Unser lieber Gilad…

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Der israelische Soldat Gilad Shalit, der sich seit über fünf Jahren in der Geiselhaft der Hamas befindet, wird an diesem Sonntag, den 28. August, 25 Jahre alt. Aus diesem Anlass haben seine Eltern, Noam und Aviva Shalit, einen offenen Brief an ihren Sohn geschrieben…

Unser lieber Gilad,

in der drückenden Sonne sitzen wir auf dem Bürgersteig gegenüber dem Haus von Ministerpräsident Netanyahu und versuchen die Tatsache zu verdauen, dass bereits 1.890 Tage vergangen sind und du immer noch nicht bei uns bist. Wir sitzen schon seit mehr als einem Jahr hier auf dem Bürgersteig und versuchen mit ganzer Kraft, mit allen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, die Mauer zu zerstören, die zwischen uns und denen steht, die immer noch nicht verstanden habe, dass nach so vielen Tagen, Monaten und Jahren, nach so vielen Fehlern, es an der Zeit ist, dich nach Hause zu holen.

Wir sind hier. Wir haben nicht aufgegeben, wir haben nicht kapituliert, wir sind nicht unter der Last zerbrochen. Und wir sind nicht allein. Unser lieber Gilad, viele viele Menschen, die Fremde für dich sind, die du nie getroffen hast, denken wie wir, denken dass es unbegreiflich ist, wie man von sozialer Solidarität, nationaler Stärke und Vertrauen in den Staat sprechen kann, während man dich deinem Schicksal überlässt, Tag für Tag, einsam und verlassen, in den Verliesen der Hamas, seit mehr als einem halben Jahrzehnt.

Im letzten Sommer sind Zehntausende für dich auf die Straßen gegangen, in dem Glauben daran, dass dies deine Freilassung beschleunigen würde. In diesem Sommer gehen Zehntausende auf die Straßen und protestieren für soziale Gerechtigkeit, das Recht auf ein würdevolles Leben, und wir und viele andere haben die Forderung nach deinem Recht zu leben hinzugefügt, dein ach so grundlegendes Menschenrecht auf Freiheit und Unabhängigkeit.

Unser lieber Gilad, wir wissen, dass jeder weitere Tag der vergeht ein weiterer albtraumhafter Tag ist, ein Tag des unglaublichen Leids, Tage und Nächte in erstickender endloser Einsamkeit. Aber du musst uns glauben, dass wir dich nicht vergessen, wir vergessen nicht die Tatsache, dass du an diesem Sonntag 25 Jahre alt wirst, dass dies dein sechster Geburtstag in Gefangenschaft ist, dass du mehr als ein Fünftel deines Lebens in einem Kerker verbracht hast, in einem Verlies der Hamas.

Wir wissen, dass du nicht verstehst, warum dieser Albtraum noch nicht zu Ende ist, warum unsere Bemühungen noch keine Früchte getragen haben. Wir versuchen, an unserem Leben festzuhalten, obwohl wir es nicht mehr wiedererkennen.

Dein Bruder Yoel hat sein Studium am Technion abgeschlossen, und Hadas, deine jüngere Schwester, wird bald ihren Militärdienst beenden. Und obwohl dies freudige und glückliche Ereignisse sein sollten, sind unsere Herzen schwer, weil du davon abgehalten wirst, sie mit uns zu erleben.

Mit jedem Moment der vergeht, versuchen wir eine Antwort zu finden, einen Ratschlag was wir noch tun können. Was können wir noch versuchen? Wie können wir die Leute davon überzeugen, dass du nicht nur ein Poster, ein Pappaufsteller oder ein Aufkleber bist, den man überall in Israel sieht, wie können wir alle in Israel und im Ausland daran erinnern, dass du immer noch da bist?

Sie geben uns oft neue kleine Hoffnungsschimmer, sagen uns, dass sie Fortschritte in den Verhandlungen machen, doch jedes Mal sehen wir wieder, wie hunderte und tausende Häftlinge aus israelischen Gefängnissen nach Hause entlassen werden. Wir sehen, wie Geld und Güter in die Hände derjenigen fließen, die dich seit Jahren brutal gefangen halten, dass die Haftbedingungen für Hamas-Mitglieder ständig verbessert werden und keiner etwas daran ändert. Ja, für die Mitglieder aus der zynischen Organisation, die dich als Geheimwaffe gefangen hält. Und unsere Herzen sind schwer. Wie lange soll das noch so weitergehen? Während immer mehr Tage ins Land gehen, steigt unsere Sorge um deine Gesundheit, dein Leben.

Wahrscheinlich wird das Büro des Ministerpräsidenten wieder irgendwelche wiederverwerteten Statements verlauten lassen, zusätzlich zu den üblichen Kommentaren, die von verschiedenen „Terrorismus-Experten“ veröffentlich werden. In diesen Veröffentlichungen werden sie sagen, dass sie „alles in ihrer Macht stehende tun werden“ um dich zu befreien (sie haben jetzt fünf Jahre lang alles in ihrer Macht stehende getan) und werden weiterhin Angst in der israelischen Öffentlichkeit verbreiten – als ob ein Austausch zu deiner Befreiung den Terror zurück nach Israel bringen würde. Als ob dich deinem Schicksal in Gaza zu überlassen, dutzende oder hunderte zukünftiger Terroropfer verhindern könnte.

Traurigerweise gehen die Terroranschläge und die Versuche, Terroranschläge zu verüben unaufhörlich weiter, auch während du dort festgehalten wirst. Dein Opfer ändert nichts in dieser empfindlichen und instabilen Situation in unserem kleinen Staat. Viel mehr sehen wir an der jungen Generation, die jetzt ihren Armeedienst beginnt und an ihren Eltern, dass über die letzten Jahre der nationale Sinn für Sicherheit schwächer geworden ist angesichts des Bruchs mit dem ungeschriebenen Gesetz zwischen dem Staat und seinen Soldaten – seiner wichtigsten Pflicht – jeden Soldaten zurück nach Hause zu holen.

Doch wir werden nicht verzagen, und du musst durchhalten, denn wir müssen einen Weg finden, dich nach Hause zu uns zu holen, bald, morgen!

In tiefer Liebe und unendlicher Sehnsucht

Mama und Papa

Übersetzung: Botschaft des Staates Israel