Ernst von Hesse-Wartegg: Die Juden von Saloniki

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Welch ganz besonders schmerzlichen Verlust die Vernichtung des einzigartigen Mikrokosmos‘ jüdischen Lebens im griechischen Saloniki durch Deutsche im Jahre 1943 für die ganze Menschheit, nicht nur für das Judentum, darstellt, kann erahnen, wer sich mit historischen Texten zu dieser Minderheit auf dem Balkan befasst…

Von Robert Schlickewitz

Erstaunlich viele Wissenschaftler, Diplomaten, Schriftsteller, Journalisten und Reisende, Juden wie Nichtjuden, haben sich vor der Katastrophe in der Stadt aufgehalten und Aufzeichnungen  von unterschiedlichem Wert, über deren jüdische Bewohner hinterlassen.

Bewusst habe ich als ersten von mehreren vorbereiteten Beiträgen zu dieser verschwundenen Welt die Ausführungen eines Nichtjuden ausgewählt. Denn dieser, ein zu seiner Zeit namhafter österreichischer Reiseschriftsteller, schildert auch das nichtjüdische Umfeld sowie den zeitgeschichtlichen Hintergrund, und, seine Beobachtungen sind, was bei deutschen oder österreichischen Nichtjuden, die im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts über ein jüdisches Thema schrieben, selten genug der Fall war, relativ frei von Antisemitismus, Besserwisserei, Wertungen und zweifelhaften Interpretationen.

Ernst von Hesse-Wartegg, so heißt der hier wiedergegebene Autor,  wurde 1851 in der Metropole der Donaumonarchie, in Wien, geboren. Bereits in jungen Jahren verfasste er Bücher zu technischen Themen, ehe er als österreichischer Diplomat und Generalkonsul nahezu die ganze Welt kennen lernte, um, jeweils daran anschließend, Land für Land in Buchform für seine Landsleute daheim ‚aufzubereiten‘. Als korrespondierendes Mitglied mehrerer Geographischer Gesellschaften hatte er die Möglichkeit auf ein relativ breites und aktuelles Hintergrundwissen zurückgreifen zu können, war jedoch zugleich bei eigenen Arbeiten einer gewissen Seriosität seiner Ausführungen unterworfen. Hesse-Warteggs Reisen führten ihn mehrfach in das Osmanische Reich und auch nach Ägypten sowie Syrien. Palästina oder einem anderen jüdischen Thema hat er keine seiner zahlreichen Buchveröffentlichungen gewidmet. Der zuletzt als venezolanischer Konsul für die Schweiz tätig gewesene Diplomat genoss in weiten deutschen und österreichischen Kreisen auch noch über seinen Tod, 1918 in Luzern, hinaus, hohes Ansehen. Dies belegt u.a. die Einschätzung  in seinem Eintrag im Grossen Brockhaus von 1931: „Reisender und Schriftsteller, dessen volkstüml. Bücher ins Wesen der von ihm beobachteten Länder und Völker einführten.

Die beiden unten reproduzierten Kapitel sind Hesse-Warteggs letztem Werk „Die Balkanstaaten und ihre Völker“ entnommen. Es muss im Vorfeld erwähnt werden, dass die Ausführungen des österreichischen Reiseschriftstellers zur jüdischen Geschichte nicht fehlerfrei sind. So geht er u.a. fälschlicherweise davon aus, dass Juden erst seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert in Saloniki heimisch wurden und dass sie damit die jüngste Bevölkerungsgruppe der Stadt darstellten. Um auch bei anderen von Hesse-Warteggs getroffenen Aussagen eine gewisse Referenz zu bieten, stelle ich den Auszügen aus seinem Buch einen Überblick zur Geschichte der Juden von Saloniki voran.

Tatsächlich siedelten bereits 140 v. d. Zr. Juden aus Alexandria in der 315/316 v. d. Zr.  gegründeten Stadt und gehörten somit zu den frühesten dort ansässigen Völkerschaften. Für die Zeit des Römischen Reiches liegen Belege für ein Wachstum dieser Gruppe in der Stadt vor. Auch ist davon die Rede, dass die Römer den Juden Autonomie einräumten. Früh begannen, die hauptsächlich direkt am Meer lebenden Saloniker Juden, die griechische Namen trugen und griechisch sprachen, mit ausgedehnten Seefahrten sowie damit verbunden mit dem Aufbau eines engen Netzes an Handelsverbindungen. Die Spaltung des Römischen Reiches in eine West- und eine Ostsphäre im Jahre 395 n. d. Zr. bewirkte den Aufstieg Salonikis zur, nach Konstantinopel, zweitbedeutendsten Stadt  im Byzantinischen Reich.

Die ostchristlichen Kaiser standen den Juden i. d. R. feindlich gegenüber, denn zur Konsolidierung ihrer Macht beabsichtigten sie durchgreifende Christianisierungsmaßnahmen und es war abzusehen, dass die Juden diesen ablehnend gegenüberstehen würden. So wurden denn auch unter den Kaisern Konstantin (d. Gr.), Theodosius II., Justinian I., Heraclius, Basileos I. und Leo III. antijüdische Gesetze erlassen und andere repressive Maßnahmen, auch Vertreibungen, verfügt. Der jüdische Reisende (und Reiseschriftsteller) Benjamin von Tudela, der Saloniki im Jahre 1169 besuchte, berichtete von 500 dort lebenden Juden. Diese Zahl ging unter der Herrschaft der Kreuzfahrer, die bekanntlich zu den judenfeindlichsten und zerstörerischsten Kräften des Mittelalters zählten, 1204-1261, und unter dem epirotischen Despoten Theodor Ducas Angelus noch weiter zurück .

Die Lage der Juden besserte sich danach allmählich wieder und für das 14. Jahrhundert werden  Einwanderergruppen aus verschiedenen Ländern, u.a. aus Ungarn, registriert. Die Venetianer, seit 1423 Herren in Saloniki hingegen, belegten die Juden mit hohen Abgaben.

Insgesamt gesehen, gilt bei heutigen  Historikern die byzantinische Periode Salonikis, trotz der sich vorübergehend verschlechternden  Bedingungen als eine Zeit der relativen Ruhe, des wachsenden Wohlstands, des prosperierenden Handels – für die dortigen Juden. Aus oströmischen Tagen stammten auch die beiden ältesten und noch bis ins 20. Jh. existierenden Synagogen der Stadt.

Ein Hinweis der Encyclopaedia Judaica verdient es, hier wiedergegeben zu werden: Es ist nach heutiger Kenntnislage nicht möglich, von einer Kontinuität jüdischen Lebens in Saloniki zu sprechen.

Nach der Eroberung durch die Türken im Jahre 1430 setzten mehrere Einwanderwellen von Juden nach Saloniki ein, darunter 1470 eine aus Bayern. Diese Gruppe, Vertriebene aus einem Kernland des europäischen Antijudaismus‘, gründete eine aschkenasische Gemeinde in der Nähe einer bereits existierenden romaniotischen. Es wird berichtet, dass sich diese beiden Gemeinden in nahezu allen Aspekten voneinander unterschieden. Eine aschkenasische Gemeinde existierte noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts, ohne dass sich deren Mitglieder mit denen der anderen jüdischen Gruppen vermischt hätten.

Für die Einwanderung von Juden aus Spanien, Portugal, Italien, Sizilien, Frankreich und Nordafrika gelten zwei Perioden als die wichtigsten, nämlich 1492/1493 und 1536. Die einzelnen Gruppen blieben zunächst für sich und jede besaß ihre eigene Synagoge. Die ebenfalls eingetroffenen Marranen wurden vom obersten Rabinerrat der Stadt im Jahre 1514 als vollwertig anerkannt. Im Allgemeinen tolerierten bzw. akzeptierten sich die einzelnen jüdischen Gruppen gegenseitig und führten jede für sich ihr streng  geregeltes Leben.  Erhebliche soziale Gegensätze bei den Juden sind belegt. Im 16. und 17. Jahrhundert bedrohten vor allem Pestepidemien und Feuersbrünste die Existenz der Stadtbewohner Salonikis und veranlassten immer wieder Juden zu Abwanderungen. Für das Jahr 1553 wird die Stärke des jüdischen Bevölkerungsanteils mit 20 000 beziffert. Zum immer noch bedeutenden jüdischen Handel kam zunehmend noch das Handwerk hinzu: jüdische Goldschmiede, Weber, Seidenhersteller und Wollspinner erwarben sich bald einen guten Ruf, während sich andere Juden in den nahen Gold- und Silberminen ihren Lebensunterhalt verdienten. Bis Mitte des 17. Jh. stieg die jüdische Population auf etwa 30 000 an, was in etwa der Hälfte der ansonsten aus Griechen und Türken bestehenden Stadtbevölkerung entsprach. Auch jetzt noch machten Handel und Handwerk die jüdischen Haupterwerbszweige aus, wobei sich jedoch beim Handwerk eine Verschiebung ergab, hin zum Tabakanbau und dessen Verarbeitung. In diesem Bereich waren auch Frauen tätig. Das 17. Jh. spielte darüber hinaus eine wesentliche Rolle für die aufstrebenden Religionswissenschaften.

Die Episode um Shabbetai Zevi, bei Hesse-Wartegg Sabati Sevi genannt, darf als bekannt vorausgesetzt werden.

Die Anzahl der Dönmeh (Dönme), die der zum Islam konvertierten Juden, gibt die Encyclopaedia Judaica mit lediglich 300 Familien an und als das Jahr für ihren Übertritt 1683, also 13 Jahre nach dem Tod des selbsternannten Messias.

Der Niedergang des Osmanischen Reiches im 18. und 19. Jh. bedeutete auch den allmählichen Rückgang des Einflusses und des Wohlstands der Juden von Saloniki. Immer häufiger übernahmen Franzosen nun deren Handelsgeschäfte. Noch für 1720-1730 wird von der Einwanderung von portugiesischen Marranen berichtet, die meisten von ihnen der höchsten Gesellschaftsschicht angehörig und wohlhabend. Die Türken räumten dieser Gruppe besondere Rechte ein und verpflichteten sie als Konsuln und Dolmetscher. Die Gesamtzahl der Juden wird für diese Zeit auf 25 000 bis 30 000 geschätzt.

Die einsetzende Moderne machte im 19. Jh. auch vor den Juden von Saloniki nicht Halt und gewachsene Strukturen waren einem beschleunigten Wandel unterworfen. Dieser betraf besonders das Schulwesen, das Gesundheitswesen, die Errungenschaften der Technik etc., hatte allerdings relativ geringen Einfluss auf die religiösen Traditionen. Eine ganze Reihe neuer Yeshiwot entstand.

Im Jahre 1900 lebten etwa 80 000 Juden in Saloniki, was einem Anteil von über 45 % der Gesamtstadtbevölkerung gleichkam.

1912 zogen griechische Truppen in Saloniki ein und wenig später erklärte der griechische König Georg, dass alle Minderheiten nun die gleichen Rechte hätten. Als 1917 ein Großbrand 50 000 Juden obdachlos machte, zahlte die griechische Regierung zwar eine Entschädigung, ließ aber nicht zu, dass Juden wieder alle ihre angestammten Stadtteile neu bebauen bzw. –bewohnen konnten. Dies führte zu Abwanderungen, vor allem in die USA, nach Frankreich, Italien und in die Stadt Alexandria. Judenfeindliche, christenfreundliche, griechische Gesetze lösten ab 1922 weitere Emigrationen aus, diesmal auch nach Palästina. Gewalttätige antisemitische Unruhen mit der Brandschatzung eines ganzen jüdischen Viertels überzeugten 1932-1934 weitere Juden Salonikis davon, dass die Zeit gekommen war die Koffer zu packen. Dennoch lebten 1935 noch 60 000 von ihnen in der Stadt und diese waren immer noch der die Wirtschaft weitgehend beherrschende Faktor der Region.

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Als die deutsche Wehrmacht am 9. April 1941 in Saloniki einzog, musste nur wenig später die einzige judenspanische Tageszeitung ihr Erscheinen einstellen, wurden Gebäude und Häuser beschlagnahmt, fand die Verhaftung des Rates der Gemeinde statt, begann man Plakate zu kleben, die Juden den Besuch von Restaurants verboten. Allzu bereitwillig unterstellten sich Griechen, ihren materiellen Nutzen vor Augen, den deutschen Besatzern und beteiligten sich an der Hetze gegenüber und Unterdrückung  von ihren eigenen jüdischen Landsleuten. 1942 verpflichteten die uniformierten Nachfahren Luthers und Goethes Tausende Juden zu Zwangsarbeit, die viele nicht überlebten. Gegen ein Lösegeld von 40 000 Dollar in Gold entließen die Deutschen zwar nach langwierigen Verhandlungen die jüdischen Zwangsarbeiter wieder, setzten jedoch Enteignungen von Juden und andere Schikane- bzw. Zwangsmaßnahmen ungerührt fort. Im Dezember 1942 nahmen Deutsche den jüdischen Friedhof, letzte Ruhestädte für etwa 500 000 Menschen und damit der größte jüdische Friedhof weltweit, in Besitz und benutzten ihn als Steinbruch. Wertvollste Grabsteine, manche ein halbes Jahrtausend alt, unwiederbringliches Kulturerbe der Menschheit, wurden zum Pflastern von Straßen oder sogar zu Einfassungen von Pissoirs missbraucht. Nicht minder vandalengleich fielen die Barbaren aus dem Norden über die bibliophilen Schätze der jahrhundertealten jüdischen Bibliotheken und Synagogen her und beendeten ihren Raubzug erst, als nichts mehr vorhanden war. Im Februar 1943 schließlich kamen die Verantwortlichen für die Anwendung der berüchtigten „Judengesetze“ in Saloniki an, Dieter Wisliceny und Alois Brunner (letzterer sollte bald langjähriger „Staatsgast“ der syrischen Regierung werden), und das Verhängnis der Juden von Saloniki nahm seinen Lauf. Die Züge der Reichsbahn rollten bereits kurz darauf nach Auschwitz und Birkenau. Bis August 1943 hatten Deutsche 43 850 Juden aus Saloniki, das entsprach 95 % aller Juden dort, deportiert und weniger als zwei Jahre später war nicht mehr die griechische Stadt, sondern jener Ort im Süden Polens der größte Judenfriedhof der Welt.

Saloniki

Seit jeher ein Tummelplatz der Weltgeschichte, ist Saloniki gerade in der jüngsten Zeit gar nicht zur Ruhe gekommen. Am 6. Mai 1876 wurden dort der deutsche und der französische Konsul durch einen Pöbelhaufen ermordet; 1902 von einem bösen Erdbeben heimgesucht, war die Stadt schon wenige Monate später der Schauplatz des Attentates bulgarischer Revolutionäre, die unter anderm mit Dynamit die Gebäude der Ottomanischen Bank und des Deutschen Klubs zerstörten. Seither war sie einer der Hauptsitze der bulgarischen, griechischen und serbischen Fehden, so daß sich die europäischen Mächte unter der Führung Österreichs und Rußlands hier zur Einführung eines internationalen Schutzkorps unter dem Befehl europäischer Offiziere zusammentaten. Neben Monastir war Saloniki die Wiege des jungtürkischen Umsturzes, und als es zum ersten Balkankrieg kam, übergab die fünfundzwanzigtausend Mann zählende türkische Besatzung nach verschiedenen Gefechten mit den Bulgaren die Stadt und ihre Festungswerke am 8. November 1912 dem griechischen Heere. In dem folgenden Krieg zwischen Griechenland und Bulgarien um die türkische Beute fiel Saloniki schon wenige Monate später, am 6. August 1913, mit dem südlichen Mazedonien an Griechenland zurück, genau zweiundzwanzig Jahrhunderte, nachdem es durch König Kassandros von Mazedonien den Griechen entrissen worden war. So lange hatte die Fremdherrschaft in Saloniki gewährt, und noch ehe sie beseitigt war, fiel hier der König von Griechenland am 18. März 1913 durch Mörderhand. Ein kleiner Marmorobelisk bezeichnet heute die Stelle dieser Untat. Ob nunmehr Saloniki den Griechen erhalten bleibt? Daß England die treibende Kraft des jetzigen Unternehmens ist, um Saloniki, wenn irgend möglich, zum Zweck seiner Vorherrschaft im Mittelmeer dauernd zu behalten, steht wohl außer Frage, und es wird nur von der Wucht der deutschen und bulgarischen Hiebe abhängen, ob es diesen Raub durchführen kann.

Schwerlich hat irgendeine andere Stadt so viele Kämpfe und Belagerungen erlebt und so häufig ihren Herrn gewechselt wie Saloniki. Schon Jahrhunderte, bevor ihr König Kassandros nach seiner Gattin, der Halbschwester Alexanders des Großen und Tochter Philipps von Mazedonien, Thessalonika, den Namen gab, den sie noch heute führt, war es eine bedeutende Stadt, denn die Athener berichten von ihrer Einnahme unter dem Namen Therma im Jahre 432 v. Chr. Nach der Eroberung Mazedoniens durch die Römer und dem durch sie durchgeführten Bau der großen Heerstraße nach Byzanz gewann sie sehr an Bedeutung. Der Apostel Paulus gründete hier die erste Christengemeinde auf europäischem Boden, doch seltsamerweise ist Saloniki heute jene Stadt Europas, wo im Verhältnis zur gesamten Einwohnerschaft am wenigsten Christen wohnen. Die Mehrzahl sind Juden, ein Fünftel Türken, und nur ein Drittel bekennt sich zum Christentum. Das erste Blutbad, dem so viele Einwohner zum Opfer fielen, erfolgte auf Veranlassung eines Christen, des Kaisers Theodosius, im Jahre 390. Aufgebracht durch die Empörung der Bürger gegen die römische Besatzung, ließ Theodosius siebentausend von ihnen hinrichten!

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Vom sechsten Jahrhundert an wurde Saloniki wiederholt durch Einfälle von slawischen Horden schwer heimgesucht. Auch die Bulgaren, die heute wieder im Anmarsch gegen die reiche Stadt sich befinden, unternahmen schon im siebenten Jahrhundert mehrere Belagerungen; die Sarazenen eroberten sie im Jahre 904, die Normannen 1185; neunzehn Jahre später fiel sie in die Hände des Markgrafen Bonifazius von Montserrat, und dieser machte sie zur Hauptstadt seines neugegründeten Königreichs. Es war indessen nur von kurzer Dauer, denn schon 1225 nahm Theodoros Komnenos, der Despot von Epirus, Saloniki ein und ließ sich hier zum Kaiser krönen. Im Jahre 1230 wurde die Stadt mit dem ganzen Lande von den Bulgaren erobert, 1391 vorübergehend von den Türken, 1405 von den Byzantinern.

Als Saloniki fünfzehn Jahre später von den Türken zum zweiten Male hart bedrängt wurde, verkaufte der Paläologe Andronikos, um sich aus der Klemme zu helfen, die Stadt an die Republik Venedig um den Preis von fünfzigtausend Dukaten.

Doch auch Venedig erfreute sich nur kurze Zeit des reichen Besitzes, denn bei der dritten Belagerung durch die Türken fiel Saloniki trotz der gewaltigen Ringmauer, die es noch heute in ungemein malerischer Weise umgibt, im Jahre 1430 unter die Herrschaft des Halbmonds.

Seither blieb Saloniki im Besitz der Türken. Sie verwandelten die vielen Christenkirchen, mit Ausnahme von vieren, in Moscheen, und erst seit im letzten Balkankriege die Stadt an die Griechen fiel, wurden einzelne dieser Gotteshäuser ihrer ursprünglichen Bestimmung zurückgegeben. Unter ihnen vornehmlich die ehrwürdige Aja Sophia, die im Jahre 530 erbaute Hauptkirche der Stadt.

Viel anderes konnten sie in der kurzen Zeit, seit der Halbmond in Saloniki wieder durch das Kreuz ersetzt wurde, nicht machen, und so bietet denn die Stadt, von ihrem eng umschlossenen Hafen aus gesehen, mit ihren vielen Moscheen, Kuppeln und schlanken Minaretten immer noch das Bild einer orientalischen Stadt, die sich steil die Anhöhen des Kisetschköi Dag emporzieht, umgeben von der erwähnten riesigen Festungsmauer, die noch durch anderthalbhundert mittelalterliche krenelierte Türme verstärkt wird.

Am höchsten Punkt erhebt sich die dräuende Zitadelle der Byzantiner, Yedi Kule genannt, die malerische Krönung der oberen Stadt. Sonst gibt es an alten Befestigungen aus türkischer Zeit nur noch ein kleines Fort im Westen der Stadt, Top Hane, wo die Stadtmauer den Anforderungen des Verkehrs bereits zum Opfer gefallen ist. Ganz nahe wurde nämlich der Stadtbahnhof der Orientbahn angelegt. Nur wenige Schritte von Top Hane liegen der hübsche, behagliche deutsche Klub, die deutsche Kapelle und die deutsche Schule. Unter ihren dreihundert Schülern befanden sich bei Ausbruch des Weltkrieges ein Drittel griechische, ein weiteres Drittel spanisch-jüdische Kinder. Die ganze deutsche Kolonie umfaßte ja nur dreihundert Seelen, ungefähr ein Zehntel der ganzen europäischen Bevölkerung, abgesehen von den Angehörigen der Balkanstaaten.

Das ganze ungemein lebhafte, geschäftige Treiben der großen Handelsstadt hat immer noch ausgesprochen orientalischen Anstrich und liegt vornehmlich in den Händen der Juden, von denen ungefähr ein Zehntel den mohammedanischen Glauben angenommen haben. Die Bootsleute, die mich vom Schiff ans Land ruderten, die Lastenträger, die mein Gepäck nach dem stattlichen, in der Hafenstraße gelegenen Hotel Olympos brachten, Kutscher, Fremdenführer, Schneider, Schuster, Photographen, die ich beschäftigte, waren durchweg Juden. Und da sie, wie gesagt, den Großteil der Bevölkerung bilden, besitzt Saloniki kein Judenviertel, das sonst für die Levantestädte so charakteristisch ist. Die ganze Stadt ist ein solches, und man könnte hier eher von einem Türken- oder Griechenviertel sprechen. Die Juden wohnen überall in dem alten Winkelwerk der von den Ringmauern umschlossenen feuchten, engen Gäßchen, ebenso wie in den Vorstädten, die westlich und östlich der Küste entlang durch die stellenweise gefallenen Ringmauern ins Freie geflutet sind und mit ihren breiteren, sonnigen Straßen gewissermaßen die europäischen Viertel Salonikis bilden. Besonders die östliche Vorstadt Salonikis, Kalamaria, enthält ansprechende, moderne Landhäuser, von Gärten umgeben, dazu die Konsulate, Kasernen und Regierungsgebäude, endlich ganz am Ende die Villa Allatini, jahrelang der Verbannungsort des letzten Sultans Abdul Hamid. Der Besitzer dieser Villa ist selbst ein jüdischer Kaufmann.

Zwischen den vielen Moscheen und Kirchen der inneren Stadt erheben sich nicht weniger als dreißig Synagogen, und von den drei Sonntagen jeder Woche, dem Sonntag der Christen, dem Freitag der Mohammedaner und dem Samstag der Juden, wird der letztgenannte im öffentlichen Leben am meisten gespürt.

In der inneren Stadt gibt es noch eine Menge von Bauten aus altgriechischer und römischer Zeit, Tempel und Thermen, Propyläen und Paläste, doch sie sind vielfach so sehr zwischen dem vorgerückten Winkelwerk der Juden- und Türkenhäuser versteckt, ein- oder überbaut, daß man sie nur schwer finden kann. Nur der Triumphbogen des Galerius aus römischer Zeit ist noch ziemlich gut erhalten, mit hübschen Reliefdarstellungen aus dem dritten Jahrhundert. Er erhebt sich gerade über der Hauptstraße von Saloniki, der Wardarstraße, und unter ihm durch führen die Geleise der elektrischen Straßenbahn nach Kalamaria. Die Stadt besitzt nämlich seit 1908 ein Elektrizitätswerk für Beleuchtung und Bahnbetrieb, dazu eine von den Belgiern angelegte neuzeitliche Wasserleitung, während die kostspieligen, aber ungenügenden neuen Hafen- und Kaianlagen durch eine französische Gesellschaft ausgeführt wurden. – Ist der Seegang hoch, so können Schiffe dort gar nicht anlegen, und als ich, kurz vor Ausbruch des Krieges nach Konstantinopel reisend, auf dem Wege in Saloniki ankam, mußte der große Hamburg-Amerika-Dampfer, auf dem ich mich befand, nach mehrstündigem Warten angesichts der Stadt unverrichteter Dinge nach Konstantinopel weiter dampfen. Das auffälligste Gebäude vom Hafen aus gesehen ist der massige, weißgestrichene Rundturm, Blutturm genannt, der den Abschluß der Ringmauer am östlichen Kaiufer bildet. Von dort aufwärts bis an die Wardarstraße ist die Mauer durch eine hübsche, breite, von Bäumen beschattete Straße, Hamidé genannt, ersetzt worden, und wo sie wieder beginnt, führen enge Gäßchen an der Ortadschi-Moschee vorbei, steil aufwärts zur Zitadelle, die auf den Grundmauern der Akropolis der alten Griechen von den Venetianern als fester Abschluß der Befestigungswerke erbaut wurde. Ringsum liegt der Stadtteil der Türken. Mit seinen kleinen Gärtchen in dem vielgewundenen Gassengewirr, seinen zum Teil überdeckten Basaren und Moscheen zeigt er sich viel malerischer und ursprünglicher als die schmutzigen und verwahrlosten Straßen der unteren Stadt. Die Aussicht von oben auf die vielgestaltete Bucht, eingeschlossen von der seltsam geformten, gebirgigen Halbinsel Chalkidike im Osten und dem schneegekrönten Bergmassiv des thessalischen Olymp, die Stadt selbst mit ihren Kuppeln, ihren zarten, dünnen, weißen Minaretten und ihrem buntgestrichenen Häuserlabyrinth unmittelbar zu Füßen ist von großer Schönheit. Dort sieht man erst die Größe der Stadtmauer, die Saloniki umgürtet. Zwei Stunden lang, mit zwölf Meter hohen und drei bis vier Meter dicken Steinmassen und zinnengekrönten mittelalterlichen Türmen, erinnert sie an die berühmte Stadtmauer von Stambul. Außerhalb, gegen die Vorstadt Kalamaria zu, ziehen sich ihr entlang die weiten Friedhöfe der Juden und Türken und an sie schließen sich die Kasernen und das Militärhospital der letzteren. Die französischen und englischen Truppen lagerten während des Weltkrieges auf der entgegengesetzten, westlichen Seite in der weiten Ebene, die vom Wardarfluß durchströmt wird, ringsum von Bergen umschlossen, von denen der zwölfhundert Meter hohe Kortatsch hinter Saloniki aufsteigt.

In dem zwischen Kortatsch und Kiretschköi Dag tief eingeschnittenen Tal fließt der Mühlenbach, der nahe seiner Mündung in die Bucht ausgedehnte, vom Fieber durchseuchte Sümpfe bildet. Sie ziehen sich bis an die Wardarmündung, und der Aufenthalt ist besonders in der wärmeren Jahreszeit ungesund. Die feindlichen Truppen haben dort stark gelitten. Ihre neuerrichteten Befestigungen liegen weiter nordwärts und erstrecken sich bis gegen Ajvatli und den Jenidze-See jenseits des Wardarstromes, wahrscheinlich um die beiden Eisenbahnlinien nach Mazedonien und Monastir, die durch die sumpfige Ebene führen, gegen Angriffe von Norden zu schützen.

Welche Bedeutung Saloniki als Handels- und Hafenstadt besitzt, geht schon daraus hervor, daß hier jährlich im Durchschnitt tausend Dampfer mit einer Million Registertonnen einlaufen. Die Einfuhr erreicht einen Wert von hundert, die Ausfuhr einen solchen von dreißig Millionen, wird sich aber in ruhigeren Zeiten, besonders mittels der Orientbahn von Österreich und Deutschland her, gewiß in ungeahnter Weise heben. Kein Wunder, daß England seine begehrenden Blicke auf Saloniki geworfen hat, wie es das überall tat, wo etwas zu holen war. Mögen seine Bundesgenossen für die Wiedererrichtung Serbiens sich aufopfern; für England ist die Hauptsache, daß es seinen handgreiflichen Nutzen davon hat.

Die Juden von Saloniki

Während der Besetzung von Saloniki durch englische und französische Truppen dürfte es in der mehrtausendjährigen Geschichte dieser merkwürdigen Stadt das erstemal gewesen sein, daß die christliche Bevölkerung, und das auch nur vorübergehend, die jüdische an Zahl übertrifft. Zur Zeit der türkischen Herrschaft waren die Türken nur ein Drittel so zahlreich als die Juden. Seither, unter griechischer Herrschaft, sind wieder die Griechen nur ein Drittel so zahlreich als die Juden und Türken zusammengenommen. Selbst wenn die zehntausend Bulgaren, die mehrere Tausende zählenden Kutzowalachen, die Albanier, Mazedonier, Zigeuner usw. zu Türken und Griechen gezählt werden, bleiben die Juden immer noch der Hauptteil der Einwohner Salonikis. Jerusalem zählt im Verhältnis zu den übrigen Völkerschaften und Glaubensbekenntnissen seiner Einwohner nicht mehr Juden als Saloniki. Sie bilden hier die Hauptmasse der Einwohner und haben, wie bereits früher erwähnt, den weitaus größten Teil von Handel, Verkehr, Gewerbe und Geschäftsleben in ihren Händen.

Man sollte meinen, daß die Juden in dieser uralten Stadt des Orients, Jerusalem verhältnismäßig so nahe, seit länger ansässig seien als Christen und Mohammedaner. In Wirklichkeit bilden sie den zeitlich jüngsten Großteil, denn sie stammen von jenen Juden ab, die im Jahre 1492 aus Spanien gewaltsam vertrieben worden sind. Viele Tausende wandten sich nach der Türkei, vornehmlich nach Saloniki, wo sie durch die Abschließung, in der sie jahrhundertelang lebten, ihre alten, von Spanien herübergebrachten Trachten, Sitten, Sprache und Gebräuche bis auf den heutigen Tag im Schutz des türkischen Halbmondes erhalten haben.

Ein seltsames Wechselspiel wollte es, daß beinahe zur gleichen Zeit, als die spanischen Seefahrer und Eroberer Christentum und spanisches Wesen nach der westlichen Halbkugel brachten, die Juden spanische Kultur und das Hebräertum nach dem Osten Europas brachten. So kam auch die spanische Sprache nach dem Balkan, und die Juden bedienen sich derselben noch heute nicht nur in Saloniki, sondern auch in Konstantinopel, Belgrad, Sofia, bis hinauf an die österreichische Grenze. Man kann getrost sagen, daß die hauptsächlichste Verkehrssprache in Saloniki die spanische ist, wie sie denn selbst mit dem Namen „Spaniolen“ bezeichnet werden. Auch im schriftlichen Verkehr bedienen sie sich des Spanischen, nur schreiben sie dieses nicht mit lateinischen, sondern mit hebräischen Schriftzeichen. Sie besitzen ihre eigenen jüdischen Zeitungen in spanischer Sprache, und selbst diese werden in hebräischen Lettern gedruckt.

In dem sehr lebhaften Hafen- und Straßenverkehr dieser bevölkertsten Stadt des heutigen Griechenland sind die älteren Juden sofort an ihrer eigenartigen Tracht zu erkennen. Die jüngeren haben besonders in den letzten Jahren bereits die nichtssagende Gewandung der Abendländer angelegt; ihre Väter indessen halten noch immer mit seltener Zähigkeit an den von Spanien vor vier Jahrhunderten herübergebrachten langen, faltigen Kaftanen und den darüber getragenen farbigen Jacken fest. Wie die jungen Männer sind auch die Mädchen dem Einfluß der Mode zum Opfer gefallen und tragen europäische Kleidung und Hüte; kommen sie aber in reifere Jahre, oder haben sie sich vermählt, dann nehmen sie die altspanische Tracht an, was ihnen nur zum Vorteil gereicht. Begegnet man älteren Jüdinnen, dann könnte man sie in der Ferne auf den ersten Blick für japanische Geishas halten, denn wie diese ähneln sie in Buntheit und Umrissen unseren bunten Knallbonbons, die nach fröhlichen Mahlzeiten herumgereicht werden. Sie tragen lange, faltenreiche Röcke, über der Brust ein weißes oder hellgrünes Hemd, darüber ein mit Silberstickereien überladenes Zuavenjäckchen von möglichst knalliger Farbe. Am eigenartigsten ist ihr Kopfschmuck. Die Haare, nötigenfalls jene einer Perücke, werden in der Mitte glatt gescheitelt und zu Zöpfen geflochten, um einen niedrigen roten Türkenfes gewunden, der auf dem Scheitel sitzend wie ein Zereviskäppchen aussieht. Darüber werden Reihe um Reihe orientalischer Perlenschnüren gewunden, manche von großem Wert. Ebenso prangen am Nacken möglichst viele Reihen von Perlen mit diamanten- oder smaragdenbesetzten Schließen. Über den Rücken fallen zwei hellgrüne Seidenbänder, ebenfalls mit echten Perlen benäht, die bei den Frauen reicher Juden von seltener Größe und Schönheit sind. Die meisten sind Familienerbstücke aus der spanischen Zeit, die sorgfältig gehütet werden. Ähnlich sah ich die Jüdinnen in Tanger und anderen Städten Marokkos gekleidet.

Es gibt indessen in Saloniki noch eine Klasse von Jüdinnen spanischer Abstammung, die stets nur in Schwarz gekleidet zu sehen sind. Ich traf sie in den vielen Gartenwirtschaften und Vergnügungsorten am Hafen, ebenso wie draußen in dem an der Meeresküste gelegenen schmucken Vorort Kalamaria, wohin die Wohlhabenden in der heißen Zeit flüchten, wenn die Miasmen aus den sumpfigen Niederungen an der Mündung des Wardarstromes die Luft verpesten. Aber sie hielten sich mit ihren modern gekleideten Männern stets abseits, gemieden von den Jüdinnen in bunter Tracht. Dabei schienen sie mir vornehmer und schöner und sie verstanden es vorzüglich, mit dem Schleier, der ihren Kopf bedeckte, so geschickt zu spielen, daß sie, wenn sie es wollten, ihre interessanten, blassen Gesichter mit den großen schwarzen Augen sehen lassen konnten, obschon sie sich den Anschein gaben, als wollten sie ihre Schönheit hinter ihren Fächern verbergen.

Diese schwarzen Jüdinnen von Saloniki sind nicht mosaischen, sondern, ebenso wie ihre Männer, mohammedanischen Glaubens und bilden hier eine eigene, streng abgeschlossene Kolonie von zwölf- bis fünfzehntausend Seelen. Ihre Abstammung ist recht merkwürdig. Im siebzehnten Jahrhundert trat in Syrien unter den Juden ein Mann auf, Sabati Sevi von Smyrna, der sich als den wahren Messias ausgab und als Wanderprediger großen Erfolg hatte. Er fand in jedem Ghetto der Türkei begeisterte Anhänger, sein Ritual wurde in den meisten Synagogen angenommen und die Initialen seines Namens zwei verschlungene S, wurden zum Zeichen der Gefolgschaft auf die Wände gemalt. Die Kunde von dem neuen Messias durcheilte ganz Europa und aus den verschiedensten Ländern, selbst aus dem fernen Holland, kamen Scharen gläubiger Juden, um sich von ihm segnen zu lassen.

Durch seinen Erfolg kühn gemacht, war Sabati Sevi unvorsichtig genug, seine Bekehrungsversuche auch unter Türken zu unternehmen. Als er nach Konstantinopel kam, wurde er ins Gefängnis geworfen und aufgefordert, seine Sendung durch ein Wunder auf der Stelle zu beweisen. Kaiserliche Bogenschützen wurden ihm gegenübergestellt. Blieb er durch die Pfeile unverletzt, dann sollte er seine Freiheit wieder haben. Wollte er auf dieses Gottesgericht nicht eingehen, dann mußte er den mohammedanischen Glauben annehmen. Sevi zog es vor, das letztere zu wählen, und so groß war der Glaube seiner jüdischen Anhänger an ihn, daß viele Tausende von ihnen seinem Beispiel folgten und freiwillig zum Islam übertraten. Die Nachkommen dieser zum Islam übergetretenen Juden sind die heutigen jüdischen Mohammedaner von Saloniki, Mamiehs oder Dönme genannt. Zwar sind sie insgeheim Juden geblieben, glauben immer noch an die Wiederkehr ihres Messias und folgen nur äußerlich den Lehren des Koran, doch sie werden von den strenggläubigen Juden ebenso gemieden wie von den Türken, die für Leute, die ihren Glauben wechseln, große Verachtung hegen.

So sind die Dönme auf sich selbst angewiesen und verkehren und heiraten nur untereinander. Diese strenge gesellschaftliche Abschließung hat dazu beigetragen, daß sie sich mit nur noch größerem Eifer den Geschäften widmen, und die reichsten Einwohner Salonikis dürften vor allem unter ihnen zu suchen sein.

Seltsamerweise sind die Dönme in zwei Sekten geschieden, mit Unterschieden, die mir nicht bekannt geworden sind, doch scheint mir die Sekte der Kavajero, deren Anhänger zumeist in der Nähe der Porta Nuova und des Basars wohnen, gesellschaftlich unter den Dönme höher zu stehen und auch größeren Reichtum angesammelt zu haben. Die zweite Sekte, Konjo oder Kondscho genannt, sind zumeist Handwerker, Lastenträger und unmoralische Gesellen der untersten Volksschichten, die unnatürlichen Lastern fröhnen sollen und von den Kavajeros gemieden werden.

 

Der reproduzierte Text wurde dem Buch „Die Balkanstaaten und ihre Völker“, Regensburg 1917, S. 181-190 entnommen und in seiner Originalorthografie belassen; Hervorhebungen (kursiv) von E. v. Hesse-Wartegg.

Glossar:

Zuaven=Bewohner eines Distrikts der algerischen Provinz Konstantine, Zereviskäppchen=kleine schirmlose Mütze, Miasmen=Bodenausdünstungen, die man früher für Seuchen verantwortlich machte, Smyrna=heute: Izmir, Kutzowalachen=rumänischsprachige Minderheit auf dem Balkan

Literatur und Internetquellen:

Brockhaus Enzyklopädie in 30 Bänden, 21. Aufl. Leipzig und Mannheim 2006, Stichwort: „Saloniki“
Encyclopaedia Judaica, Jerusalem 1971, Stichwort: „Salonika“
Enzyklopädie des Holocaust, (Hg.) Israel Gutmann, Tel Aviv 1990 (Berlin 1993), Stichwort: „Saloniki“
S. Friedländer, Das Dritte Reich und die Juden, München 2008, S. 869-872
Der Große Brockhaus, 15. Aufl. Leipzig 1931, Stichwort: „Hesse-Wartegg, Ernst von“
Meyers Großes Konversationslexikon, 6. Aufl., Leipzig und Wien 1906, Stichwort: „Hesse-Wartegg, Ernst von“
Neues Lexikon des Judentums, (Hg.) Julius H. Schoeps, Gütersloh/München 1998, Stichwort: „Griechenland“
http://www.jewishvirtuallibrary.org/jsource/Holocaust/greecetoc.html
http://www1.yadvashem.org/education/entries/english/53.asp
http://en.wikipedia.org/wiki/History_of_the_Jews_of_Thessaloniki
http://www.ushmm.org/wlc/en/article.php?ModuleId=10005422
http://www.jmth.gr/
http://www.wcupa.edu/_academics/holocaust/Salonika.pdf
http://en.wikipedia.org/wiki/Dönmeh
http://www.haaretz.com/culture/arts-leisure/jewish-history-waiting-for-the-messiah-1.275606
http://www.jewishvirtuallibrary.org/jsource/judaica/ejud_0002_0005_0_05294.html
http://www.historische-daten.de/projekte/wartegg/wartegg.htm
http://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_von_Hesse-Wartegg
http://de.wikipedia.org/wiki/Thessaloniki
http://www.youtube.com/watch?v=-gHO9DC3w-s
http://www.youtube.com/watch?v=nnidbZ6jy2w
http://www.youtube.com/watch?v=vm0jwDYT2lg
http://www.youtube.com/watch?v=kiTo9IVgnnc
http://www.youtube.com/watch?v=wQrPIPyRVb4
http://www.youtube.com/watch?v=qS3q26QeQN8
http://www.youtube.com/watch?v=UXTb6xaH4lo
Wisliceny vor Gericht: http://www.youtube.com/watch?v=wdnbBDoKyrs
Über Alois Brunner in Syrien (UN-Watch/United Nations Webcast 1.10.2009): http://www.youtube.com/watch?v=BMYrG9JTPKY

Rebetika der Woche:
Rosa Eskenasi

Rosa Eskenasi kam in Konstantinopel (Istanbul, Türkei) auf die Welt. Schon vor der Katastrophe von Smyrna (Izmir) kam die Familie nach Saloniki. Die Stadt hatte in den 20er Jahren fast 40% jüdische Einwohner…

2 Kommentare

  1. Dass ein Teil der Saloniki-Juden aus Bayern stammte, behauptet nicht Hesse-Wartegg, sondern die Encyclopaedia Judaica, Jerusalem 1971, unter ihrem Stichwort: „Salonika“.

    Der O-Text des Österreichers besteht aus den Abschnitten „Saloniki“ und „Die Juden von Saloniki“.

  2. Ernst von Hesse-Wartegg kann mich mal! Man kann und darf meiner Familie ja alles mögliche nachsagen, aber dass sie z.T. aus Bayern stammen soll, ist ja wohl das hinterletzte…

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