Israel, die Muslimbruderschaft und der Zug der Demokratie

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Anstatt sich mit der Demokratiebewegung in Ägypten solidarisch zu erklären, wird derzeit in Europa, vor allem aber in den USA und in Israel die Panik vor einer Machtübernahme der Muslimbruderschaft geschürt…

Von Thomas Schmidinger

Im Editorial der Jerusalem Post macht man sich keine Sorgen um die exzessive Gewalt gegen die Demokratiebewegung in Ägypten, sondern um die mögliche Machtübernahme einer „radikalislamischen Bewegung“ und kritisiert, dass das Weiße Haus einen „sofortigen Übergang zu einer demokratischen Repräsentation in Ägypten“ ((http://www.jpost.com/Opinion/Editorials/Article.aspx?id=206687)) anstrebe. Dies könnte nämlich, so der Kommentar weiter, ähnlich wie in den Palästinensergebieten zu einer Machtübernahme der Muslimbruderschaft führen. In deutscher Übersetzung auf der Internetzeitung „die Jüdische“ nachgedruckt heißt es schließlich: „Wir hoffen, die US-Administration wird die Gefahren eines zu schnellen Übergangs zu den Fängen der Demokratie ohne die vorherige Schaffung der entsprechenden Grundlagen erkennen. Gaza, Libanon und Irak sind instruktive Lektionen zu den Gefahren fehlerhafter demokratischer Prozesse.“ ((http://www.juedische.at/))

Dies dürfte durchaus der Position der derzeitigen israelischen Regierung entsprechen. Außenminister Avigdor Lieberman von der rechtsextremen Partei Israel Beiteinu, war vergangene Woche laut Haaretz intensiv damit beschäftigt, den israelischen Botschaftern einzubläuen, in ihren Gastländern die verzweifelte Botschaft zu verbreiten, dass die Stabilität des ägyptischen Regimes um jedem Preis zu verteidigen wäre. ((http://www.haaretz.com/weekend/week-s-end/the-battle-for-the-israeli-voter-passes-through-tahrir-square-1.341211)) Solche Stimmen sind jedoch nicht nur aus der derzeitigen Rechtsregierung zu hören, sondern auch aus der auf die Oppositionsbank gewechselten Arbeitspartei. Der ehemalige Infrastrukturminister Benjamin Ben Eliezer von der Arbeitspartei erklärte bereits Ende Jänner in einem Interview mit der Jerusalem Post offen das israelische Interesse an der Fortdauer des Regimes Mubarak. ((http://www.jpost.com/DiplomacyAndPolitics/Article.aspx?id=205576))

Diese Solidaritätsbekundungen mit dem Regime Mubaraks hinterließen auch ihre Spuren in der Szene deutschsprachiger Israel-Fans. Die von einem ehemaligen Neonazi herausgegebenen Website HaOlam fürchtet eine „Wiederholung der islamischen Revolution“: „In Ägypten ist die am besten organisierte Oppositionsgruppe die Muslimbruderschaft, die enge Verbindungen zur Hamas pflegt und sich ideologisch äußerst feindselig gegenüber Israel positioniert. Die Führungsrige der Muslimbruderschaft versteht zwar wahrscheinlich, dass eine Aufgabe des Friedensvertrages mit Israel die jährlichen Unterstützungszahlungen von rund 2 Mrd. Euro aus den USA gefährden würde und zudem der lukrativen Tourismusbranche ernsthaften Schaden zufügen könnte, doch ist die breite Masse ihrer Unterstützer höchstwahrscheinlich nicht gebildet genug, um so vorausschauend zu planen, und übt dementsprechend Druck auf die Organisation aus, den pro-westlichen Kurs Ägyptens zu ändern.“ ((http://www.haolam.de/?site=artikeldetail&id=4371))

Auch Cahit Kaya, der in einer One-man-Show den „Zentralrat der Ex-Muslime“ in Österreich gibt, macht seine eigene Unwissenheit zum Programm, wenn er darüber herumorakelt, dass niemand nichts genaues wisse, die Macht „endgültig an die Islamisten zu gleiten“ drohe und damit eine „islamfaschistische“ Diktatur vor der Tür stehe, Israel selbstverständlich bedroht wäre und Mohammed El-Baradai ein „Muslimbruder light“ wäre. ((http://exmuslime.at/cahit-kaya-frei-gesprochen/144-wohin-marschiert-aegypten))

Diesen Beispielen gemeinsam ist die Panik vor einer Machtübernahme der Muslimbruderschaft, der Herkunftsorganisation der palästinensischen Hamas. Leider verfügen diese Panikmacher jedoch weder über ein differenziertes Wissen über die gegenwärtige Position und Politik der Muslimbruderschaft, noch über deren tatsächlichen Einfluss in der ägyptischen Gesellschaft.

Was hat es nun mit der Muslimbruderschaft auf sich?

Die 1928 in Ägypten vom Volksschullehrer Hassan al-Banna gegründete Muslimbruderschaft (al-Ikhwan al-Muslimun) gehört heute zu den weltweit bedeutendsten Strömungen des Politischen Islam. Sie war die erste politische Organisation in Ägypten, die den Anspruch  erhob, einen islamischen Staat zu errichten. In den Anfangsjahren richtete sie ein Hauptaugenmerk auf soziale und karitative Tätigkeiten in den Armenvierteln Kairos und auf den Dörfern auf dem Lande und konzentrierte ihre politische Propaganda gegen die britische Kolonialherrschaft. Dadurch konnten sie insbesondere die Unterstützung großer Teile der Landbevölkerung gewinnen. In den 1940er-Jahren hatte sie bis zu einer halben Million Mitglieder. Die Muslimbruderschaft vertrat ein Konzept des Islam als „allumfassendes System“ wie es später alle Bewegungen, Gruppen und Sekten des Politischen Islam Ägyptens vertraten. Islam war für sie „din wa dawla“, also Religion und Gesellschaft/Staat. Grundsätzlich tendiert das politische System der Muslim-Bruderschaft eher in Richtung einer islamischen Republik, denn in Richtung eines Khalifats.

Die politischen Forderungen Hassan al-Bannas, die dieser 1936 in seinem Traktat nahwa an-nur (Aufbruch zum Licht) an eine Reihe von arabischen Staatsoberhäuptern schickte, die „Beendigung des Parteienwesens, islamische Reform des Rechts, kulturelle Zensurmaßnahmen, Wahrung islamischer Moralvorstellungen, Zins- und Profitverbot, Redistribution des Reichtums usw. – erklären sich aus seiner Wahrnehmung der gesellschaftlichen Konflikte, in der kulturelle Verwestlichung, europäische Vorherrschaft und soziale Ungleichheit untrennbar verschmolzen sind.“ ((Endres, Jürgen / Jung, Dietrich: Was legitimiert den Griff zur Gewalt? Unterschiede im Konfliktverhalten islamischer Organisationen in Ägypten. In: Politische Vierteljahresschrift, Heft 1, 39. Jhrg., März 1998: 91 – 109))

Von Anfang an wurden dabei nicht nur die Kolonialherrn selbst zum Angriffspunkt, sondern all jene, die mit einer kulturellen Moderne in Verbindung gebracht wurden, zuallererst die ägyptischen Juden, die teilweise europäischer Herkunft waren und von der Muslim-Bruderschaft sowohl mit dem aufkommenden Zionismus, als auch mit dem Kolonialismus und der westlichen Moderne identifiziert wurden. Die antisemitischen Angriffe trafen jedoch die alten, seit Jahrhunderten arabisierten ägyptischen jüdischen Gemeinden. Insofern kann man bei der Muslimbruderschaft jedenfalls von einer antisemitischen Tradition sprechen, die selbstverständlich Grund zur Beunruhigung sein kann.

Nachdem am 23. Juli 1952 die „Freien Offiziere“ in einem Putsch die Macht übernommen hatten, sah die Muslim-Bruderschaft, die zu einigen der Putschisten gute Beziehungen unterhielt, anfangs durchaus Grund zu Optimismus. Den Muslim-Brüdern wurde sogar angeboten, „einige Regierungsämter unter dem ersten Regierungschef General Muhammad Najib [zu] übernehmen.“ ((Endres, Jürgen / Jung, Dietrich: Was legitimiert den Griff zur Gewalt? Unterschiede im Konfliktverhalten islamischer Organisationen in Ägypten. In: Politische Vierteljahresschrift, Heft 1, 39. Jhrg., März 1998: 91 – 109))

Mit der Machtübernahme der nationalistischen Linken innerhalb der „Freien Offiziere“, insbesondere mit der Ausschaltung Muhammad Najibs und der Machtübernahme Gamal Abdel Nassers im Februar 1954, enden jedoch die Hoffnungen der Bruderschaft. Unabhängige politische Massenbewegungen, wie die Muslim-Bruderschaft, hatten im neuen politischen System keinen Platz, denn die Militärs beabsichtigen, wie es Gilles Kepel in seinem Standardwerk über die Muslimbruderschaft schreibt, „keineswegs, die Organisation als Sprachrohr für die Forderungen des Volkes auftreten zu lassen. Sie ziehen es vor, dass diese Forderungen von einer Einheitspartei kanalisiert werden, mit deren Hilfe die Massen geschlossen hinter die Regierung gebracht werden.“ ((Kepel, Gilles: Der Prophet und der Pharao, Das Beispiel Ägypten: Die Entwicklung des muslimischen Extremismus; München, Zürich 1995: 24))

Am 26. Oktober 1954 wird auf Nasser während einer Rede in Alexandria von einem Muslim-Bruder ein Schussattentat verübt. Obwohl die Muslim-Bruderschaft unter der Führung des neuen Murshid (oberster Lehrer, Führer der MB) Hassan al-Hudaybi von einer Polizeiprovokation sprechen, beginnt damit eine erneute Verfolgungswelle gegen die Bruderschaft. Tausende Mitglieder und Sympathisanten der Bruderschaft werden verhaftet, sechs führende Funktionäre hingerichtet. Unter den Verhafteten befinden sich auch Yassir Arafat, der als damaliger Präsident der palästinensischen Studentenunion ((Hein, Horst: Nachwort; in: Sayyed Qutb: Kindheit auf dem Lande. Berlin 1997: 169)) in Ägypten den Muslim-Brüdern zumindest nahe stand, sowie Sayyid Qutb, der sich unter der Folter und Gefangenschaft radikalisieren sollte und schließlich zu einem der ideologischen Stammväter des radikaleren Gihadismus wurde. Die Verfolgung der Muslimbruderschaft führte aber auch zur Exilierung tausender Muslimbrüder und damit zur Ausbreitung der Organisation in fast alle islamischen Staaten, aber auch in die muslimischen Communities in Europa und den USA.

In Ägypten begann damit eine Verfolgungsgeschichte der Muslimbrüder, die jedoch keineswegs ungebrochen ist. Nach dem Tode Nassers 1970 suchte sein Nachfolger Sadat kurzfristig die Zusammenarbeit mit der Muslimbruderschaft und anderen Kräften des Politischen Islams, insbesondere der Studentenorganisation Gamaa Islamiya, um mit deren Hilfe gegen die Linken NasseristInnen und KommunistInnen vorzugehen und die Westorientierung Ägyptens, sowie die ökonomische Wende zu einer kapitalistischen Marktwirtschaft durchzusetzen.

In den 1990er-Jahren gelang es der Muslimbruderschaft schließlich, den Status einer teilweise geduldeten, jedoch nicht legalen Oppositionskraft zu erringen. Damit verbunden war jedoch nicht nur die Gründung einer Vielzahl legaler und informeller Vorfeldorganisationen, sondern zunehmend auch eine ideologische Diversifizierung innerhalb der Organisation. Dabei ging es nicht nur um Differenzen zwischen radikaleren und gemäßigteren Strömungen, sondern auch um Klassengegensätze. Während ein großer Teile der gebildeten Führungsschicht vom neoliberalen Wirtschaftskurs unter dem Regime Hosni Mubaraks profitierte und es zu florierenden mittelständischen Unternehmen brachte, waren andere weiter in den Armenvierteln aktiv und versuchten unter den Armen ihre soziale Basis aufzubauen. Diese Tendenz zur Aufsplitterung der Bewegung hielt in den letzten Jahren an und verstärkte sich zu durchaus intensiv ausgetragenen Richtungskämpfen innerhalb der Organisation.

Teile des postislamistischen ((Zum Konzept des Postislamismus siehe: Bayat, Asef: Making Islam Democratic: Social Movements and the Post-Islamist Turn. Stanford, 2007)) Flügels der Muslimbruderschaft verließen die Mutterorganisation und gründeten mit der Hizb al-Wasat ((http://www.alwasatparty.com)) eine legale postislamistische Oppositionspartei. Innerhalb der Muslimbruderschaft konkurrieren jedoch weiterhin unterschiedliche Flügel. Zwei der wichtigsten Strömungen sammeln sich dabei um den konservativ ausgerichteten Mahmoud Ezzat und den reformistisch ausgerichteten Essam el-Erian, insgesamt rivalisieren jedoch wesentlich mehr als nur zwei Strömungen miteinander.

Keine dieser Strömungen besitzt besondere Sympathien für Israel. Immerhin erklärte Essam el-Erian jedoch, dass sich Israel vor nichts zu fürchten habe, „außer vor seinen eigenen Verbrechen.“ ((http://www.monstersandcritics.com/news/middleeast/news/article_1617078.php/Israeli-official-to-Muslim-Brothers-peace-treaty-good-for-Egypt)) Ägypten werde Israel nicht angreifen. Nun mögen dies Lippenbekenntnisse sein, sie sind für jemanden, der aus der Herkunftsorganisation der Hamas kommt, trotzdem nicht irrelevant und verändern den Zugang der Basis der Muslimbruderschaft zum einst diabolisierten Feind.

In Wirklichkeit kann derzeit noch niemand sagen, wie sich die Muslimbruderschaft tatsächlich in Zukunft positionieren wird. Allerdings lässt sich klar sagen, dass das Bild einer in sich geschlossenen Kaderorganisation, das vor 30 Jahren noch seine Gültigkeit gehabt hätte, heute völlig falsch ist. Es handelt sich vielmehr um eine breit aufgefächerte Bewegung, die bereits im Begriff ist, sich in mehrere politische Gruppierungen zu spalten. Wenn die Muslimbruderschaft aus dem nun anstehenden politischen Prozess in Ägypten ausgeschlossen werden würde, würden damit jedoch die Verwerfungen innerhalb der Organisation durch den Druck von außen künstlich gekittet. In einem demokratischen Mehrparteiensystem wäre es hingegen wahrscheinlich, dass mehrere muslimische Parteien, die auf dem Gedankengut der Muslimbruderschaft in unterschiedlicher Art und Weise aufbauen und anknüpfen, miteinander konkurrieren könnten, darunter auch postislamistische Parteien wie die Hizb al-Wasat, die sich ähnlich wie die türkische AKP zu einer konservativ-islamischen Partei innerhalb eines säkularen demokratischen Mehrparteiensystems entwickeln will.

Entscheidend sind jedoch nicht nur die inneren Auseinandersetzungen und politischen Neuausrichtungen der Muslimbruderschaft, sondern auch deren Einfluss auf die gesamte Demokratiebewegung.

Die Angstpropaganda Mubaraks, die den eigenen Autoritarismus immer mit dem Hinweis auf die islamistische Gefahr rechtfertigen konnte, hat zu einer maßlosen Überschätzung des Einflusses der Muslimbruderschaft insgesamt geführt.  Die Demonstrationen in Kairo, Alexandria, Suez und den anderen ägyptischen Städten stehen nicht unter ihrer Führung. Die Muslimbruderschaft sprang erst auf den längst abgefahrenen Zug auf.

Die Proteste gehen von säkularen Jugendbewegungen aus, die sich nach dem von der Polizei ermordeten Blogger „Wir sind alle Khaled Said“ oder nach dem 2008 von der Polizei brutal niedergeschlagenen Streik der Arbeiter von  al-Mahalla al-Kubra „Jugendbewegung des 6. April“ nennen. Diese Namen sind programmatisch. Der Kampf um Menschenrechte und Demokratie ist für diese säkularen Jugendbewegungen direkt verwoben mit dem Kampf um soziale Rechte, gegen Arbeitslosigkeit und eine neoliberale Wirtschaftspolitik, die jede echte gewerkschaftliche Organisation unterband. Während es im staatlichen und ehemals staatlichen Sektor eine von Regierungsfunktionären durchsetzte gelbe Gewerkschaft gab, wurde im Privatsektor jegliche Gewerkschaftsarbeit unterbunden und wurden selbstorganisierte ‚wilde‘ Streiks seit Jahren brutal unterdrückt. Dass sich am 30. Januar erstmals ein unabhängiger Gewerkschaftsverband gründen konnte, ist ein deutliches Zeichen der neu gewonnen Stärke der Arbeiterbewegung. Die unabhängigen Gewerkschaften spielten schließlich auch in der erfolgreichen Revolution in Tunesien eine entscheidende Rolle.

Das bedeutet nicht, dass die Muslim-Bruderschaft sich nicht an den Protesten beteiligen würde. Allerdings spielt diese eine vergleichsweise untergeordnete Rolle und vertritt mit all ihren rivalisierenden Flügeln nicht mehr als 20 bis allerhöchstens 30% der Bevölkerung.

Die Parallele zur Islamischen Revolution im Iran, die mancherorts gezogen wird, taugt wenig. Nicht nur, dass 2011 nicht 1979 ist und dass die schiitische Geistlichkeit völlig anders organisiert war und ist als die sunnitische. Vielmehr fehlt der Muslimbruderschaft auch eine charismatische Führungsgestalt mit entsprechenden integrativen Fähigkeiten, vereinfacht gesagt ein ägyptischer Ayatollah Khomeini. Auch im Iran konnte dieser die anderen Bewegungen der Revolution allerdings erst im Windschatten des vom Westen gestützten Angriffs des Irak auf den Iran ((Israel hielt damals übrigens im Gegensatz zur USA zum Iran.)) ausschalten. Der Krieg ermöglichte ihm das Kriegsrecht und die Errichtung der Diktatur. Und wir wollen doch hoffen, dass Ägypten nach einer Revolution nicht auch gleich angegriffen wird.

Geschichte bleibt ein Risiko. So verständlich israelische Befürchtungen vor dem ungewissen Ausgang der Proteste in Ägypten sind, so falsch ist es jedoch den korrupten Tyrannen, dessen Zeit abgelaufen ist, stützen zu wollen. Dabei geht es zunächst um universelle Werte: Demokratie ist nicht nur etwas für wohlhabende EuropäerInnen, US-AmerikanerInnen oder Israelis. Auch AraberInnen wollen frei von Unterdrückung leben und ihre politische Zukunft selbst bestimmen.

Aber auch aus israelischer Sicht hätte eine demokratische Entwicklung in Ägypten mehr Chancen als Risiken. Mubarak war kein Freund Israels. Er war nur korrupt genug sich von US-Militär- und Wirtschaftshilfe kaufen zu lassen und damit den ‚kalten Frieden‘ mit Israel zu bewahren. Auch unter Mubarak war antisemitische Propaganda in Ägypten allgegenwärtig. Ich kann mich noch gut an meinen Schock erinnern als ich als blutjunger Student in Kairo mein Arabischstudium begann und in der Mehrheit der Buchhandlungen antisemitische Propagandaliteratur, wie die ‚Protokolle der Weisen von Zion‘ in den Auslagen fand. Für die säkularen Diktatoren der Region war es immer angenehm die Unzufriedenheit der Bevölkerung auf Israel abzulenken. Während jede Demonstration gegen das eigene Regime sofort unterdrückt wurde, durfte auch unter Mubarak immer gegen Israel demonstriert werden.

Vor allem aber kann es einen wirklichen Frieden und eine gute Nachbarschaft nur mit einer demokratisch legitimierten Regierung geben, die diesen Frieden auch der eigenen Bevölkerung gegenüber vertreten kann. Dazu ist aber auch eine Lösung des Konflikts mit den PalästinenserInnen notwendig und zwar auf eine Art und Weise, die auch den PalästinenserInnen demokratische Selbstbestimmung im Rahmen einer fairen Zweistaatenlösung ermöglicht.

Hoffnung geben deshalb auch andere israelische Stimmen, die die Demokratiebewegung in Ägypten offen begrüßen, wie etwa Sven Plocker, der auf der Website Ynet, die israelische Angst vor der Demokratie kritisiert und festhält:

„Wenn Polen, Brasilien, Indien und Indonesien heute demokratische Staaten sein können, die Wachstum aufweisen, ihre Armut reduzieren können und friedlich mit ihren Nachbarn koexistieren, dann können das Ägypten, Syrien und der Iran auch. Das ist es zumindest was wir Israelis, Juden und Nichtjuden genauso, hoffen. Der Zug der Demokratie ist kein Desaster, sofern er nicht entgleist.“ ((http://www.ynetnews.com/articles/0,7340,L-4021393,00.html))

Israel sollte auf diesen Zug setzen und nicht auf die Saboteure, die versuchen diesen Zug gar nicht erst abfahren zu lassen.

Thomas Schmidinger ist Lektor für Politikwissenschaft an der Universität Wien und derzeit Reserach Fellow an der University of Minnesota

10 Kommentare

  1. Ein unseriöser Artikel. Die dokumentierte Sympathie für den Nationalsozialismus von Beginn an, die Zusammenarbeit des antisemitischen Muftis von Jerusalem Hadsch Amin Al-Husseini, der die Kriegsjahre (WW2) in Berlin verbrachte, Muslimische SS-Divisionen aufstellte und den Judenhass der Nazis 1:1 für seine Zwecke im damaligen Palästina von Anfang an von Al Banna und Sayed Qutb übernahm – all das wird ausgeblendet. Hamas, die nichts als eine palästinensische Filiale der Muslimbrüder ist (wie der genannte Mufti von Jerusalem zu seiner Zeit)terrorisiert die Bevölkerung Gazas, verfolgt Christen in Gaza – alles wie in Aegypten, wo die Kopten zu Hunderten getötet werden. Dass sie demokratisch gewählt und dann durch einen undemokratischen Umsturz und Mord an ihren Gegnern den Gazastreifen exklusiv übernahm – all das sind Beweise des totalitären Anspruchs dieser faschistischen Bewegung. Sollte sie in Aegypten an die Macht kommen, sogar durch Wahlen, werden diese Wahlen bestimmt die Letzten gewesen sein, die dieses Land für unabsehbare Zeit gehabt haben wird. Es gibt nur einen Unterschied zwischen Hamas und den Muslimbrüdern: Hamas ist an der Macht und stellte eine islamistische Terrordiktatur auf die Beine, die Muslimbrüder flexen ihre Muskeln sind jedoch (noch?) nicht an der Macht. Ramadans irreführende Darstellung verzerrt völlig die tatsächliche faschistoide frauenfeindlichen antidemokratischen Ansprüche der Muslimbrüder Aegyptens und des Jihadismus ganz allgemein.

  2. herr fiejte, eine frage an sie: warum setzt der autor „sofortigen Ãœbergang zu einer demokratischen Repräsentation in Ägypten” ebenfalls in anführungszeichen? was will er uns damit sagen? und noch eine frage: können sie mir erklären, was diese zahlen in eckigen klammern bedeuten? und noch eine frage, was meinen sie mit „irsalische medien“, und was bedeutet es, dass ich diese in anführungszeichen setze? vielen dank für ihre auskunft!

  3. Das Sie radikalislamistisch im Zusammenhang mit der Muslembruderschaft in Anführungszeichen setzen, Herr Schmidinger, offenbart ihre fachliche Inkopetent, ebenso ihre von Sachkenntnis unberüten Fehlinterpretation der irsalische Medien. Wo leben Sie, auf welchen Planeten. Ich denke aber, Sie sind ein Mensch, der vielleicht doch bereit ist, sich auch Wissen anzueignen über Dinge, über die er so gerne auch mal was schreiben möchte.
    Ein gutes Buch zum Einstieg in die Materie Moslembruderschaft und Hamas: „Sohn der Hamas“, Herder-Verlag. Lesen Sie es, es lohnt sich und kann ihnen nur weiterhelfen.

  4. Der Vertreter der ägyptischen Muslimbruderschaft in London ruft auf sich auf einen Krieg mit Israel vorzubereiten. Das sollte man nicht wegwischen mit einer Handbewegung.
    February 3, 2011
    Special Dispatch No.3558
    The Middle East Crisis XVI: Muhammad Ghanem, Egyptian Muslim Brotherhood Representative in London, Calls for Civil Disobedience, Including ‘Halting Passage through the Suez Canal… and Preparing for War with Israel’
    http://www.memri.org/report/en/0/0/0/0/0/0/4972.htm

  5. Die folgende Erklärung wird allen Mitgliedern des Bundestages als Brief zugesandt.

    Der Koordinierungsrat deutscher Nicht-Regierungsorganisationen gegen Antisemitismus zum Thema gleiche Maßstäbe und internationale Glaubwürdigkeit:
    Statt langer Erklärungen eine Frage an die Bundesregierung, die europäischen Regierungen und an alle Bundestagsabgeordneten:
    Wo bleibt die Rücktritts- und Demokratieforderung an den antidemokratischen, menschenrechtsfeindlichen und antisemitischen Präsidenten Ahmadinedschad?
    Es geht keinesfalls darum, Präsident  Mubarak von seinem Rücktritt abzuhalten. Wenn man ihn direkt oder indirekt zum sofort zu vollziehenden Rücktritt auffordert, hätte das bei Ahmadinedschad nach den gleichen Maßstäben aber viel früher und deutlicher, spätestens nach den gefälschten Wahlen von 2009, geschehen müssen und es sollte, wenn man das bislang versäumt hat, nach Auffassung des Koordinierungsrats wenigstens jetzt erfolgen.
    Weder im Innern noch in der Außenpolitik kann eine Politik erfolgreich sein, die den Eindruck erweckt, nach der Maxime zu handeln: Stark gegenüber dem (scheinbar) Schwachen, schwach gegenüber dem (scheinbar) Starken. Ein derartiges opportunistisches Verhalten, das mit zweierlei Maß misst, wäre keine Werbung für die Glaubwürdigkeit eines demokratischen Staats.
    Für den Koordinierungsrat deutscher Nicht-Regierungsorganisationen gegen Antisemitismus e.V.:
    Prof. Dr. Diethard Pallaschke, Klaus Faber, Staatssekretär a. D., RA, Mohammad Schams,  Dr. Rafael Korenzecher
    Der Koordinierungsrat deutscher Nicht-Regierungsorganisationen gegen Antisemitismus e. V. ist ein Zusammenschluss von 18 Vereinen, Vertretern von Organisationen und Einzelpersonen, die in der Antisemitismusbekämpfung engagiert sind. Zu ihnen gehören Christen, Juden, Muslime und Menschen mit anderer oder keiner Glaubenszugehörigkeit.
    http://www.koordinierungsrat.org/mitteilungen/gleichemassstaebeundinternationaleglaubwuerdigkeit

  6. Keine Hudna und kein Anerkennen der Hamas

    Hamas hat bislang keinerlei Neigung gezeigt Waffenstillstandsabkommen zu respektieren. Hamas ist seit Jahren nicht bereit den israelischen Gefangenen Gilad Shalit vom Internationalen Roten Kreuz besuchen zu lassen.
    Wir haben es mit einer Gruppe von Terroristen zu tun, die sich auf die Ermordung von Zivilisten spezialisiert hat. Ihre korrupte brutale Herrschaft in Gaza zeigt mit wem man es zu tun hat.
    Verhandlungen mit Hamas würden Israel schwächen. Mit Terroristen zu verhandeln bedeutet diese zu legitimieren und die gemäßigten Kräfte unter den Palästinensern zu schwächen. Verhandeln mit ihnen würde sie überzeugen, dass Israel schwach ist, dass der Terrorismus eine erfolgreiche Taktik ist und dass sie mit Terrorismus ihre Ziele erreichen können. In diesem Sinne ist jede Verhandlung mit dieser Terrorgruppe kontraproduktiv. Israel hat das schmerzlich erfahren müssen in der Vergangenheit, als Arafat die zweite Intifada hat starten lassen.

  7. Sehr geehrter Herr Pfeifer,
    weshalb sollten die Muslimbrüder nicht so pragmatisch sein können, wie die Erdogan-Partei oder die israelischen Fundamentalisten, wie Schas?
    Auch Hamas ist (oder war) pragmatisch, solange sie auf einen Partner für Verhandlungen hoffen konnte. Aber es war niemand bereit mit ihnen zu reden, obwohl demokratisch gewählt. Das hat die Demokratieforderungen der Herren Bush et al sehr ins Unglaubwürdige versetzt. Aber die arabische Welt hat sich von diesen Lügen erholt.

    Sogar der Gründer der Hamas, Sheik Jassin, sagte: „Israel können wir nicht als rechtmäßig auf unserem Boden installierten Staat anerkennen. Aber als Fakt müssen wir den Staat Israel sehr wohl anerkennen. Und mit diesem Staat, der nun einmal existiert, können wir natürlich einen Waffenstillstand vereinbaren. Sagen wir erst einmal für 30 Jahre. Danach sehen wir weiter. Vielleicht Frieden, vielleicht nochmal 50 Jahre Waffenstillstand, vielleicht militärischer Widerstand. Es kommt darauf an, wie das Nebeneinander funktioniert, ob es beiden Völkern zum Guten gereicht.“

    Erst aber Ruhe und Aufbau und Kennenlernen.
    Ist das nicht pragmatisch?

    Eine solche Hudna (Waffenstillstand) hätte dem (kalten) Frieden mit Ägypten ungefähr entsprochen. Aberr Jassin wurde von einem israelischen Kommando liquidiert.
    Ist das pragmatisch???

    Auch Vertretr der Muslimbrüder sagen heute, der Frieden mit Israel sei für Ägypten ein Fakt, auch für die Muslimbrüder. Es gebe keinen Grund daran zu rütteln.
    Auffällig ist, dass gerade jene, die den Frieden mit Ägypten stets als wertlos bezeichnet haben und nichts Gutes daran sahen, jetzt am lautesten jede Kritik am Mubarakregime diskreditieren, wegen dieses angeblich sooo wertlosen und leeren Friedens.

    Das ist ein untrügliches Zeichen von Propaganda. Willkürlich, wie es gerade passt. Unabhängig von jeder Wahrheit. Selbst die Geschichte wird umgeschrieben, wie’s behagt. Beliebig verdrehbar. Propaganda eben.

  8. Das Problem damit ist, dass sich die Linken in Ägypten auch radikal gegen jede Verständigung mit Israel positionierten. Da wurden Gewerkschaftsmitglieder ausgeschlossen, weil sie nach Israel fuhren.
    D.h. 95% der Ägypter sind nach Umfragen von 2009 antisemitisch eingestellt, und was immer Israel unternimmt, würde nicht ihre Haltung ändern.
    Doch während säkulare Bewegungen eine pragmatische Position einnehmen könnten, können das die Muslimbrüder nicht – siehe das Beispiel Hamas.

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