Einseitig: Ich werde mich keinem Solidaritätsmarsch anschließen

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Die Lösung der „zwei Staaten für zwei Völker“ habe ich stets offen unterstützt, aus politischen und moralischen Gründen…

Von Ruth Gavison

Aus diesem Grund werde ich mich dem Solidaritätsmarsch zur Unterstützung der einseitigen Ausrufung der palästinensischen Unabhängigkeit nicht anschließen. Nicht, weil ich wichtigeres zu tun hätte, oder weil ich den Ruf der Geschichte nicht verstehe, oder weil ich in Angst oder Hass feststecke, wie es Yael Shternhell behauptet. Und auch nicht, weil ich Sorge habe, dass meine Teilnahme gönnerhaft wirken könnte – eine Befürchtung, die laut Yishai Rosen Zvi nicht gerechtfertigt ist. Sondern, weil ich glaube, dass eine einseitige Ausrufung eines Staates die Chance auf die Verwirklichung der Lösung von zwei Staaten eher gefährden würde als dass sie sie vorantreibt.

Ich bin nicht besonders optimistisch, was die Chancen auf die Verwirklichung dieser Lösung in der nahen Zukunft betrifft. Aber ich möchte nichts tun, was sie noch mehr schwächen könnte.

Der Solidaritätsmarsch ist die Antwort all jener unter uns, die überzeugt sind, dass ein durch eine rechte Regierung und die Siedler dominiertes Israel der Hauptverantwortliche dafür ist, dass die Vision der zwei Staaten bis jetzt noch nicht verwirklicht wurde. Der Hinweis darauf, dass es auch jüdische Israelis gibt, die solch ein Abkommen unterstützen, soll diese Interpretation unterstützen und größeren Druck auf die Regierung ausüben – im Gegenzug zu den diplomatischen Aktivitäten der Palästinenser selbst. Gemäß diesem Ansatz besteht keine Notwendigkeit, Anreize für die Palästinenser zu schaffen, als Vorbedingung für ein gerechtes und stabiles Abkommen ihre Einstellungen zu bestimmten Themen zu verändern.

Ich akzeptiere diese Analyse so nicht. Neben Teilen der israelischen Öffentlichkeit, die in der Regierung stark repräsentiert sind, und die wirklich alle Bemühungen zunichtemachen wollen, eine Teilung der Oberhoheit zwischen dem Jordan und dem Meer zu verhindern, gibt es in Israel eine große Mehrheit jener, die zu einem stabilen Abkommen und Kompromissen bereit sind. Darüber hinaus ist die gegenwärtige israelische Regierung, so rechts sie auch sein mag, offiziell der Zweistaatenlösung verpflichtet. Andererseits gibt es neben palästinensischen Offiziellen, die ihre Bereitschaft zu einer Teilung des Landes erklären, bedeutende Führungspersönlichkeiten, die erklären, dass das Ziel für sie in einer palästinensischen Oberhoheit auf dem gesamten Gebiet besteht. Und nicht weniger wichtig: Mir scheint, die gesamte palästinensische Führung, auch ihre gemäßigtsten Mitglieder, ist nicht im Stande auszusprechen, dass sie versteht, dass die Vision der zwei Staaten einen Verzicht auf das „Recht“ der Flüchtlinge und ihrer Nachkommen bedeutet, in ihre Häuser im Staat Israel zurückzukehren.

Die palästinensischen Einstellungen sind also nicht weniger Teil der Sackgasse, in der die Verhandlungen stecken als die Gegner der Teilung in Israel. Wirkliche Fortschritte für die Verwirklichung der Vision der Zweistaatenlösung können also nur aus israelischen und internationalen Aktionen erwachsen, die politische, wirtschaftliche, gesellschaftliche und moralische Anreize schafft, die beide Seiten davon überzeugen, den „schmerzlichen Verzicht“ auf sich zu nehmen, zu dem man sich in einem Abkommen verpflichtet.

Der einseitige Schritt vor der UNO, und vor allem seine äußere Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft und Juden in Israel, erzeugen zwar einen deutlichen Druck auf Israel, das zu tun, was nötig ist, um zu einer Lösung zu gelangen. Doch dieser Schritt übt keinen ähnlichen Druck auf die Palästinenser aus. Im Gegenteil. Diese Vorgänge stärken bei den Palästinensern nur das Gefühl, dass ein anderer für sie die Arbeit macht, und sie ihrer gerechten Forderungen ohne den notwendigen schmerzlichen Verzicht erhalten können.

Ich hoffe, dass die Geschichte wirklich auf Seite der Zweistaatenlösung ist. Um ihr zum Erfolg zu verhelfen, müssen die Unterstützer dieser Lösung in Israel und in der Welt eine weit größere Anstrengung unternehmen als die Teilnahme an einem Solidaritätsmarsch.

Ruth Gavison ist Trägerin des Israel-Preises, Rechtsprofessorin und Präsidentin des Metzillah Centers.
Übersetzung a.d. Newsl. d. Botschaft. Die hier veröffentlichten Kommentare geben nicht grundsätzlich den Standpunkt der israelischen Regierung wieder, sondern bieten einen Einblick in die politische Diskussion in Israel.

6 Kommentare

  1. Nun, Europa hat leider kein gutes Handbuch bekommen, um sich daran zu halten.

    PS: Auch in den 70ern gab es Hungersnöte. Dieses Elend gibt es, weil Interessierte weltweit daran verdienen, weil statt Infrastruktur lieber Waffen verkauft werden (derzeit auch nach Somalia? Hunger mit Panzern bekämpfen?)… weil Finanzjongleure lieber mit des Wirtschaftssystemen spielen usw usw und ja, Not und Elend gibt es auch in Israel, nicht nur unter den Arabern dort.

  2. @ GerdEric

    solange wie es dauert, Gedult Gedult. Europa hat 2000 Jahre gebraucht um da hinzu kommen wo es heute ist. 
    Schauen Sie sich Afrika an, wieviel Menschen verhungern und Europa interessiert es nicht. Atkuell hungern in Kenia bis 200000 Flüchtlinge aus Somalia weil die Islamisten kein essen der UNO reinlassen.

  3. @Jane

    Ein Abweichen von dieser ist nur möglich, insofern sich beide Parteien einigen. Da dies anscheinend nicht möglich ist – wird es dann halt die Grüne Linie sein.“

                                                 oder auch nicht

          Denn erst die Zukunft, wird es zeigen, wie eine Lösung aussehen wird. 

  4. Wie sollte ein Zweiseitiger Sxchritt aussehen? Warten, bis sich die rechte Regierung herablässt, doch noch mal ein wenig Zugeständnisse zu machen? Ich denke, dass in der Vergangenheit viele Chancen verpasst wurden, nicht nur fahrlässig, meist vorsätzlich.
    Zu behaupten, die Unterstützer dieser zwei Staaten Lösung müssen in Israel und in der Welt weit größere Anstrengung unternehmen als die Teilnahme an einem Solidaritätsmarsch, ist nur wieder der klägliche Versuch, sich die Hände zu waschen, nachdem einem nichts wirklich einfällt.

  5. “Diese Vorgänge stärken bei den Palästinensern nur das Gefühl, dass ein anderer für sie die Arbeit macht, und sie ihrer gerechten Forderungen ohne den notwendigen schmerzlichen Verzicht erhalten können.“
     
    Welchen Verzicht – die Palästinenser haben auf das Territorium jenseits der Grünen Linie zu Gunsten Israels schon seit 1988 verzichtet  und wollen Ihren Staat jenseits davon ausrufen, was mit der völkerrechtlich konstituierten Grundlage für Verhandlungen übereinstimmt und bereits ein sehr schmerzlicher Verzicht ist. Für Ansprüche Israels darüberhinaus gibt es völkerrechtlich gesehen keine Grundlage.
     
    Ein Abweichen von dieser ist nur möglich, insofern sich beide Parteien einigen. Da dies anscheinend nicht möglich ist – wird es dann halt die Grüne Linie sein.


    Die Palsätinenser befinden sich damit im Einklang mit dem internationalen Recht und es ist Israel, welches nun seit zig Jahren mit seiner einseitigen Landnahme und seinen völkerrechtlich nicht anerkannten Annexionen dagegen verstößt.

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