde die Polizei den Sender abschalten, Ras verhaften und in seinem Jerusalemer Büro eine Razzia durchführen.

Das Vorgehen gegen den Sender fügt sich ein in die Reihe von Maßnahmen und Gesetzesinitiativen, die derzeit von der israelischen Regierung betrieben werden, um den Einfluss kritischer Journalisten und internationaler Organisationen zu mindern und den Justizapparat stärker zu kontrollieren. Der Sender «Kol haSchalom» will nun das Oberste Gericht Israels anrufen. Dessen Oberste Richterin hat in der vergangenen Woche selbst gewarnt, dass sogar der Oberste Gerichtshof Israels immer mehr zum Ziel nationalistischer und antidemokratischer Kräfte werde.

Wie wäre’s mit einer musikalischen Erinnerung: Kol haSchalom, diesmal aus dem Galil *…

*) Sound:
Miri Mesika – Bah alejkhem (CD/DVD, Hof’ah akustit…)

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=9087DC8Ne4k[/youtube]

Rotana
Amsterdam Klezmer Band – Katla – Toi
Baba Zula – Gecekondu – Abdulcanbaz
FunX.nl – Latin
Amsterdam Klezmer Band – Katla – Valentina
Radio Sawa al Masr
Baba Zula – Gecekondu – Efkarli
Ivresses – Ghorbani – Hamdani**

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=0-hT1cVmMzg[/youtube]

Weitere Sounds und Jingles zur Kol haSchalom gibt es hier

AB, Jüdische Zeitung, haGa, haArez, allforpeace.org

**) arte: Der große persische Dichter Omar Khayyam hat mit seinen poetischen Variationen der Trunkenheits-Metapher die ganze Welt erobert.  Nun tragen zwei außergewöhnliche Stimmen seine Werke auf ganz neue Weise vor. Der Iraner Alireza Ghorbani (Galionsfigur der persischen klassischen Musik und Autor eines bemerkenswerten Kommentars zu dem Sufisten und legendären Begründer des Mevlevi-Derwisch-Ordens Rumi) war bereits 2008 beim Festival zu Gast. Er wird von der jungen Sängerin Dorsaf Hamdani unterstützt, die sich mit ihren Interpretationen des tunesischen Klassik-Repertoires einen Namen machte. Gemeinsam ergründen die Künstler die universelle Sprache zeitloser Poesie und die wundersame Verschmelzung arabischer und persischer Gesänge.

3 Kommentare

  1. „Die Jingles und Slogans des Senders klingen den meisten Israelis, die damals jung waren, noch deutlich in den Ohren: “From somewhere in the Mediterranean, this is the Voice of Peace” – “No More War – No more Bloodshed”.“

     -Nicht nur denen- (somal als eigentlich immer noch junger ex-Volunteer)

    Schade, eigentlich war mal eine schöne Grundidee, daß die Zeichensetzung für demokratischen Pluralismus im Nahen Osten von Israel ausgeht und die Umgebenden sich anpassen. Umgekehrt geht natürlich auch! (wobei ich zugeben muß, den anscheinend Nachfolgersender nicht zu kennen)

  2. Das sind sind traurige und bedenkliche Nachrichten. Pluralismus, politisch-kulturelle Grenzüberschreitungen und kritische Opposition sind Werte, die für eine demokratische Kultur und für einen Versöhnungsprozess unerlässlich sind. Abi Nathan hatte eine Tradition begründet, auf die der demokratische Staat Israel stolz sein kann. Siehe: www.hagalil.com/archiv/2008/09/nathan.htm

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