Regionalparlamentswahlen in Frankreich

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Beim ersten Durchgang der französischen Regionalparlamentswahlen am Sonntag, den 14. März erhielt die extreme Rechte im frankreichweiten Durchschnitt knapp 13 Prozent der Stimmen…

Von Bernard Schmid, Paris

Davon entfallen (je nach Angaben über das vorläufige Endergebnis) 11,6 oder 11,7 Prozent auf den Front National, FN, als mit Abstand stärkste Partei des rechtsextremen Spektrums. Seine Spitzenergebnisse liegen in der südostfranzösischen Region PACA (Provence-Alpes-Côte d’Azur) bei 20,3 Prozent sowie in der früheren Bergbauregion Nord-Pas de Calais, nahe der belgischen Grenze, bei 18,3 Prozent. In letzterer Region erhielt eine „Abweichlerliste“ unter François Dubout, der nach den Kommunalwahlen im März 2008 vom FN ausgeschlossen worden war, weil er als Kandidat in Calais seine Liste im zweiten Wahlgang zugunsten der örtlichen Konservativen zurückgezogen hatte – entgegen der Anweisungen aus der Parteizentrale -, weitere 3 Prozent. In Südostfrankreich muss ebenfalls der Stimmenanteil für die nur in PACA antretende Liste der ,Ligue du Sud’, die vom Bürgermeister von Orange, Jacques Bompard (Stadtoberhaupt seit 1995, Mitglied des FN von seinem Gründungsjahr 1972 bis zu seinem Zerwürfnis mit Jean-Marie Le Pen im Herbst 2005) angeführt wurde, hinzugerechnet werden. Er beträgt 2,7 Prozent.

Zusammengerechnet hielt sich die extreme Rechte in PACA damit ziemlich exakt auf dem Niveau ihres Stimmanteils bei den letzten Regionalparlamentswahlen 2004 (23 Prozent), während ihr Gesamtergebnis in Nord-Pas de Calais prozentual noch zugenommen hat. Die tiefe Krise, die der Front National in den Jahren von 2007 bis 2009 durchlaufen hatte – seine Wahlergebnisse waren von zuvor landesweit rund 15 Prozent auf nur noch 4,3 Prozent bei den Parlamentswahlen (Juni 2007) respektive 6,3 Prozent bei den Europawahlen (Juni 2009) abgesunken – ist damit zumindest auf der Ebene der Wahlergebnisse überwunden.

Dazu trugen verschiedene Versuche der regierenden Konservativen, die rechtsextreme Wählerschaft erneut zu ihren Gunsten zu mobilisieren – wie sie es bei der Präsidentschaftswahl 2007 und einigen nachfolgenden Urnengänge erfolgreich vermochte -, ohne Zweifel bei. Genannt sei nur die Regierungskampagne, die darin bestand, Frankreich vier Monate lang über seine „nationale Identität“ debattieren zu lassen. Der Minister „für Einwanderung und nationale Identität“, Eric Besson, der diese Debatte lancierte, sah sich am Montag morgen genötigt, zu erklären, er sei „nicht verantwortlich für das Abschneiden des FN“; er sehe keinen Zusammenhang zwischen ihm und der Kampagne zur „nationalen Identität“. Mehrere offenkundig rassistische Äußerungen mancher konservativer Politiker wie des UMP-Fraktionsvorsitzenden im Senat, Gérard Longuet – der vier Tage vor dem ersten Wahlgang über den französischen sozialdemokratischen Politiker Malek Boutih erklärt hatte, er gehöre nicht „zum traditionellen französischen Körper“ (corps traditionnel français) – trugen wohl das Ihre zum Triumph des FN bei, indem sie seine Wähler in ihren Auffassungen bestärkten und enthemmten. Die sozialdemokratische Parteivorsitzende Martine Aubry gab deswegen am Montag Präsident Nicolas Sarkozy direkt eine Mitschuld am Wahlergebnis des FN.

Im Durchschnitt 0,9 Prozent entfallen auf die Listen von sonstigen rechtsextremen „Dissidenten“ und Abspaltungen des FN, die in vier Regionen unter dem Namen des PdF (Parti de la France, „Partei Frankreichs“) des früheren FN-Generalsekretärs Carl Lang und in zwei ostfranzösischen Regionen unter dem Listennamen „Nein zu Minaretten“ angetreten waren. Diese 0,9 Prozent sind jedoch der landesweit hochgerechnete Durchschnitt, der nicht berücksichtigt, dass diese „alternativen“ rechtsextremen Listen neben jenen des FN nur in einem halben Dutzend von insgesamt 22 Regionen angetreten waren. Dort, wo sie präsent waren, erhielten diese Listen im Durchschnitt drei Prozent der abgegebenen Stimmen; ihr höchstes Ergebnis liegt in der Normandie bei 3,7 Prozent, ihr niedrigstes in der Picardie bei 2 Prozent. Die Anti-Minarett-Listen in Lothringen und im französischen Jura bestanden unter anderem aus dem PdF und dem MNR (National-republikanische Bewegung) unter Annick Martin. Letzterer hatte sich 1999 unter seinem damaligen Chef Bruno Mégret, der sich heute aus der aktiven Politik zurückgezogen hat, vom FN abgespalten. Letztere beide Listen erhielten in Lothringen gut 3 Prozent, im französischen Jura 2,5 Prozent. Ihr Name stellte eine durchsichtige Anspielung auf die Schweizer Volksabstimmung von Ende November 2009 – und ihr Ergebnis, das einen Erfolg für die dortigen Rechtspopulisten bildete – dar.

Im Elsass erzielte die rechtsextreme Regionalistenliste Alsace d’abord (Elsass zuerst) genau 4;98 Prozent, die dort zu den 13,5 Prozent für den Front National hinzukommen. Alsace d’abord entstand schon im Jahr 1989 als Abspaltung vom Front National, die dessen zu starke Nationalstaatsfixierung kritisierte und stattdessen sowohl einen positiveren Europa- als auch Regionalbezug, zusätzlich zu dem auf die Nation, propagierte. Im Jahr 2008 verlor die Regionalpartei jedoch mehrere ihre Führungsfiguren an die neu gegründete rechtsextreme Sammlungsbewegung NDP (Nouvelle Droite Populaire, ungefähr „Neue Rechte der kleinen Leute“), darunter ihren früheren Vorsitzenden und jetzigen NDP-Sprecher Robert Spieler. Alsace d’abord hat sich seitdem der überwiegend außerparlamentarischen, neofaschistischen Aktivistenbewegung rund um den Bloc identitaire angenähert. Letzterer unterstützte ferner auch die Liste der ,Ligue du Sud’, die in der Region antrat, aktiv und war mit eigenen Kandidaten aus dem Raum Nizza auf ihr vertreten.

Der Front National kann seine Kandidatenlisten in zwölf von insgesamt 22 Regionen für die Stichwahl am Sonntag, den 22. März aufrecht erhalten. Dazu ist, seit einer Wahlrechtsänderung im Jahr 2004, ein Stimmenanteil von zehn Prozent erforderlich. Am Montag früh kündigte Marine Le Pen an, überall dort, wo der FN in der Stichwahl präsent bleiben können, werde er dies auch. Rücksichten auf die bürgerliche Rechte, durch einen eventuellen Rückzug seiner Listen, wird nicht genommen. Zur Begründung führten Marine und Jean-Marie Le Pen an, die Konservativen würden ohnehin sämtliche Regionen an die Linksparteien verlieren. Eine Stimmabgabe für den FN, um dessen Ideen in den Regionalparlamenten durch eine starke Opposition vertreten zu sehen, sei deswegen „die einzige nützliche Wahl“.

2 Kommentare

  1. @ Leonid:

    Sagen könnte man viel. Wir sind schließlich ein freies Land, oder irgendwie sowas ähnliches… Ob es aber sinnvoll ist, alle Andersdenkenden hochroten Kopfes als Rechtsextreme zu schubladisieren, ist eine andere Frage.

    Viele Elsässer fühlen sich von Franzosen und Arabern überfremdet, aber sie suchen die Ursache dafür in erster Linie bei den Franzosen und den Arabern, nicht bei sich selbst. Wieso sie Halt und Hilfe gerade beim FN, einer französischen nationalistischen Partei, suchen, ist mir unklar. Logischer wäre es gewesen, regionalistische oder autonomistische Parteien wie ‚Elsass zuerst‘ und ähnliche zu wählen.

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