Religionskrieg und Aufstand

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Der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas hält die Einbeziehung des Grabmals der biblischen Erzväter in Hebron und des Grabes der Erzmutter Rachel bei Bethlehem für den Auftakt zu einer weiteren Intifada, einem Aufstand der Palästinenser. Der Hamas-Chef Ismail Hanije im Gazastreifen rief gar zu einem Religionskrieg auf. In Hebron kam es am Dienstag zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Palästinensern und israelischen Soldaten. Palästinenser verbrannten aus Protest Reifen und warfen Steine. Die Soldaten reagierten mit Tränengas. Die Fatah-Partei rief am Dienstag zu einem Generalstreik in Bethlehem auf, während Jugendliche nahe dem Rachelgrab israelische Soldaten mit Steinen bewarfen…

Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 24. Februar 2010

In einer Rede im europäischen Parlament in Brüssel behauptete Abbas, dass Israel „das palästinensische Kulturerbe stiehlt, in der Absicht, religiöse muslimische Stätten zu übernehmen“.
Hanije sagte in Gaza: „Israel begeht neue Verbrechen, um seine alten Verbrechen zu verdecken. Jerusalem gehört uns, das Land gehört uns und Gott steht auf unserer Seite.“ Der israelische Minister Silvan Schalom (Likud) warf den Palästinensern vor, die jüdische Geschichte zu klittern und zu versuchen, jegliche Verbindung zwischen dem Volk Israel und dem Land abzuleugnen. Minister Jitzchak Herzog (Arbeitspartei) bedauerte, dass die Einfügung des Abrahamsgrabes und des Grabes der Rachel zu einem „überflüssigen Stein des Anstoßes“ geführt habe bei einem (unpolitischen) „Restaurierungsprojekt“. Er rief beide Seiten auf, ihre „politischen Spielchen“ zu unterlassen.

Derweil hat am Mittwoch Staatspräsident Schimon Peres den UNO-Beauftragten für den Nahen Osten, Robert Serry, getroffen und die Kontroverse um das Kulturerbe als einen „künstlichen Konflikt“ bezeichnet. „Wenn Juden eine Stätte als Teil ihres Kulturerbes betrachten, so bedeute das keineswegs, dass zum Beispiel das Abrahamsgrab in Hebron ebenso den Moslems heilig sei und zu deren Kulturerbe gehöre.“ Peres bat den UNO-Gesandten, dieses dem UNO-Generalsekretär zu übermitteln. „Wir erheben da keinen Exklusivanspruch“ fügte Peres hinzu.

Das israelische Ministerpräsidentenamt veröffentlichte am Mittwoch eine offizielle Erklärung zu den palästinensischen Aufrufen zu gewaltsamen Protesten gegen den israelischen Regierungsbeschluss. Das sei eine “verlogene und heuchlerische Kampagne”. Die genannten Gräber seien seit 3500 Jahren Teil des Erbes des jüdischen Volkes, “und verdienen es mit Gewissheit, geschützt und renoviert“ zu werden. Weiter heißt es, dass der für Moslems reservierte Bereich des Abrahams-Grabes, auch Ibrahims-Moschee genannt, ohnehin derzeit renoviert werde. Der für Juden vorgesehene Bereich solle in Zukunft ebenso repariert werden. Das von König Herodes vor zweitausend Jahren neu errichtete Grabmal ist seit dem Massaker des israelischen Terroristen Baruch Goldstein 1994 aufgeteilt worden, um jeden Kontakt zwischen jüdischen und muslimischen Pilgern zu vermeiden.


Aussenansicht des von Herodes errichteten Patriarchengrabs in Hebron

Die israelische Regierung hatte am vergangenen Sonntag beschlossen, fast 80 Millionen Euro für den Erhalt und die Renovierung von Gebäuden und Orten des jüdischen wie zionistischen „National-Erbes“ bereitzustellen. Zu diesem Zweck wurde eine lange Liste der dafür vorgesehenen Gebäude und Orte vorbereitet, zum Beispiel der Saal in Tel Aviv, in dem David Ben Gurion am 15. Mai 1948 den Staat Israel ausgerufen hat. Ebenso sind da Ruinen von Synagogen aus der byzantinischen Periode etwa in Tel Dan und ein Stadttor aus der Zeit des Erzvaters Abraham angeführt. Die meisten angeführten Orte, Massada, Tel Megiddo, Arad und dutzende andere befinden sich im Territorium Israels und verursachen keine politischen Konflikte. Niemand hat etwas dagegen auszusetzen, dass die zerfallenden Bücher in der Nationalbibliothek oder die zerbröselnden Filme in den Cinematheken restauriert werden.

Ursprünglich waren ausgerechnet das Juden, Christen wie Moslems heilige Grabmal in Hebron und das von einer hohen Mauer umgebene Grabmal der Rachel auf dem Weg zwischen Jerusalem und Bethlehem im besetzten Gebiet ausgeklammert worden. Fromme Abgeordnete der Schasspartei, die „Groß-Israel-Lobby“ in der Knesset und andere rechtsgerichtete Kreise empörten sich über diese Auslassung. Premierminister Netanjahu fügte diese beiden Orte daraufhin in letzter Minute der Liste hinzu.

Die palästinensische Aufregung über den Regierungsbeschluss ist nicht ganz logisch, da die Liste zwecks Bereitstellung von Geldern für die Restaurierung und den Erhalt der historischen Stätten aufgestellt worden ist. Aus dem Report des Ministerpräsidentenamtes, der auf Hebräisch im Internet veröffentlicht wurde geht zudem hervor, dass auch viele andere historische Stätten in den besetzten Gebieten aufgelistet wurden:
Qumran, wo die Tote-Meer-Rollen gefunden worden sind, der Archäologiepark rund um die Altstadt Jerusalems, das Mosaik von Susija südlich von Hebron, Gamla und andere Stätten. Sie liegen wie Hebron in den von den Palästinensern beanspruchten besetzten Gebieten des Westjordanlandes oder auf den Golanhöhen.

Nach israelischen Angaben habe die Liste keinerlei politische Bedeutung, sondern diene allein dazu, Gelder für die Instandhaltung der historischen Stätten bereitzustellen.

© Ulrich W. Sahm / haGalil.com

6 Kommentare

  1. Erstens geht es in dem Artikel nicht darum (Lesen!!). Zweitens sind diese 40 Häuser von Palästinensern illegal gebaut wurden (wenn Juden das machen, ist die Forderung es wieder niederzureißen bei Antizionisten bzw. Antisemiten immer sehr groß= typisches zweierlei Maß). Drittens hat Netanjahu das Projekt gestoppt.

    Aber die Hauptsache, Sie und andere Prototypen stören die Sätze der Hamas nicht.

    Hanije sagte in Gaza: „Jerusalem gehört uns, das Land gehört uns und Gott steht auf unserer Seite.“

    Damit dürfte klar sein, wer hier nicht mit anderen leben will und wem das gefällt oder nicht.

    Adieu!

  2. Um ein „archäologisches“ Disneyland von mehr als fragwürdigem wissenschaftlichem Gehalt zu errichten, werden in Jerusalem demnächst wieder ein paar Araber obdachlos werden oder aus der Stadt vertrieben werden.
    Die enge Verknüpfung aus rechtslastiger Politik und „Archäologie“ konnte man vor gut vier Wochen bereits in der „Time“ nachlesen.

  3. @ego

    Absprachen sind sicherlich gut und richtig… aber googele beispielweise mal nach „Josephsgrab“ – weitere Beispiele zum arabisch-palästinensische Umgang mit „jüdischen“ Altertümern lassen sich einfach liefern: entweder werden sie zu muslimischen Stätten „umgewidmet“, oder sie werden zerstört.

    Ãœbrigens, Absprachen… wußtest du, daß der provokative Sharonbesuch auf dem Tempelberg -der Legende nach Auslöser einer Intifada- im Vorfeld vom Wafq abgestimmt und genehmigt wurde?

  4. … wobei ich mich frage, ob es nicht besser im Vorfeld dieses speziellen Restaurierungsvorhabens in Hebron einen Versuch gegeben haben sollte, mit der muslimischen (nicht unbedingt palästinensischen) Seite, vielleicht Vertretern muslimischer Araber in Israel und evtl. der muslimischen Verwaltung des Tempelberges sich über das Vorhaben auszutauschen und zudem klugerweise evtl. auch christliche Institutionen einzubinden. Und natürlich dem rel. ohnmächtigen Herrscher über die Westbank eine Einwilligung schmackhaft gemacht zu haben.

    Genauso, wie jüdische Stellen nicht zu Unrecht argwöhnten, bei den Ausbauarbeiten am Felsendom seien dort bewusst Zeugnisse antiker jüdischer Präsenz vernichtet worden, könnten Muslime vermuten, bei den Renovierungsarbeiten an dem Grab sollten dort evtl. vorhandene Spuren muslimischer Verehrung aus der Zeit des Islam beseitigt werden.

    Israel ist doch sonst taktisch klug besonders bei religiösen Angelegenheiten, die sowohl Christentum als auch Islam betreffen: was soll der Alleingang? Die Quittung dafür war abzusehen.

    Zur Schadensbegrenzung sollte das Gespräch gesucht und nachgeholt werden – und die Ausführung der Arbeiten vielleicht einer palästinensischen Firma unter Aufsicht sowohl palästinensischer als auch israelischer Fachleute für Denkmalschutz übertragen werden.

    Frommer Wunsch?

    ego

  5. „Israel begeht neue Verbrechen, um seine alten Verbrechen zu verdecken. Jerusalem gehört uns, das Land gehört uns und Gott steht auf unserer Seite.“

    Gääähn… das können wahrscheinlich die meisten Palästinenser auch nicht mehr hören.

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