Wo die Freiheit anfängt

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Die Partei »Die Freiheit« versucht nicht nur in Hamburg, sich politisch zu etablieren. Ihr Feindbild ist der kriminelle Muslim…

Von Andreas Speit
Jungle World v. 21. Juli 2011

In Hamburg gelang einer Partei schon einmal gleich nach ihrer Gründung der Einzug in die Bürgerschaft. Vor fast zehn Jahren erhielt die »Partei Rechtsstaatliche Offensive«, die eher in Verbindung mit dem Namen ihres Gründers Ronald Schill bekannt wurde, bei der Bürgerschaftswahl fast 20 Prozent. Dieser Erfolg scheint die Partei »Die Freiheit« um den Landesvorsitzenden Jens Eckleben zu ermutigen. Weiter rechts und populistischer als die CDU, da lassen sich noch Stimmen holen – das hatte der Wahlerfolg der »Schill-Partei« gezeigt.

Bisher wandte sich Eckleben gegen die »poli­tische Islamisierung« Deutschlands, den »EU-Einheitsstaat« und die Einwanderungs- und Asylpo­litik. Die Partei weist dabei stets darauf hin, dass ihre Mitglieder ordentliche Bürger seien. »Handwerker, Hausfrauen, Polizeibeamte, Angestellte und Bundeswehrangehörige sind bei uns«, gab Eckleben an.

Im vergangenen Monat übernahm der 46jährige Betriebswirt den Vorsitz der »Freiheit«. Anfang Juni hatte sich der Landesverband im feinen Stavenhagenhaus gegründet. In dem repräsentativen Gebäude im gediegenen Stadtteil Groß Borstel kamen Mitglieder und Interessierte schon mehrfach zusammen. Bei der Gründung wurde Eckleben in Anwesenheit des Parteigründers und Bundesvorsitzenden René Stadtkewitz, der bis zu seinem Ausschluss im vergangenen September Mitglied der Berliner CDU war, einstimmig gewählt.

Auf dem Treffen warnte Stadtkewitz: »Die Gefahr, die von der EU und den an unserem Volk vorbeigehenden Beschlüssen des Bundestags zu EU-Rettungsschirm, Griechenland-Hilfe und Transferunion für unser Land ausgeht, dürfen wir nicht unterschätzen.« Diese Maßnahmen lehne die Partei kategorisch ab, »in Einklang mit den Menschen in Deutschland«. Den »Bestrebungen islamischer und türkischer Organisationen«, unter einem Dachverband die gleichen Rechte wie die katholische und evangelische Kirche zu erhalten, müsse sie »klar und entschieden« entgegentreten, führte der stellvertretende Bundesvorsitzende Marc Doll aus. »Es geht nicht mehr um rechts oder links, es geht um frei oder unfrei!« mahnte das ehemalige CDU-Mitglied.

Nicht nur in Hamburg hat sich die »Freiheit« organisiert. In Bayern, Baden-Württemberg, Brandenburg, Rheinland-Pfalz, Hessen, Thüringen, Schleswig-Holstein, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern trafen sich Gruppen und gründeten Landes- und Ortsverbände. Die Zukunft des Hamburger Landesverbands und aller anderen dürfte vom Geschehen in Berlin abhängen. Gelingt der »Freiheit« bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus im September kein Achtungs­erfolg, dürfte sich Ernüchterung breitmachen.

Im Stavenhagenhaus berichtete Jens Sturm deshalb während eines Treffens vor zwei Wochen vom Stand des Berliner Wahlkampfs. Schneidig erzählte der Bundeswehrsoldat vom Unterschriftensammeln für den Wahlantritt. Selbst in Kreuzberg hätten Parteimitglieder um Stimmen geworben. Das quittierten die etwa 25 Gäste mit einem ehrfürchtigen »Oh«, wohl weil der Einsatz in diesem Stadtteil ihnen sehr mutig erschien.

Am Abend mussten die Parteimitglieder und ihre Anhängerschaft zunächst an Gegendemonstranten vorbei, um ins Haus zu gelangen. Ungefähr 70 Anwohner warteten am Zugang zu dem Grundstück. Die Gegendemonstranten öffneten höflich die Gartentür und sagten jedem einzelnen Teilnehmer des Treffens freundlich: »Rechts­populisten sind hier unerwünscht.« Ein Mann, der sich offensichtlich missverstanden fühlte, wollte reden. Für Freiheit sei er, für Volksentscheide. »Quatsch«, winkte Esther Bejarano ab. Die Auschwitzüberlebende betonte: »Ihr seid Rassisten.«

Diesen Vorwurf hört Eckleben gar nicht gerne. Er wies darauf hin, dass unter den etwa 80 Hamburger Parteimitgliedern viele unterschiedlicher Herkunft seien. Als Alibi führte er zudem seine muslimischen Freunde an. »Die haben sich aber integriert und arbeiten«, fügte er hinzu. Ihn sorge vor allem »der Missbrauch der Religionsfreiheit durch radikale politische Ideologen«.

Dem Aufruf, der sich unter dem »Deckmantel der Religionsfreiheit« ausbreitenden »Islamisierung« entgegenzutreten, konnten die Anwesenden schon am folgenden Tag nachkommen. Der islamistische Prediger Pierre Vogel veranstaltete eine Kundgebung in Hamburg, die »Freiheit« rief zum Protest auf und versuchte, sich als Verteidigerin »freiheitlicher Werte« in Szene zu setzen. Vogel vertrete »demokratie- und menschenfeindliche Thesen«, fordere die Geschlechterapartheid und trete für die Errichtung eines »islamischen Gottesstaats auf deutschem Boden« ein, stellte die Partei im Aufruf fest.

In der Tat ist Vogel ein salafistischer Islamist, der solche Dinge propagiert (siehe Jungle World 51/10). Doch der Prediger passt vor allem in das Klischee vom bösen Muslim, das die »Freiheit« als Feindbild ausgegeben hat. In der vergangenen Woche verbreitete die Partei eine Pressemeldung mit der Überschrift: »Muslime bilden einen Großteil der ausländischen Insassen in Berliner Haft­anstalten«. Im Text wurde gewarnt: »Der Anteil muslimischer Straftäter dürfte sich in Zukunft noch drastisch erhöhen.« Der Parteivorsitzende Stadtkewitz ließ sich mit den Worten zitieren: »Bei rund sechs Prozent Bevölkerungsanteil sind Muslime damit nicht nur im Verhältnis zur Mehrheitsbevölkerung erheblich straffälliger, sie fallen auch innerhalb der Gruppe der Zugewanderten negativ auf.« So bedient sich die »Freiheit« mit der Warnung vor »kriminellen Ausländern« und vor allem »kriminellen Muslimen« aus dem Repertoire rechtsextremer Propaganda.

Die Kundgebung gegen Vogel hatte Ulrich Lenz angemeldet. In der Hamburger Innenstadt schimpfte der Zollbeamte vor den etwa 30 Teilnehmern aber besonders über die Demons­tranten, die, wie etwa die Jugendorganisation der Linkspartei, sowohl gegen die islamistische Veranstaltung wie auch gegen die »Freiheit« protestierten: »Die Antifa lebt von den Gelder der Eltern und des Staates.« Keine 100 Meter entfernt, auf dem Dag-Hammarskjöld-Platz, befasste sich Vogel weniger mit seinen Gegnern als mit der Indoktrination seiner Anhänger: »Wenn wir wissen, dass der Koran vom allmächtigen Gott ist, und ein Befehl zu uns kommt, müssen wir nicht mehr fragen, warum.«

23 Kommentare

  1. These are not our friends
    Op-ed: Israeli leaders should be careful about forming alliances with Europe’s far Right racists, by Raphael Mimoun
    http://www.ynetnews.com/articles/0,7340,L-4101157,00.html
    „Most of these groups have obvious fascist, neo-Nazi, Islamophobic and racist tendencies. Many of their politicians have made explicit anti-Semitic comments and denied the Holocaust in the past. Despite its international isolation, Israel should never associate itself with such movements. Not only does it tarnish its already negative image and low international standing; not only does it provide arguments to those calling Israel a fascist state; more importantly, it represents a moral stain, an ethical aberration for the Jewish people.“

  2. Noch ein ergänzender Hinweis bzgl. der geistigen Ideengeber des Osloer Mörders – der sein wirres „Manifest“ u.a. mit dankenden Worten an die „Pro-Bewegung“ geschickt hat:
    http://www.taz.de/!75229/
    http://www.ksta.de/html/artikel/1311518163385.shtml
    Im KStA-Beitrag heißt es:
    „In seinem „Manifest“ hatte sich der Attentäter lobend über den Anti-Islamisierungs-Kongress geäußert, den die Kölner Rechtsextremen im Jahr 2007 abgehalten hatten. Funktionäre der selbst ernannten „Bürgerbewegung“ bestreiten, dass ihre Organisation eine derartige Mail erhalten hat.“

  3. Ein gut informierter Zeit-Blog – Beitrag über einen der „tatkräftigsten“ Unterstützer dieser rechten Sekte:
    http://blog.zeit.de/stoerungsmelder/2011/07/27/pi-news-der-hassblog-der-rechtspopulisten_6714

    Und es sei an die auf haGalil publizierte Hintergrundstudie „Eine deutsche Rechte ohne Antisemitismus?“:
    www.hagalil.com/archiv/2011/04/27/pro-nrw/
    erinnert, die zwar primär die rechtsradikale Gruppierung der „Pro-Leute“ zum Forschungsgegenstand hat, sich jedoch auch auf die rechtsradikale, antimoslemische „Freiheits-Leute“ übertragen lässt.

    Ein bisschen Spaß muss sein: Prima, dass diese rechten Demagogen nun in Berlin gegeneinander kandidieren…

  4. Ich  bin der Meinung wie GerdEric und Rika, danke. Etwas, das ich schon länger denke: wir sollten uns als „nicht-ultrarechte“ Juden noch mehr aus dieser Umarmung aus europäisch-rechter Ecke herausziehen. Nicht alle Israel-Freunde vertreten Positionen analog zu Israel Beitenu- , Kach- und/oder radikalen Siedlern. Ich verwahre mich zunehmend dagegen. Immer wenn es um Juden und Israel geht, sind schwarzweiss-Maler und Scharfmacher die Wortführer, ähnlich wie diese neue, unsägliche Partei. 

    Aber dieser selbstgerechte,  semi-rassistische Rechtsdrall ist in der jüdischen Gesellschaft heute auch ein Teil der Realität (wie in anderen Gesellschaften)…Das ist Gift für jüdische Kultur und Identität. 

  5. Eine Partei, die Israel vor den Karren billiger innenpolitischer Polemik spannt: schaebig. Zumal ein Grossteil der „Argumente“ aus einer Mottenkiste stammt, in der alles Schlechte dieser Welt den Juden zugeschrieben wurde, nur die Etiketten sind neu, die Methode bleibt.

  6. Wie war das noch mal?Hat nicht auch Hagalil von dem Iranischen Juden berichtet der Judenhass in Berlin nur von Moslems zu spüren bekam?
     
     
     

  7. Wenn man einer israelfreundlichen Partei wie die FREIHEIT dermaßen in den Rücken fällt und die Polemik eines linkspopulistsichen Blogs nachplappert, ist in meinen Augen einfach nur grenzdebil. 

    • Links ist nie populistisch gewesen, rechts immer.
      Wer seine Israelfreundlichkeit dadurch unterstreicht, dass er die Nähe zu a-religiösen israelischen Parteien sucht (und das sind in diesem Falle keine linken Parteien), klärt alles.

  8. Das sie ein extrem linkes Magazin zur Meinungsbildung zu der Partei „DieFreiheit“ benutzen spricht für sich selber.

  9. Das scheint wohl eine neue Splitterpartei zu sein, so aehnlich wie CM nur ohne das religioese Drumherum. Sind die wichtig? Soll man die ernstnehmen? Koennten sie zu einer Gefahr werden, oder sind es harmlose Leute? Werden die von Geert Wilders PVV ferngesteuert? Fragen ueber Fragen…

  10. Lass es wimmeln. Irren ist bekanntlich menschlich und somit sogar „Menschen Migrationshintergrund“ und Juden zugaenglich. Wer Mitglied dieser Partei ist, spielt doch keine Rolle, entscheidend ist, fuer welche Aussagen die Partei steht. Und deren Charakter ist eindeutig rechtspopulistisch und xenophob. Warum steht ihr nicht wenigstens dazu? Kein Mumm?

    • Irren ist in der Tat menschlich, wenn man so ihre Aussagen liesst, bald werden sie sogar Juden Antisemitismus vorwerfen, sagen sie doch einfach, dass sie keine nicht-linke Weltanschaungen ertragen können und wollen diese einfach nur niedermachen, sie sind einfach nur ein Meinungsfaschist geben sie doch zu.

    • Magda, Sie kommen einfach zuspät, denn Juden wird schon Antisemitismus vorgeworfen, also wird Sie das Leben bestrafen…
      🙂

  11. @Rika Chaval

    Eine „rechtspopulistische Xenophobie“ in einer Partei in der es von Deutschen mit einem Migrationshintergrund nur wimmelt, die viele Juden als Mitglieder hat, zu sehen, ist entweder Dummheit oder vollkommene ideologische Verblendung.

    Ãœbrigens ist der Pressesprecher dieser „Rechtspopulisten“ ein ehemaliger taz Redakteur und der Hamburger Landesverband wird von zwei Ex-Grünen geführt. 

  12. Peinlich, dass rechtspopulistische Xenophobie sich hinter angeblicher „Freundschaft mi Israel“ versteckt. Ich halte es mit Ester Bejarano.

    • Wie kommen sie drauf, dass sich rechtsoopulistische Xenophobie hinter det Freundschaft zu Israel versteckt und warum schreiben sie, dass diese Freundschaft angeblich ist. können sie ihre Aussagen belegen, oder plappern sie einfach linkspopulistischen Blogs nach?

  13. Sehr geehrtes Hagalil Team,

    ich finde es mehr als peinlich, wenn hier linkspopulistsiche und verleumderische Artikel aus einem linksextremistischen Antifa Blog als Tatsachen Berichte dargestellt werden.
    Es ist auch für mich als Mitglied der Partei die FREIHEIT und Freund Israel sehr schmerzhaft wie man mit mir und meinen Parteifreunden umgeht.

    Adam 

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