Zeitgeschichte: Die Einschätzung von Papst Pius XII. im Lexikon

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Als der weltweit wohl umstrittenste aller Päpste der rund zwei Jahrtausende alten Kirchengeschichte gilt Pius XII. (1939-1958), dessen Heiligsprechung kurz bevor steht. Was aber ist es, das die Gemüter derart entzweit? Welche so kontrastierenden Bilder dieses „Pontifex maximus“ existieren? Wie unterschieden und unterscheiden sich die jeweiligen Wahrnehmungen seiner Person durch Christen, Juden, Kommunisten, Wissenschaftler und professionelle Bildungsvermittler? Fragen, auf die Lexikoneinträge aus acht Jahrzehnten die passenden Antworten geben können…

Von Robert Schlickewitz

Eugenio Pacelli wurde 1876 in Rom geboren, promovierte in Theologie und Rechtswissenschaften, durchlief eine Reihe von Ämtern im Diplomatischen Dienst des Vatikan, lehrte als Professor für kirchliche Diplomatie in Rom, ehe er 1917 zum Bischof geweiht und als Apostolischer Nuntius in Bayern tätig wurde. Ab 1925 residierte der inzwischen zum päpstlichen Nuntius in Deutschland ernannte Pacelli in Berlin. In seine Zeit in Deutschland fällt der Abschluss von Konkordaten mit Bayern und Preußen. Ab 1929 und nach seiner Ernennung zum Kardinal wirkte er u.a. als Kardinalstaatssekretär und als Kardinalkämmerer. Mit dem von ihm mitgestalteten und ausgehandelten Reichskonkordat von 1933 verhalf er der nationalsozialistischen Regierung unter Adolf Hitler zu deren erstem außenpolitischen Erfolg, indem er anderen Nationen auf diese Weise einen moralischen Vorwand lieferte, ebenfalls das Deutsche Reich diplomatisch anzuerkennen. Nicht minder mit ein ‚Werk‘ Pacellis war die Enzyklika „Mit brennender Sorge“ (1937), in der behutsame Kritik an der rassistischen Politik in Deutschland zum Ausdruck gebracht wurde. Im März 1939 zum Nachfolger von Pius XI. gewählt, übernahm er respektvoll dessen Namen. Die Amtszeit Pius‘ XII.  währte bis zu seinem Tod im Jahre 1958.

In chronologischer Reihenfolge folgen Auszüge aus Lexikoneinträgen der Zeit vor, während und nach dem Pontifikat von Pius XII. Berücksichtigung fanden jeweils Angaben zu seinem Wirken in oder für Deutschland, solche zu seiner Haltung gegenüber Juden und sämtliche wertenden Aussagen.

Meyers Lexikon, 7. Aufl., Leipzig 1928. Mehrbändig.

Pacelli … 1917 Titularerzbischof von Sardes und Nunzius in München, seit 1920 Nunzius in Berlin, führte im Sommer 1917 in der Friedensfrage die bekannte päpstliche Mission beim deutschen Kaiser und bei der Reichsregierung aus, verhandelte über das neue Konkordat mit der bayerischen Regierung und unterzeichnete es 29. März 1924…

Jedermanns Lexikon in zehn Bänden, Berlin-Grunewald 1930.

Pacelli … 1917 Päpstl. Nuntius in München, 1920 in Berlin. P. schloß als solcher die Konkordate mit Bayern u. Preußen…

Der Große Brockhaus, 15. Aufl., Leipzig 1933. Zwanzigbändig.

Pacelli … 1917 Titularerzbischof von Sardes. Im gleichen Jahr ging er als Apostolischer Nuntius nach München und übernahm 1920 die auf sein Betreiben neu eingerichtete Nunziatur beim Deutschen Reich in Berlin (seit 1925 ordentlicher Nunzius). P. brachte 1924 mit Bayern, 1929 mit Preußen ein Konkordat zustande…

Meyers Kleines Lexikon, 9. Aufl., Leipzig 1934. Dreibändig.

Pacelli (…), Eugenio, … 1917 Apostol. Nuntius für Bayern, 1920 Nuntius für das Dt. Reich (1924-30 Berlin), brachte die Konkordate mit Bayern (1924) u. Preußen (1929) zustande… maßgebend am Reichskonkordat 1933 beteiligt.

Der Neue Brockhaus, 2. Aufl., Leipzig 1941. Vierbändig.

Pius XII. … 1920 Nuntius in Berlin… 2. März 1939 zum Papst gewählt.

Der Kleine Brockhaus, Wiesbaden 1950. Zweibändig.

Pius XII. … wurde als Nuntius in Deutschland (1920) zu einem der bekanntesten päpstl. Diplomaten; … Als Papst hat er durch seine große polit. Erfahrung und Gewandtheit und durch seine religiöse Innerlichkeit und theologische Tiefe vereinigendes Christentum die moral. Autorität des Papsttums in der Weltpolitik zu mehren gewußt. Bei entschiedener Gegnerschaft zum Nat.-Soz. ist er seit 1945 mehrfach für die Rechte Deutschlands eingetreten.

Volkslexikon – Münchner Merkur, („Neuzeitliches Nachschlagewerk für alle Gebiete des Wissens“), o.O. o.J. (nach 1950). Einbändiges Lexikon mit 25 000 Einträgen.

Pius XII. … gegen kommunist.-materialist. Weltauffassung…

Lexikon des Katholischen Lebens, (Hg.) Wendelin Rauch, Freiburg 1952. Einbändig mit mehr als 800 Artikeln, aus dem Herder Verlag; der Herausgeber war selbst Erzbischof.

PapstII. Geschichte des P.tums: … Pius XII. Amtstätigkeit war gleich von seinem Beginn an von dem neuen, noch erbitterteren u. grauenvolleren 2. Weltkrieg überschattet. Er konnte nur mahnen u. helfen u. hat das in der Kriegs- und Nachkriegszeit trotz eigener Bedrängnis in überschwengl. Maß getan.

Von höchster Warte führte er den Kampf für die bedrohten Menschenrechte u. die Freiheit der Kirche in den totalitären Staaten u. sucht der Gesellschaftsumschichtung das vom christl. Denken gesetzte Maß u. Ziel zu zeigen…

Nun, da alles Weltliche uns in seinem Wesen u. Bestand erschüttert erscheint, ist das Papsttum vielleicht zur höchsten Höhe seiner Geltung aufgestiegen – jedenfalls steht es heute da als die erste u. unerschütterlichste relig. u. moral. Macht im geistigen u. sozialen Ringen der Gegenwart.

Der Grosse Herder, 5. Aufl. Freiburg 1955. Mehrbändig.

Pius XII. … führte mit dem Wahlspruch „Opus iustitiae pax“ (Die Frucht der Gerechtigkeit ist der Friede) die Kirche durch den 2. Weltkrieg, traf wichtige innerkirchl. u. polit. Entscheidungen u. setzte die unter den „Pius-Päpsten“ (seit P. IX.) entfaltete u. zusammenhängende Lehrtätigkeit fort. Sein Pontifikat ist bes. gekennzeichnet durch eine Vertiefung der natürl. u. christl. Soziallehre u. der Marienverehrung… 1917 Tit.-Bischof u. Apostol. Nuntius in Bayern (Friedensvorschläge Benedikts XV.); 20/29 Nuntius in Berlin; beeinflußte die relig. Erneuerung Dtl.s. nach 1918 aus guter Kenntnis von Land u. Volk; schloß die Konkordate mit Bayern u. Preußen 29, als Kardinalstaatssekretär (…)  das Konkordat mit Baden 32, mit Östr. u.  das Reichskonkordat 33… P. versuchte noch am 31. 8. 39 durch diplomat. Schritte den Krieg zu verhindern… Nach dem Weltkrieg betonte P. den weltumfassenden Charakter der katholischen Kirche… 49 erließ P. ein Dekret zur Exkommunikation der Katholiken, die den Kommunismus aktiv unterstützen…

Der Grosse Brockhaus, 16. Aufl., Wiesbaden 1956. Zwölfbändig.

Pius XII. … 1917 wurde er zum Titularerzbischof von Sardes und zum Nuntius für Bayern (bis 1925), 1920 zugleich zum Nuntius für das Dt. Reich (bis 1929) ernannt… brachte er für die diplomat. Laufbahn eine vollendete Beherrschung aller ihrer Mittel, eine hervorragende Rednergabe und eine außergewöhnliche Beherrschung aller wichtigen europ. Kultursprachen mit, darunter des Deutschen, so daß er als Nuntius sehr erfolgreich war. Die Konkordate mit Bayern (1924), Preußen (1929), Baden (1932) und das Reichskonkordat (1933) dürfen als seine persönl. Leistung betrachtet werden… Als Papst hat er wie sein Vorgänger weite Bereiche des kirchl. Lebens … durch große Enzykliken und durch eingreifende Reformen … neu gestaltet. Wohl um die polit. Unabhängigkeit des Hl. Stuhles zu wahren und zu betonen, hat er nach dem Tode seines ersten Kardinalstaatssekretärs … diese Stelle nicht mehr besetzt… Durch diese persönl. Hingabe wie durch seine kluge und gerechte Haltung während des 2. Weltkriegs und der Nachkriegszeit hat er die moral. Autorität des Papsttums im weltl. Bereich auf einen seit dem Hoch-MA. nicht mehr erreichten Stand gehoben. Ihm persönlich eigen und in dieser Vollendung eine Ausnahme ist seine Fähigkeit, sich mit selbständigem Sachurteil und in eindrucksvoller Form zu wissenschaftlichen, kulturellen und grundsätzl. politischen Fragen zu äußern. Von hoher kirchl. Bedeutung waren die Dogmatisierung der Himmelfahrt Mariens (…) und (1954) die Heiligsprechung Pius X. (…)    

Bertelsmann Volkslexikon, (Hg.) Bertelsmann Lexikon-Redaktion, Gütersloh 1956/1957. Einbändiges Lexikon mit 40 000 Stichworten.

Pius XII. … diplomat. Karriere als Nuntius (1920 bis 1929 in Deutschland), …

Lexikon für Theologie und Kirche, (Hg.) Josef Höfer und Karl Rahner, 2. Aufl., Freiburg 1960/68. Mehrbändig.

Pius XII. … 1917 Bischof (…) u. Apost. Nuntius am bayr. Hof (mit der päpstl. Friedensvermittlung bei der Reichsregierung betraut), 1920 beim Reich (1924 bayr., 1929 preuß. Konk.)… In seine Amtszeit als Staatssekretär (seit 1930) fallen u.a. der Abschluß des bad. (1932), des östr. (1933) u. des Reichskonkordats (1933)… Die ersten Monate seines Pontifikats waren erfüllt von den Bemühungen, die Kriegsgefahr zu bannen (diplomat. Schritt v. 3. 5. 1939). Nach Kriegsausbruch leitete P. durch das Päpstl. Hilfskomitee (…) u. durch den Päpstl. Nachrichtendienst umfassende Hilfsmaßnahmen für Kriegsgefangene, Flüchtlinge, Deportierte usw. ein, vermittelte bes. auch für Juden u. unterstützte sie finanziell. Zur Judenvernichtung hat P. nicht einfach geschwiegen, wenn er auch seine Mahnungen allg. hielt (Weihnachtsbotschaft v. 24. 12. 1942, Ansprache an das Kardinalskollegium v. 2. 6. 1943). Von den beiden Systemen Nationalsozialismus u. Kommunismus hielt P. das zweite für das gefährlichere (Dekret der SC Off. v. 1. 7. 1949: Wer der kommunist. Partei beitritt, sie fördert, kommunist. Bücher, Zschr. usw. herausgibt, liest od. in ihnen schreibt, wird exkommuniziert). Den Krieg Hitlers gg. Rußland, dessen Volk P. vom bolschewist. System unterschied (…), hat er jedoch nie als Kreuzzug aufgefaßt. – P. hat oft zum Frieden gemahnt u. die psychol., rechtl. u. rel. Grundlagen eines dauerhaften Friedens bes. in den vier Weihnachtsbotschaften 1939-42 formuliert. Als nüchterner Realist war er nicht für einen „Frieden um jeden Preis“, doch hat er sich mit aller Kraft für eine allseitige u. kontrollierte Abrüstung eingesetzt… P. war ein Mann v. klass. Bildung, ausgedehntem geschichtl. Wissen, nüchterner Sachlichkeit u. nicht erlahmendem Arbeitswillen. Als autoritäre Persönlichkeit hat er die Kirche zentralistisch (…) geleitet. Obwohl er 1946 in It.(Italien, R.S.) die Beibehaltung der Monarchie gewünscht hätte, stand er Staatsformen u. polit. Systemen mit betonter Nüchternheit gegenüber. Seine Weihnachtsbotschaft 1944 widmete er der Demokratie; für die sozialen Erfordernisse der heutigen Welt besaß er einen klaren Blick. Die moralische Autorität des Papsttums in der nicht-kath. u. nichtchristl. Welt stieg während seines Pontifikats noch weiter.

Encyclopaedia Judaica, Jerusalem 1971. Mehrbändig.

Pius XII. … apostolic nuncio to the Bavarian court in Munich in 1917, and nuncio to Germany in 1920 but moving to Berlin only in 1925. In 1929 Pacelli concluded a concordat with the State of Prussia… Cardinal Pacelli was instrumental in negotiating the concordat between the Holy See and the Third Reich, which was signed on July 20, 1933, by him and Vice-Chancellor von Papen. His ambivalent stance during the Nazi period subsequently gave rise to considerable controversy (much of it engendered by Rolf Hochhuth’s play „The Deputy“…). On April 10, 1945, he received Moshe Sharett, director of the Political Department of the Jewish Agency, in order to discuss with him the „situation of the Jews in Europe and the future of the Jews in Palestine.“ His views on the situation in Erez Israel found expression in the encyclicals Auspicia quaedam (May 1, 1948), In multiplicibus curis (Oct. 24, 1948), and In redemptoris nostri (April 15, 1949), in which he recommended that Jerusalem should be internationalized. His attitude toward the State of Israel was reserved. On June 10, 1948, the Congregation of Rites ruled that the term perfidi Judaei in the Good Friday liturgy be translated into the vernacular as „unbelieving“ and not as „faithless“ as it had been hitherto…

Meyers Enzyklopädisches Lexikon, 9. Aufl., Mannheim u.a. 1976/78. Fünfundzwanzigbändig.

Pius XII. … 1917 Titularerzbischof und Nuntius in München (mit der Friedensvermittlung Papst Benedikt XV. bei der dt. Reichsregierung betraut), 1920-29 in Berlin… Nach vergebl. Versuchen den Kriegsausbruch zu verhindern, war P. im 2. Weltkrieg auf polit. Neutralität und die Wahrung von Chancen zur Friedensvermittlung bedacht (Vermittlung zwischen der dt. Militäropposition gegen Hitler und der brit. Regierung 1939/40 und 1943) und um humanitäre Hilfe bemüht für Kriegsgefangene, Flüchtlinge, Vertriebene, Deportierte und Juden, wenn er auch zu den Judenverfolgungen seine Mahnungen und Verurteilungen allgemein hielt. Den Kommunismus hielt P. für gefährlicher als den Nationalsozialismus (Exkommunikationsdrohung für Mitgliedschaft in kommunist. Parteien 1949)… Unter ihm erlangte das Papsttum international hohes moral. Ansehen…

In fast zwanzigjähriger Alleinherrschaft hat P. Kirche und Kirchenpolitik auf einen strikten Kurs festgelegt, der die kath. Kirche aber auch in die Teilung der Welt in Ost und West hineinzog: sie identifizierte sich zum Schaden ihres universalen Auftrags mit der westl. Welt. Sein Bild wurde nach seinem Tod v.a. durch den Vorwurf verdunkelt, er habe sich zu bereitwillig mit faschist. Systemen arrangiert und zu den Judenverfolgungen des Nationalsozialismus geschwiegen. Popularisiert wurde dieser Vorwurf v.a. durch das Theaterstück „Der Stellvertreter“. Ein christliches Trauerspiel“ von R. Hochhuth (1963).

Weltgeschichte – Namen und Fakten, (Hg.) Justus Göpel, Braunschweig 1978. Einbändige illustrierte Biografie mit fast 2000 Einträgen für einfachere Ansprüche.

Pius XII. 1876-1958… Maßgeblich war der deutschfreundliche Kirchenmann am Abschluß der Konkordate mit Bayern und Preußen  und auch am Reichskonkordat von 1933 beteiligt. Die Lehre der Kirche versuchte er durch umfangreiche Reformen…, neu zu gestalten. Als Papst bemühte er sich in politischen Fragen um Neutralität. Die moralische Berechtigung zu einer Position der Nichteinmischung und besonders das Stillschweigen gegenüber der Gewaltherrschaft Hitlers ist heute sehr umstritten. Rolf Hochhuth hat dieses Problem in seinem Drama „Der Stellvertreter“ aufgegriffen.

Johann Maier und Peter Schäfer, Kleines Lexikon des Judentums, Stuttgart 1981. Einbändiges Nachschlagewerk aus dem Verlag Katholisches Bibelwerk GmbH.

Pius XII. … Seine Haltung gegenüber der Judenverfolgung der Nationalsozialisten ist umstritten (insbes. seit der durch das Schauspiel „Der Stellvertreter“ von R. Hochhuth entfachten Kontroverse). Er hat sich in verschiedenen Enzykliken zur Situation im Nahen Osten nach 1948 geäußert und u.a. die Internationalisierung Jerusalems gefordert.

BI Lexikon A bis Z in einem Band, (Hg.) Lexikonredaktion des VEB Bibliographisches Institut Leipzig, Leipzig 1981.

Pius XII. … erließ Exkommunikationsdekret gegen Kommunisten u. unterstützte die klerikalfaschist. Regimes in Spanien u. Portugal, begünstigte Ideologie des kalten Krieges.

Wörterbuch des Christentums, (Hg.) Volker Drehsen u.a., Gütersloh und Düsseldorf 1988/1995. Einbändiges Nachschlagewerk mit 1500 Stichworten.

Papst, Papsttum … C)Literarisch … III. Erst Mitte des 20. Jh.s kommt es wieder zu einer bedeutenden, engagierten literar. Auseinandersetzung mit dem P. B. Brecht stellt (…) in seinem Drama „Leben des Galilei“ (1943) den P. als Repräsentanten eines repressiven polit. Systems dar, das angesichts der Herausforderung durch die moderne Welt versagt und somit zur Forderung des Wohls der Menschheit unbrauchbar ist. Ähnl. läßt R. Hochhuth in seinem Stück über Pius XII. („Der Stellvertreter“, 1961) den P. als bloßen Gefangenen seiner eigenen Interessen auftreten, der eine hist. Chance aus diplomat. Rücksicht verpaßte (öffentl. Protest gegen die faschist. Judenausrottung) und so die Nachfolge des Gekreuzigten als dessen „Stellvertreter“ verriet.

Biographien zur Weltgeschichte – Lexikon, (Hg.) Heinz Tillmann u.a., Berlin (Ost) 1989. Erschienen im VEB Verlag der Wissenschaften, enthält annähernd 1500 Kurzbiografien.

Pius XII. … 1915 Gesandter in Wien, 1917 Nuntius in München. Als Erzbischof von Sardea wurde er mit päpstl. Friedensvermittlung betraut. 1919-1929 war er Nuntius in Berlin (erst ab 1925 Sitz dort). 1929 war er beteiligt am Abschluß des Konkordates mit Preußen. (Als Nuntius bzw. als Kardinalstaatssekr. u. später als Papst schloß er Konkordate mit Bayern 1924, Baden 1932… P. schloß 1933 das Konkordat mit dem faschist. Deutschland… P. begünstigte vor dem 2. Weltkrieg klerikal-faschist. Regime u. Bewegungen, war militanter Antikommunist u. hat sich öffentl. nie für den Widerstand gegen den Faschismus ausgesprochen od. die Judenverfolgungen u. andere faschist. Gewaltakte klar verurteilt. Die Kurie leitete P. autoritär u. zentralist. Er erließ am 1. 7. 1949 ein Dekret des heiligen Offiziums gegen den Kommunismus, gegen den Beitritt zu einer kommunist. Partei, gegen das Verfassen, die Herausgabe od. das Lesen kommunist. Publikationen u. drohte bei Zuwiderhandlung die Exkommunizierung an. P. reihte die kathol. Kirche in die Politik des kalten Krieges ein, forcierte den Konflikt der Kirche mit den Regierungen sozialist. Staaten (…). P. bekannte sich zu einem christl.-kapitalist., supranationalen, vereinten Europa (…). In der Enzyklika „Humani generis“ vom 12. 8. 1950 wandte sich P. gegen jegl. Modernisierung in Theologie und Kirche. In dem Apostol. Brief „Carissimis Russiae“ populis“ vom 7. 7. 1952 zog er eine scharfe Trennungslinie zwischen der sozialist. Regierung u. den Völkern der UdSSR, die er aufforderte, sich vom Kommunismus losszusagen, u. zu deren Bekehrung er aufrief. W.B.

Enzyklopädie des Holocaust, (Hg.) Israel Gutman u.a., Tel Aviv 1990 und Berlin 1993. Fünfbändig.

Pius XII. … Am 13. März 1917 wurde Pacelli … zum Nuntius für Bayern ernannt. Im Juni 1920 wurde er Nuntius bei der Reichsregierung, 1924 unterzeichnete er das Konkordat mit Bayern und 1929 das Konkordat mit Preußen… 1932 schloß er das Konkordat mit Baden ab.

Am 20. Juli 1933 unterzeichneten Pacelli und Vizekanzler von Papen im Vatikan ein Konkordat, das für Hitler einen großen diplomatischen Sieg darstellte… Als Papst Pius XI. die Religionsfreiheit in Gefahr sah, veröffentlichte er am 21. März 1937 eine Enzyklika, „Mit brennender Sorge“. Die Enzyklika verurteilte neuheidnische Theorien wie den „Mythus von Blut und Rasse“, nicht aber die verfassungsmäßige Form des NS-Regimes…

Wegen seiner Haltung gegenüber den Juden wurde sein (Pius‘ XII., R.S.) Pontifikat nach dem Krieg zum Gegenstand von Kontroversen. Während auf der einen Seite seine Hilfe für einzelne, in Not geratene Juden betont wird, steht auf der anderen Seite die Kritik an seinem weitgehend unterbliebenen Protest gegen den nationalsozialistischen Judenmord…

Als für Tausende jüdischer Flüchtlinge nach den Pogromen der REICHSKRISTALLNACHT dringend eine sichere Zuflucht gefunden werde mußte, wandte sich der Heilige Stuhl im März 1939 mit Nachdruck an das katholische Brasilien. Er erhielt 3000 Visa für getaufte Juden…

Im Frühjahr 1940 bat der Großrabbiner von Palästina, Isaac Herzog, den Kardinalstaatssekretär Maglione, in Spanien zu intervenieren, damit die dorthin geflohenen Juden nicht nach Deutschland zurückgeschickt würden. Wegen ähnlicher Probleme in Litauen schrieb er später abermals an den Heiligen Stuhl, doch dieser schritt nicht ein…

Anfang 1941 berichtete der Wiener Kardinal Theodor Innitzer Pius XII. über die Deportationen von Juden. Der päpstliche Gesandte in der Slowakei, Giuseppe Burzio, sandte bereits am 27. Oktober 1941 einen Bericht an seine Vorgesetzten beim Heiligen Stuhl, worin von systematischer Ermordung der Juden die Rede war. Am 31. März 1942 schickte Burzio einen neuen Bericht ab, in dem es hieß, daß die Deportation von 80 000 Juden nach Polen gleichbedeutend mit ihrem sicheren Tod sei…

Am 7. Oktober 1942 schrieb der Kaplan eines Krankentransports in Polen, daß die nahezu vollständige Ermordung der Juden durch Massenhinrichtungen bereits erfolgt sei und von zwei Millionen ermordeten Juden die Rede sei. Im Dezember desselben Jahres erging in zahlreichen Telegrammen – … – an den Papst ein dringender Appell zur Rettung der osteuropäischen Juden. Pius XII. entschloß sich, seine Zurückhaltung aufzugeben, und sprach in seiner Weihnachtsbotschaft über Radio Vatikan von den Hunderttausenden, die ohne eigenes Verschulden und nur aufgrund ihrer nationalen Zugehörigkeit oder ihrer „Rasse“ zum Tode verurteilt worden oder dem fortschreitenden Morden preisgegeben seien. Die Bezugnahme auf die Juden war klar, doch nicht ausdrücklich. Im März 1943 schrieb Burzio abermals, daß man die Juden in Polen durch Gas oder mit Maschinengewehren töte…

Nach der deutschen Invasion in Frankreich und der Bildung der Vichy-Regierung forderte Marschall Philippe Pétain im August 1941 von seinem Botschafter beim Heiligen Stuhl, Léon Bérard, festzustellen, ob der Vatikan Einsprüche gegen den Erlaß antijüdischer Gesetze erheben werde.  Bérard richtete eine Anfrage an den Kardinalstaatssekretär und antwortete, wenn die Kirche den Rassismus auch verurteile, so würde sie doch nicht alle antijüdischen Maßnahmen als ungerechtfertigt zurückweisen. Auch hier war die Rolle des Vatikan ambivalent, es gab nur wenig Widerspruch gegen antijüdische Gesetze und nur sehr leisen Protest gegen die Deportationen von 1942. Jules-Gérard Saliège, der Erzbischof von Toulouse, veröffentlichte einen Hirtenbrief gegen die Verfolgung der Juden, doch der Heilige Stuhl selbst reagierte nicht auf die Vorgänge in Frankreich.

Die Proteste des päpstlichen Nuntius in Berlin, Cesare Orsenigo, gegen die NS-Regierung waren so schwach, daß sogar der Bischof von Berlin, Konrad von Preysing, den Papst im Januar 1943 fragte, ob dies eine angemessene Vertretung des Vatikans bei der deutschen Regierung sei…

Nach dem Waffenstillstand vom 8. September 1943 wurden auch große Teile Italiens von der Wehrmacht besetzt…

Am 16. Oktober desselben Jahres verhaftete die Sicherheitspolizei in Rom über 1000 Juden und deportierte sie nach Auschwitz. Die „Aktion“ wurde durch keine Intervention gestoppt. Zur gleichen Zeit wurden in zahlreichen Klöstern, Kirchen und kirchlichen Gebäuden  Italiens Juden gerettet, und die gleichzeitige Öffnung so vieler katholischer Einrichtungen konnte nur aufgrund klarer Anweisung Pius XII. erfolgt sein. Der Papst protestierte außerdem formell, wenn auch als Privatperson, gegen die Verfolgung in denjenigen Ländern, in denen er einen gewissen Einfluß zu haben glaubte.

Während der gesamten Dauer der Besatzung Ungarns durch die Deutschen ab dem 19. März 1944 bemühten sich sowohl der Apostolische Nuntius von Budapest, Angelo Rotta, als auch der Papst selbst um die Rettung der ungarischen Juden…

Die Haltung des Papstes gegenüber den NS-Behörden änderte sich drastisch nach dem September 1942, als Myron Taylor berichtete, die Alliierten seien zum Sieg entschlossen. Dies legt die Vermutung nahe, daß für Pius XII. realpolitische Überlegungen wichtiger waren als moralische Grundsätze.

Die wichtigste Frage ist, warum Pius XII. nicht öffentlich gegen den nationalsozialistischen Judenmord protestierte…

Die Kontroverse über Pius XII. und seine Haltung zur Ermordung der europäischen Juden, die besonders nach der Aufführung von Rolf Hochhuths Drama Der Stellvertreter aufbrach, ist noch nicht beendet…

Goldmann Lexikon – 24 Bände in Farbe, (Hg.) Bertelsmann Lexikographisches Institut, München und Gütersloh 1998.

Pius XII. …1917-1925 Nuntius für Bayern, ab 20 zugleich für das Deutsche Reich (bis 29); … Verurteilte Nationalsozialismus und Kommunismus als polit.-weltanschaul. Grundübel des 20. Jh.; versuchte den II. Weltkrieg zu verhindern und warnte 39 Hitler vor der Anzettelung eines Krieges; seine Politik gegenüber dem nat.-soz. Deutschland blieb umstritten, insbes. sein Verhalten gegenüber der Judenverfolgung…

Brockhaus Enzyklopädie in 30 Bänden, 21. Aufl., Leipzig und Mannheim 2006.

Pius XII. … wurde 1917 Titularerzbischof und Nuntius für Bayern (bis 1925); 1920-29 Nuntius für das Dt. Reich… P. war ein glänzender Diplomat; die zw. 1924 und 1933 mit Dtl. abgeschlossenen Konkordate (Bayern, Preußen, Baden, Reichkonkordat) waren hauptsächlich sein Werk.

Die ersten Monate seines Pontifikats im Frühjahr 1939 standen unter dem Eindruck mehrerer vergebl. Friedensinitiativen. Den Diktaturen in Dtl. und Italien wie auch in der Sowjetunion stand er ablehnend gegenüber; ihre Ideologien (u.a. die nat.-soz. Rassenideologie) fanden in P. einen klaren und eindeutigen Kritiker. Zugleich hielt P. jedoch … an dem von seinen Vorgängern vorgezeichneten Grundsatz strikter polit. Neutralität des Hl. Stuhls fest… Die Kirche leitete P. streng zentralistisch… Der „absolutist. Pontifikatsstil“ erreichte in seiner Person seinen Höhepunkt und sein Ende… 1963 löste R. Hochhuth mit seinem Zeitstück „Der Stellvertreter“ eine z. T. noch heute anhaltende Diskussion über das „Schweigen“ Pius XII. zur nat.-soz. Judenverfolgung aus und darüber, inwieweit ein Eingreifen des Papstes den Völkermord an den europ. Juden hätte verhindern können. Weitgehender Konsens der histor. Forschung heute ist, dass der im großen Umfang über die Gräueltaten informierte Papst der Überzeugung war, dass ein massiver Protest seitens des Hl. Stuhls die Situation verschlimmert hätte, P. jedoch durch von ihm unterstützte geheime Hilfsaktionen (Asylgewährung im Vatikan und in kirchl. Gebäuden Italiens) und seine weltweiten diplomat. Möglichkeiten maßgeblich dazu beigetragen hat, dass Tausende Juden vor Deportation und Ermordung bewahrt werden konnten…  

Enzyklopädie des Nationalsozialismus, (Hg.) Wolfgang Benz u.a., 5. Aufl., München 2007. Einbändig.

Pius XII. … 1917 Titularerzbischof von Sardes und Nuntius in München, 1920-29 bei der Reichsregierung in Berlin… Befürworter der Konkordatspolitik Pius‘ XI. … Im Krieg Bemühungen, Verfolgten zu helfen. Kontakte zum dt. militärischen Widerstand und zur brit. Regierung wegen Friedensschluß, aber kein offener Protest gegen Völkermord und Endlösung.

Grosses Universal Lexikon von A – Z. Sonderausgabe, o.O. o.J. (wohl 2010). Einbändiges Lexikon mit 40 000 Stichworten.

Pius XII. … 1917-1929 Nuntius in Dtl. …

Fazit: Zumindest den zitierten Nachschlagewerken gemäß konnten Deutsche zu allen Zeiten gewiss sein, in Pius XII. einen zuverlässigen Freund und Unterstützer zu haben. Demgemäß rücksichtsvoll (und dankbar) gehen bis heute die meisten deutschen Lexika mit dem Andenken an diesen Papst um und kommen ihrer Aufklärungspflicht nur ungenügend nach.

Pius XII. hat  sich massiv und wortstark gegen Kommunisten ausgesprochen, hat Kirchenstrafen nicht nur angedroht, sondern auch verhängt; sein Einsatz gegen die deutschen Nationalsozialisten hingegen kann nur als halbherzig und bedingt entschlossen bezeichnet werden. Den faschistischen Regimen in Italien, Spanien und Portugal stand der Papst eher wohlwollend gegenüber.

Die 1800 Jahre massiver antijudaistischer Orientierung und Politik der katholischen Kirche werden bei der Einschätzung dieses Papstes in christlichen Nachschlagewerken grundsätzlich ausgeblendet, bei Pacelli/Pius offensichtlich von einer nicht ‚vorbelasteten‘ Persönlichkeit ausgegangen.

Die Vermittlung einer ‚heilen Welt‘ steht im Vordergrund.

Rolf Hochhuth gebührt Anerkennung dafür, eine kritische Auseinandersetzung mit der Biografie Pius‘ XII. angeregt, bzw. mit seinem Theaterstück bewirkt zu haben, dass sich weite(re) Kreise mit diesem Papst und seiner Zeit beschäftigen.

3 Kommentare

  1. Nicht zu vergessen der Eintrag zu Pacellis bayerischer Lebensgefährtin Josephine Lehnert:


    Madre (Schwester) Pascalina Lehnert (* 25. August 1894 in Ebersberg als Josephine Lehnert; † 13. November 1983 in Wien, ± Campo Santo Teutonico) war eine deutsche Ordensschwester, Haushälterin und Assistentin von Pius XII.
    Als Lehrschwester vom Heiligen Kreuz schickte sie ihr Orden 1918 nach München, um für Nuntius Pacelli zu arbeiten, dem sie 40 Jahre lang als Haushälterin und Sekretärin diente. In den Kriegsjahren und danach (1944–1958) leitete Madre Pascalina das Magazino der Pontificio Commissione Di Assistenza, eines international agierenden päpstlichen Hilfswerks. In ihrer Vatikanzeit (1929–1958) galt sie als außergewöhnlich einflussreich. Madre Pascalina starb 1983 in Wien nach einer Feier zum 25. Todestag von Papst Pius XII.
    http://de.wikipedia.org/wiki/Pascalina_Lehnert

  2. Diese Passagen aus dem Wikipediaeintrag zu Pius XII. sind ebenfalls lesenswert:
     
    Am 20. April 1917 ernannte der Papst ihn zum Nuntius für die Apostolische Nuntiatur in München und weihte ihn am 13. Mai zum Titularerzbischof von Sardes. Da es damals in Preußen keinen Nuntius gab, vertrat er den Vatikan im gesamten Deutschen Reich. Seit Juni 1917 sollte er bei der deutschen Regierung für eine päpstliche Friedensinitiative werben. Vom 26. bis 28. Juni verhandelte er dazu mit Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg, am 29. Juni empfing ihn Kaiser Wilhelm II. für 30 Minuten. Am 24. Juli unterbreitete Pacelli dem Kaiser einen Vermittlungsentwurf mit sieben Friedensbedingungen und beantwortete dessen Einwände dagegen. In der durch seinen Bericht genährten Annahme, der Kaiser sei kompromissbereit, veröffentlichte der Papst am 1. August 1917 seinen Friedensappell Dès le début. Doch alle Kriegsparteien lehnten die darin enthaltenen Vorschläge ab. Daraufhin nahm Pacelli von der Linie Benedikts, der Vatikan müsse durch eigene Initiativen aktiv für Frieden eintreten, Abstand und vertrat fortan eine strikte Neutralität in politischen Fragen.
    Am 29. April 1919 wurde die Nuntiatur in München von Anhängern der Münchner Räterepublik, speziell der Eugen Leviné unterstellten Gruppe Pongratz, besetzt. Pacelli wurde mit dem Revolver bedroht und sein Dienstwagen beschlagnahmt, aber, nach etlichen Protesten, einige Tage später beschädigt zurückgegeben. Pacelli maß diesem Vorgang jedoch „keinen antireligiösen Charakter“ bei und betrachtete ihn als Bagatelle. In seinen Berichten an den Vatikan übernahm Pacelli Polemiken gegen die Räterepublik speziell unter den Akteuren Eugen Leviné und Max Levien als „sehr harte russisch-jüdisch-revolutionäre Tyrannei“. Hubert Wolf kommt daher zu der Auffassung: „Die Vorstellung von der jüdisch-bolschewistischen Weltverschwörung wurde zwar von der deutschen Rechten mit ganz anderer Intensität und mit völlig unterschiedlichen Zielen propagiert; gänzlich unbeeinflusst blieb aber auch der Nuntius von solchen Parolen nicht.“ Michael F. Feldkamp bewertet Pacellis Haltung zur Räterepublik: „Obwohl der Verlauf der Revolutionsmonate […] der antikommunistischen und – wegen der Beteiligung jüdisch-russischer Revolutionäre – der antisemitischen Propaganda in Bayern starken Auftrieb gab, scheint die von Zeitgenossen bewunderte persönliche Bescheidenheit, Geduld und Zurückhaltung Pacellis […] glaubwürdiger als der Versuch, den späteren Papst bereits in den ersten Jahren seines Münchner Aufenthaltes als frühen Antisemiten entlarven zu wollen.“ Feldkamp unterstreicht dies unter anderem mit Pacellis Intervention zugunsten der jüdischen Gemeinde von München, das Einfuhrverbot dringend benötigter Palmwedel für das Laubhüttenfest aus Italien – auch entgegen kanonischem Recht – zu umgehen.

    Am 18. August 1925 verlegte er seinen Amtssitz in das neue Palais der Reichsnuntiatur in Berlin-Tiergarten. Er sprach inzwischen fließend Deutsch und stellte deutsches Personal an, das bis zu seinem Lebensende bei ihm blieb. Von 1918 bis 1930 verbrachte er seine Sommerferien in Rorschach am Bodensee bei den Menzinger Lehrschwestern vom Heiligen Kreuz: Dort gewann er seine lebenslange Haushälterin und Sekretärin Pascalina Lehnert.


    Am 12. Oktober 1932 unterschrieb Pacelli das Konkordat mit Baden, am 5. Juni 1933 das Konkordat mit der Republik Österreich und am 8. Juli das Reichskonkordat mit der nationalsozialistischen Regierung, das am 20. Juli in Kraft trat. Vorausgegangen waren Hitlers kirchenfreundliche Regierungserklärung (23. März 1933), die Rücknahme der Dekrete der deutschen Bischöfe, die die Unvereinbarkeit von Katholizismus und Nationalsozialismus erklärt hatten (28. März), die Zustimmung der katholischen Zentrumspartei zum Ermächtigungsgesetz (23. März), ihre Selbstauflösung (5. Juli 1933) und die absehbare Gleichschaltung der katholischen Verbände. Darum wollten Pius XI. und Pacelli nun staatliche Garantien für die katholische Religionsausübung: Dafür verpflichtete sich der Vatikan wie schon beim Italienkonkordat mit Benito Mussolini von 1929 zu politischer Neutralität. Dies kam Hitlers Absicht entgegen, politische Aktivitäten der deutschen Bistümer, katholischen Orden und Verbände rechtlich zu unterbinden und international Prestige zu gewinnen.
    Vor 1933 hatte Pacelli eine Koalition der Zentrumspartei mit der DNVP befürwortet, die dann mit der NSDAP koalierte.

    Botschafter, Bischöfe und Nuntii informierten Pacelli laufend, frühzeitig und detailliert über die Lage in Deutschland, besonders über die sich verschärfende Judenverfolgung. Seit Januar 1933 baten viele Prominente ihn darum, auf den Papst einzuwirken, um die Judenverfolgung öffentlich anzuprangern. Doch Pacelli sprach dieses Thema in seinen regelmäßigen Audienzen mit Pius XI. 1933–1939 nach Aktenlage fast nie an und ließ alle Bittbriefe bis auf einen unbeantwortet.
    Am 1. April 1933 – dem Tag des Judenboykotts -, beauftragte der Papst ihn damit, zu sondieren, „ob und wenn ja was“ der Heilige Stuhl gegen „antisemitische Exzesse in Deutschland“ tun könne. Pacelli notierte dazu: Es könnten Tage kommen, in denen man sagen können muss, dass in dieser Sache etwas gemacht worden ist. Auf seine Anfrage wies Nuntius Cesare Orsenigo am 8. April auf das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ hin: Fortan sei Eintreten für die Juden identisch mit Protest gegen ein Staatsgesetz. Der Vatikan könne sich unmöglich in innere Staatsangelegenheiten einmischen, zumal er vorher nicht gegen „antideutsche Propaganda“ protestiert habe. Er müsse sich heraushalten und Stellungnahmen zur „Judenfrage“ den deutschen Bischöfen überlassen. Dem folgte Pacelli, obwohl auch die deutschen Bischöfe nicht gegen Verletzungen der Menschen- und Bürgerrechte protestierten, sondern allenfalls für getaufte Juden eintraten.
    Am 9. April 1933 appellierte der mit dem Papst seit 1920 befreundete Wiener Rabbiner und Hebraist Arthur Zacharias Schwarz über Pacelli an Pius XI.:

    „Wenn es Eurer Heiligkeit möglich wäre, auszusprechen, dass auch das gegen die Juden geübte Unrecht ein Unrecht bleibt, so würde ein solches Wort den Mut und die Moral von Millionen meiner jüdischen Brüder erhöhen.“

    Am 22. April telegrafierte der New Yorker Rabbiner William Margolis an ihn:

    „Im Namen von all dem, was der Christenheit heilig ist, flehe ich Sie an, Ihre Stimme zu erheben, um Hitlers Verfolgungen klar zu verurteilen. Ihre Kritik wird weitreichenden Einfluss auf die deutsche Regierung haben … und zu einer Änderung der Politik führen.“

    Pius XI. plante seit Sommer 1938 ein Lehrschreiben gegen den Rassismus und Antisemitismus, zu dem er weder das zuständige Heilige Offizium noch Pacelli beauftragte. Zudem wollte er am 11. Februar 1939, dem Zehnjahrestag der Lateranverträge, die Leugnung der nationalsozialistischen Judenverfolgung in der italienischen Presse und die rassistischen Gesetze des italienischen Faschismus vom Juli 1938 als Bruch des Italienkonkordats öffentlich anprangern. Pacelli dagegen wollte diesen Konfrontationskurs vermeiden, um das Konkordat nicht zu gefährden und Mussolini als Vermittler gegenüber Hitler zu behalten. Als Pius XI. am 10. Februar 1939 starb, ließ Pacelli die schon gedruckten Exemplare der geplanten Papstrede vernichten, wie es seine Aufgabe als Camerlengo war.

    Kritikpunkte
    Die Haltung Papst Pius XII. in der NS-Zeit wird seit dem Erscheinen von Rolf Hochhuths Drama Der Stellvertreter 1963 kontrovers diskutiert. Der Hauptvorwurf lautet seitdem: Pius XII. habe gegenüber dem Holocaust trotz zahlreicher Bitten um öffentlichen Protest fortlaufend geschwiegen, sei es aus Gleichgültigkeit, Deutschfreundlichkeit oder Kommunistenangst.
    Die Kritik an der Haltung von Pius XII. in der NS-Zeit umfasst folgende Einzelpunkte:

    Er habe Deutschland, die Deutschen und das NS-Regime wegen seiner langjährigen Amtszeit als Nuntius bevorzugt.
    Er habe das NS-Regime mit dem Reichskonkordat international legitimiert und die Ausschaltung der Zentrumspartei als Preis dafür billigend in Kauf genommen oder sogar heimlich geplant.
    Er habe 1939 nicht gegen den deutschen Überfall auf Polen protestiert, sondern die Polen gedrängt, auf Hitlers unrechtmäßige Forderungen einzugehen. Später habe er ebenso wenig gegen den Westfeldzug protestiert.
    Er habe im Luftkrieg einseitig gegen die Alliierten Partei ergriffen, indem er zwar den deutschen, nicht aber den britischen Bischöfen sein Mitgefühl ausgesprochen habe.
    Er habe die Antisemiten unter den deutschen Bischöfen nicht zurechtgewiesen und die Regimekritiker darunter zu wenig unterstützt.
    Er habe die antisemitischen Gesetze der Vichy-Regierung nicht verurteilt, sondern diese Léon Bérard gegenüber gebilligt.
    Er habe den Diktator Kroatiens, Ante Pavelić, bei der Verfolgung von Serben und Juden unterstützt, da dieser der katholischen Kirche mehr Rechte eingeräumt habe.
    Er habe den katholischen Priester Jozef Tiso als Regent der Slowakei wegen dessen Judenverfolgung nicht ermahnt und bestraft.
    Er habe die Razzia zum Aufgreifen römischer Juden im Oktober 1943 nicht durch rechtzeitigen Protest verhindert. Italienische Katholiken hätten den verfolgten Juden ohne Billigung des Vatikan geholfen.
    Er habe Nationalsozialisten und anderen Kriegsverbrechern nach Kriegsende zu Flucht und Amnestie verholfen.
    Er habe öffentlich gegen den Kommunismus Stellung bezogen und italienischen Katholiken für die Wahl von Kommunisten sogar Exkommunikation angedroht, während er dies gegenüber Nationalsozialisten unterlassen habe.
    Er habe auch nach 1945 so getan, als habe die römisch-katholische Kirche in der NS-Zeit keine Fehler gemacht, und dadurch ein Schuldbekenntnis für kirchliches Versagen, wie es die EKD im Stuttgarter Schuldbekenntnis 1945 aussprach, auf Seiten der deutschen Bischöfe verhindert.

    Durch die allmähliche Verbesserung der Quellenlage wurden viele Kritikpunkte Hochhuths widerlegt oder relativiert. Doch Hochhuths Werk bestimmt weiterhin die moralischen und historischen Fragen: Welche Haltung hatte dieser Papst zur NS-Ideologie und -Politik? Welche Kenntnis von der Judenverfolgung, besonders vom Holocaust, hatte er und seit wann? Welche Handlungspielräume hatte und welche nutzte er gegenüber dem NS-Regime und dessen Helfern? Welche Alternativen gab es zu seiner Haltung?

    Nach Pius XII. sind seit 1949 auf Veranlassung von Ernst Reuter die Pacelliallee in Berlin-Zehlendorf sowie ferner die Pacelliallee in Fulda und die Pacellistraße in München benannt. Die Stadt Trier nannte 1957 in Erinnerung an die 30jährige Wiederkehr des Besuches von Pius XII. als Nuntius 1927 einen Teil der Moselstraße in Pacelliufer um.
    Papst Paul VI. eröffnete 1965 den Seligsprechungsprozess für Pius XII. Als Voraussetzung für dessen Seligsprechung votierte die zuständige Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse im Mai 2007 zugunsten des heroischen Tugendgrades des Papstes.
    Papst Benedikt XVI. würdigte seinen Vorgänger anlässlich des 50. Todestages am 9. Oktober 2008 mit einer feierlichen Messe im Kreise der Teilnehmer der Bischofssynode. In der Predigt hob Benedikt XVI. die Leistungen Pius’ XII. hervor und verteidigte ihn offen gegen Kritik.
    Das Seligsprechungsverfahren für Pius XII. hat am 19. Dezember 2009 eine weitere wichtige Hürde genommen. Papst Benedikt XVI. hat an diesem Tag seinem Vorgänger den heroischen Tugendgrad zuerkannt. Damit ist das Beatifikationsverfahren in die entscheidende Phase getreten. Für die definitive Seligsprechung des Pacelli-Papstes braucht es noch den Nachweis einer Wunderheilung.
    http://de.wikipedia.org/wiki/Pius_XII.

  3. Eine Ergänzung aus Lexikon der Päpste und des Papsttums (2001), das laut Vorwort „den neuesten Stand der Forschungen zu den Päpsten“ referiert und auf dem LThk (Lexikon für Theologie und Kirche) basiert.
    Pius XII.
    „ … trat nach glänzenden Studien an staatlichen Schulen … in den Dienst des Staatssekretariats; 1917 Apostolischer Nuntius in München mit dem Auftrag, die deutsche Regierung zu bewegen, den päpstlichen Friedensvorschlag anzunehmen. Die kurze Räteregierung 1919 in München hinterließ in ihm zeitlebens panische Ängste vor kommunistischer Machtergreifung. 1920 Nuntius beim Deutschen Reich;“
    P. war am Abschluss diverser Konkordate beteiligt und versuchte den Zweiten Weltkrieg zu verhindern und nach dem Ausbruch legte er Wert auf strikte Neutralität, „ wobei er keine Mühe scheute, Kriegsgefangenen und Flüchtlingen humanitäre Hilfe zukommen zu lassen. Besondere Unterstützung wurde auch den Juden zuteil; zu einem offenen Protest in der Judenfrage war Pius aber nicht bereit, da er glaubte, durch seine Schweigen ‚Schlimmeres‘ zu verhüten und die Hilfsmaßnahmen wirksamer organisieren zu können.…

    Den Kommunismus hielt er für gefährlicher als den Nationalsozialismus, durch das Dekret des Heiligen Offiziums vom 1.7.1949, das besonders für Italien große Bedeutung hatte, wurde jegliche Förderung des Kommunismus mit Exkommunikation legt. …

    Pius nominierte 1946 und 1953 insgesamt 56 neue Kardinäle. Eine Sensation stellte die Ernennung der drei deutschen Bischöfe Joseph Frings, Konrad von Preysing und Clemens August von Galen dar. Mit Blick auf Deutschland verwarf er die Idee von der Kollektivschuld. Pius, der große Bewunderung für deutsche Tugend zeigte, umgab sich mit deutschen Mitarbeitern wie Ludwig Kaas, August Bea, Robert Leiber und Gustav Grundlach.“

    P. habe hohes internationales Prestige erlangt, nach seinem Tod aber sei Kritik an seinem autoritären Führungsstil und ärgerniserregenden Nepotismus aufgekommen.
    „ Besonders wurde und wird sein Schweigen gegenüber den Verbrechen des Nationalsozialismus in Frage gestellt.“ (S. 342- 345; Josef Gelmi)
    Fazit:
    Pius XII. positionierte sich eindeutig gegen den Kommunismus. Die Behauptung, dass unter P. den Juden besondere Unterstützung zuteil wurde, scheint eher Wunschdenken des Autors zu sein.

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