Heidelberger Theater: Absurde Zensur-Vorwürfe

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Der mir bis dahin nicht persönlich bekannte Herr Stein hat vor etwa 10 Tagen telefonisch angefragt, einen Büchertisch beim Stückemarkt zu machen. Gleichzeitig hat er mir zu verstehen gegeben, wie einseitig und ungenügend er unser Programm finde. Daraufhin habe ich ihn erstens gefragt, warum er überhaupt einen Büchertisch machen wolle. Zweitens zum Thema Einseitigkeit gesagt, das könne man ja auch seinem Verlagsprogramm vorwerfen, aus dem ich im übrigen mehrere Bände besitze, u.a. auch den Band mit dem Arafat-cover, den ich in der Tat unseren israelischen Gästen nicht als erstes unter die Nase halten würde…

Zu diesem Zeitpunkt hatten wir schon dem Alexander Verlag Berlin, einem der wichtigsten Theaterbuchverlage in Deutschland, einen Büchertisch zugesagt. Ich habe also den Vorschlag gemacht, ob er seine Bücher an diesem Tisch mitverkaufen wolle. Am Ende des Telefonats haben wir uns so besprochen, dass Herr Stein eine Mail mit seinen Wünschen schickt, die ich natürlich im Haus mit Verwaltungsleitung und Intendanz abstimmen muss. Diese Mail ist nie gekommen – stattdessen der offene Brief. Die Zensur-Vorwürfe sind insofern absurd.

Es gibt seit Zustandekommen unserer von der Bundeskulturstiftung und weiteren Institutionen wie dem Goethe Institut Tel Aviv und dem Land Baden-Württemberg geförderten zweijährigen Theaterpartnerschaft mit dem Teatron Beit Lessin Proteste einer Initiative in Heidelberg. Diese Gruppe habe ich im Sommer 2009 zu einem etwa zweistündigen offenen Gespräch getroffen. Beim Gastspiel des Freedom Theatre, Jenin, im Oktober 2009 mit dem Stück FRAGMENTS OF PALESTINE und der Filmvorführung ARNA’S CHILDREN haben wir der Gruppe einen Infostand im Foyer des Zwinger eingeräumt; sie war auch an der langen Diskussion beteiligt.

Seitdem protestiert diese Gruppe mit Flyern vor unseren Veranstaltungen, so z.B. bei „THEY CALL ME JECKISCH“, wo es um Israelis der ersten bis dritten Generation mit deutschen Wurzeln geht.
Diese Gruppe hat auch für die morgige Eröffnung eine kleine Mahnwache angekündigt. Der Vorwurf der Gruppe, wir würden mit einem einseitigen Programm den Israel-Palästina Konflikt ignorieren, ist so nicht zutreffend, denn sowohl in der Eröffnungspremiere DIE BANALITÄT DER LIEBE wie auch THEY CALL ME JECKISCH, der Lesung BERG sowie dem Gastspiel ZWÖLF UHR MITTAGS wird der Konflikt kritisch angesprochen. Außerdem geht es uns in der Partnerschaft und im Festival darum, jenseits des in allen Medien ständig präsenten Konflikts andere, unbekannte Geschichten aus dem Israel von heute zu erzählen.

Weiter schlägt die Gruppe vor, ein kombiniertes Israel-Palästina-Festival zu veranstalten. Dies zeugt nicht nur unseres Erachtens von einer Unkenntnis der aktuellen politischen und kulturellen Situation. Seit Beginn der zweiten Intifada sind die allermeisten Künstler aus der West Bank und dem Gazastreifen nicht zu Auftritten zusammen mit Israelis bereit, auch und gerade nicht im Ausland. Diese gemeinsamen Auftritte würden eine leichte Versöhnbarkeit der Gegensätze suggerieren, die politisch so nicht gegeben ist. Die israelischen Kontrollbestimmungen machen zudem einen direkten Kontakt von Künstlern in der Region unmöglich. Ein gemeinsames Festival, so es überhaupt zustande käme, wäre politisch nachgerade naiv.
Wir planen unabhängig vom Festival aber, eine Aufführung der Theaterpartnerschaft des Schauspiels Leipzig mit Jenin einzuladen, so wie wir, siehe oben, das Theater aus Jenin auch schon zu Gast hatten.

Drittens behauptet die Gruppe, unsere Aktivitäten seien Mittel einer israelischen Propagandaoffensive. Das Gegenteil ist der Fall. Sowohl Stückemarkt als auch Theaterpartnerschaft sind seit Herbst 2008 in Planung, also vor dem Gaza-Krieg, und sind erst seit neuestem von der israelischen Botschaft gefördert. Ferner gehören die meisten eingeladenen Künstler dem regierungskritischen Spektrum an – und stehen jeweils im Anschluss an die Aufführungen bzw. Lesungen zu Gesprächen zur Verfügung.

Zum Abschluss: Wir vom Theater Heidelberg bemühen uns gerade, durch Theaterpartnerschaft, Stückemarkt-Gastland, Einladungen von Gastspielen zum Thema Schoah und Israel und Eigenproduktionen wie ALLES IST ERLEUCHTET und DIE DEMJANJUK-PROZESSE ein extrem differenziertes Bild zum Themenkomplex zu zeichnen, der in der deutschen Theaterlandschaft zur Zeit seinesgleichen sucht und vom Heidelberger Publikum und der regionalen und überregionalen Kritik mit großem Interesse aufgenommen wird.

Jan Linders

Offener Brief von Georg Stein

Offener Brief von Ulrich Sahm

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