Israels gesammelte Mängel

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Einmal im Jahr haben die Israelis die Gelegenheit, in einem dicken gebunden Buch mit 64 Kapiteln sämtliche Mängel ihrer Spitzenpolitiker, ihrer Regierung und öffentlicher Einrichtungen vorgeführt zu bekommen. Am Dienstag wurde der jährliche Report des Staatskontrolleurs dem Vorsitzenden des Parlaments vorgelegt…

Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 18. Mai 2011

Besondere Aufmerksamkeit wurde Verteidigungsminister Ehud Barak gewidmet, ein Multimillionär, der vor Kurzem die sozialistische Arbeitspartei verlassen hat und die „Unabhängigkeitspartei“ gegründet hat, während die vier verbliebenen Abgeordneten der Sozialisten allesamt für den verwaisten Posten des Parteivorsitzenden kandidieren. Barak wird vorgeworfen, nur drei Tage vor seiner Ernennung zum Verteidigungsminister seine offenbar lukrative Firma „Ehud Barak AG“ an seine drei Töchter überschrieben zu haben. Barak hätte seine Bücher offen legen und einen Parlamentsausschuss um Genehmigung fragen müssen, wenn er bis zu seiner tatsächlichen Ernennung durch Ministerpräsident Ehud Olmert gewartet hätte. Ministern ist verboten, nebenher Geschäfte zu machen. Der Staatskontrolleur kritisierte Barak, sich zwar keines kriminellen Vergehens schuldig gemacht, jedoch „gesellschaftliche Normen“ umgangen zu haben.

Indirekt wurde Barak auch für erhebliche Mängel in der Armee verantwortlich gemacht. So wurde „mangelnde Effizienz“ bei der Ausstattung „sensitiver Einrichtungen“ mit Verteidigungsmaßnahmen festgestellt. Der Staatskontrolleur moniert auch fehlende Langzeit-Planung und fragwürdige Einkäufe des Verteidigungsministeriums.

Scharf kritisiert wurde die muslimische Behörde Wakf, auf dem Tempelberg in Jerusalem ohne Genehmigung mit schweren Baumaschinen unwiederbringlichen Schaden an historisch und archäologisch bedeutenden Bauwerken verursacht zu haben. Hervorgehoben wurde die Umgestaltung der teilweise 2000 Jahre alten „Salomons Ställe“ in eine unterirdische Moschee. Nur eine winzige zweiseitige Zusammenfassung dieses Kapitels wurde öffentlich gemacht. Aus „Sicherheitsgründen“ und wegen möglicher Auswirkungen auf Israels Beziehungen mit dem Ausland wurden die Details wegzensiert. Offensichtlich will sich die israelische Regierung nicht mit der muslimischen Welt und besonders mit Jordanien anlegen. Der Wakf, der federführend für die Bautätigkeiten auf dem Tempelberg zuständig ist, wird von Jordanien finanziert. Die Vorwürfe sind gegen die Polizei, die Antikenbehörde, das Justizministerium und die Jerusalemer Stadtverwaltung gerichtet. Alle vier hätten während der Zerstörungen mit Baggern weggeschaut. Der Abgeordnete Uri Ariel (Nationale Union) sagte, dass „die wichtigsten Informationen der Öffentlichkeit vorenthalten wurden“. Er forderte eine komplette Freigabe dieses Kapitels, damit „das Publikum den ganzen Umfang der Gefahr für die historischen Stätten auf dem Tempelberg erfahre“.

Staatskontrolleur Micha Lindenstrauss sagte bei der Übergabe des „längsten Berichts seit der Einrichtung des Kontrolleuramtes“, dass diese institutionalisierte Kritik ein „Feiertag für die Demokratie“ sei. Im Report erwähnte Mängel werden mit Empfehlungen zu deren Behebung versehen. Mehrere kritisierte Behörden, darunter Ministerien und die öffentlich rechtliche Rundfunkbehörde „Israel Broadcasting Authority“ behaupteten, die entdeckten Mängel längst behoben zu haben. Reporter meinten jedoch, dass viele Mängel Jahr für Jahr auftauchen und dass sich nicht viel zum Besseren gewendet habe.

Untersucht wurden auch Schülerreisen nach Polen zu den dortigen ehemaligen Konzentrationslagern, Spenden an Krankenhäuser und die Behandlung von alten Menschen und psychisch Kranken. Mangels klarer Zuständigkeiten fallen sie zwischen die Stühle der Ministerien. Weil sich die Ministerien für Tourismus, Verkehr, Finanzen und die Behörde für Landverwaltung nicht einigen konnten, wurde die von der Regierung beschlossene Förderung der Urlaubsstadt Eilat am Roten Meer einfach vernachlässigt.

Ein großes von den Medien ausgeschlachtetes Thema waren unglaubliche Vorgänge bei der Steuerbehörde. Da wurde ein namentlich nicht genannter Mann auf einen hohen Posten berufen, der eigentlich nur von einem Beamten mit Hochschulabschluss besetzt werden darf. Den Posten erhielt jedoch einer, der nicht einmal das Abitur geschafft hatte und zunächst als Bote taugte.

Ein Kapitel war der Gefängnisbehörde gewidmet, und besonders den 103 Selbstmorden unter Gefangenen in den Jahren 2000 bis 2009. Es wurde empfohlen, mehr Ärzte und Psychiater einzusetzen und Gefängniswächter zu trainieren, potentielle Selbstmörder unter den Gefangenen auszumachen.

(C) Ulrich W. Sahm / haGalil.com