Freiheit für Doğan Akhanlı, einem Kämpfer für Völkerverständigung, Menschenrechte und gegen Antisemitismus

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Uns ist bekannt geworden, dass der türkische, seit 19 Jahren in Köln lebende Schriftsteller und Menschenrechtsaktivist Doğan Akhanlı am 10. August in Istanbul verhaftet und in das Gefängnis in Tekirdag verbracht worden ist. Die Gründe, die für Akhanlıs Verhaftung vorgebracht wurden, sind offenkundig vollständig unbegründet und stellen einen außergewöhnlichen Verstoß gegen die Menschenrechte dar.

Als der Freiheit des Wortes verpflichtetes Internetmagazin können wir zu diesen willkürlichen Vorgängen nicht schweigen und protestieren entschieden gegen die Verhaftung dieser international angesehenen Persönlichkeit. Es handelt sich hier weder um eine innertürkische, noch eine rein juristische Angelegenheit. Angeklagt wird ein mutiger Schriftsteller, angegriffen wird aber auch die Glaubwürdigkeit der türkischen Justiz und universeller Werte…

Doğan Akhanlı hat sich in seinen Büchern und seinem konkreten pädagogischen Engagement in Köln immer entschieden und absolut glaubwürdig gegen jegliche Form von Antisemitismus und Menschenfeindlichkeit gewandt. Er macht seit sehr vielen Jahren ehrenamtlich Führungen im Kölner El-De Haus mit türkischen Jugendlichen und jungen Erwachsenen, in denen er über die Verfolgung der Juden während der Zeit des Nationalsozialismus aufklärt. Weiterhin ist Doğan Akhanlı Initiator der jüdischen Raphael-Lemkin Bibliothek im Allerweltshaus Köln. Im Namen des Kölner Allerweltshauses hat er regelmäßig die internationalen Erklärungen gegen den antisemitischen, den demokratischen Staat Israel verhöhnenden „Al-QuudsTag“ unterzeichnet. Auch in seinen Büchern thematisiert er in vielfältiger Weise das jüdische Schicksal, dem er sich verbunden fühlt. Jegliche Form von Antisemitismus ist von ihm immer entschieden verurteilt worden. „Jeder muss sich mit dem Holocaust beschäftigen“, hat Akhanlı in einem Interview (taz, 17.11.2006) betont. Hierfür steht Doğan Akhanlıs Wirken!

Dogan Akhanli
Dogan Akhanli auf den Internationalen Armin T. Wegner Tagen in der Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal. Foto: Ulrich Klan

Es sind zahlreiche Aspekte bekannt, die die angebliche Beteiligung Doğan Akhanlıs an einem Raubüberfall im Jahr 1989 als vollständig unglaubwürdig erscheinen lassen. Die vermeintlichen Zeugenaussagen sind unter Folter zustande gekommen und juristisch nicht haltbar, belastende Aussagen wurden 1992 unter Folter erzwungen, mehrere Verfahrensfehler wurden festgestellt, entlastendes Material wurde beim Verfahren nicht zugelassen. Dies alles wirft ein äußerst fragwürdiges Licht auf die türkischen Ermittlungsbehörden, auf die Ankläger und ihre Motive.

Wir sehen Akhanlıs Verhaftung im Zusammenhang mit den beschämenden Angriffen gegen seinen türkischen Kollegen Orhan Pamuk, der seinem Land die größte literarische Auszeichnung eingebracht hat, wie auch der mehrjährigen, völlig unbegründeten juristischen Angriffe gegen seine türkische Kollegin, die Soziologin Pınar Selek. Schriftsteller wie Nâzim Hikmet, Yaşar Kemal und Orhan Pamuk haben der türkischen Kultur mittels ihrer gedanklichen und künstlerischen Unabhängigkeit internationale Anerkennung verschafft.

Gemeinsam mit seinem deutschen Kollegen und Freund, dem jüdischen Schriftsteller Edgar Hilsenrath, hat Doğan Akhanlı in seinen literarischen Werken – die sowohl auf türkisch als auch auf deutsch erschienen sind – an den Völkermord an den Armeniern erinnert. Doğan Akhanlıs Lebensweg vom politischen Flüchtling in Deutschland zum international angesehenen türkischen Schriftsteller wurde 2009 mit der Verleihung des Literaturpreises der türkischen Zeitung Hürriyet gewürdigt. Doğan Akhanlıs literarisches Schreiben ist zuvorderst Erinnerungsarbeit an die fürchterliche Verfolgung der Juden und der Armenier. Diese beeindruckende Erinnerungsarbeit hat in nachhaltiger Weise zur Versöhnung zwischen den Völkern beigetragen. Sie ist für Viele ein Vorbild.

Wir erklären uns solidarisch mit dem deutsch-türkischen Schriftsteller und Menschenrechtsaktivist Doğan Akhanlı, dessen Zivilcourage, dessen Engagement gegen den Antisemitismus uns beeindruckt hat. In diesem Sinne fordern wir die Rückkehr der türkischen Behörden zu rechtsstaatlichen Grundsätzen und die sofortige Freilassung unseres türkisch-deutschen Freundes und Kollegen Doğan Akhanlı. Die Verhaftung Doğan Akhanlıs ist ein politisches Verbrechen, ein Angriff gegen die Menschenrechte, der Versuch, demokratisches Engagement gegen Antisemitismus, für die Unteilbarkeit der Menschenrechte, zu kriminalisieren.

Wir fordern die deutsche Bundesregierung auf, sich unverzüglich und intensiv für den deutschen Staatsbürger Doğan Akhanlı einzusetzen.

Doğan Akhanlı muss unverzüglich freigelassen werden und in seine neue Heimatstadt Köln zurückkehren dürfen!

Pressemeldung haGalil v. 29.09.2010

Doğan Akhanlı:
Die Fremde und eine Reise im Herbst
Wenn ich gefragt werde, sage ich, dass ich im Herbst zurückkehren würde; wenn der Herbst sich nähert, verschiebe ich die Rückkehr auf einen anderen Herbst. Denn ich habe nicht die Kraft, mich dieser beängstigenden Möglichkeit zu stellen. Es ist nicht die Angst, wieder gequält und verhört zu werden. Die Gründe, die es erforderlich machen wurden, mich zu quälen und zu verhören, liegen lange zurück. Meine eigentliche Angst liegt darin, dass ich in das Land meiner Geburt zurückkehre und die Natter, die in meinem Herzen darauf wartet, ihr Haupt aufzurichten, nicht vertreiben, das Gefühl der “Fremde” in mir nicht endgültig überwinden kann, nicht weiß, wer mich aus der Fremde in die Heimat, wer mich heim begleiten könnte…

Gefangen in der Gewalt:
Eine Flaschenpost um Doğan Akhanlı

Vielleicht fängt alles damit an, dass er eine Zeitung kauft, als er ungefähr 18 ist. Das muss also 1975 sein. Ein Schüler, eher naiv, kaum politisiert, sagt er. Die Zeitung, eine linke, sei noch nicht mal verboten gewesen. Unruhige Zeiten, er wird verhaftet, verbringt drei Monate in Untersuchungshaft, „und als ich ‘rauskam, war ich Kommunist“, sagt er…Turkey:
Writer and activist Doğan Akhanlı arrested
In a time of fierce battle between political parties and in an increasingly politicized atmosphere, we received the news that the widely acclaimed and awarded author and activist Doğan Akhanlı was arrested in Istanbul…

Türkei:
Schriftsteller und Menschenrechtler Doğan Akhanlı zu Unrecht in Haft
Am 10.8.2010 wurde der in der Türkei bekannte Schriftsteller Doğan Akhanlı, deutscher Staatsbürger seit 2001, am Flughafen in Istanbul verhaftet und in die Haftanstalt Metris verbracht. Seit dem 20.8.2010 wird er in einer Haftanstalt in Tekirdag festgehalten. Akhanlı ist zum ersten Mal seit seiner Flucht 1991 in die Türkei gekommen. Er wollte seinen kranken Vater besuchen…

4 Kommentare

  1. Noch zwei Hinweise: Am Di., 12.10.2010 ab 20 Uhr findet in Berlin ein armenisch-griechisch-türkischer Solidaritätsabend für Dogan Akhanli statt:
    „Ein Abend für Dogan Akhanli“, Di., 12.10.2010 ab 20 Uhr, Theater Ballhaus, Naunystr. 27, Berlin.
    Am 31.10.2010 ab 18 Uhr folgt dann in Köln eine Solidaritätsveranstaltung für DoÄŸan Akhanlı. Prominente Kölner Autoren lesen Texte von DoÄŸan Akhanlı und diskutieren zum Thema, darunter: Günter WALLRAFF, Navid KERMANI – Renan DEMÄ°RKAN – Fatih ÇEVIKKOLLU – Pınar SELEK – Lale AKGÃœN – Tanya URY.
    Ort: Forum Volkshochschule im Museum
    Cäcilienstraße 29-33
    50667 Köln

    Also: Unterstützr Dogan Akhanli – jeder auf seine Weise.
    Herzliche Grüße
    Uri

  2. Die große türkische Tageszeitung Hürriyet („liberal-konservativ“ nach eigener Beschreibung) schließt sich am 02.09. d.J. in ihrer englischsprachigen online-Ausgabe vorsichtig den Bemühungen um die Freilassung Akhanlis an:
    .
    http://www.hurriyetdailynews.com/n.php?n=writer-and-human-rights-defender-imprisoned-2010-09-01
    .
    und kritisiert sogar mit den Worten eines Freundes von Akhanli, Selami Gürel, das empörend lasche Bemühen der offiziellen BRD um die Freilassung ihres Staatsangehörigen:
    .
    „Gürel said the German Consulate was closely following Akhanlı’s condition in prison but that its steps had not been enough. “As well as his prison conditions, they should closely follow the judicial process.”“
    .
    Akhanli ist gleichermaßen unbeliebt bei Erdogans Regierung, bei Nationalisten und natürlich erst Recht bei Islamisten, wie beispielhaft dieser Vorfall
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    http://wp1175495.wp197.webpack.hosteurope.de/index.php?option=com_content&view=article&id=3926:angriff-auf-amnesty-international-redner-&catid=40:deutschland&Itemid=61 zeigt:
    .
    „Neustadt – Ein Fest der Kulturen drohte in der rheinlandpfälzischen Stadt zu einem Kampf der Kulturen zu werden. Als Heiko Müller, Sprecher von Amnesty International und Landesbeauftragter für Asylfragen sich für die Freilassung des türkisch-Armenischen Schriftstellers Dogan Akhanli einsetzte stürmten Mitglieder des islamischen Kulturvereins die Bühne und versuchten den Redner zu verdreschen. Der Schriftstellers Dogan Akhanli sitzt in der Türkei in Haft, weil er sich für eine Aufarbeitung des türkischen Völkermordes an den christlichen Armeniern einsetzt.“
    .
    Der letzte Satz stimmt natürlich 100%ig, aber so plump argumentiert die türkische Justiz nun doch nicht, sondern versucht vordergründig, Akhanli einen Raubmord anzuhängen (s. dazu auch den Hürriyet-Artikel).
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    Bleibt zu hoffen, dass die genannte unheilige Allianz schon allein aus Gründen der immer mehr aufkommenden Publicity sich Akhlanis bald zu entledigen sucht und ihn sang- und klanglos nach Deutschland abschiebt…

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