Die Meinhardts (V)

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Diese Schrift ist dem Andenken unserer Großeltern Franz Meinhardt und Margarethe Meinhardt, geb. Löwenthal gewidmet, die 1942 im Holocaust umgekommen sind. Sie ist auch unseren Eltern Gerd Meinhardt und Käte Meinhardt, geb. Luft gewidmet, die 1939 Nazi Deutschland verlassen konnten und in Chile Aufnahme und Schutz fanden, um dort ein neues Leben beginnen zu können. Sei ihr Andenken selig. (Z.L.)…

Von Albert Michael Meinhardt und Dr. Yehuda (Franki) Meinhardt

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Nachrichten aus Europa

In den ersten Jahren in Chile gab es noch Briefkontakt mit Schwedt. Die Briefe wurden zensiert, manchmal dreimal geöffnet. Es gab sogar Luftpost, die Südamerika über Portugal mit Deutschland verband. Zwischen den Zeilen konnten meine Eltern lesen, dass dort die Lage für meine Großeltern immer schlimmer wurde. Die Großeltern erfuhren noch von der Geburt ihres ersten Enkelkindes, Michael, und konnten dies noch durch einen Brief  bestätigen. Ab Frühjahr 1942 kamen aber keine Antworten mehr zurück und der Briefverkehr verstummte. Vater war sehr besorgt darüber. In der Kultusgemeinde, in der unsere Eltern Mitglieder geworden waren, kursierten die ersten, nicht bestätigten Gerüchte über Deportationen von Juden in den Osten. (Diese Kultusgemeinde war die liberale deutschsprachige Kultusgemeinde „Bnei-Isroel“ in Santiago (auch „Jeckes“ genannt), der die meisten  jüdischen Flüchtlinge aus Mitteleuropa beigetreten waren).

Nur in den letzten Monaten vor Erscheinen dieses Berichtes  haben wir neue genauere Informationen erhalten über die Deportation unserer Großeltern. So müssen wir hiermit vieles berichtigen was wir in der Publikation LQR News (in Englisch) von 1996 geschrieben hatten.

Bis März 1942 wohnten die Großeltern noch in ihrem Haus in Schwedt, Flinkenberg 6. Dann mussten sie ausziehen und wurden in ein jüdisches Arbeitsheim gebracht, das in Radinkendorf in der Mark, bei Beeskow, lag. All ihr restlicher Besitz wurde entzogen, das Haus mit der Inneneinrichtung, die noch vorhandenen Bankguthaben auf den Sperrkontos usw. Die Gestapo hatte schon lange ein Auge auf sie geworfen. Wir fanden den folgenden Brief von der Gestapo an den Regierungspräsidenten des Bezirks Potsdam im Yad Vashem Archiv, Jerusalem. Er wurde vom DDR- Geheimdienst „Stasi“ auf Mikrofilm gebracht. Die „Stasi“ hat die Gestapo-Archive, die in ihren Besitz gelangt sind, auf  Mikrofilm kopiert. Nach dem Fall der „Mauer“ wurden sie Israel zur Verfügung gestellt. Der Brief an den Regierungspräsidenten von Potsdam  listet das Vermögen des „Juden“ Franz Meinhardt auf.

Nach diesem Brief der Gestapo an den Regierungspräsidenten von Potsdam wurde Großvater der folgende Brief vom 24. Februar 1942 zugestellt. Dieser Brief  trägt die Unterschrift eines Dr. Schüler im Auftrag des Regierungspräsidenten des Regierungsbezirkes Potsdam.

Der Regierungspräsident des Regierungsbezirkes Potsdam war zu dieser Zeit der SS-Oberführer Gottfried Graf von Bismarck-Schonhausen, ein Enkel Otto von Bismarcks. Er war ein persönlicher Freund von Heinrich Himmler und ein fanatischer Antisemit. Der Brief unterrichtet Großvater, dass er nach den geltenden Gesetzen auf alle seine Besitztümer zu verzichten hat. Angehängt an diesen Brief war ein „Behändigungsschein“, der von Großvater als Bestätigung des Erhalts des Briefes vom 24. Febr. 1942 unterzeichnet werden musste. Eigenhändig unterschrieb Großvater diesen Schein am 11. März 1942. So wissen wir, das die Großeltern zu diesem Datum noch in Schwedt /Oder waren.

Als die Großeltern in Radinkendorf in der Mark waren, bekamen sie den Deportationsbescheid und wurden in das Sammellager in der Levetzowstr. 7- 8 in Berlin gebracht. Das genaue Datum konnten wir nicht herausfinden.

Links Franz Meinhardt 1930 in Marienbad. Rechts sein entfernter Cousin Bernhard Meinhardt aus Bayern

Großmutter Margarethe Meinhardt mit ihrem Sohn Gerd, unserem Vater.

Dieses Foto wurde um 1910 aufgenommen

In dieser Adresse stand eine Reformsynagoge, die als Sammellager benutzt wurde. Vom Sammellager wurden sie zum Güterbahnhof  Moabit am Nordring verfrachtet. Sie verließen Berlin am 2. April 1942, im sogenannten 12ten Osttransport Richtung Warschau. Sie erreichten den „Umschlagplatz“ in Warschau am 5. April um 8:00 Uhr morgens. Diese Reise dauerte drei Tage! ((Die Informationen zur Deportation unserer Großeltern aus Schwedt  wurden uns von Dr. Daniel Frenkel aus dem Yad Vashem Archiv in Jerusalem übermittelt.))

Adam Czerniakow, der Vorsitzende des Warschauer „Judenrats“ (die jüdische Selbstverwaltung von Nazis Gnaden), schrieb in sein Tagebuch am 5. April 1942, dass 1025 Juden aus dem „Reich“ in einem Zug aus Berlin angekommen waren. (Unter dem „Reich“ verstand man Deutschland 1937 plus den annektierten Gebieten seitdem). Die Neuankömmlinge mußten das Ghetto mit ihrem Gepäck zu Fuß überqueren und wurden von der jüdischen Ghetto-Polizei und Gestapo- Leuten  eskortiert. Sie wurden etwas außerhalb des Ghettos untergebracht, in einem großen Gebäude, das als Schule, Krankenhaus und Quarantänestation diente, in der Leszno Straße 109. Die Juden aus dem „Reich“ waren noch anständig gekleidet und hatten noch etwas Geld und Wertsachen bei sich. Sie konnten leicht von den anderen Ghettobewohnern  unterschieden werden, nicht nur durch ihre Kleidung, (die Bewohner des Ghettos liefen meistens in Lumpen herum), sondern auch durch ihren gelben sechseckigen Stern, der an ihrer Kleidung haftete. Die Ghettobewohner trugen eine weiße  Armbinde. Großvater und Großmutter konnten kaum mit den Ghettobewohnern sprechen, denn sie sprachen weder Polnisch noch Jiddisch, die Umgangssprachen des Ghettos. ((Mehr Einzelheiten über das Leben im Warschauer Ghetto finden sich in der Publikation von Dr. Lea Prais: „The other Jews in the Warsaw Ghetto. The discourse of the German refugees in the Warsaw Ghetto, April to July 1942“. Dapim  publication Vol. 20. (In Hebräisch).))

Eine Woche nach Ankunft der Großeltern in Warschau erschienen Gestapo Leute in der Leszno Str. 109 und sammelten von den Bewohnern alle Wertsachen ein, wie Geld, Uhren, Schmuck  usw. Die Bewohner waren im Gebäude eng zusammen gedrängt.

Im Laufe des Monats April 1942 wurden  circa 3000 Juden aus dem „Reich“ nach Warschau deportiert. Dazu kamen noch 1000 Juden aus dem „Protektorat“ (Böhmen und Mähren). So wurden die Lebensbedingungen und die Verpflegung von Tag zu Tag schlimmer. Die Bewohner versuchten ihre wenigen, ihnen noch gebliebenen Habseligkeiten für Lebensmittel einzutauschen. Die meisten Deportierten waren alte Leute. Großvater Franz war 65 Jahre alt und Großmutter Margarethe 62. Sie wurden zur Arbeit eingeteilt, aber wir wissen nicht zu welcher Arbeit und wo. Krankheiten brachen aus. Großvater verstarb am 10. Mai 1942. Das genaue Datum haben wir erst 65 Jahre später erfahren. Die deutschen Behörden im Ghetto haben die „Nordstern“ Versicherung über den Tod von Franz Meinhardt benachrichtigt. Bei der „Nordstern“ hatte Großvater eine Lebensversicherung abgeschlossen, in die er jahrelang eingezahlt hatte. Die Versicherung wurde gelöscht, kein Geld wurde ausgezahlt. Die Versicherungssumme wurde von der „Nordstern“ Versicherung einbehalten oder dem „Deutschen Reich“ übergeben.

Großvater wurde im jüdischen Friedhof, der in der Nord-Ost Ecke außerhalb des Ghettos lag begraben. Eine schlichte Holztafel mit seinem Namen wurde über das Grab gelegt. Jeden Tag wurden dort bis zu hundert Tote begraben. Während der heftigen Kämpfe des Warschauer Aufstandes der „Armija Kraiowa“ (die polnische Untergrundarmee) im August 1944  wurde der Friedhof vollständig zerstört. Es blieb keine Spur von Großvaters Grab. ((Diese Information haben wir von Dr. Roman Wroblesky- Wassermann (Stockholm- Schweden) erhalten.))

Großmutter war nun allein. Sie wurde einem externen „Arbeitskommando“ zugeteilt und arbeitete tagsüber außerhalb des Ghettos. Sie traf eine schwedische Frau und bat sie, einen Brief an unsere Eltern in Chile zu schreiben. In dem Brief teilte sie den Tod ihres Mannes mit und beschrieb die schreckliche Situation, in der sie sich befand. Der Brief wurde durch diplomatische Post zugesandt, wie es uns unsere Mutter später berichtet hat. Er benötigte mehr als ein Jahr, um an der schwedischen Botschaft in Santiago de Chile anzukommen. Mutter öffnete  den Brief zuerst und beschloss, ihn nicht unserem Vater zu zeigen. Sie zerstörte ihn. Sie wusste, dass Vater sehr an seinen Eltern hing und sie konnte ihm einfach nicht so direkt die schlechte Nachricht überbringen. Sie dachte, dass der Brief von einer schwedischen Rot-Kreuz-Schwester geschrieben wurde. Vielleicht wurde ein Briefbogen mit dem Briefkopf des Schwedischen Roten Kreuzes für diesen Brief verwendet.

Wir versuchen nun herauszufinden, wer diese schwedische Frau war, die Juden in Not in Warschau half. Aus unserer bisherigen Untersuchung wissen wir, dass keine schwedischen Frauen für das Rote Kreuz zu diesem bestimmten Zeitpunkt in Warschau tätig waren.

Im Moment wissen wir über zwei schwedische Frauen, die sich in Warschau in jenen Tagen aufhielten und eine Verbindung zu schwedischen Kurieren hatten, die Post heimlich nach Schweden bringen konnten. Eine ist Margit Jelnicka – Vingquist. Margit wohnte im Gebäude der Schwedischen Botschaft. (Das Haus der Schwedischen Botschaft in der Bagatela Str. 3  hatte nach dem September 1939 nicht mehr als Botschaft funktioniert). Nach der „Warschauer Schweden- Affäre“, ((Józef  Lewandowsky: „A fish breaks through the net. Sven Norrman and the Holocaust“. Dieser Artikel, (in Englisch) wurde in „POLIN 14“, veröffentlicht, 2001. (Sven Norrman war ein Schwede, der in Warschau Verfolgten geholfen hat). -Dr. Roman Wroblewski- Wasserman aus Schweden und Prof. Barbara Engelking- Boni mit ihrer Ph. D. Studentin,  Dr. Marta Pietrzykowska aus Warschau, helfen uns dabei dieses Rätsel zu lösen.)) stand Margit Jelnicka wahrscheinlich unter ständiger Beobachtung durch die Gestapo, und es ist sehr unwahrscheinlich, dass sie irgendeiner weiteren subversiven Tätigkeit nachgehen würde. Es ist auch schwer  sich vorzustellen, dass Großmutter aus eigener Initiative in die Bagatela Str.3 gehen würde, um mit ihr Kontakt aufzunehmen. Es war unter Androhung der Todesstrafe, durch SS-Scharführer Dr. Heinz Auerswald, streng verboten, das Gebäude ohne seine ausdrückliche Genehmigung zu verlassen. Auerswald war auch derjenige, der den Auftrag gab, die deutschen Juden in der Leszno Str.109  auszuplündern. Ohne Kenntnis der Sprache würde es Großmutter nicht wagen von sich aus das Gebäude der Leszno Str.109 zu verlassen. Außerdem gab es viele polnische Informanten, die von der Gestapo bezahlt wurden, die sie sofort erkannt hätten und ihre Verhaftung veranlasst hätten. Andererseits  ist es sehr unwahrscheinlich, dass Margit von sich aus zur Leszno Str. gegangen sein könnte, da sie, wie wir bereits anmerkten, wegen der „Warschauer Schweden- Affäre“ unter ständiger Beobachtung stand.

Die andere schwedische Frau in Warschau, die in Frage kommt, ist Frau Elna Gistedt. Elna war eine bekannte Schauspielerin und Operetten- Sopran-Sängerin in Warschau zu dieser Zeit. Sie hatte ein eigenes Restaurant-Café  und wir wissen, dass sie Juden mit falschen Papieren in ihrem  Lokal eingestellt hat. Wir wissen auch, dass Großmutter in ein „Arbeitskommando“ außerhalb des Ghettos eingeteilt war und es könnte sein, dass sie im Restaurant- Café von Elna ausgeholfen hat.

In der Publikation von Dr. Lea Prais lesen wir, dass am 7. Juni 1942, Adam Czerniakow, der Führer des Warschauer „Judenrats“ (die innerjüdische Verwaltung), die deutschen Juden aus dem „Arbeitskommando“ zu einem Abendessen in einem Restaurant in der Nähe des Ghetto eingeladen hat. Er hat dies sicher nicht ohne die ausdrückliche Genehmigung von SS – Dr. Auerswald getan.

Das könnte die Gelegenheit gewesen sein, die Großmutter Margarethe ausnutzte, um ein Gespräch in deutscher Sprache mit Elna Gistedt zu führen und sie zu bitten, einen Brief an ihren Sohn in Chile zu senden. (Deutsch war damals zweite Sprache in Schweden und fast alle Schweden beherrschten sie). Sie hat ihr sicher über ihre schreckliche Lage erzählt und ihr die Adresse unserer Eltern Gerd und Käte Meinhardt in Santiago de Chile mitgeteilt. Elna könnte einen Briefbogen mit einem Briefkopf des Schwedischen Roten Kreuzes als Tarnung benutzt haben, um ihn dann mit einem ihrer Freunde / Kuriere nach Schweden zu schicken. Sobald der Brief in Schweden ankam, wurde er mit diplomatischer Post an die schwedische Botschaft in Santiago de Chile weitergesendet. 

Elna Gilstedt ist höchstwahrscheinlich die Frau, die als Helferin in Frage kommt, aber wir haben keine hundertprozentige  Gewissheit darüber. 

Einige Worte über Schweden während des Zweiten Weltkriegs. Es gab eine Menge direkte und indirekte Zusammenarbeit der schwedischen Regierung mit den Nazis. Das Land blieb offiziell neutral, hatte aber eine starke germanophile Tendenz.

Aber einige Schweden, die sich auf Grund von diplomatischen und geschäftlichen Angelegenheiten in den besetzten Ländern  befanden, sahen die schreckliche Realität in diesen Gebieten und versuchten so gut wie möglich zu helfen. Mit Hilfe ihres diplomatischen Status oder mit dem Schutz, den sie durch ihre schwedische Nationalität hatten, konnten sie eingreifen und helfen. Der bekannteste Fall ist der des Sekretärs der Schwedischen Botschaft in Budapest, Raoul Wallenberg, der  rund 8.000 Juden vor der Deportation nach Auschwitz  retten konnte, indem er sie unter den Schutz der schwedischen Regierung stellte. In Warschau boten sich einige Schweden als Kuriere an und trugen Informationen aus dem polnischen Untergrund über Schweden an die polnische Exilregierung in London.  Sie konnten auch mitteilen, was mit den Juden in Polen geschah.

Großmutter blieb in Warschau bis zum 22. Juli 1942. An diesem Tag  wurde die erste große „Aktia“  (Inhaftierung und Abschiebung) gestartet und alle deutschen Juden in das Vernichtungslager „Treblinka“ transportiert. Die deutschen Juden waren die ersten, die aus Warschau in das Vernichtungslager „Treblinka“ gebracht wurden. Wir nehmen an, dass Großmutter unter ihnen war.

SS- Sturmbannführer Hermann Hoefle war verantwortlich für die „Großaktion“ vom 22. Juli 1942. Wir werden über diesen Täter später noch berichten. Einige Tage bevor die Deportation der deutschen Juden begann, wurden diese aus dem Gebäude in der Leszno Str. 109 vertrieben und  irgendwo innerhalb des Ghettos untergebracht. Die Deutschen benötigten das Gebäude in der Leszno Str. für die Ausführung der Operation.

Die deutschen Juden mussten um 16:00 Uhr auf dem Umschlagplatz mit nur 15 kg  persönlichem Gepäck erscheinen. Die Fahrt nach Treblinka dauerte etwa 3 bis 5 Stunden (mehrere Zwischenstopps eingerechnet) und auch wenn die Entfernung von Warschau nach Treblinka nur ca. 100 km betrug, muss es eine schlimme Reise in den überfüllten Viehwaggons gewesen sein. Die Ankunft um ca. 22:00 in Treblinka bedeutete, dass nur am nächsten Tag, den 23. Juli 1942, am  Morgen die Viehwaggon Türen geöffnet wurden. Fast alle Passagiere im Inneren der Waggons waren schon erstickt. Wenn Großmutter diese Nacht überlebt hat, wurde sie am nächsten Morgen in die Gaskammern gebracht, nackt, nachdem man ihr ihre Kleider genommen hatte und ihre Haare abgeschnitten hatte.

Auszug von Kommandant Franz Stangls Erklärung während seines Prozesses in Düsseldorf 1970:

„Wir konnten die brennenden Körper von vielen Kilometern Entfernung riechen. Die Straße lief neben den Gleisen. Als wir näher an Treblinka kamen, aber vielleicht noch fünfzehn bis zwanzig Minuten Autofahrt entfernt waren, sahen wir Leichen neben den Schienen liegen, zunächst nur zwei oder drei, dann immer mehr und als wir im Treblinka Bahnhof ankamen, lagen dort Hunderte von ihnen – die einfach dort liegen geblieben waren- offensichtlich seit Tagen in der Hitze. In dem Bahnhof stand ein Zug voll mit Juden, einige tot, andere noch am Leben – es sah aus, als ob sie schon seit einigen Tagen dort waren…  Tausende von faulenden und verwesenden Leichen lagen überall. Über den Platz im Wald, nur wenige hundert Meter entfernt auf der anderen Seite des Stacheldrahtzauns, gab es Zelte und offene Feuer, wo Gruppen von ukrainischen Wachen und Mädchen – Huren aus Warschau fand ich später heraus fand – sich betranken, tanzten, sangen und musizierten. Dr. Eberl, der Kommandant, führte mich durch das Lager, überall waren Schüsse zu hören“.

Aus einer anderen Aussage von Kommandant Franz Stangl im Prozess:

„Ich glaube, es begann am Tag, als ich zum ersten Mal das Totenlager Treblinka sah. Ich erinnere mich an Wirth (Obersturmführer Cristian Wirth) der neben den Gruben voller blau-schwarzen Leichen stand. Es hatte nichts mit Menschheit zu tun, es konnte nicht, es war eine Masse – eine Masse faulenden Fleisches. Wirth sagte: „Was sollen wir mit diesem Müll tun?“ Ich denke, unbewusst, dass mich dieses zur Auffassung brachte sie als Masse zu betrachten“.

Großmutter, Margarethe Meinhardt, geb. Löwenthal, war eine der „faulenden“ Leichen in den Gruben. Sie und unser Großvater sind nicht in Schwedt zu gestorben, wie sie sich es gewünscht hatten. ((Das Vernichtungslager Treblinka ist gut im Internet- Lexikon Wikipedia  dokumentiert. Ein wichtiges Buch dazu ist von Prof. Yitzhak Arad: „Belzec, Sobibor, Treblinka. The Operation Reinhard  Death Camps“, Indiana University Press, Bloomington and Indianapolis, 1987.))

–> Fortsetzung folgt

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