Happy Birthday Don Miguel!

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Erinnerung an Mieczyslaw Najdorf zum 100. Geburtstag …

Von Ramona Ambs

1.e4 c5 2.Sf3 d6 3 d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 a6 – das sagt Ihnen nichts? Das ist eine sehr populäre und äußerst komplexe Eröffnungsvariante im Schach. Es ist die sogenannte Najdorf-Variante. Am Donnerstag, den 15. April 2010, wäre der „Erfinder“ dieser Variante, Miguel Najdorf 100 Jahre alt geworden. Miguel Najdorf war einer der berühmtesten jüdischen Schachgroßmeister aus Polen. An ihn zu erinnern, lohnt nicht nur wegen seiner außergewöhnlichen Leistungen im Schach, sondern auch wegen seiner Lebensgeschichte.

Mieczyslaw Najdorf wurde am 15. April 1910 in Grodzisk Mazowiecki, Polen geboren. Mit 12 Jahren begann er, Schach zu spielen und konnte bereits zehn Jahre später gegen den späteren Schachweltmeister und Nazianhänger Aljechin zwei Remis durchsetzen. Drei Jahre später spielte er erstmals in der polnischen Olympiamannschaft. Sein dortiges Spiel gegen Glücksberg gilt als eine der besten Schachpartien der Welt.

Foto: Miguel Najdorf, 1992

Seinen außergewöhnlichen Fähigkeiten im Schach verdankt er sein Leben, denn als er 1939 mit der polnischen Mannschaft nach Buenos Aires zur Schach-Olympiade fährt, kehrt er von dort nicht mehr nach Polen zurück. Seine Frau und seine Tochter bleiben, ebenso wie seine vier Brüder und seine Eltern, in Polen zurück. 1940 versucht Najdorf durch eine medienwirksame Blindsimultanschachveranstaltung Kontakt zu seiner Familie herzustellen. Dabei spielte er „blind“ gegen 45 Gegner gleichzeitig. Blind bedeutet in diesem Zusammenhang, dass man das Schachbrett nicht sieht, sondern die Position der jeweiligen gegnerischen Spielfigur nur genannt bekommt und sich diese merken muss. Najdorf gewann 39 der 45 Partien, verlor 2 und gestaltete 4 Remis. Kontakt zu seiner Familie konnte er allerdings nicht herstellen. Sie wurden allesamt von den Nazis in den Konzentrationslagern umgebracht.

1944 wurde Najdorf argentinischer Staatsbürger und erlangte als Don Miguel Najdorf eine gewisse Berühmtheit. 1950 stellte er einen neuen Rekord im Blindschach auf. Er spielte gegen 250 Gegner, gewann 226 Partien, spielte 14 Remis und musste nur 10 Niederlagen einstecken. Er zählte zu den reichsten und originellsten Schachgroßmeistern seiner Zeit. Sein Geld verdiente er allerdings nicht als professioneller Schachspieler, sondern als Repräsentant verschiedener Institutionen – vor allem aber durch seine Anfang der 40er Jahre erworbenen Lizenz für den Allein-Import von nahtlosen Damenstrümpfen.


Ernesto “Che” Guevara und Miguel Najdorf, Foto: schach-und-kultur.com   

Zahlreiche Anekdoten sind über den sprachwitzigen Najdorf bekannt. So zum Beispiel soll Najdorf gegen Che Guevara in einer freien Partie Remis gespielt haben. Najdorf selbst beteuerte jedoch stets, dass es kein Remis war, sondern dass er Che ein Remis angeboten habe, was dieser abgelehnt habe. Die Partie habe Najdorf gewonnen. Najdorf hatte zahlreiche berühmte Schachpartner wie Fidel Castro, Winston Churchhill oder Papst Johannes Paul II. In Buenos Aires war er aber vor allem wegen seiner Großzügigkeit und seiner Sprüche beliebt. So ließ er einmal in einem Interview verlauten: „Wenn man wissen möchte, ob ein Geschäftspartner ein Gentleman ist oder nicht, braucht man vorher nur eine Partie Schach mit ihm spielen. Dann weiß man Bescheid“.

Miguel Najdorf starb am 5. Juli 1997 in Malaga, Spanien, nach einer Operation.

Die Tageszeitung „Clarin“ aus Buenos Aires, für die Najdorf jahrelang unterhaltsame Schachkolumnen schrieb, druckte anlässlich des ersten Jahrestages seines Todes am 4. Juli 1998 einen sehr persönlichen Nachruf von Pablo Zarnicki. Er endet mit dem Satz:

„Don Miguel fue incontrolable. Fue la persona más libre que conocí.“
Don Miguel war unkontrollierbar. Es war der freieste Mensch, den ich traf.

Wer mehr über Miguel Najdorf wissen möchte, dem sei folgende Seite ans Herz gelegt:
http://schach-und-kultur.com  

Avital Pilpel hat auf seinem Blog eine bisher unbekannte Partie von Najdorf vorgestellt:
http://jewishchesshistory.blogspot.com/2008/06/najdorf-czerniak-match-5-1-2-october.html  

Sämtliche bekannte Najdorf-Partien können hier nachgespielt werden:
http://www.chessgames.com/perl/chessplayer?pid=21930

Und Garry Kasparov erklärt hier, wie man die Najdorf-Variante spielt:
[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=pQTzEp0IAqY[/youtube]

1 Kommentar

  1. Auch beim fünften Lesen (ich folge grade den diversen links^^) – ein wunderbarer Artikel! Und mir hat er noch dazu (als Schach-Anfänger) viele viele Erklärungen von einem richtigen Meister im Schach gebracht – ein Mann, der Najdorfs Spiel verehrt und schon viele von ihm nachgespielt und ausführlich analysiert zu haben scheint. Danke :)!

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