Muslime in Deutschland: Die Debatte geht weiter

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Bundesbildungsministerin Annette Schavan meint, man solle nicht den Eindruck erwecken, der Islam sei Teil unserer Kultur wie Christentum und Aufklärung. Dies habe Bundespräsident Wulff aber auch nie behauptet…

Schavan verlangt von Muslimen Bekenntnis gegen Gewalt

Der Tagesspiegel – Berlin – Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) hat die Muslime aufgefordert, Gewalt im Namen ihrer Religion, Zwangsverheiratungen und Ehrenmorde zu verurteilen. „Wenn nicht klargestellt wird, dass dies mit der Religion des Islam unvereinbar ist, werden die Ängste bleiben“, sagte die Politikerin dem Tagesspiegel. Muslime sollten zudem nicht nur Respekt einfordern, sondern selbst Andersgläubigen Respekt entgegenbringen und etwa Christen in islamischen Ländern ermöglichen, Kirchen zu bauen und ihre Kinder in christlichen Religionsunterricht zu schicken. „Es wäre schon viel erreicht, wenn Christen oder zum Christentum Konvertierte nicht verfolgt würden“, meinte die CDU-Politikerin. Die Angst vor der islamischen Kultur werde „in dem Maße abgebaut, wie die islamisch geprägten Länder Religionsfreiheit verwirklichen“.
Zur Debatte um die Integrations-Rede von Bundespräsident Christian Wulff zum 20. Jahrestag der deutschen Einheit sagte Schavan, der Islam sei „Teil der gesellschaftlichen Wirklichkeit in Deutschland“. In diesem Zusammenhang verwies sie darauf, dass in Deutschland 4,3 Millionen Muslime lebten, tausende Moscheen stünden und islamischer Religionsunterricht erteilt werde. Die Beschreibung gesellschaftlicher Wirklichkeit sei allerdings etwas völlig anders als die Frage nach den Kräften, welche die deutsche Kultur prägten.

Zentralrat der Muslime zur Islam-Debatte: Sinnkrise mancher Konservativer

Der Tagesspiegel – Berlin – Der Zentralrat der Muslime in Deutschland hat christdemokratische Proteste gegen die Rede von Bundespräsident Christian Wulff gerügt. Diese Form der „Selbstvergewisserung der Union“ offenbare eine „Sinnkrise unter manchen Konservativen“ und auch wenig Kenntnis des Islams, sagte der Vorsitzende des Zentralrats Aiman A. Mazyek dem in Berlin erscheinenden Tagesspiegel (Samstagausgabe).
Den Verweis auf die Scharia bezeichnete Mazyek als unnötig: „Natürlich gilt bei uns in Deutschland das Grundgesetz und kein anderes Recht.“ Im Übrigen bedeute für die allermeisten Muslime Scharia „die Befolgung der fünf grundlegenden Pflichten gläubiger Muslime, also der Glaube an den einen Gott, das tägliche Gebet, das Fasten im Ramadan, die Armenspende und die Pilgerfahrt nach Mekka“, sagte Mazyek. „Nichts davon steht im Gegensatz zum Grundgesetz.“

Schriftsteller Feridun Zaimoglu: Wulffs Rede war wunderbar

Der Tagesspiegel – Berlin – Der Schriftsteller Feridun Zaimoglu („Kanak Sprak“, „Leyla“) hat die Rede des Bundespräsidenten zu 20 Jahren deutscher Einheit gelobt. Wulffs Bekenntnis zu einer vielfältigen Gesellschaft und zum Islam als Teil Deutschlands sei „wunderbar“ gewesen, sagte Zaimoglu dem in Berlin erscheinenden Tagesspiegel (Dienstag-Ausgabe). Er habe „einfach, sachlich, nicht pathetisch“ gesprochen. „Jetzt können wir uns alle mal wieder ein bisschen beruhigen.“ Zaimoglu war einer von 14 Unterzeichnern eines Offenen Briefs deutscher Musliminnen und Muslime an den Bundespräsidenten Mitte September.
Auf dem Höhepunkt der Sarrazin-Debatte um angebliche kulturelle Defizite von Muslimen hatten sie an den Bundespräsidenten appelliert, öffentlich für „eine offene, von gegenseitigem Respekt geprägte demokratische Kultur einzustehen“. Zu den Unterzeichnern gehörten neben Zaimoglu der Hamburger Regisseur Fatih Akin, die Berliner Intendantin Shermin Langhoff und die Bremer Pädagogik-Professorin Yasemin Karakasoglu.

Falsche Debatte um Zuwanderung

Rheinische Post – Kommentar Von Martin Kessler – Düsseldorf – Der Besuch des türkischen Regierungschefs Erdogan hat die Diskussion um Zuwanderung und Islam offenbar befeuert. Gleich dutzendweise traten Politiker aller Couleur mit neuen Forderungen und Gegenforderungen zu Integration und Zuwanderung an die Öffentlichkeit. Leider taugt die Debatte nicht allzu viel. Denn es geht nicht um einen Stopp der Einwanderung „aus anderen Kulturkreisen“, wie CSU-Chef Seehofer es glauben machen will, sondern um die richtige Migrationspolitik.
Die deutsche Politik muss sich dabei an nationalen Interessen ausrichten, was nichts anderes heißt als am Nutzen der hier lebenden Bürger. Wer den Menschen in aller Welt helfen will, sollte spenden. Altruistische Motive haben in der Einwanderungspolitik nichts zu suchen. Die Frage, ob mögliche Migranten aus islamischen oder anderen Kulturkreisen kommen, ist daher falsch gestellt. Wichtig ist, dass es keine Zuwanderung in unsere Sozialsysteme gibt. Das passierte in der Vergangenheit nur zu häufig.
Deutschland sollte sich stattdessen dem Wettbewerb um qualifizierte Migranten stellen. Davon würden beide Seiten profitieren, die Menschen im Ausland und die Einheimischen. Und von motivierten und gut ausgebildeten Zuwanderern wird man auch am ehesten erwarten können, dass sie sich in die Gesellschaft integrieren.

Seehofers knallige Forderung ist ein Rohrkrepierer

Ostsee-Zeitung – Rostock – Es hat gedauert, bis CSU-Größen gegenüber Christian Wulffs neuem Islam-Realismus in Deutschland Front machten… Mit feinem Gespür für den Zeitpunkt meldet sich nun der bayerische Ministerpräsident zu Wort. Gerade haben sich der türkische Regierungschef Tayyip Erdogan und Kanzlerin Merkel über die bessere Integration türkischer Migranten verständigt, da lässt Horst Seehofer die Kanone donnern: Zuwanderungsstopp! Allerdings, Seehofers knallige Forderung ist ein Rohrkrepierer.
Nicht, dass es keine Integrationsprobleme mit muslimischen Zuwanderern gäbe, dass steht außer Frage. Doch Seehofer sagt nicht genau, was er will. Wollte er etwa den Zuzug von Familienangehörigen oder politisch Verfolgten einschränken, dann käme er in Konflikt mit Gesetzen, mit der Verfassung und mit dem Völkerrecht. Außerdem ist nicht der in den vergangenen Jahren ohnehin arg gedrosselte Zuzug nach Deutschland das eigentliche Problem, sondern die mangelnde Integration der bereits hier lebenden Migranten.