Nürnberg: Wiederholte Anschläge auf das Büro der unabhängigen russischsprachigen Zeitung Rubezh

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Die Redaktion unserer Zeitung Rubezh betreibt in Nürnberg ein Büro, in dem sich auch eine kleine Reiseagentur befindet. Sie gibt monatlich ein umfangreiches politisch-analytisches Blatt heraus und bietet daneben russischsprachigen Einwohnern im Großraum preisgünstige Reisen von eintägigen Ausflügen bis zum Badeurlaub in Italien und Spanien oder Schireisen im Winter an…

Rubezh Juni 2011Olga Grineva, Vadym Zaydman

Die Mitglieder der Redaktion sind mehrheitlich jüdischer Abstammung und vor mehr als zehn Jahren aus der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland gekommen. Wie jede Zeitung, die nicht nur Werbung druckt, sondern auch seriöse Artikel enthält, hat Rubezh Freunde und Gegner. Die Freunde schreiben uns dankbare Briefe, besuchen uns oft und sprechen ihr Lob aus, bringen neue Ideen ein und äußern Wünsche für die nächsten Ausgaben.

Die Gegner nehmen eine antisemitische Haltung zu uns ein und behaupten, wir gingen zu weit mit unseren Meinungsäußerungen über die russische Regierung und die innenpolitische Situation in Russland allgemein; wir sollten lieber – auf gut Deutsch – die Klappe halten, denn wir lebten nicht mehr in Russland und deshalb stünde uns solche Kritik nicht zu. Würde man dieser unsinnigen Argumentation folgen, dann dürften deutsche Journalisten auch nichts Negatives über Frankreich schreiben. Wir dachten, wir leben in einem demokratischen Land, in dem Meinungs- und Pressefreiheit gelten.
Wir sind natürlich für jede sachliche Kritik offen und sogar dankbar, denn so etwas belebt unsere Zeitung. Wir veröffentlichen in Rubezh regelmäßig auch gegensätzliche Meinungen und scharfe Stellungnahmen gegen das Blatt. Aber unsere erbittertsten Gegner sind für eine persönliche, schriftliche oder mündliche Konfrontation zu feige. Stattdessen greifen sie zu folgenden Mitteln, deren Vorbilder in der Geschichte Deutschen und Russen gleichermaßen bekannt sind: Ende Januar 2006 wurde die Eingangstür unseres Büros mit einem Hakenkreuz, einem Davidstern und den Worten Achtung, Juden beschmiert. Einen Monat später stand auf der Tür mit einem Hakenkreuz: Juden weg!

Sicher waren die Täter russischsprachig, denn um zu wissen, dass der Firmeninhaber Jude ist, muss man unsere Zeitung lesen und daraus ersehen können, dass wir den Staat Israel unterstützen und versuchen seine Existenz zu schützen. 2006 wurde uns von der Kriminalpolizei versprochen, dass beim nächsten ähnlichen Vorfall eine Überwachungskamera über dem Büroeingang montiert wird. Im August 2008, nachdem wir eine Sonderausgabe über den russisch- georgischen Krieg herausgebracht hatten, wurde unser Büro wieder beschmiert: Wir sind die besten Freunde des georgischen Mörders Saakaschwili und Wir sind Freunde von Saakaschwili, der Deutschland in einen neue Weltkrieg hineinzieht.

Dieses Beispiel beweist am schlagendsten, dass die Täter aus Russland stammen müssen, denn sie sind mit den Inhalten von Rubezh gut vertraut. Natürlich wurden sie auch diesmal nicht gefasst.
Am Freitag, den 8. Juli 2011, verließ der Chefredakteur wie immer um 17 Uhr das Büro. Als er am nächsten Vormittag zurückkam, war die Eingangstür des Büros mit einer äußerst übelriechenden braunen Flüssigkeit beschmiert. Nach Farbe und Geruch handelte es sich um eine Mischung aus Fäkalien und einer noch schlimmer riechenden Chemikalie. Nachdem die Tür geöffnet wurde, verbreitete sich der Geruch sofort in den Büroräumen; ein Aufenthalt in ihnen war völlig unmöglich.

Die Polizei wurde verständigt und der Vorfall protokolliert – wegen des unerträglichen Gestanks in großem Abstand vom Büro. Seitens der Beamten war das Interesse jedoch sehr schwach: Die Polizisten befragten nicht einmal die Bewohner des Hauses. Ihr Rat an uns lautete, wir selbst sollten den gerade nicht anwesenden Hausmeister nach seiner Rückkehr befragen, ob er etwas beobachtet habe. Schließlich wurde uns empfohlen, eine Überwachungskamera zu installieren, geschätzter Preis: ca. 500 Euro – eine für uns nicht unbeträchtliche Summe.

Mit großer Mühe haben wir mittlerweile die stinkende Brühe beseitigt. Der unbeschreibliche Gestank blieb jedoch mehrere Tage, trotz mehrmaligem Putzen und kräftigen Regenschauern. Am Samstag mussten wir allen Kunden absagen und auch noch Tage danach merken Menschen, die unser Büro betreten, dass es hier unangenehm riecht. Wir fragen uns, ob das der Preis ist, den man zu zahlen bereit sein muss, wenn man als Journalist in Deutschland arbeitet und seine fundierte Meinung über einen anderen Staat schreibt, dessen demokratische Standards andere sind. Die Eskalation in den Anschlägen auf unser Redaktionsbüro seit dem Jahr 2006 macht uns besorgt, nicht nur um uns selbst, sondern auch über eine Entwicklung, die die Täter offenbar zu immer größerer Aggressivität ermutigt.