Werden die gemäßigten arabischen Staaten den Iran stoppen?

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Die Manöver, die der Iran diese Woche im Persischen Golf veranstaltet hat, sind nicht lediglich Manöver; sie sind Teil der passiven Verteidigungsaufstellung des Iran. So hat beispielsweise die Marine der Revolutionswächter – eine von der iranischen Armee getrennte und im Vergleich zu dieser sehr viel ausgereiftere Marine – Minen gegen Schiffe gelegt, Schiffsbombardierungen geprobt, unterseeische Ziele fotografiert und elektronische Kriegsführung sowie den Einsatz unbemannter Fluggeräte geübt…

Von Zvi Bar’el

Das Interessante an der letzten Wehrübung ist aber die Präsenz einer hochrangigen Militärdelegation aus Katar. An ihrer Spitze stand der Admiral Abd al-Rahim a-Janahi, der erklärte, sein Land wolle von der iranischen Erfahrung profitieren und er plane ein gemeinsames Manöver beider Armeen.

Katar unterhält enge Handelsbeziehungen mit dem Iran, und seine Außenpolitik harmoniert nicht mit dem Streben der USA nach einer Verhängung von Sanktionen gegen den Iran. Auch aus Saudi-Arabien vernimmt man Stimmen gegen die Sanktionen. Turki al-Faisal, der an der Spitze eines nach König Faisal benannten strategischen Forschungsinstituts steht, sagte in einem Interview mit dem Sender al-Arabiya, dass die Beziehungen zwischen den Golfstaaten und dem Iran „historische Beziehungen“ seien, die auf „Interessen, Blutsbanden und Nachbarschaftlichkeit“ beruhen würden; und trotz der iranischen Bedrohung für die Nachbarstaaten lasse sich diese mit der israelischen Bedrohung nicht vergleichen. Al-Faisal hat dem Vorschlag des Generalsekretärs der Arabischen Liga, Amr Moussa, beigepflichtet, ein „Dialogteam“ mit dem Iran aufzustellen und die Öffentlichkeit rasch auf solch einen Dialog vorzubereiten.

Wenngleich al-Faisal kein Regierungsamt innehat, haben seine Worte doch großes Gewicht. Als früherer Geheimdienstchef, Botschafter in London und Washington und nicht zuletzt aufgrund seiner familiären Position – er ist Bruder des saudi-arabischen Außenministers Saud al-Faisal und Neffe von König Abdallah – spiegelt Turki al-Faisal die Position des Königreichs gegenüber dem Iran gut wieder.

Seine Worte, die Präsenz der katarischen Delegation bei dem iranischen Manöver, die unabhängige Außenpolitik des Sultanats Oman, das enge normale Beziehungen mit dem Iran unterhält, die Tausenden von iranischen Unternehmen, die die Bürogebäude in Abu Dhabi und Dubai bevölkern, deren Handelsvolumen mit dem Iran sich auf etwa 12 Milliarden Dollar beläuft – all dies macht es notwendig, die außenpolitische Haltung der USA von Neuem zu prüfen. Diese beruht auf der Einschätzung, dass der Block der „gemäßigten“ arabischen Staaten, insbesondere die Golfstaaten, den iranischen Einfluss in der Region dämpfen, die ihn unterstützenden Staaten wie Syrien und Sudan isolieren und in der Stunde der Not eine militärische Abschreckung gegen die militärische und atomare Aufrüstung des Iran schaffen werden. Diese Einstellung stützt sich auch auf die amerikanische Arbeitshypothese, wonach eine Lösung des israelisch-arabischen Konflikts die „gemäßigten“ arabischen Staaten zu so etwas wie einer Mauer gegen den Iran machen würde.

Die strategische Landkarte ist jedoch sehr viel komplizierter. Saudi-Arabien, zum Beispiel, verfolgt eine Strategie des ‚Konfliktmanagements’ gegenüber dem Iran. Beide Staaten sind tief in die Politik Iraks, Afghanistans, Pakistans, Syriens, Libanons und Palästinas involviert. Jeder von ihnen kennt die Schwächen und Stärken des anderen gut. Saudi-Arabien hat beschlossen, die Beziehungen mit Syrien zu erneuern, um das Monopol zu erschüttern, das der Iran bislang innehatte, und es arbeitet auch auf eine Erneuerung des Verhältnisses zwischen Ägypten und Syrien hin. Saudi-Arabien war auch an der Bildung der libanesischen Regierung beteiligt, und aufgrund seines Einflusses wurden die neuen Beziehungen zwischen dem libanesischen Ministerpräsidenten Saad al-Hariri und Bashar Assad geknüpft. Assad, der so seinen Einfluss im Libanon erhöht hat, schuldet König Abdallah nun nicht weniger einen Gefallen als dem Iran.

Im Irak hingegen verfolgt Saudi-Arabien eine Politik der ‚kalten Schulter’ gegenüber dem bestehenden Regime. Es eröffnet dort keine Botschaft und stärkt die sunnitischen und kurdischen Elemente und damit den Block des Wahlsiegers Ayad Alawi mittels massiver Finanzhilfen. Die saudische Annahme ist, dass der Irak ohnehin unter iranischem Einfluss steht, der sich noch verstärken wird, wenn die US-Truppen das Land verlassen; daher muss es die Einflusshebel lokalisieren, die es dem Iran erschweren werden, ohne Kooperation Saudi-Arabiens seine Irak-Interessen zu verfolgen. Aber von der Politik gegenüber einem Rivalen zu einer militärischen Bremsfunktion, geschweige denn zu Sanktionen gegen den Iran, ist der Weg noch sehr weit.

Der „gemäßigte Block“, der als eine Gruppe arabischer Staaten betrachtet wird, die in Koordination und im Einverständnis mit der US-Außenpolitik agieren, leidet auch an inneren Reibungen. Während Katar und Saudi-Arabien nicht hinsichtlich der amerikanischen Politik gegenüber dem Iran übereinstimmen (Saudi-Arabien ist kein regionaler ‚Papst’, der eine Politik vorschreiben oder wenigstens die Golfstaaten zum Gehorsam zwingen kann), hat es Ägypten seinerseits nicht eilig, sich die Idee eines Dialogs mit dem Iran oder Syrien zu Eigen zu machen, die Saudi-Arabien unterstützt. Aus seiner Sicht hat Saudi-Arabien das Einverständnis zwischen beiden in Hinsicht auf eine Versöhnung mit Syrien gebrochen: Saudi-Arabien hat Syrien im Libanon unterstützt, es aber nicht dazu bringen können, im Gegenzug eine Versöhnung zwischen Hamas und Fatah herbeizuführen, für welche Ägypten sich in den vergangenen drei Jahren so abgemüht hat. Ägypten hat auch der amerikanischen Bitte entsprochen und einen neuen Botschafter im Irak ernannt; Saudi-Arabien hingegen hat das Gesuch der USA abschlägig beschieden.

Der Iran verfolgt für seinen Teil eine raffinierte Politik, die dazu angetan ist, gerade arabische Staaten an seine Seite zu ziehen. Wenn er die Zentralität des palästinensischen Problems betont und gegen die amerikanische Hegemonie in der Region opponiert, ist er den Einstellungen der arabischen und sunnitisch-muslimischen Staaten näher. Tatsächlich gibt es kein „schiitisches“ Element in der iranischen Außenpolitik. Wenn arabische Kommentatoren und Politiker von der iranischen Bedrohung sprechen, weisen sie auf „Irak, Libanon, Syrien und Palästina“ hin, die „durch den Iran den Händen der Araber entrissen wurden“, und nicht auf die atomare Bedrohung. Der „gemäßigte Block“ wird sich aller Wahrscheinlichkeit nach als ein weiterer Slogan entpuppen, der in den Fluren des Weißen Hauses erfunden wurde und nicht notwendigerweise viel praktischen Nutzen im Konflikt mit dem Iran besitzt.

(Haaretz, 28.04.10)

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