Judenfeindlichkeit an Fastnacht: Und willst Du nicht mein Itzig sein…

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„Giizig, gizzig, gizig, gizig isch der Itzig;
un willsch Dü kei itzig si, döasch uns was ins Gigili ni!“…

von Ramona Ambs

… so schallt es heute noch aus Kindermündern in manchem Dorf im Südbadischen zur Faschingszeit. Die Kinder wissen nicht, was sie da rufen – meist haben sie es von den Großeltern gelernt oder von älteren Leuten, an deren Türen sie um Süßigkeiten für ihre Tüten bitten. „Übersetzt“ man diesen Spruch ins Hochdeutsche, so lautet er:

„Geizig, geizig, geizig, geizig ist der Jude.
Und willst Du kein Jude sein, gibst Du uns was in die Tüte rein.“

Itzig , diese alte, abwertende Bezeichnung für Jude, ist in ihrer Bedeutung den Kindern oft gänzlich unbekannt. Sie lernen diesen Spruch wie sie andere „Fasnetssprüche“ lernen. Die Gizig-Sprüche sind uralt- es gibt sie in zahlreichen Variationen, aber keine reimt sich so tadellos wie die Itzig-Variante.

Üblich ist heute der Folgende „Gizzig-Spruch“:

„Giizig, giizig, gizig, gizig isch der (Name des Angesprochenen),
un wenn er nit so giizig wär, dann gäb er au a Guzele her.“

übersetzt:

„Geizig, geizig, geizig, geizig ist der (Name des Angesprochenen),
und wenn er nicht so geizig wär, dann gäbe er auch ein BonBon her.“

Er ist zumindest in der Schwäbisch-Alemannischen Fastnacht weit verbreitet. In Offenburg wird offiziell beim sogenannten Hexenfrass nur noch diese eine Variante des Gizig Spruchs verwendet. Zu sehen hier in diesem clip oder auch hier….

Weiter südlich jedoch im Südschwarzwald oder auch dem Kaiserstuhl sind weitere Gizig-Varianten üblich. Dort gehen die Kinder aber auch außerhalb von offiziellen Umzügen noch von Haus zu Haus, um Süßes zu sammeln. Und dort habe ich den Spruch auch im letzten Februar zu hören bekommen. Meine Nachforschungen dazu endeten meist vor verschlossenen Türen. Ich konnte also nicht herausfinden wie „alt“ der Spruch ist und wo er erstmals auftrat.

Judenfeindliche Aktionen gab es allerdings schon immer während der Faschingszeit – an allen Orten und zu allen Zeiten. Am bekanntesten ist das sogenannte „Judenrennen“ – ein Brauch, den Papst Paul II. im 15. Jahrhundert im römischen Karneval einführte. Dabei mussten Juden gegeneinander zum Wettlauf antreten und wurden vom karnevalistischen Pöbel mit Steinen, Kot und allerlei Unrat beworfen. Erst hundert Jahre später wurde der Brauch von Papst Klemens IX. wieder abgeschafft. In der Katholischen Enzyklopädie, die von der römisch-katholischen Kirche herausgegeben wurde, liest man dazu nur lapidar, dass Papst Paul II. einen „herrlichen Karneval inszeniert“ habe.

Weitere 500 Jahre später im Jahre 2002 lachte man in Nürnberg beim Fasching wieder über Juden. Da empfahl nämlich der Karnevalist Heinz Haffki in seiner Büttenrede dem 1. FC Nürnberg, „Juden für den Sturm zu verflichten, weil man die ja nun nicht mehr verfolgen“ dürfe. Haffki ist noch immer dick im Geschäft, sein Motto, den „Leuten beim Lachen die Zähne zu zeigen“, kommt gut an. Dabei ist es gleichgültig mit welcher Fratze da gelacht wird – Hauptsache lustig.

Wer sich also als Jude an Fasching unter die Narren verirrt, sollte sich möglichst als Bär verkleiden. Es könnte nämlich gut sein, dass man ein dickes Fell braucht…

12 Kommentare

  1. Komisch, die Schotten müssen stetig Witze über ihren Geiz ertragen, die Ostfriesen werden seit Eiwgkeiten als Prototypen der Dummheit geschmäht und was sich Katholiken derzeit alles anhören müssen…

    Und solche Faschingssprüche sind als judenfeindlich anzuprangern? Ach, hätten wir doch keine anderen Probleme…

    Außerdem sind Geiz und Geschäftstüchtigkeit traditionelle Bestandteile des jüdischen Humors, da lacht der Jude und der Goyim wundert sich.

  2. Ach herrje- liäbs Wusele- lies doch zerscht emol richtig!

    Sie schreiben:
    „Dass der obige Spruch weit verbreitet ist, stimmt einfach nicht!“

    Das behaupte ich auch nicht. Ich behaupte, dass die gizig-sprüche weit verbreitet sind- die obige Variante kannte ich bis letzten Februar garnicht. Lesen Sie mal genau nach. Dann unterstellen Sie mir Folgendes:

    „Es soll der Eindruck erweckt werden, dieser und vergleichbare Sprüche hätten antisemitische Wurzeln oder seien als antisemitische Varianten erfunden worden. In einzelnen Fällen mögen antisemitische Abwandlungen vorgekommen sein, jedoch war und ist die Schwäbisch-Alemannische Fasnacht nie eine antisemitische Kampagne.“

    Woran machen Sie das fest?
    Hier nochmal die textstelle:
    Weiter südlich jedoch im Südschwarzwald oder auch dem Kaiserstuhl sind weitere Gizig-Varianten üblich. Dort gehen die Kinder aber auch außerhalb von offiziellen Umzügen noch von Haus zu Haus, um Süßes zu sammeln. Und dort habe ich den Spruch auch im letzten Februar zu hören bekommen. Meine Nachforschungen dazu endeten meist vor verschlossenen Türen. Ich konnte also nicht herausfinden wie „alt“ der Spruch ist und wo er erstmals auftrat.“
    Ich schreibe nirgends, dass die gizig-sprüche antisemitische Wurzeln haben. Ich schreibe, dass ich es nicht herausgefunden habe. Aber wenn sowohl eine 80-jährige Frau in Bötzingen am Kaiserstuhl denn Spruch ebenso kannte, wie ein etwa 50-jähriger Mann aus Hinterzarten, darf man schon davon ausgehen, dass der Spruch kein absoluter Einzelfall in einer Gemeinde war.
    Anstatt also beleidigt zu sein, wäre es doch auch möglich mal im eigenen Verband rumzufragen, ob jemand den Itzig-Spruch kennt oder zuhause ein altes Büchlein hat, in dem der Spruch vielleicht auftaucht. Damit würden Sie nämlich tatsächlich Aufklärungsarbeit im besten Sinne leisten.

  3. Dass der obige Spruch weit verbreitet ist, stimmt einfach nicht! Es soll der Eindruck erweckt werden, dieser und vergleichbare Sprüche hätten antisemitische Wurzeln oder seien als antisemitische Varianten erfunden worden. In einzelnen Fällen mögen antisemitische Abwandlungen vorgekommen sein, jedoch war und ist die Schwäbisch-Alemannische Fasnacht nie eine antisemitische Kampagne.
    Der historische Kern dieser Sprüche entstammt sogenannten „Haischebräuchen“, die seit dem Mittelalter bis heute tatsächlich sehr verbreitet sind. Typischerweise gehen Narren hierbei von Haus zu Haus und erbitten Essbares. Im Rheinischen Karneval schmeißt man heute die Kamelle gewissermaßen im vorauseilenden Narrengehorsam gleich vom Wagen. Zur wissenschaftlichen Reflektion des Themas empfehle ich die Publikationen von Prof. Werner Mezger, der als Volkskundler die Fasnacht wissenschaftlich erforscht hat. Zu Köln nur soviel: Im dortigen Karnevalsmuseum gibt es eine Ausstellung über antisemitische Wagen an den Zügen während der Nazizeit. – Man reflektiert diese Schuld heute also sehrwohl!

  4. Vom Immobilien-„Itzig“ zum Immobilien-„Heini“. Nicht alle Leser dieses Blogs können vielleicht mit dem Ausdruck Immobilien-”Itzig” etwas anfangen. Ich las ihn in historischen Archiven in Exemplaren des “Stürmers” sowie auf Flugblättern der Berliner Nationalsozialisten aus den 30er Jahren.

    Den Ausdruck Immobilien-”Heini” hingegen kennen wohl die meisten. Gemeint sind die “Anzug-Typen”, die verfallende Häuser aufkaufen, instandsetzen und wiedervermieten. Nicht aus reiner Menschenfreundlichkeit, sondern um damit Geld zu verdienen. Ich selbst las ihn immer wieder in aktuellen Flugblättern und Verlautbarungen der linken Berliner Neocons. Heini ist eine Verkürzung und spöttisch-abwertende Form des typischen deutschen Namens Heinrich. Heinrich bedeutet der “Heim-Reiche”, also “der durch Hausbesitz Reiche” – oh wie passend.

  5. Es handelt sich um ein Symptom, Anteile unvollkommen verdrängtem Empfindens gelangen auf diese Weise an die Oberfläche.

    In einem Milieu, einem Umfeld, wo von „der Ostküste“ oder dem „raffendem Kapital“ tagtäglich die Rede ist, wo Sprüche wie zB „nur keine jüdische Hast“, „hier geht’s ja zu wie in ’ner Judenschule“ oder „da sieht es ja aus wie bei den Zigeunern“, neben dem einen oder anderen „jüdischen Witz“ voller Harmlosigkeit geäußert werden, und, widerspruchslos übernommen, höchst geschmeidig gesellschaftlicher Affirmation unterliegen, überträgt sich eine, und wenn auch sehr oft verdleugnete, aber doch bestehende Abneigung gegen „das Fremde“, gegen „die Juden“, gegen „die Zigeuner“, ausgesprochen subtil, unbemerkt und aber selbsterhöhend auch auf die Nachkommenschaft.

    Die seit Jahrhunderten bestehende Kluft zwischen dem „wir“ und „jenen“, wird so von Generation zu Generation weiter gegeben, aufrecht erhalten, erneuert.

    „Jene“ sind hier, in unsrer Mitte, niemals angekommen, sind und bleiben fremd, sind Andere, sind Außenseiter.

    Katja Behrens hat dazu eine bemerkenswerte, eine ernüchternde Bestandsaufnahme geschrieben:

    http://www.schoah.org/antisemitismus/symbiose.htm

    Von deutsch-jüdischer Symbiose war einmal die Rede

  6. @ Ramona Ambs,

    Vielen Dank für den Hinweis.

    Hier wird deutlich dass diese „kleinen, gedankenlosen“ antisemitischen Lieder im Verhalten einer Mehrheit durchaus aufgehen und erhebliche Tragweite erlangen.
    (Obwohl eine gefühlte starke Mehrheit in der deutschen Bevölkerung, meiner Meinung nach, mich dafür wahrscheinlich auslachen würde oder es als „Quatsch“ ab täte)

    Ich stimme Ihnen zu.
    Es ist wichtig diese „kleinen“ Dinge zu sehen und wahrzunehmen.
    Sie sind eben nicht klein, da sie in vielen Köpfen ein zu Hause finden.
    Diese Dinge einschätzen zu wissen und zu beurteilen lernen ist wichtig.
    Denn diese „kleinen“ Dinge in den Köpfen der Menschen trugen seinerzeit auch dazu bei, dass die Nazis so gründlich morden konnten.

    Aktuell ergibt sich für mich daraus, dass man, wenn man sich mit diesen „kleinen“ Sachen, wie in Ihrem Artikel beschrieben, auseinandersetzt, lernt zu differenzieren, genauer hin zu schauen und hin zu hören.

    Gerade auch in der aktuellen Debatte um den Islam kann so ein Vermögen sehr hilfreich sein, um nicht auf Angstmacherei, Diffamierung und Rassismus hereinzufallen, da man es nicht besser wusste.

    Ist grundsätzlich nicht jeder Bürger und jede Bürgerin für ihr Wissen erst einmal selbst verantwortlich?
    Schützt die Aussage: „das wusste ich nicht“ vor der eigenen Verantwortung und diese zu erkennen und zu übernehmen?
    Ich denke nicht.

    Aber wie gesagt, ich glaube das eine Mehrheit in der Bevölkerung anderer Meinung ist.

  7. Danke Ramona Ambs für diesen nachdenklich stimmenden Beitrag.

    Auch bei uns in Bayern gab es noch sehr lange sehr fragwürdiges, judenfeindliches Brauchtum, das nur nach Aufwendung erheblicher Anstrengungen zu beseitigen war. Ich denke da an die noch bis weit ins 20. Jh. üblichen, vorösterlichen Verbrennungen von Judasstrohpuppen unter den gellenden Schreien der Bauern: „Der Jud‘ muss brennen!“
    Oder an die diversen Wallfahrten, die an die angeblichen Hostienschändungen durch die ‚bösen‘ Juden erinnern sollten (noch bis in die 1990er Jahre!), die jahrhundertelang die Dorf- und Kirchenkassen mit hochwillkommenen Extraeinnahmen füllten. Gerade die katholische Kirche mochte sich von solch überholtem, debilen Unfug freiwillig nicht trennen.
    RS

  8. @Perry04- ich hab Dir Infos geschickt.
    @Carl, der 27. Januar ist leider NICHT immer vor Fasching.
    Erst vor zwei Jahren trafen diese „Ereignisse“ zusammen:
    http://www.zentralratdjuden.de/de/article/1517.html
    @Leyzer und Mertens
    Wenn es nicht so endlos langweilig wäre, würde ich mir ja die Mühe machen und auch mal ausführlicher antworten, aber nur kurz zu und für Euch Angsthasen:
    Ich darf mal daran erinnern, dass ich diejenige bin, die hier regelmäßig auf die islamistischen Bedrohungen hinweist, zum Beispiel hier:
    http://test.hagalil.com/2009/09/24/werft-schuhe/
    oder hier
    http://test.hagalil.com/2010/01/20/haiti-2/
    oder hier
    http://test.hagalil.com/2010/01/17/detroit/
    oder hier
    http://test.hagalil.com/2009/06/15/iranwahl/
    oder hier
    http://test.hagalil.com/2009/01/11/foren/
    und und und
    und dass ich durchaus schon mit dem ein oder andern Drohbrief und -anruf aus diesen Szenen klarkommen musste.
    Aber es gibt auch andere Themen.
    Solche „Gizig-itzig“-Sprüche, die gerade als „Törtchen“ bezeichnet wurden, tragen eine unglaubliche Wirkkraft in sich- aber das muss man begreifen wollen und können. Wenn man aber natürlich seine Tage damit verbringt hinter jedem Moslem einen kleinen tollwütigen Achmadinejad zu sehen, bleibt für die Wahrnehmung andrer Dinge nicht viel Zeit. Schon klar. Aber damit muss ich mich denn nicht auch noch befassen…

  9. Die Katholiken haben Absolution sich selbst gegeben, aber bald werden die Mohammedaner aus allen Richtungen dazukommen und schreien bis ihnen alles gegeben wurde. Doch dann wird erst richtig losgelegt, denmn wer Schwäche zeigt ist des Todes! Vielleicht begreift es irgendwann auch mal die Schreiberin dieser Zeilen, das es kein Spass ist auch was Ach der Mekka ruft vom Minarett!

  10. Achmadimekka will Israel vernichten und bei Hagalil stört man sich an kleinen Törtchen. Ob die auch radionuklear sind? Aber Hauptsache man kann ablenken vom wirklichen Bedrohung und Tollerant sein mit Muslime! Ihr Bekloppten Schwachsinnigen!!!

  11. Ziatat:“… meist haben sie es von den Großeltern gelernt oder von älteren Leuten, an deren Türen sie um Süßigkeiten für ihre Tüten bitten…“Zitat Ende
    …und die Großeltern oder älteren Leute wussten wahrscheinlich auch eh von nichts…. die drei Affen… personifiziert in dem Großteil der deutschen Bevölkerung vor 1945 und danach ebenso. 
    Wie gut, dass der 27 Januar grundsätzlich vor Karneval ist.
    Man erteilt sich erst Absolution und kann dann im Februar so richtig närrisch sein.

  12. Vielen Dank für die interessanten Hintergrundinformationen.
    Organisiertes Lachen und Fröhlichsein sind mir  zutiefst zuwider, ebenso so genannte „Späße“ auf Kosten anderer.
    Schade dass sich nicht ermitteln lässt auf welche Zeit diese Sprüche zurückzuführen sind. Ramona, hast Du schonmal versucht diverse Narrenzünfte (z.B. Narrenzunft Rottweil e. V. ) anzuschreiben ? Da sollte man dranbleiben und weiter zu den Hintergründen recherchieren.

    Hier ein kleines und ekliges Beispiel des „rheinischen Frohsinns“: http://www.ksta.de
    So klangen Stimmungslieder in der Karnevalssession 1936: „Hurra, mer wäde jetzt die Jüdde los, die janze koschere Band trick nohm jelobte Land, mir laachen uns for Freud kapott, der Itzig und die Sara trecken fott!“

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