Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat gewählt

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Am 28. November 2010 fand in Frankfurt am Main die Ratsversammlung des Zentralrats der Juden in Deutschland statt. Die Ratsversammlung hat Berichte zur Tätigkeit des Zentralrats im abgelaufenen Jahr gehört und über die Entwicklung der jüdischen Gemeinschaft in der Bundesrepublik sowie über weitere Themen beraten. Das Direktorium des Zentralrats trat ebenfalls zu einer Sitzung zusammen…

Angesichts der satzungsmäßig in diesem Jahr zu Ende gehenden Amtszeit des bisherigen Präsidiums des Zentralrats haben die Delegierten der Ratsversammlung und Mitglieder des Direktoriums ein neues Präsidium gewählt. Die Mitglieder des neuen Präsidiums sind (in alphabetischer Reihenfolge):

•Mark Dainow (Hessen)
•Dr. Dieter Graumann (Frankfurt a. Main)
•Küf Kaufmann (Sachsen)
•Prof. Dr. Salomon Korn (Frankfurt a. Main)
•Dr. Josef Schuster (Bayern)
•Johann Schwarz (Nordrhein)
•Hanna Sperling (Westfalen-Lippe)
•Lala Süsskind (Berlin)
•Vera Szackamer (München und Oberbayern)

Die Präsidiumsmitglieder haben aus ihrer Mitte einen Präsidenten und zwei Vizepräsidenten gewählt. Zum Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland wurde Dr. Dieter Graumann gewählt. Die beiden Vizepräsidenten sind Prof. Dr. Salomon Korn und Dr. Josef Schuster.

Das neue Präsidium hat der scheidenden Präsidentin des Zentralrats, Dr. h.c. Charlotte Knobloch, seinen Dank für ihre unermüdliche Tätigkeit zugunsten der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland ausgesprochen. Dr. Graumann hob die Verdienste von Frau Dr. h.c. Knobloch und ihren Beitrag zur Stärkung des Zentralrats hervor.

PM, Zentralrat der Juden in Deutschland, Frankfurt am Main, den 28.11.2010


Vizepräsident Dr. Josef Schuster, Dr. Dieter Graumann, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Vizepräsident Prof. Dr. Salomon Korn (v.li.)
Foto: Rafael Herlich 

Zur Person: Dr. Dieter Graumann

Dieter Graumann wird im Jahre 1950 als Sohn von Holocaust-Überlebenden, die kurz zuvor in Israel eingewandert waren, in Ramat-Gan bei Tel-Aviv geboren
Als ihr Sohn anderthalb Jahre alt ist, kehrten die Eltern nach Europa zurück, zuerst nach Frankreich und dann nach Deutschland
Graumann absolviert die Schule und erlangt das Reifezeugnis in Frankfurt am Main
Nach einem Studium der Volkswirtschaftslehre promoviert Graumann an der Goethe-Universität in Frankfurt
Nach wissenschaftlicher Tätigkeit bei der Deutscher Bundesbank gründet Graumann eine Liegenschaftsverwaltung, die er bis heute führt
Bereits als junger Mann wird Graumann im jüdischen Leben aktiv
Ab 1995 ist er Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde Frankfurt
2001 wird Graumann Mitglied des Präsidiums des Zentralrats der Juden in Deutschland
2006 wird Graumann Vizepräsident des Zentralrats
Am 28.11.2010 wird Graumann zum Präsidenten des Zentralrats gewählt
Graumann ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder
Seine wichtigsten Hobbys sind Lesen und Fußball

Von damals bis heute – Der Zentralrat im Spiegel der Zeit

1950 – Der Zentralrat wird in Frankfurt am Main als die gemeinsame politische Vertretung der auf deutschem Boden nach dem Zweiten Weltkrieg entstandenen jüdischen Gemeinden, auch in der DDR, gegründet.

Ab 1950 – Angesichts der deutschen Teilung stellt sich Vertretung der Interessen der im östlichen Teil Deutschlands lebenden Juden als illusorisch heraus. Ihre Belange werden im Rahmen der vom SED-Regime gesetzten, engen Grenzen vom Verband der Jüdischen Gemeinden in der DDR wahrgenommen

1951 – 1952 – Das Direktoriumsmitglied des Zentralrats Philipp Auerbach wird unter dem Vorwurf des Betrugs vor Gericht gestellt, nach einem von antisemitischen Vorfällen begleiteten Verfahren trotz mangelnder Beweise zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und nimmt sich das Leben. Der Auerbach-Prozess erschüttert die jüdische Gemeinschaft.

1954 – Heinz Galinski, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, wird zum ersten Vorsitzenden des Zentralrats gewählt. Galinski treibt den Aufbau jüdischer Institutionen und die Festigung des geistigen jüdischen Lebens systematisch voran.

Mitte der 50er Jahre – Nach anfänglicher Ablehnung wird der Zentralrat Mitglied wichtiger jüdischer Organisationen wie des Jüdischen Weltkongresses und der Conference on Jewish Material Claims against Germany.

1963 – Der Arzt und Leiter der Frauenklinik des Klinikums Offenbach, Herbert Lewin, wird Vorsitzender des Zentralrats.

1965 – Der Zentralrat gründet den „Jüdischen Pressedienst“. Der 23 Jahre lang erscheinende Dienst wird zu einem wichtigen Mittel zur Unterrichtung der Öffentlichkeit über die Arbeit des Zentralrats.

1969 – Der Unternehmer Werner Nachmann wird Vorsitzender des Zentralrats.

1973– Der Zentralrat übernimmt die „Allgemeine Jüdische Wochenzeitung“. Die redaktionelle Unabhängigkeit des Blattes, das über jüdisches Leben, Religion, Kultur und Politik berichtet, bleibt gewahrt.

1979 – In Trägerschaft des Zentralrats wird die Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg gegründet

1985 – Als bekannt wird, dass Bundeskanzler Helmut Kohl und US-Präsident Ronald Reagan den Soldatenfriedhof in Bitburg besuchen wollen, um die deutsch-amerikanische Versöhnung zu unterstreichen, übt der Zentralrat scharfe Kritik, da sich auf dem Friedhof auch Gräber der Waffen-SS befinden. Der Besuch findet statt, doch eine dauerhafte Beschädigung der Zusammenarbeit zwischen der Bundesregierung und dem Zentralrat kann jedoch verhindert werden.

1987 – In Trägerschaft des Zentralrats wird das Zentralarchiv zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland in Heidelberg gegründet.

1988 – Nach dem Tod von Werner Nachmann wird Heinz Galinski zum zweiten Mal Zentralratsvorsitzender.

1988 – Kurz nach Nachmanns Tod entdeckt der Zentralrat, dass der verstorbene Vorsitzende 30 Millionen DM aus einem vom Zentralrat verwalteten Konto für Härteleistungen der Bundesregierung an NS-Verfolgte veruntreut hat. Der Zentralrat unterrichtet sofort und umfassend die Bundesregierung und die Öffentlichkeit und wendet schweren politischen Schaden ab.

1989/90 – Nach dem Fall der Mauer setzt spontane Flucht von Juden aus der Sowjetunion nach Ost-, später auch nach Westdeutschland ein. Anschließend handelt der Zentralrat mit Bund und Ländern eine Aufnahmeregelung für die so genannten Kontingentflüchtlinge aus. Damit wird die Zuwanderungswelle, die nahezu zu einer Vervierfachung der Zahl der in Deutschland lebenden Juden führten wird, auf eine feste Grundlage gestellt.

1990 – Der Verband der Jüdischen Gemeinden in der DDR wird mit dem Zentralrat verschmolzen. Die fünf zu diesem Zeitpunkt in der DDR bestehenden jüdischen Gemeinden treten dem Zentralrat bei. Die Jüdische Gemeinde zu Berlin wird wiedervereinigt.

1992 – Nach dem Tod von Heinz Galinski wird der Unternehmer Ignatz Bubis zum Präsidenten des Zentralrats gewählt. Seine Amtszeit zeichnet sich durch einen energischen Stil, Offenheit und Entschlossenheit sowie durch den Einsatz für eine selbstbewusste Integration der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland aus.

1999 – Nach dem Tod von Ignatz Bubis übernimmt der Autor und Unternehmer Paul Spiegel das Amt des Präsidenten des Zentralrats. Spiegels Amtsführung wird durch seinen Einsatz für Toleranz, für den Dialog mit der nichtjüdischen Gesellschaft und sein Engagement für eine breite Palette jüdischer wie gesamtgesellschaftlicher Belange geprägt.

2001 – Der Zentralrat ruft das deutsch- und russischsprachige Informationsblatt „Zukunft“ ins Leben, das seine großenteils aus Zuwanderern bestehende Leserschaft über das jüdische Leben, Kultur, Politik und die Arbeit des Zentralrats informiert.

2003 – Der Zentralrat und die Bundesregierung schließen einen Vertrag über die Tätigkeit des Zentralrats.

2006 – Nach dem Tod von Paul Spiegel tritt die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, dessen Nachfolge als Zentralratspräsidentin an. Knobloch widmet ihre Energie der Festigung des jüdischen Lebens. Die Zuwanderung aus der ehemaligen Sowjetunion will sie als die Grundlage für eine jüdische Renaissance in der Bundesrepublik nutzen.