Der „Obama-Effekt“

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Die Absage der internationalen Flugübung mit der Türkei ist keine große Sache. Sie fügt den strategischen Interessen und dem internationalen Stand der Türkei mehr Schaden zu als Israel. Selbst wenn der türkische Premierminister Recep Tayyip Erdogan seine Entscheidung damit erklärt, dass die israelische Luftwaffe während der Operation „Gegossenes Blei“ Kinder mit Phosphorbomben getötet hat, verletzt er die Sicherheitsinteressen seines Landes mehr als diejenigen Israels…

Kommentar von Yoel Marcus, Ha’aretz, 16.10.2009
Übersetzung von Daniela Marcus

Während der Kämpfe gegen die Kurden im Süden der Türkei –die Armenier sollen hier gar nicht erwähnt werden- brachte die angewandte Grausamkeit die Türkei nicht gerade auf die Liste der Kandidaten für den Nobelpreis für Barmherzigkeit. Doch erwarten Sie deshalb bitte keine Fernsehserie zu diesem Thema in Istanbul.

Die Luftübung der NATO unter Teilnahme der US-amerikanischen Armee dient vor allem der Sicherheit der Türkei und deren Streben, der Europäischen Union beizutreten. Doch die Annäherung der Türkei an Syrien bringt sie näher in den Bereich der Achse des Bösen als in die EU. Wenn es Erdogans Absicht ist, die Autorität der türkischen Armee und ihre Fähigkeit, die Demokratie in der Türkei zu verteidigen, zu schwächen, wäre es klug, ihm zu sagen, er solle sich nicht mit dem Erbe von Mustafa Kemal Atatürk anlegen, das die Armee damit betraut hat, sowohl die Demokratie als auch den säkularen Charakter des Regimes zu bewachen. Atatürk würde sich im Grab umdrehen, wenn er sähe, dass die Republik, die er gegründet hat, auf dem Weg zur Mitgliedschaft im Verein der Achse des Bösen ist.

Im Verlauf dieses Jahres musste Israel für seine Ehre und seinen Ruf kämpfen. Es wurde zum Fußabtreter der Welt. Als ob die Kriege im Lauf der Geschichte Israels (durchschnittlich etwa einer in sechs Jahren), zwei Intifadas und zahlreiche Terroranschläge auf Israels zivile Bevölkerung nicht genug an Leiden hervorgebracht hätten, schoss die Hamas acht Jahre lang Kassamraketen und Mörsergranaten auf den Süden Israels.

Niemand hat dagegen seine Stimme erhoben. Niemand bekam deshalb Gewissensbisse. Weder Erdogan noch sonstige mitfühlende Seelen, wo immer sie auch sein mögen.

Hamaskämpfer verübten an Fatahunterstützern im Gazastreifen ein Massaker und die gesamte Welt sah zu, wie die Funktionäre der Fatah von Hausdächern herunter in den Tod gestoßen wurden. Nicht ein islamisches Land verlangte von der Hamas, dieses Massaker zu beenden.

Und wie kommt es, dass kein Goldstone-Komitee errichtet wurde, um die Zerstörung, die die Hamas im Gazastreifen verübte, oder um mörderische Angriffe, die Terrororganisationen auf Frauen und Kinder im Herzen Israels ausführten, zu untersuchen?

Gerade jetzt, da der ägyptische Präsident Hosni Mubarak damit beschäftigt ist, ein Abkommen auszuarbeiten und dabei den vernünftigsten Führer in der Region darstellt, warnt uns der jordanische König Abdullah plötzlich, er plane, seinen Botschafter nach Amman zurück zu beordern.

Bei allem Respekt für seine Majestät, er sollte angesichts der ständigen Bedrohung, dass die Palästinenser sein Königreich überströmen könnten, etwas zurückhaltender sein. Er hat auch keinen Grund, sich über die Verbindung zwischen Syrien und der Türkei zu freuen. Denn es war Syrien, durch das der Iran Raketen und Waffen für die Hamas und die Hisbollah transportiert hat. Und es war Israels Ultimatum, das Syrien daran gehindert hat, während dem Schwarzen September in Jordanien einzumarschieren.

Doch nun findet sich Israel dabei wieder, seine Ehre und seinen Ruf verteidigen zu müssen. Was ist geschehen? Ist wirklich die ganze Welt wieder einmal gegen uns?

Meiner Meinung nach hat sich nur eine Sache wirklich geändert. Es ist das Aufkommen des „Obama-Effektes“ – ähnlich wie die Theorie, dass ein Schmetterling, der in Brasilien mit den Flügeln schlägt, in Texas einen Tornado auslösen kann. In den Augen der Feinde Israels hat die Wahl Barack Obamas etwas, das als felsenfeste Unterstützung Israels durch Amerika betrachtet wurde, in etwas verwandelt, das nicht mehr als selbstverständlich angesehen werden kann.

Wenn der Atommaterial produzierende Ahmadinejad die Schoah eine Lüge nennt, ist es klar, wen er bedroht. Der „Obama-Effekt“ ermutigt den Iran. Dialog? Nichts wie ran! Die Iraner sind für ihre Verkaufskunst bekannt: Wenn jemand den Besitzer eines Teppichgeschäftes nach der Zeit fragt, hat er drei Läufer gekauft, bevor er eine Antwort erhält.

Jeder, der von Obama erwartete, er würde Israel an die oberste Stelle seiner Prioritätenliste setzen, lag falsch. Nach acht Monaten im Weißen Haus kann man sehen, dass sein Gesandter George Mitchell eine Niete gezogen hat. Doch Obama hat nicht die Absicht, Israel zu unterwerfen. Er ist ein Präsident, der an den Dialog glaubt, der jedoch auch resolut sein kann, wenn es nötig ist. Das ist zum Guten Israels.
Netanyahu ging einen Riesenschritt mit seiner Erklärung von zwei Staaten für zwei Völker. Doch das ist nicht genug für sie. Sie wollen immer mehr. Um genauer zu sein, sie wissen selbst nicht, was sie wollen. Wird der Gazastreifen der Gazastreifen bleiben? Und wird das Westjordanland das Westjordanland bleiben? Und wird es keine Einheit zwischen ihnen geben?

Das Problem ist, dass es heutzutage keinen palästinensischen Führer gibt, der im Namen eines palästinensischen Staates sprechen kann. Als sie in Camp David waren, bot Ehud Barak Yassir Arafat etwa 97% der Territorien an, und Arafat war die einzige Person, die die Entscheidungsmacht besaß. Doch anstatt Gespräche zu führen, begann er die zweite Intifada, während der er selbst unter mysteriösen Umständen starb.
Geh nach Washington, war der immer wiederkehrende Rat an Benjamin Netanyahu. Er ging und kam zurück; er ging und kam zurück und bot ihnen an, was er während seiner Rede in der Bar-Ilan-Universität verkündete.

Mahmoud Abbas’ Handeln wird vom Zorn bestimmt. Je mehr wir dem Westjordanland dazu verhelfen, dass es aufblüht und dass die Sicherheit dort funktioniert, desto mehr Böses redet er über uns. Das gilt auch für sein Handeln in Folge des Goldstone-Berichtes.

Doch die Tatsache, dass die Palästinenser wieder einmal eine Gelegenheit verpassen, befreit Netanyahu nicht von der Notwendigkeit, alles nur Mögliche zu tun, um seinen Plan von zwei Staaten für zwei Völker umzusetzen. Nur so kann er als Israels Staatsoberhaupt anerkannt werden.

3 Kommentare

  1. @Dani
    Israel und die USA waren gar nicht gemeint. Syrien und der Iran waren gemeint. Seltsam nur, dass sie auf die Verbündeten der Türkei verweisen.
    Um den Anschluss der Türkei an den „Westen“ geht es hier doch gar nicht. Dem kann ich nur hinzufügen, dass die Türkei den Blick nach Westen schon vor Jahren insgeheim aufgegeben hat, und sich nach Osten orientiert, was auch meiner Meinung nach richtig ist.

  2. @Inan, weder die USA noch Israel haben vor sich mit der Türkei anzulegen.
    Das Problem der Türkei ist, dass es den Anschluss an den Westen nie schaffen wird, vor allem nicht mit fiktiven Intifada Geschichten in TV-Serien.

  3. Die Sicherheit der Türkei hängt nicht an den Manövern mit Israel oder den USA .Wir wissen uns zu verteidigen, gegen JEDEN Feind, auch gegen die, die heute meinen unsere Freunde zu sein, und mit gezinkten Karten spielen.
    Die, die ihr Wort nicht halten, und hinter unserem Rücken schon den nächsten Krieg vorbereiten.

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