Die EU zieht Grenzen in Nahost

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Wegen Streit um eine Zollgebühr in Höhe von 19.155 Euro und 46 Cent legt der europäische Gerichtshof Staatsgrenzen im Nahen Osten fest. Obgleich das Waffenstillstandsabkommen zwischen Israel und Jordanien, 1949 auf Rhodos unterzeichnet, ausdrücklich keinen Vorgriff auf künftige diplomatische Verhandlungen sein sollte und bestimmte, dass die Waffenstillstandslinie keine Grenze sei, verpasst die EU jetzt per Gerichtsurteil dem Staat Israel jetzt eine „international anerkannte Grenze“. Alles was jenseits der „grünen Linie“ liegt, zählt nicht zum Territorium des Staates Israel. Waren aus 27 israelischen Fabriken in den besetzten Gebieten müssen deshalb in Europa verzollt werden…

Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 25. Februar 2010

Ein ähnliches Abkommen hat die EU auch mit der PLO (Palästinensische Befreiungsorganisation) für Waren aus „dem Westjordanland und Gazastreifen“ abgeschlossen. Einige palästinensische Fabriken stehen aber nicht in den „Autonomiegebieten“, sondern in den von Israel besetzten und exklusiv verwalteten Gebieten. Auch die Felder palästinensischer Bauern liegen nicht in den Stadtgebieten von Hebron, Bethlehem oder Ramallah. Allein dort haben jedoch die Osloer Verträge den Palästinensern eine Selbstverwaltung gewährt.

Der Spiegel schrieb: „Für die israelische Wirtschaft ein Rückschlag – für Menschenrechtler ein Stück weit Gerechtigkeit.“ Diese Angabe macht keinen Sinn, da in den „illegalen Siedlungen“ nur ein Bruchteil der israelischen Exportwaren produziert werden, darunter die Golan-Weine und Kosmetik aus Mineralien des Toten Meeres. Der Spiegel zitiert eine „Augenzeugin“, die gesehen haben will, wie palästinensische Arbeiter zu „Hungerlöhnen“ und unter Schikanen wegen Sicherheitskontrollen in israelischen Fabriken in den Siedlungen arbeiten. Tatsächlich verdienen zehntausende Palästinenser in den Industriezentren der Siedlungen ihren Lebensunterhalt, nachdem Israel infolge der Zunahme der Terroranschläge während der Intifada sein Kerngebiet und Jerusalem für über hunderttausend palästinensische Gastarbeiter gesperrt hat. Der Sieg der Menschenrechtler infolge des EU-Urteils und die nun geschaffene „Gerechtigkeit“, wonach Juden keine Waren aus den besetzten Gebieten zollfrei nach Europa liefern dürfen, trifft in erster Linie palästinensische Arbeiter. Das Urteil stärkt nicht die palästinensische Selbstverwaltung, wie es in den Nachrichtenagenturen hieß, sondern schwächt sie eher, sowie ihr weitere Arbeitslose auf der Tasche liegen. Laut Spiegel verwarf der Luxemburger Anwalt Yves Bot die „krude“ Argumentation der Brita-Anwälte, die Produkte seien auf jeden Fall vom Zoll befreit, da die EU auch mit der Palästinensischen Autonomiebehörde ein Zollfreiheitsabkommen abgeschlossen habe. Jedes der beiden Abkommen habe „einen eigenen räumlichen Geltungsbereich“, entschieden die Richter. Tatsächlich ist in dem Abkommen mit der PLO von 1997 nur diffus von „Westjordanland und Gazastreifen“ die Rede, ohne die israelischen Siedlungen auszunehmen und ohne festzulegen, ob sich das Abkommen allein auf die tatsächlich von den Palästinensern verwalteten autonomen Gebiete beschränkt. Dieses Abkommen sei nicht für israelische Siedler bestimmt, sagte Bot, sondern für die Palästinenser, oder klarer ausgedrückt: Das Abkommen gilt nicht für Juden.

Bei dem Urteil geht es weder um Wirtschaft noch um Gerechtigkeit, sondern um eine politische Einmischung in offene Völkerrechtsfragen und nicht-abgeschlossene Friedensverhandlungen. Das wiederum kann die Chancen für eine friedliche Lösung des Nahostkonflikts eher mindern denn fördern. Ohnehin werden die Leidtragenden überwiegend mal wieder die Palästinenser sein, falls die israelischen Fabriken ins israelische Kernland umziehen sollten. Mit Gewissheit ist dieses Urteil kein geeignetes Mittel, die Israelis davon zu überzeugen, ihre Siedlungspolitik zu beenden.

In Jerusalem leistet sich die EU seit einiger Zeit einen viel schlimmeren Vorgriff auf künftige Friedensverhandlungen. So habe die EU nach Angaben der Jerusalem-Stiftung verboten, jegliche Projekte in Ostjerusalem zu unterstützen, weil die von Teddy Kollek gegründete Stiftung eine israelische Einrichtung sei. Betroffen sind sämtliche Projekte für Völkerverständigung zwischen Juden und Arabern sowie Einrichtungen, die allein den arabischen Bewohnern der Stadt helfen: ein Gesundheitszentrum für Palästinenser in Scheich Jerach, eine arabische Bibliothek und die Hand-in-Hand Schule, wo jüdische und arabische Kinder zweisprachig, auf arabisch und Hebräisch, gemeinsam unterrichtet werden. Um der Gerechtigkeit Willen sollen offenbar die letzten Berührungspunkte zwischen Juden und Arabern zerschlagen werden, damit Jerusalem umgehend wieder geteilt werden kann, wie einst Berlin und heute noch Nicosia oder Belfast.

© Ulrich W. Sahm / haGalil.com

2 Kommentare

  1. Lieber Herr Sahm,
    es ist wieder so ein Artikel bei dem auf der Hagalil-Seite die Gefahr eines endlosen Schlagabtausches der Argumente aufkommen kann. Bei aller Politik und Polemik wäre erstmal interessant zu wissen, wie groß der Streitwert überhaupt war. Wer hat hier gegen wen geklagt? 19.155 Euro und 46 Cent ist zwar eine beeindruckende Zahl. Wieviel Prozent macht der Zoll gegenüber dem Warenwert aus? Was sind die Hintergründe des Rechtsstreits? Guter Journalismus hätte hier mehr Klarheit geschafft und etwas tiefer gebohrt.

    gekürztes Zitat, Quellenangabe unten:
    ————————————–
    Art. 75 Abs. 1 des Assoziierungsabkommens EG–Israel sieht vor:

    Der räumliche Geltungsbereich des Assoziierungsabkommens EG–Israel wird in Art. 83 wie folgt definiert:

    „Dieses Abkommen gilt für die Gebiete, in denen der Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und der Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl angewandt werden, und nach Maßgabe jener Verträge einerseits sowie für das Gebiet des Staates Israel andererseits.“

    Nach Art. 2 Abs. 2 dieses Protokolls gelten als Ursprungserzeugnisse Israels Erzeugnisse, die im Sinne des Art. 4 dieses Protokolls vollständig in Israel gewonnen oder hergestellt worden sind sowie Erzeugnisse, die in Israel unter Verwendung von Vormaterialien hergestellt worden sind, die dort nicht vollständig gewonnen oder hergestellt worden sind, vorausgesetzt dass diese Vormaterialien in Israel im Sinne des Art. 5 dieses Protokolls „in ausreichendem Maße be- oder verarbeitet worden sind“.

    ….

    Die Zollbehörden des Ausfuhrstaats können nach Art. 23 einen Ausführer, „ermächtigter Ausführer“ genannt, der häufig unter das Assoziierungsabkommen EG–Israel fallende Erzeugnisse versendet und jede von den Zollbehörden für erforderlich gehaltene Gewähr für die Kontrolle der Ursprungseigenschaft dieser Erzeugnisse und die Erfüllung der übrigen Bedingungen dieses Protokolls bietet, dazu ermächtigen, Erklärungen auf der Rechnung auszufertigen. Eine solche Erklärung bescheinigt die Ursprungseigenschaft der betreffenden Waren und ermöglicht somit dem Einführer, in den Genuss der Präferenzregelung nach dem Assoziierungsabkommen EG–Israel zu kommen.

    Art. 32 des Protokolls EG–Israel regelt das Verfahren zur Prüfung der Ursprungsnachweise folgendermaßen:

    „(1) Nachträgliche Prüfungen der Warenverkehrsbescheinigungen EUR.1 oder der Erklärungen auf der Rechnung erfolgen stichprobenweise oder immer dann, wenn die Zollbehörden des Einfuhrlands begründete Zweifel an der Echtheit des Papiers, der Ursprungseigenschaft der betreffenden Erzeugnisse oder der Erfüllung der übrigen Bedingungen dieses Protokolls haben.
    — Zitatende —

    Fassen wir vorerst zusammen:
    —————————-
    * Die EU legt nicht die Grenzen in Nahost fest.
    * Es geht u.a. um die Interpretierung des Assoziierungsabkommens EG–Israel.
    In diesem Abkommen ist vom >>Gebiet des Staates Israel<>von Israel verwaltete Gebiete<>Zone<>Gebiet des Staates Israels<< in dem sich der Hersteller/Exporteur befindet.

    und weiter (gekürztes Zitat, Quellenangabe unten):
    ————————————————-
    Mit Schreiben vom 6. Februar 2003 baten die deutschen Zollbehörden die israelische Zollverwaltung um ergänzende Mitteilung, ob die betreffenden Waren in den israelischen Siedlungsgebieten im Westjordanland, im Gazastreifen, in Ost-Jerusalem oder auf den Golanhöhen hergestellt wurden. Dieses Schreiben blieb unbeantwortet.

    Mit Bescheid vom 25. September 2003 lehnten die deutschen Zollbehörden daher die zuvor gewährte Präferenzbehandlung ab, weil nicht zweifelsfrei habe festgestellt werden können, dass die eingeführten Waren unter das Assoziierungsabkommen EG–Israel fielen. Dementsprechend wurde Zoll von insgesamt 19 155,46 Euro nacherhoben.

    Ein Schreiben der Behörden des Westjordanlandes und des Gaza-Streifens, dass es sich bei dem Unternehmen um einen „ermächtigter Ausführer“ handelt, lag den Zollbehörden auch nicht vor.

    Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof …für Recht erkannt:
    ————————————————————

    1. Die Zollbehörden des Einfuhrmitgliedstaats können … eingeführte Gewährung der Präferenzbehandlung verweigern, wenn die betreffenden Waren ihren Ursprung im Westjordanland haben.

    Die Zollbehörden des Einfuhrmitgliedstaats können keine Wahlfeststellung treffen, indem sie die Frage offenlassen, welches der in Betracht kommenden Abkommen, … im vorliegenden Fall anzuwenden ist und ob der Ursprungsnachweis von den israelischen oder von den palästinensischen Behörden stammen muss.

    Die Zollbehörden des Einfuhrstaats sind … nicht an den vorgelegten Ursprungsnachweis und die Antwort der Zollbehörden des Ausfuhrstaats gebunden, wenn diese Antwort im Sinne von Art. 32 Abs. 6 des Protokolls keine ausreichenden Angaben enthält, um den tatsächlichen Ursprung der Waren feststellen zu können. Die Zollbehörden des Einfuhrstaats sind nicht verpflichtet, dem nach Art. 39 dieses Protokolls eingerichteten Ausschuss für Zusammenarbeit im Zollwesen eine Streitigkeit über die Auslegung des räumlichen Geltungsbereichs des Abkommens vorzulegen.
    — Zitatende —

    FAZIT:
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    Es ist nun mal für den Hersteller und auch den Importeur dumm gelaufen.
    Die israelischen Behörden hätten halt nicht von einer Zone sprechen sollen oder das Abkommen rechtlich besser interpretieren müssen.
    Das Gericht ist mit einer solchen Sachlage rechtlich überfordert. Da werden nun europäische Richter in den Strudel der sumpfigen Nahostpolitik reingesogen und sollen Aussagen zur fraktalen Struktur des Westjordanlandes machen. Egal welche Entscheidung die Richter treffen, sie machen sich Feinde. Es ist also keine Bestrafung sondern nur der Wegfall der Präferenzbehandlung für einen Importeurs israelischer Waren. Auch legt die EU nicht die Grenzen des Staates Israel fest.

    In einem Punkt liegt ein totales Versagen vor: Die Hamburger Zollbehörden hätte im Sinne der Diplomatie und der Koplexität der Lage die Bescheinigung nicht hinterfragen sollen. Aber der deutsche Beamte ….

    Es ist nun Zeit für die Diplomaten aller Seiten eine kleine Interpretationsnote zu den Abkommen zu liefern, die uns kompliziert und verklausoliert und unter Wahrung der Scheinheiligkeit eine Lösung für das übersteigerte Infragestellen durch deutsche Beamte liefert.

    Hinweis: Alle nicht näher gekennzeichneten Auszüge stammen aus folgender Quelle und sind dort vollständig nachzulesen (Die Leser werden darauf hingewiesen, dass einige Teile dieser Informationen und Texte durch ein Recht am geistigen Eigentum, insbesondere ein Urheberrecht, geschützt sein können.): http://curia.europa.eu/jurisp/cgi-bin/form.pl?lang=de&jurcdj=jurcdj&newform=newform&docj=docj&docop=docop&docnoj=docnoj&typeord=ALLTYP&numaff=&ddatefs=20&mdatefs=2&ydatefs=2010&ddatefe=27&mdatefe=2&ydatefe=2010&nomusuel=&domaine=&mots=&resmax=100&Submit=Rechercher

    PS:

    Lieber Herr Sahm,
    ich verstehe Ihre ganze Aufregung nicht. Es mag zwar in der Jerusalemer Diaspora unter Zuhilfenahme der Lektüre des Spiegel möglich sein ein Komplott der EU gegen Israel zu konstruieren, doch dem ist nicht so. Leider geht es mit dem Magazin Spiegel derart bergab, dass es solche Themen ausschlachten muss. Ansonsten bleibt denen nur der Griff in die braune Klamottenkiste mit einem Artikel übers Dritte Reich als Lückenfüller.

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