Modern Gedenking

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Der nächste Holocaustgedenktag steht vor der Tür…

Alternative Nutzungsvorschläge zum Holocaustgedenktag

Von Ramona Ambs

Am 27. Januar gedenken die Deutschen, die das zufällig mitkriegen, der Opfer des Nationalsozialismus. Also einige kriegen das nicht nur zufällig mit. Einige organisieren Gedenkfeiern. Oder besuchen sie zumindest. Als Redner oder als Zuhörer. So wie es am 9. November auch üblich ist. Bei Gedenkfeiern. Mir ist ja immer nicht klar, warum das Feier heißt- es gibt ja nichts zu feiern außer ein paar toten Juden… Und die Häppchen im Anschluss versetzen ebenfalls die wenigsten Gäste in Partylaune, aber was macht das schon. Bei Beerdigungen und anderen Trauerfällen wird ja auch geFEIERt. Es heißt nun mal Feier. Gedenkfeier – und man soll sich ja auch nicht immer mit rhetorischen Scharmützeln aufhalten.

Die letzte Gedenkfeier in Frankfurt am 9. November des vergangenen Jahres war sehr innovativ. Man hatte nämlich Alfred Grosser als Redner eingeladen. Und der hatte nichst Besseres zu tun, als mal kurz den Sinn des Tages umzudrehen. Vom „Gedenken an die ermordeten Juden“ zum „Gedenktag an die mordenden Juden..-äh…ups Israelis“ wollt ich natürlich schreiben. Das kam bei einigen gut an. Ist ja vielleicht auch auf die Dauer langweillig, immer derselben Opfer zu gedenken. Deswegen könnte man ja diese innovative Idee am Holocaustgedenktag fortführen.

Man könnte also an diesem 27. Januar ja vielleicht mal Erica Steinbach als Rednerin einladen. Die könnte den Gedenktag noch dazu nutzten, der Opfer der Vertreibungen oder der Dresdner Bombennächte zu gedenken. Ich meine, Opfergedenken kann man ja auch mal ein bisserl flexibler gestalten- und  man muss ja auch nicht unbedingt mit der jüdischen Gemeinde zusammen seinen Holocaust feiern. Wenn die Juden nicht mitmachen wollen, sollen sie halt woanders feiern. In Frankfurt hätte man ja auch auf sie verzichtet. Und im Bundestag dürfen sie auch nur zugucken. Also könnte man diesen Punkt schon mal abhaken.

Das öffnet viele Möglichkeiten für Neues: Wenn man zum Beispiel einen hochkarätigen Gast für seine Gedenkfeier will, könnte man sich vertrauensvoll an unsere neue Familienministerin Schröder wenden. Die würde dann insgesamt von den Deutschen als Opfer referieren. Da diese als „deutsche Kartoffeln“ verfolgten Menschen nirgends eine Lobby haben, wäre es vielleicht sinnvoll, diese in das Opfergedenken mit einzubinden. Wer weiss, vielleicht sind sie sogar von einem neuen Holocaust bedroht oder so.

Oder- weniger hochkarätig, dafür aber populärer: Thilo Sarrazin. Er könnte über sich selbst erzählen. Schließlich hat er nach seinem Bestseller, seiner hohen Abfindung und seinen vielen Fans den Eindruck, daß ihn das „politische Establishment systematisch vernichten will“. Wenn das mal kein Thema für einen Gedenktag für Opfer aller Art ist ?

Und wie hat Roman Herzog seinerzeit die Einführung des Tages begründet? Er sagte: „Es ist deshalb wichtig, nun eine Form des Erinnerns zu finden, die in die Zukunft wirkt. Sie soll Trauer über Leid und Verlust ausdrücken, dem Gedenken an die Opfer gewidmet sein und jeder Gefahr der Wiederholung entgegenwirken.“ Wenn man diesen Satz großzügig interpretiert, kann man an diesem Tag lässig sämtlicher Opfer gedenken. Auch dem Herrn Sarrazin. In diesem Sinne könnten die Gedenkfeiern sogar zu richtigen Gedenkpartys werden. Event-Gedenking sozusagen- moderner, flexibler und offen für alle, die sich als Opfer fühlen. Das Bewußtsein in der Bevölkerung für diesen Tag würde sicherlich ungeheuer zunehmen – allein das wochenlange Rätselraten vorher: wessen wird diesmal gedacht? Wer darf heuer Opfer sein?

Vielleicht gäbe es im Vorfeld einen Wettbewerb mit einer Jury: „DSDS,- Deutschlands sucht das Superopfer.“ Und dann würde per Publikumsentscheidung festgesetzt, ob nun Eva Hermann, Thilo Sarrazin oder die deutsche Kartoffel am meisten zu bedauern sind. Das wäre dann die Vollendung des Modern Gedenking. Jedenfalls würden die Gedenkfeiern sich sicherlich zunehmender Beliebtheit erfreuen. Und vielleicht würden dann ja auch die Häppchen im Anschluss leckerer schmecken…

7 Kommentare

  1. http://www.ynetnews.com/articles/0,7340,L-3691054,00.html

    The word „Po-lin“ in the title is Hebrew for „You will rest here“ or a „Place of safe refuge,“ but it also means „Poland.“ It was Poland where Jews expelled from other parts of Europe settled during the Middle Ages, making it indeed a place of refuge for 1,000 years.
     
    But the specter of the Holocaust to come haunts the film. At one point, the narrator notes that the children in the movie have only 10 more years to live.
     
    Only a few hundred thousand of Poland’s prewar population of 3.5 million survived the Nazi genocide. „The message of loss is in the end stronger because we see what has been lost,“ Bork said.

  2. http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,741816,00.html
     
    Jad Vashem in Jerusalem gilt als wichtigste Gedenkstätte an diesen Massenmord, das Archiv der dortigen Sammlung ist berühmt und wächst ständig: Es versammelt und zeigt Bilder aus vermeintlichen besseren Tagen, aus einer europäisch-jüdischen Lebenswelt vor der Katastrophe, die man in Israel Shoah, in vielen anderen Ländern den Holocaust nennt. Es sammelt Zeugnisse und Zeugenaussagen, zeigt die Normalität vor, während und nach der Shoah – und erschüttert gerade darum, weil es neben den absoluten Horror des Mordes die bittersüße Erinnerung an das Davor setzt.

  3. @Daniel

    „Kristallnacht“ im Sudetengebiet – Massenflucht jüdischer Bewohner
    „Im Sudetengebiet waren die Folgen vielleicht noch stärker zu spüren als anderswo in Deutschland. Der Grund dafür ist die allgemeine Situation: die Begeisterung der Bevölkerung – oder zumindest eines Teils der Bevölkerung- nach dem Münchner Abkommen und die Erleichterung, dass es zunächst nicht zu einem Krieg gekommen ist. Zudem vollzog sich die Ausschaltung der Juden aus der Gesellschaft – die ´Arisierung´ des jüdischen Eigentums – in den neu besetzten Gebieten sehr schnell. Und es wurde viel brutaler als anderswo vorgegangen.“
    http://www.radio.cz/de/rubrik/geschichte/kristallnacht-im-sudetengebiet-massenflucht-juedischer-bewohner
    http://www.judentum.net/europa/sudeten.htm
    S.14ff:
    http://www.fritz-bauer-institut.de/fileadmin/user_upload/uploadsFBI/einsicht/Einsicht_01.pdf
    http://www.klick-nach-rechts.de/gegen-rechts/2003/04/sudetendeutsche.htm
    http://www.jugendzeit-ostpreussen.de/NSDAP-ostpreussen.html
    http://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_von_Gottberg
    http://www.kul-tours.de/agnes-miegel-strassen-umbenennungen.htm
    http://www.vvn-bda-re.de/pdf/Agnes_Miegel.ppt

    http://test.hagalil.com/2005/04/hohmann.htm
     

    Vielleicht wäre es doch nicht so passend Frau Steinbach einzuladen.



  4. 1948 nahm Maunz für Südbaden am Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee teil.
    Von 1952 bis zu seiner Emeritierung hatte Maunz eine Professur für Öffentliches Recht, insbesondere Deutsches und Bayerisches Staats- und Verwaltungsrecht, an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität inne. Er etablierte sich durch seine Veröffentlichungen als ein führender Verfassungsrechtler der Bundesrepublik. Roman Herzog, der selbst zu seinen Schülern gehörte, behauptete 1993 sogar: Maunz war nach 1948/49 mit Sicherheit einer der beherrschenden Verfassungsrechtler der Bundesrepublik Deutschland, man kann auch sagen, er hat das demokratische Verfassungsrecht der Bundesrepublik mitgeprägt. Neben dem späteren Verfassungsrichter, Grundgesetz-Mitkommentator und Bundespräsidenten Roman Herzog gehörten unter anderem auch die Universitätsprofessoren Peter Lerche und Klaus Obermayer zu Maunz’ Schülern.
    Von 1957 bis 1964 war das CSU-Mitglied Maunz bayerischer Kultusminister, bis er, nach dem Bekanntwerden einiger aus der Zeit vor 1945 stammenden Texte unter Druck geraten, am 10. Juli 1964 seinen Rücktritt erklärte. Seine Professur behielt er weiter.
    Nach seinem Tod erschien in der National-Zeitung ein Artikel, in dem Maunz dafür gedankt wurde, dass er nicht nur deren Herausgeber, den DVU-Vorsitzenden Gerhard Frey, seit einem Verfahren gegen ihn nach Artikel 18 des Grundgesetzes (Aberkennung von Grundrechten) in den 1960er Jahren juristisch beraten habe, sondern auch viele Jahre anonym Beiträge für die National-Zeitung verfasst hat.[2]
    Sein Nachlass, bestehend aus Korrespondenzen, Entwürfen, Gutachten, Manuskripten und einer Fotosammlung, befindet sich im Bayerischen Hauptstaatsarchiv in München, weitere Unterlagen im Stadtarchiv München.
    http://de.wikipedia.org/wiki/Theodor_Maunz
     

  5. .
    Roman Herzogs Gedenktag. Da hat der Herr sich auf Kosten der Ãœberlebenden in Auschwitz und freilich der Roten Armee einen Platz in der Geschichte gesichert.
    .
    Einen anderen Platz hat er da freilich auch: als Wissenschaftlicher Assistent von Theodor Maunz, seines Zeichens „Man zählt ihn … … zu den akademischen Juristen, die durch ihre Arbeiten dem NS-Regime juristische Legitimität zu verschaffen bestrebt waren.“ (Wikipedia) arbeitete Herzog mit an dessen heute noch maßgebendem Kommentar zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, und sie versuchten mit Erfolg in diesem GG einen ganz entscheidenden Artikel auszuhebeln, für „desolat“ zu erklären, in dem es einfach und präzise heißt:
    .
    „Die zur ‚Befreiung des deutschen Volkes vom Nationalsozialismus und Militarismus‘ erlassenen Rechtsvorschriften werden von den Bestimmungen dieses Grundgesetzes nicht berührt.“
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    Gemeint ist: Der Artikel schreibt die Rechte des Alliierten Kontrollrates zum Verbot aller Nazi-Folgeorganisationen fest, und die BRD hat sich da nicht einzumischen. Oder andersherum: die deutsche Juristerei hätte keine Probleme, mit Verweis auf diesen Artikel das ganze Braune Lager auszuräumen.
    .
    Aber weil Maunz bei Justitia ja so angesehen ist und Herzog nicht minder und sie ja gesagt haben, der Artikel sei desolat, halten sich unsere JuristInnen, wie es ihnen eingetrichtert wird, daran – und so dürfen wir uns mit der braunen Brut immer noch herumärgern.
    .
    Danke, Herzog! Und Danke für den Holocaust-Gedenktag! Der liegt nämlich, was ich hier schon mehrfach erwähnte und was vielleicht garnicht oft genug gesagt werden kann, in einer wettermäßig sehr ungünstigen Zeit.
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    Na und? Was macht das? Nun, alle die, die jemals versucht haben, in den Fußgängerzonen der Städte die Mitmenschen auf dieses Gedenken aufmerksam zu machen, froren sich nicht nur die Finger und sonstwas ab, sondern konnten auch kaum Aufmerksamkeit erhoffen, weil jede/r danach trachtet, so schnell als möglich wieder in die warme Stube zu kommen. Reinfall auf der ganzen Linie. Den braven NS-Professor, Lehrer seines willfährigen Schülers Herzog, täts sicherlich freuen.
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    Dabei gäbe es genug andere, womöglich viel sinnträchtigere Tage, die zum Gedenken an das größte Menschheitsverbrechen dienen könnten und aber in freundlichere Jahreszeiten fielen: zum Beispiel den 22. Juni. An diesem Tag (22.06.1941) fing mit dem Überfall auf die SU der organisierte Massenmord an: zuvor extra gebildete Einsatzgruppen von SD und SS machten in den besetzten Gebieten Jagd auf jüdische Menschen und erschossen sie wie am Fließband.
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    Im warmen Bundestag lassen sich gut Gedenktage kreieren ohne groß nachzudenken. Bravo, Herzog!
    .
    efem

  6. „..Man könnte also an diesem 27. Januar ja vielleicht mal Erica Steinbach als Rednerin einladen. Die könnte den Gedenktag noch dazu nutzten, der Opfer der Vertreibungen oder der Dresdner Bombennächte zu gedenken.“
     
    Gute Idee! Warum eigentlich nicht? Dieser Opfer wird kaum gedacht… so viele Unschuldige die einen elenden Tod gestorben sind. Sehr denkwürdig.

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