Deutsche EVZ Stiftung zensiert israelische Medien

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Die deutsche Stiftung zur Entschädigung von Nazi-Opfern „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ (EVZ) finanziert antisemitische Aktivitäten. „Sie verbreiten Hass“ titelte die Zeitung Yedioth Ahronot…

von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 29. September 2011

Die EVZ wurde vor elf Jahren ins Leben gerufen. Mit Mitteln deutscher Industrieunternehmen und der Bundesregierung sollten überwiegend nicht-jüdische Sklavenarbeiter der Nazizeit entschädigen werden. Sie hat ein Austauschprojekt deutscher und israelischer Kinder mit 21.590 Euro finanziert. Im 30-seitigen Abschlussbericht entdeckte Yedioth-Korrespondent Eldad Beck Zeichnungen, die anti-israelische und antijüdische Stereotype bedienen. Die Broschüre mit einer Auflage von 500 Stück wurde für 2.130 Euro von der EVZ produziert.

Darin werden orthodox-jüdische Schüler mit Kippa und Schläfenlocken lachend in einem gut ausgestatteten Klassenraum gezeigt. Darüber steht „jüdische Schule“. Dem gegenübergestellt wurde ein überfüllter Klassenraum mit Spinnwegen und Gitterfenstern einer „palästinensischen Schule“. Auf einem anderen Bild ist ein weißer israelischer Junge zu sehen, der einem dunkelhäutigen palästinensischen Altersgenossen die Hand reicht und fragt, ob er mit ihm befreundet sein wolle. Hinter ihm richtet ein israelischer Panzer sein Rohr auf die Kinder. So wird der Eindruck erweckt, als werde der Palästinenser zum Handschlag nötigt.
Weiter werden in der Broschüre Parallelen zwischen der Teilung Deutschlands und der Teilung Palästinas, sowie zwischen Israel und der DDR gezogen.

An dem Projekt beteiligt waren Kinder der Gerhart Hauptmann Schule in Wernigerode in Sachsen-Anhalt und der arabischen Massar-Schule in Nazareth. Die EVZ und die HEAR-Organisation seien mit ihrem „deutsch-israelischen Schülerprojekt“ laut dem Antisemitismusforscher Matthias Küntzel einem Etikettenschwindel auf den Leim gegangen: „In ihrer Selbstdarstellung betont die [Massar] Schule, dass es darin weder einen jüdischen Schüler noch einen jüdischen Lehrer gibt. Die Schule wird von einer Nichtregierungsorganisation betrieben, die dem israelischen Bildungssystem vorwirft, die arabische Minderheit des Landes einer ‚sozialen Kontrolle’ und einer ‚sozialen Ausgrenzung’ zu unterwerfen. Dieses Projekt grenzt sich inhaltlich und methodisch von Israel ab. Es zielt nicht auf Integration, sondern auf Exklusion.“

Becks Bericht über die EVZ und das Schüler-Austauschprojekt wurde auf Hebräisch in der gedruckten Ausgabe von Yedioth Ahronot veröffentlicht und dann in englischer Übersetzung bei Ynet, dem Online-Dienst der Zeitung. Am nächsten Tag brachte der Online-Dienst Israelnetz aus Wetzlar eine deutsche Übersetzung des Berichts. Postwendend erhielten Israelnetz und Ynet einen englischsprachigen Schreiben vom EVZ- Vorstandsvorsitzenden Dr. Martin Salm mit der Aufforderung, eine Gegendarstellung zu veröffentlichen, denn der Bericht „impliziert, dass die Stiftung EVZ antisemitische und anti-israelische Aktivitäten unterstützt“. Kopien der Email gingen an die israelische Botschaft in Berlin und die deutsche Botschaft in Tel Aviv.

Der Chefredakteur des englischen Dienstes von Ynet, Eran Tiffenborn, erhielt zudem einen Telefonanruf der EVZ. Da wurde mit rechtlichen Schritten gedroht. Tiffenborn sagte: „Bei uns rotierte die Redaktion wegen der UNO Reden und Demonstrationen in Ramallah. Ich hatte keine Zeit, mit dem Herrn zu diskutieren und beschloss, den Text aus dem Netz zu nehmen.“ Ynet sei nicht befugt, in der Zeitung abgedruckte Texte zu redigieren, sondern dürfe sie nur unverändert in englischer Übersetzung veröffentlichen. Dazu schrieb Beck: „Diese Reaktion von Salm ist schlimmer als die Broschüre selbst. Es geht um Selbstverteidigung und nicht um eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Anti-Israelismus und Antisemitismus in der Broschüre.“

Israelnetz nahm den Bericht aus dem Netz mit derselben Begründung wie Ynet. Ein Israelnetz-Redakteur sagte: „Ich rieche, dass die uns rechtlich einen Strick drehen wollen“.

Derweil griff in Berlin der Europa-Korrespondent der Jerusalem Post, Benjamin Weinthal, die Geschichte auf, ließ sich die Broschüre zuschicken und verlangte Reaktionen der EVZ, des Auswärtigen Amtes, des Bundesfinanzministeriums und anderer. In einer schriftlichen Verlautbarung der EVZ hieß es nun plötzlich: „Der Vorstandsvorsitzende Dr. Martin Salm bedauert, dass es durch einzelne Beiträge von SchülerInnen in der Broschüre des HEAR-Projekts zu Missverständnissen gekommen ist: ‚Insbesondere zwei Zeichnungen wurden von israelischer Seite als antisemitisch gelesen. Dies bedauere ich zutiefst. Ich erkenne, welche bildlichen Elemente als antisemitischer Stereotyp gelesen werden könnten. Ich bin der festen Überzeugung, dass sie nicht antisemitisch motiviert sind.’“ Weiter heißt es da: „Die Stiftung EVZ wird in keiner Weise zulassen, dass Kritik an gesellschaftlichen Zuständen zur Delegitimierung des Staates Israel dient. Sie nimmt die entstandenen Missverständnisse um dieses Projekt zum Anlass, ihre Förderpraxis in diesem Programm zu überprüfen.“ Nach Angaben von Weinthal begrüßte das Auswärtige Amt die Erklärung Salms, in der er bedauere, „dass Beiträge bzw. Zeichnungen der Broschüre als antisemitisch gelesen werden könnten“.

Deidre Berger, Direktorin des „American Jewish Congress“ (AJC) in Berlin, erklärte derweil: „Eine Stiftung, die von der Deutschen Bundesregierung zusammen mit der deutschen Industrie ins Leben gerufen wurde, um die Zwangsarbeiter zu entschädigen, die unter nationalsozialistischer Herrschaft ausgebeutet wurden, sollte sich zum Ziel setzen, gute Beziehungen zu Israel zu fördern und gegenwärtige Formen des Antisemitismus zu bekämpfen“.

1 Kommentar

  1. Die EVZ stand von Anbeginn an unter Kritik.

    Nicht nur, dass sie erhebliche Schwierigkeiten hatte, die angepeilten 5 Mrd. DM aus deutschen Unternehmen aufzutreiben (die andere Hälfte der insgesanmt 10 Mrd. DM zahlte die BRD): 

    Große Teile der Industrie, die im sog. „III. Reich“ von Zwangsarbeitern sehr gut profitiert hatten, wie etwa die Quandt-Gruppe, zeigten keinerlei Neigung, sich zu beteiligen. Wenn nicht völlig nicht schuldbeladene Unternehmen, wie etwa Aldi sich beteiligt hätten, dazu viele kleinere, nach dem Krieg aufgebaute ohne blutigen background aus der Kriegszeit, dazu viele Privatpersonen, wäre die Summe nie zu Stande gekommen.

    Dann gab es Probleme mit der JCC, die  nicht durch allzugroßen Eifer auffiel, die erhaltenen Gelder an die Menschen, für die sie eigentlich  bestimmt waren, ohne Verzögerung weiterzureichen, wenn denn überhaupt.

    Die Stellen, die für die Verteilung an nichtjüdische Opfer in den einzelnen vor allem osteuropäischen Ländern verantwortlich waren, eiferten dem nach, so dass viele Opfer starben, bevor sie in den Genuss der verglichen mit ihren Leiden lächerlich geringen Entschädigung kamen. Der so eingesparte Rest wurde nicht auf die Übriggebliebenen aufgeteilt. 

    Ein aufgeblähter Verwaltungs-Wasserkopf mit sehr gut bezahlten Angestellten wollte und will schließlich auch leben. 

    Ähnlich geht es mit den reservierten Geldern – fast einer 3/4 Milliarde DM, angedacht war 1 Mrd. -, die für den Fonds „Erinnerung und Zukunft“ abgezweigt wurde (anstatt diese Summe den überlebenden ZwangsarbeiterInnen zur Verfügung zu stellen).
     
    Die Verwaltung kostet Millionen, natürlich muss das Geld ja auch angelegt werden, usw.. Finanziert wird Lobenswertes (IMO müsste gerade haGalil davon mit unterstützt werden), aber eben anscheinend auch paradoxerweise der eigentlichen Bestimmung zuwider Laufendes, wie der Artikel beweist.

    Gut, dass es Leute gibt, die aufpassen. Unverständlich – oder logisch? – ist die unmittelbare Reaktion der Kritisierten. Wagt es da doch jemand, die so segensreiche Tätigkeit in Frage zu stellen. Hoffentlich  führt das zu personellen Konsequenzen beim Fonds und zum Ãœberdenken der Konzepte.

    Seine Auflösen und Verteilung der freiwerdenden Gelder auf zum Beispiel im Gegensatz zur Genfer Konvention zur Zwangsarbeit eingesetzte Kriegsgefangene, die keinen Pfennig aus der Stiftung erhielten, wäre wünschenswert.

    Aber dann würden ja die vorgenannten Angestellten, die einen krisenfesten Job haben, arbeitslos.

    Das geht nun doch wirklich nicht. Außerdem schreitet die „biologische Lösung“ unaufhaltsam fort, jedoch der Fonds wird bleiben…

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