Ein Anwalt Israels

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Am 9. September 1953 starb der Zionist und israelische Diplomat Meinhold Nussbaum bei einem Verkehrsunfall in Köln…

Von Jim G. Tobias

„Für die meisten Juden ist das Leben in Deutschland schwer erträglich. Sie fühlen sich isoliert und können das, was sie von ihren Mitbürgern erlebt haben, doch nicht einfach vergessen“, erklärte Meinhold Nussbaum 1946 in einem Zeitungsinterview. „Ich habe keinen gesprochen, der nicht aus Deutschland herausgehen möchte.“ Der deutsch-jüdische Rechtsanwalt hatte 1933 seine alte Heimat in Richtung Palästina verlassen und betrat nun nach über 12 Jahren zum ersten Mal wieder deutschen Boden. Er sollte die Grundlagen für die Rückerstattung geraubten jüdischen Eigentums durch die im Aufbau befindliche JRSO (Jewish Restitution Successor Organization) schaffen. Mit Unterbrechungen hielt Nussbaum sich für mehrere Jahre in Deutschland auf. Am 9. September 1953 verstarb er an den Folgen eines Verkehrsunfalls.

Der 1888 geborene Meinhold Nussbaum unterhielt eine Rechtsanwaltskanzlei in Nürnberg und war viele Jahre in der Führung der Zionistischen Ortgruppe aktiv. „Unter seiner Leitung wurden die Grundlagen geschaffen, die später das organisatorische Leben unserer Gemeinschaft bestimmten“, lobte das Mitteilungsblatt des, „Irgun Olej Merkas Europa“, die Zeitung der jüdischen Palästinasiedler aus Mitteleuropa, in einem Nachruf den Verstorbenen. Seit 1917 engagierte sich Nussbaum bei den Zionisten. In diesem Jahr hatte die britische Regierung auch die sogenannte Balfour-Deklaration verkündet, in der den Juden das Recht auf eine „Heimstatt“ im Heiligen Land versprochen wurde. Schon 1923 war Meinhold Nussbaum zu einer Erkundungsreise in das damals noch von England verwaltete Palästina aufgebrochen. Doch für einen in Deutschland ausgebildeten Juristen gab es dort keine Arbeit.

Trotzdem war Nussbaum einer der ersten, die mit „ihrem Zionismus radikal ernst machten“. Für den 4. April 1933 war eine Schiffspassage von Neapel nach Haifa gebucht. Zunächst wollten Meinhold Nussbaum und seine Frau allein fahren; die vier Kinder sollten nachkommen. Doch als am 1. April die Nazis zum reichsweiten Boykott jüdischer Geschäfte aufriefen, wollten die Nussbaums keinen Tag länger mehr in Nürnberg bleiben. Hals über Kopf flüchtete die Familie über die Schweiz nach Italien. Der Anfang in Palästina war nicht leicht. Während der Vater das englische Jura-Examen nachholte, besuchten die vier Töchter eine Landwirtschaftsschule, um sich auf ein Leben im Kibbuz vorzubereiten. Die Kinder passten sich schnell an und sprachen bald fließend Hebräisch. „Wir haben anfänglich noch in Baracken und Zelten gewohnt“, erinnert sich Chava Ducas-Nussbaum, die über ein halbes Jahrhundert im Kibbuz Maoz Chaim lebte.


Tel Aviv 1933: Meinhold Nussbaum und seine jüngste Tochter Dorothea. (Repro: Jim G. Tobias)


Ramat Gan 1938: Meinhold Nussbaum mit seinen Töchtern Rachel, Chana, Dorothea und Chava v.l.n.r.

Nach kurzer Zeit konnte Meinhold Nussbaum eine Rechtsanwaltskanzlei in Tel Aviv eröffnen. Sein Büro entwickelte sich zum Mittelpunkt der vielen ratsuchenden jüdischen Einwanderer aus Deutschland. Der Nürnberger Jurist half manchem Kollegen Fuß zu fassen und wurde schon bald in den Stadtrat seines Wohnorts Ramat Gan gewählt. 1946 schickte die Jewish Agency Nussbaum nach Deutschland. Er war als Experte maßgeblich an den gesetzlichen Regelungen von Restitutionsfragen aller Art beteiligt. Erst im Mai 1949 kehrte Nussbaum für einige Jahre nach Israel zurück. Im Frühjahr 1953 sandte die israelische Regierung Meinhold Nussbaum noch einmal nach Deutschland. Als Mitarbeiter der „Israel-Handelsmission“ in Köln sollte er nun an der Umsetzung des mit der Adenauer-Regierung vereinbarten „Wiedergutmachungs“-Abkommens mitwirken. Die Mission, ein inoffizieller Vorläufer der israelischen Botschaft, organisierte die Abwicklung der vereinbarten Reparationszahlungen und koordinierte den Warentransport nach Israel. Meinhold Nussbaum übernahm die Leitung der Rechtsabteilung.

Es war sein letztes Amt; im September wurde er von einem Auto angefahren und erlag einige Tage später, am 9. September 1953, seinen Verletzungen. Trotz der nur kurzen Tätigkeit gelang es ihm wichtige Impulse zu setzen: „Er starb im Dienste des Landes und der Ziele, denen er sein ganzes Leben geweiht hatte“, würdigte das Mitteilungsblatt den zionistischen Aktivisten. Der israelische Justizminister Pinchas Rosen bezeichnete den Verstorbenen in einem Nachruf als einen „der wichtigsten, treuesten, geradlinigsten und hingebungsvollsten“ Zionisten, der schon in jungen Jahren den „Treueeid auf die nationale Auferstehung“ der Juden geleistet hatte.

Nach einer Trauerfeier auf dem jüdischen Friedhof in Köln brachte man die sterblichen Überreste Meinhold Nussbaums mit einem EL AL Flugzeug zurück nach Israel, wo sie zur letzten Ruhe gebettet wurden. „Es war das erste Mal, dass ein israelisches Flugzeug mit einer israelischen Besatzung auf deutschem Boden landete“, berichtete die Allgemeine Jüdische Wochenzeitung über dieses außergewöhnliche Ereignis.

2 Kommentare

  1. „Eine Geschichte, die auch Gegenwart sein könnte.“

    Ich hoffe nicht. Ich hoffe, dass solche Schicksale nicht vergessen, aber nicht mehr Gegenwart sein sollen/dürfen/können.

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