27. bis 31. Oktober 2009: Deutsch-israelische Literaturtage in Tel Aviv

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Unter dem Motto „Tel Aviv – Berlin. Leben und Schreiben in den Städten“ sind die dritten deutsch-israelischen Literaturtage als Hommage an die Stadt Tel Aviv konzipiert, die ihren 100. Geburtstag feiert. Sie schlagen den Bogen zu Berlin, das den 20. Jahrestag des Falls der Mauer begeht…

Eingeladen sind vier deutsche und vier israelische Schriftsteller: Marc Buhl, Iris Hanika, Judith Kuckart und Hatice Akyün sowie Orly Castel-Bloom, Alon Hilu, Dror Burstein und Shimon Adaf. Mit Lesungen, Diskussionen und Autorengesprächen in Galerien, Bars und Cafes in Tel Aviv wollen das Goethe-Institut und die Heinrich-Böll-Stiftung nicht nur den Dialog über „Berührungs- und Befremdungspunkte“ anregen, sondern gemeinsam mit dem Literaturpublikum gleichzeitig die Topographie dieser jungen Metropole am Mittelmeer erkunden. Aber auch literarisch sollen neue Perspektiven erschlossen werden, denn nur einer der vier Autorinnen und Autoren beider Länder sind bereits in die jeweils andere Sprache übersetzt.

Unter den vier deutschsprachigen Autoren, die nach Tel Aviv eingeladen wurden, ist Marc Buhl, dessen Roman Drei Sieben Fünf über das Erinnern und Vergessen 2008 erschienen ist. Darin erzählt er die Geschichte eines Antiquitätenhändlers, der nach einem missglückten Selbstmordversuch Teile seiner Erinnerung verliert und glaubt wieder 22 Jahre alt und im Jahr 1989 im Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen inhaftiert zu sein. Auf zwei verwobenen Zeitebenen zeichnet Marc Buhl einen gebrochenen Mann auf der Suche nach sich selbst und seiner Vergangenheit, wobei ihm ein grandioser Roman über die Trennung eines gesamten Landes gelingt. Er wird in Tel Aviv mit Alon Hilu, einem jungen Autor syrischer Herkunft, zusammentreffen, dessen historischer Roman Das Dajani-Haus sich mit den Anfängen der jüdischen Siedlung in Jaffa auseinandersetzt. Anhand der Tagebücher des 12-jährigen prophetisch begabten Salach Dajani erzählt Hilu von der komlexen Beziehung zwischen dem muslimischen, in Jaffa geborenem Kind und dem jüdischen Liebhaber von dessen Mutter – dem aus Russland eingewanderten Zionisten Haim Margaliot Kalvarisky. Hilu hat für seinen ersten Roman, Tod eines Mönchs, den renommierten Sapir-Literaturpreis sowie den Preis des Ministerpräsidenten erhalten.

Die Berliner Autorin Iris Hanika hat mit Treffen sich zwei, das 2008 auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises kam, eine Berliner Liebesgeschichte zwischen einem Systemberater und einer Galeristin verfasst. Die ehemalige politische Redakteurin der „Berliner Seiten“ der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erzählt mit Ironie und Witz, wie zwei unterschiedliche Mittvierziger sich entgegen aller persönlichen Erwartungen im sommerlichen Berlin verlieben. Hanika wird einen gemeinsamen Leseabend mit dem 1970 geborenen Dror Burstein bestreiten, dessen jüngster Roman Verwandt (Karov) von den Kritikern hoch gelobt wurde. Er erzählt von den verzweifelten Versuchen eines Adoptivvaters, die biologischen Eltern seines mittlerweile 38-jährigen Adoptivsohns zu überreden, ihren Sohn zurückzunehmen, damit dieser nach seinem Ableben nicht alleine bleibt . Hier werden Einsamkeit, Trauer um die verstorbene Frau und Mutter und die verzweifelte Suche menschlicher Nähe in der Metropole Tel Aviv thematisiert.

Auch die Schriftstellerin und Regisseurin Judith Kuckart thematisiert in ihrem Roman Der Bibliothekar von 1998 letztendlich die Einsamkeit: Der Protagonist, ein Bibliothekar jenseits der 50, zieht durch die Berliner Clubs auf der Suche nach Liebe – und findet diese in der Person der jungen Stripteasetänzerin Jelena. Seine Liebe zu ihr mutiert schnell zu einer Obsession bis in den Tod. Während Hanika ein fröhliches, sonniges, sommerliches Kreuzberg zeichnet, besteht das Berlin Kuckarts vor allem aus der grauen, trostlosen Umgebung des Bahnhofs Zoo kurz nach der Wende. Judith Kuckart wird in Tel Aviv mit einer der bedeutendsten israelischen Autorinnen, Orly Castel-Bloom, zusammentreffen, deren Erfolgsroman Dolly City im letzten Jahr zu einem der zehn besten hebräischen Bücher seit der Gründung des Staates Israel gekürt wurde. Zudem wurde es in die UNESCO Collection of Representative Works aufgenommen. Castel-Blooms Protagonistin Dolly, die in Kalkutta Medizin studiert hat, aber nun in dem sich im Krieg mit Frankreich befindenden Tel Aviv – oder auch Dolly City – lebt, ist besessen von ihrer Angst vor Krankheiten, ihrem Hass und ihrer obsessiven Liebe zu ihrem Findelkind, ihrem Hass auf die Welt an sich. Dieser bitterkomische, zynische, ja böse Roman beeinflusst bis heute die israelische Literatur maßgeblich.

Die junge deutsch-türkische Journalistin und Schriftstellerin Hatice Akyün erzählt auf ausgesprochen unterhaltsame Art in ihrem neuesten Buch Ali zum Dessert von der Gratwanderung zwischen türkischen Traditionen und deutscher Mentalität und wie sie entgegen aller Erwartungen im hohen Alter von 36 doch noch einen Mann gefunden hat, der ebenfalls als Türke in Deutschland aufgewachsen ist. Sie wird in Tel Aviv mit dem jungen Autor, Lyriker und Musiker Shimon Adaf zusammentreffen, dessen Heldin seines jüngsten Romans Sonnenverbranntes Gesicht aus der von marokkanischen Einwanderern geprägten südlichen Stadt Netivot nach Tel Aviv zieht und dort zu einer berühmten Jugendbuchautorin wird.

Alle deutschen Texte sind eigens für die Lesungen ins Hebräische übersetzt worden. Die Autorengespäche werden in Englisch geführt. Den vier literarischen Abenden geht eine Eröffnungsveranstaltung voran, die das kulturpolitische Umfeld schriftstellerischen Schaffens in Berlin und Tel Aviv ausloten soll. Teilnehmer sind die Kommunalpolitiker Dov Hanin und Franziska Eichstädt-Bohlig sowie die Verleger, Joshua Simon und Jochen Vischer (in Hebräisch und Deutsch mit Simultanübersetzung).

Die fünf Veranstaltungsorte der Reihe stehen beispielhaft für die Vielfalt des kulturellen Lebens in Tel Aviv. Sie machen nicht nur topographisch den Stadtraum zwischen Ben-Yehuda-Staße und Yaffa erfahrbar, sondern sind zugleich nachbarschaftliche Kristallisationsorte der kulturellen Kommunikation unterschiedlicher gesellschaftlicher Formierungen.

Tel Aviv 27.-31.10.2009

Deutsch-israelische Literaturtage 2009
Tel Aviv – Berlin. Leben und Schreiben in den Städten

Eröffnungsabend
Dienstag, 27. Oktober 2009, 20:00 h

Loft Kastiel, Ben Yehuda 32, Tel Aviv

Tel Aviv – Berlin: Raumschiffe, Sonnensysteme und Heimaten
Diskussionspanel
Teilnehmer:
Dov Khenin, Mitglied der Knesset für Hadash (Tel Aviv)
Franziska Eichstädt-Bohlig, Fraktionsvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen
im Abgeordnetenhaus von Berlin
Jochen Visscher, Verleger (Berlin)
Joshua Simon, Schriftsteller, Verleger und Kurator (Tel Aviv)
Moderator: Nir Baram, Schriftsteller (Tel Aviv)
Anschließender Empfang.

Berlin und Tel Aviv, zwei Metropolen mit Geschichte – und Gegenwart: Metropolen des 21. Jahrhunderts, die eine immer stärkere Anziehungskraft auf Menschen aus aller Welt ausüben. Diese Anziehungskraft wirkt wechselseitig, und es sind nicht zuletzt junge Künstler und Intellektuelle aus Israel und Deutschland, deren Wege sich im Luftraum zwischen Tel Aviv und Berlin und in den Städten selbst kreuzen. Woher kommt diese Faszination und was macht sie aus? Wie lebt, arbeitet und regiert es sich in Berlin und Tel Aviv? Wie gehen Politiker, Künstler und Intellektuelle mit den Herausforderungen der Metropole um? Kann man voneinander lernen? Sind beide Städte überhaupt vergleichbar und wie ist ihr Verhältnis zum „Rest“ des Landes? Zum Auftakt der deutsch-israelischen Literaturtage diskutieren Vertreter und Vertreterinnen aus Politik und Kultur beider Städte über diese Themen.

*In Hebräisch und Deutsch, mit Simultanübersetzung

Mittwoch, 28. Oktober 2009, 20:00 h
Das Raumschiff, HaYarkon 70

Schwankende Gestalten
Orly Castel-Bloom (Tel Aviv), „Dolly City“
Judith Kuckart (Berlin/Düsseldorf), „Der Bibliothekar“
Moderatorin: Amalia Rosenblum, Journalistin und Autorin (Tel Aviv)
Witz und Bösartigkeit – Melancholie und Erotik: über die Mutter-Kind-Liebe im gewaltbereiten Tel Aviv und die unmögliche Leidenschaft im grauen Berlin.

Donnerstag, 29. Oktober 2009, 20:00 h
Cafe Yafa, Yehuda Marguza 33

Parallelwelten
Hatice Akyün (Berlin), „Ali zum Dessert. Leben in einer neuen Welt“
Shimon Adaf (Tel Aviv), „Sonnenverbranntes Gesicht“
Moderatorin: Gisela Dachs, Korrespondentin „Die Zeit“ (Tel Aviv)
Eine deutsche Autorin und ein israelischer Autor setzten sich mit den unterschiedlichen Lebenswelten ihrer Wahlheimatstädte und ihrer kulturellen Wurzeln auseinander.

Freitag, 30. Oktober 2009, 16:00 h
Radio Rosco, Allenby 97

Aus der Distanz
Marc Buhl (Freiburg/Berlin), „375“
Alon Hilu (Tel Aviv), „Das Dajani-Haus“
Moderator: Nitzan Lebovic, Universität Tel Aviv
„Berlin Hauptstadt der DDR“ und Jaffa – Literarische Verwurzelungen zweier Metropolen in der Erinnerung.

Mit Cocktails.

Samstag, 31. Oktober 2009, 20:00 h
Joz ve Loz, Jehuda Halevi 51+

Über die Verfertigung der Gedanken beim Laufen
Iris Hanika (Berlin), „Treffen sich Zwei“
Dror Burstein (Tel Aviv), „Verwandt“
Moderator: Amit Marcus, Literaturwissenschaftler (Tel Aviv)
Von den neurotischen Befindlichkeiten der Grosstadtmenschen, der Suche nach dem Glück und dem Umgang mit Trauer – Spaziergänge durch Berlin und Tel Aviv.

Deutsch-israelische Literaturtage in Tel Aviv
Unter dem Motto „Tel Aviv – Berlin. Leben und Schreiben in den Städten“ sind die dritten deutsch-israelischen Literaturtage als Hommage an die Stadt Tel Aviv konzipiert, die ihren 100. Geburtstag feiert. Sie schlagen den Bogen zu Berlin, das den 20. Jahrestag des Falls der Mauer begeht. Eingeladen sind vier deutsche und vier israelische Schriftsteller: Marc Buhl, Iris Hanika, Judith Kuckart und Hatice Akyün sowie Orly Castel-Bloom, Alon Hilu, Dror Burstein und Shimon Adaf. Mit Lesungen, Diskussionen und Autorengesprächen in Galerien, Bars und Cafes in Tel Aviv wollen das Goethe-Institut und die Heinrich-Böll-Stiftung nicht nur den Dialog über „Berührungs- und Befremdungspunkte“ anregen, sondern gemeinsam mit dem Literaturpublikum gleichzeitig die Topographie dieser jungen Metropole am Mittelmeer erkunden. Aber auch literarisch sollen neue Perspektiven erschlossen werden, denn nur einer der vier Autorinnen und Autoren beider Länder sind bereits in die jeweils andere Sprache übersetzt.
* Die Lesungen sind in hebräischer Sprache.
* Die Autorengespräche werden in englischer Sprache geführt.

Goethe-Institut Tel Aviv
Asia House
4 Weizmann
Tel Aviv 61336
Tel.: + 972 3 6060500
info@telaviv.goethe.org
www.goethe.de/telaviv

Heinrich Böll Stiftung
Nahalat Binyamin 24
Tel Aviv 65162
Tel.: +972 3 5167734
hbstl@boell.org.il
http://www.boell.org.il/

Mit:
Shimon Adaf, Hatice Akyün, Nir Baram, Marc Buhl, Dror Burstein, Orly Castel-Bloom, Gisela Dachs, Franziska Eichstädt-Bohlig, Iris Hanika, Dov Khenin, Alon Hilu, Judith Kuckart, Nitzan Lebovic, Amit Marcus, Amalia Rosenblum, Joshua Simon, Jochen Visscher
Kuratorin: Adina Stern
Pressearbeit: Maayan Amir
Projektassistentin: Lea Petermann

In Zusammenarbeit mit:
Cafe Yafa, Das Raumschiff, Joz ve Loz, Loft Kastiel, Radio Rosco

Wir danken unseren freundlichen Gastgebern:
Alon, Alma, Kerem, Keren, Michel, Mohammed, Orit, Oznat, Renen, Sagi