Meridor: Israel muss Land abtreten, um jüdisch und demokratisch zu bleiben

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Israels Minister für Geheimdienstfragen Dan Meridor (Likud), hat sich in der Haaretz zu Fragen geäußert, die den aktuellen Stand des Friedensprozesses mit den Palästinensern und insbesondere das neue von den USA vorgeschlagene Siedlungsbaumoratorium betreffen…

Was ist Ihre Meinung zu dem amerikanischen Vorschlag, das Moratorium um 90 Tage zu verlängern?

Ich denke, das amerikanische Angebot ist vernünftig. Das Moratorium ist nicht die Hauptsache, sondern die Verhandlungen, die ein israelisches Interesse höchster Priorität sind. Es ist uns allen klar, dass die gegenwärtige Situation nicht so bleiben kann, wie sie ist. In den vergangenen eineinhalb Jahren hat es keinen Terror gegeben, und die palästinensische Wirtschaft erlebt ein beispielloses Wachstum, so dass es ein relativ behagliches Gefühl gibt. Aber es ist eine Illusion zu denken, dass die Situation so bleiben kann, wie sie ist. Dies ist keine normale Situation. Israel hat ein Interesse daran, eine Grenze zu schaffen, mit Israel auf der einen und dem palästinensischen Staat auf der anderen Seite.

Glauben Sie, die Verlängerung des Moratoriums wird eine Mehrheit im Kabinett finden?

Ich will nichts prophezeien, aber Israels Interessen machen es erforderlich, ihr zuzustimmen. Jeder, der dagegen ist, muss fragen, worin die Alternative besteht. In der Opposition ist es möglich, gegen die Regierung zu stimmen und keine Lösungen vorzuschlagen – aber wenn man an der Regierung ist, ist es nicht möglich, sich mit einer Abstimmung über mögliche Risiken zu begnügen. Stattdessen muss man prüfen, was passieren würde, wenn wir dem amerikanischen Schritt nicht zustimmen. Insbesondere wenn sich die palästinensische Tendenz zu einseitigen Schritten fortsetzt.

Wie sollte die zukünftige Grenze aussehen?

Ich habe keine Landkarte gezeichnet, und ich weiß nicht, von wie viel Prozent des Landes man sich wird zurückziehen müssen. Es wäre auch nicht richtig, diese Frage in einem Zeitungsinterview zu vertiefen. Ich denke, die neue Grenze muss auf dem Prinzip der Linie des Sicherheitszauns und der Siedlungsblöcke basieren. Das ist, worauf wir hinarbeiten müssen. Außerdem bestehen wir darauf, dass Jerusalem die Hauptstadt des Staats Israel bleibt, und sind gegen das Recht auf Rückkehr nach Israel [für die palästinensischen Flüchtlinge], und selbstverständlich werden wir auf Sicherheitsvorkehrungen bestehen.

Wird diese Regierung in der Lage sein, Siedlungen zu räumen?

Niemand bezweifelt, dass die gegenwärtige Grenze sich ändern wird, wenn ein palästinensischer Staat gegründet wird. Das ist eine schwierige Entscheidung, aber nur wer die Gefahr eines Verharrens in der gegenwärtigen Situation versteht, kann verstehen, warum wir solche Risiken auf uns nehmen müssen.

Worin besteht die Gefahr?

Eine Situation, in der es keine Teilung und nur einen Staat gibt, ist gemäß der Doktrin der Herut-Bewegung nur unter der Bedingung möglich, dass jeder die gleichen Rechte hat. [Der frühere Ministerpräsident] Menachem Begin sagte: „Jeder Araber, der die Staatsbürgerschaft will, wird sie bekommen, sonst werden wir wie Rhodesien sein.“ Ist das das zionistische Projekt? Jeder kann das für sich selbst beurteilen. Ich bin zu dem schmerzlichen Schluss gelangt, dass das Behalten des gesamten Territoriums einen binationalen Staat bedeutet, der das zionistische Projekt gefährden würde. Wenn wir entweder einen Teil des Territoriums aufgeben müssen oder den jüdischen und demokratischen Charakter [des Staates], bevorzuge ich es, einen Teil des Territoriums aufzugeben. Man kann die Realität nicht ignorieren. Es ist nicht sicher, ob wir ein Abkommen erzielen können, aber zumindest muss jeder vernünftige Versuch in diese Richtung unternommen werden.

Werden Grenzverhandlungen nicht bedeuten, dass sich die Koalition ändern muss?

Die Regierung wird in Verhandlungen eintreten und ihre Standpunkte präsentieren,
und ich hoffe, dass all ihre Mitglieder die Politik akzeptieren werden, die von der Mehrheit beschlossen wird. Diese Politik hat breitere Unterstützung als allein innerhalb der Regierung. Auch Kadima und weite Teile der Öffentlichkeit unterstützen sie.

In Hinsicht auf die Grundlinien eines palästinensischen Staates, des Verbleibens der Siedlungsblöcke bei Israel und eines vereinigten Jerusalems unter israelischer Souveränität gibt es eine beeindruckende öffentliche Unterstützung. Ich war von Anfang an der Ansicht, dass Kadima der Regierung hätte beitreten sollen, ganz gewiss nach der Bar-Ilan-Rede [Netanyahus]. Es besteht kein Grund, warum sie nicht beitreten sollte, und auch kein Grund, warum irgendjemand ausscheiden sollte. Ich bin für Zuwachs in der Regierung und gegen Weggänge. Aber was uns leiten muss, ist das nationale Interesse – daher haben wir die Regierung gebildet.

Sind die Palästinenser überhaupt an einem Abkommen mit Netanyahu interessiert?

Zum Tango braucht man zwei. Die vorherige Regierung versuchte ernsthaft ein Abkommen zu erzielen und bot beispiellose Konzessionen an, aber die Palästinenser reagierten nicht auf das Angebot. Es ist eine schwierige Frage: Wollen die Palästinenser ein Abkommen oder ein international aufgezwungenes Abkommen? Wir haben ein wirkliches Interesse an der Wiederaufnahme der Gespräche.

Die Palästinenser müssen verstehen, dass sie keinen Staat bekommen werden, solange sie nicht zu einem Kompromiss bereit sind, wie der Aufgabe des Traums vom Recht auf Rückkehr. Es ist wichtig, dass Amerikaner ihnen klar machen, dass es keine ‚Umgehungsstraße‘ gibt – nur den direkten Verhandlungsweg. Dafür ist die Verpflichtung der USA wichtig, gegen eine Erklärung palästinensischer Unabhängigkeit im UN-Sicherheitsrat Veto einzulegen.“

Haaretz, 15.11.10

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