Die nackte Heuchelei

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„Dieser verrückte Hund des Nahen Osten“ – so nannte Ronald Reagan Muammar Gaddafi 1986, nachdem libysche Terroristen eine Diskothek in Berlin sprengten, die von amerikanischen Soldaten frequentiert wurde – schießt heute auf sein eigenes Volk. Dies hat endlich den UN-Sicherheitsrat in Sorge versetzt…

Von Moshe Arens

Nach dem Bombenabschlag in der Diskothek sprengten libysche Terroriten 1988 über Lockerbie ein Pan-Am-Flugzeug in die Luft und danach eines der französischen Fluggesellschaft UTA. Trotz all dem wurde Libyen 2008 in den Weltsicherheitsrat aufgenommen und übernahm dort auch die turnusmäßige Präsidentschaft. 2010 wurde Libyen mit einer Mehrheit von 155 von 192 Stimmen zum Mitglied des UN-Menschenrechtsrats gewählt. In diesen Jahren griff Gaddafi mit großem Zorn Israel an und bezichtigte es u.a. der Verantwortung für die Ermordung John F. Kennedy und die Gewalt im Sudan. Die Unterstützung Israels durch Barak Obama rühre, so hat Gaddafi behauptet, von Minderwertigkeitskomplexen aufgrund seiner afrikanischen Herkunft her.

Über Jahre hinweg ist das Libyen Gaddafis als ehrenwertes Mitglied der Völkergemeinschaft betrachtet worden. Die großen politischen Führungsfiguren der Welt haben den libyschen Herrscher besucht und ihn zu Gast gehabt. Der libysche Geheimdienstmann, der verantwortlich war für den Anschlag über Lockerbie, wurde in Großbritannien des Mordes für schuldig erklärt, zu 27 Jahren Haft verurteilt, nach acht Jahren aus „humanitären Gründen“ freigelassen und nach Libyen entlassen, wo ihm ein königlicher Empfang bereitet wurde.

Die Heuchelei, die demokratische Staaten – große wie kleine – gegenüber dem Libyen Gaddafis an den Tag gelegt haben, wird derzeit in all ihrer Hässlichkeit offengelegt; sie ist beispiellos in der neueren Geschichte. Diese Heuchelei hat die UNO und ihre Einrichtungen lächerlich gemacht und die Fähigkeit der Großmächte, die Organisation als Instrument internationaler Krisenbewältigung einzusetzen, schwer beschädigt.

Das Verhältnis der UNO und vieler Regierungen auf der Welt zu Israel, die ständige Kritik an seiner Politik, die Drohungen von Verurteilung und Sanktionen stellen ein weiteres Beispiel für die Heuchelei dar, die alle Zügel verloren hat. Der Schulterschluss mit den schlimmsten Gewaltherrschern bei gleichzeitiger scharfer Kritik am demokratischen Israel ist zur Mode geworden. Der Resolutionsantrag zur Verurteilung Israels wegen der Siedlungen, der jüngst im Weltsicherheitsrat eingebracht wurde, gewann die Unterstützung des libanesischen Vertreters, dessen Staat derzeit von der Hisbollah beherrscht wird, einer Terrororganisation, deren Leute verantwortlich sind für den Mord an Ministerpräsident Rafik al-Hariri.

Die heuchlerische Nachsichtigkeit, die das Verhältnis der politischen Führer der Welt zu Gaddafi und anderen arabischen Gewaltherrschern charakterisierte, hat – wie sich nun herausstellt – die Bürger Tunesiens, Ägyptens, Libyens, Jemens und Bahrains nicht davon überzeugt, weiter unter despotischer Herrschaft zu leiden. Sie haben genug von ihren Herrschern, von der Unterdrückung, von der Korruption, von der Armut und dem Elend. Dies haben die arabischen Knesset-Abgeordneten, die jüngst nach Libyen gereist sind und sich mit dem verrückten Diktator trafen, noch nicht begriffen. Es ist nicht anzunehmen, dass der Besuch die Gefühle der Mehrheit der israelischen Arber repräsentiert.

Die gute Nachricht ist, dass bei den Demonstrationen in den arabischen Hauptstädten kaum antiisraelische Plakate zu sehen sind. Der Zorn der Demonstranten richtet sich dieses Mal gegen die Unterdrücker und die Ungerechtigkeiten von deren Herrschaft und nicht gegen Israel. Wir in Israel können nur hoffen, dass die islamischen Extremisten die arabische Revolution nicht kapern werden und Israel sich beizeiten neben demokratischen Nachbarn wiederfinden wird.

Die französisch-marokkanische Schauspielerin Rachida Khalil sagte jüngst in einer Radiosendung in Marokko, dass sie von einem „säkularen und demokratischen arabischen Staat“ träume. Sollte dies der Traum der Mehrheit der Demonstranten sein, wären dies gute Nachrichten nicht nur für die Welt, sondern auch für Israel.

Haaretz, 02.03.11, Botschaft des Staates Israel