„Institutionelle Befangenheit“: Speyerer Gemeinde nach Karlsruher Richterspruch zuversichtlich

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Speyerer Gemeinde nach Karlsruher Richterspruch zuversichtlich: Bundesverfassungsgericht stoppt Verteilung der staatlichen Fördergelder in Brandenburg…

Von Jürgen Müller, Ludwigshafener Rundschau v. 03.09.2009

Die Zahlungen des Landes an die jüdischen Gemeinden in Rheinland-Pfalz müssen wohl auf eine neue Grundlage gestellt werden: Das Bundesverfassungsgericht hat im Falle des Landes Brandenburg ähnliche Regelungen gekippt. Diese Entscheidung dürfte auch Auswirkungen auf den Dauerstreit zwischen der Jüdischen Gemeinde Speyer und dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Rheinland-Pfalz haben.

Die Potsdamer Landesregierung unterstützt das jüdische Gemeindeleben mit jährlich 200.000 Euro. Empfänger ist der brandenburgische Landesverband der Jüdischen Gemeinden. Ein „Staatsvertrag“ verpflichtet diesen Verband, alle jüdischen Gemeinden in Brandenburg an dieser Summe angemessen zu beteiligen. Und zwar unabhängig von der Frage, ob die Gemeinden Mitglied im Landesverband sind oder nicht.

Dieses Verfahren halten die Karlsruher Richter für verfassungswidrig. Denn damit kann der Landesverband entscheiden, wie groß das Stück vom Kuchen ist, das er für sich selbst abschneidet. Damit werde der Verband „in eine Situation institutioneller Befangenheit versetzt“, kritisierten die Verfassungsrichter in einem bereits Mitte Juni veröffentlichten Beschluss. Mit einer rechtsstaatlichen Verwaltungsorganisation sei so etwas unvereinbar.

In Rheinland-Pfalz wurde Ende 1999 mit dem hiesigen Landesverband der jüdischen Gemeinden ein ähnlicher Staatsvertrag wie in Brandenburg geschlossen. Die Mainzer Landesregierung zahlt danach jährlich 275.700 Euro an den Verband. Der wiederum soll die einzelnen Gemeinden fördern, und zwar gleichgültig, ob sie ihm angehören oder nicht. Nichtmitglieder sind dann laut Staatsvertrag finanziell zu unterstützen, „wenn ihre Aufgaben sowie die Ausübung ihrer Tätigkeit den jüdischen Religionsgesetzen entsprechen und sie eine Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts beanspruchen können“.

Dem Landesverband gehören derzeit die seit der Nachkriegszeit bestehenden fünf jüdischen Kultusgemeinden mit zusammen rund 3000 Menschen an. Darüber hinaus existiert in Speyer seit 1996 eine jüdische Gemeinde mit nach eigenen Angaben inzwischen rund 90 Mitgliedern. Forderungen der Speyerer Gemeinde nach einer Beteiligung an den Fördergeldern des Landes hat der Landesverband bisher abgelehnt. Dessen Rat, man solle doch Mitglied bei der Kultusgemeinde Rheinpfalz werden, wollen wiederum die Speyerer nicht befolgen: Sie pochen auf ihre Eigenständigkeit.

Doch nach dem Verfassungsgerichtsurteil im Falle Brandenburgs ist Juliana Korovai, die Vorsitzende der Speyerer Gemeinde, zuversichtlich: „Wir sind nicht mehr allein.“ Tatsächlich macht man sich auch im Mainzer Kulturministerium längst Gedanken darüber, welche Konsequenzen aus dem Karlsruher Richterspruch zu ziehen sind. Derzeit würden Gespräche über eine länderübergreifende Lösung geführt, heißt es im Ministerium. Möglicherweise müsse neu geregelt werden, wie die Fördermittel zu verteilen sind.

Was das Verfassungsgerichtsurteil für Rheinland-Pfalz bedeutet, dazu möchte sich Peter Waldmann, der Vorsitzende des rheinland-pfälzischen Landesverbandes der jüdischen Gemeinden, als Nichtjurist zumindest derzeit nicht äußern. Wohl aber dazu, was sich seit dem Rechtsstreit mit den Speyerern vor dem Mainzer Verwaltungsgericht im März getan hat. Das Gericht hatte darauf gedrängt, das im Staatsvertrag für den Fall vorgesehene Verfahren zu durchlaufen, dass eine nicht dem Landesverband angehörende Gemeinde an den Fördergeldern beteiligt werden möchte. Zu diesem Verfahren gehört die Prüfung, ob die Aktivitäten der Speyerer Gemeinde den jüdischen Religionsgesetzen entsprechen.

Um objektive Kriterien zu erhalten, was eine jüdische Gemeinde ausmacht, hat Waldmann Rat bei der orthodoxen Rabbinerkonferenz eingeholt. Ergebnis: Regelmäßige Gottesdienste und die Einhaltung der jüdischen Feiertage seien grundlegende Voraussetzungen. Doch seine Bitte, ihm einen Gottesdienstplan vorzulegen, hätten ihm die Speyerer nicht erfüllt. Aus seiner Sicht sei deshalb der vom Verwaltungsgericht erteilte Auftrag abgeschlossen.

Waldmann sei kein Rabbiner, er könne deshalb überhaupt nicht prüfen, ob die Speyerer eine jüdische Gemeinde seien, kontert Juliana Korovai. Außerdem informiere ihre Gemeinde auf einer eigenen Internetseite über ihre Arbeit, über Gottesdienste und Termine. Im übrigen seien auch die alteingesessenen Kultusgemeinden im Land nie in vergleichbarer Weise überprüft worden. Warum solle nun ausgerechnet bei ihrer Gemeinde erstmals ein solches Verfahren durchgezogen werden?

Im übrigen geht die Speyerer Vorsitzende davon aus, dass sich nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes im Falle Brandenburgs das Verfahren vor dem Mainzer Verwaltungsgericht erledigt habe. Deshalb sieht Juliana Korovai auch keine Veranlassung mehr, dem Landesverband noch Unterlagen zur Verfügung zu stellen.