„Reiseeindrücke aus dem östlichen Arbeitsgebiet der Leipziger Judenmission“ von Prediger L. Anacker (1894)

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Das nach wie vor aktuelle Thema Judenmission, das ich bereits in zwei früheren Beiträgen (am Beispiel eines Volksliedes und in einer Gegenüberstellung von Lexikoneinträgen) für haGalil bearbeitet habe, soll heute anhand eines Berichtes eines Missions-Sekretärs aus dem „Jahrbuch der Sächsischen Missionskonferenz für das Jahr 1895“ weiter vertieft werden. Dieser evangelische ‚Heilsbringer‘ vermittelt nicht nur einen Einblick in die diversen Tätigkeiten seiner Organisation, sondern er schildert auch die Lebensbedingungen der Juden in Galizien und in der Bukowina gegen Ende des 19. Jahrhunderts aus seinem ganz besonderen Blickwinkel; zugleich wirft seine Abhandlung ein bezeichnendes Licht auf Selbstverständnis, Anspruch und Einstellung jener Missionare, für die eigenverliebter Deutschnationalismus und evangelisches Christentum ganz offensichtlich den Alles bestimmenden Wertemaßstab darstellten…

Von Robert Schlickewitz

Bekanntlich gibt es bei uns keine zweite, sich bis in die Gegenwart allgemein hohen Ansehens erfreuende Persönlichkeit, die sich abfälliger, ja, gehässiger, Juden gegenüber geäußert hätte als jener „zweite Gott der Protestanten“, als der Reformator Martin Luther. Sein geradezu fanatischer Antijudaismus der späten Lebensjahre, der in Forderungen nach Verbrennen und Vertreibung von Juden gipfelte, war im Wesentlichen auf die für ihn schmerzliche Erkenntnis zurückzuführen, dass (seiner Ansicht nach) zu wenige Juden Bereitschaft erkennen ließen, die „Herrlichkeit unseres Herrn Jesu“ anzuerkennen. Dabei hatte der gleiche Martin Luther noch 1523 voller Eifer und Überzeugung Gewaltmission von Juden verurteilt und dafür geworben Juden aus ihrer eigenen Bibel heraus zu überzeugen.

Mit seiner berüchtigten Polemik von 1543 „Von den Juden und ihren lügen“ jedenfalls legte er jenes so nachhaltig wirkende, sich von so schwerwiegender Tragweite erweisende Fundament für judenfeindliches Verhalten, Judenhass und Judenmord bei weiten Kreisen der deutschen Bevölkerung. Indem er stereotype Schlagworte prägte und klischeefördernde Behauptungen aufstellte (halsstarrige, unverbesserliche, satanische Juden, Juden als Mörder von Christen, als „Plage, Pestilenz und eitel Unglück“ etc.), indem er diese Behauptungen religiös begründete und ihnen kraft seiner exponierten Stellung auch noch ein besonderes Gewicht verlieh, sorgte er auf Jahrhunderte dafür, dass Judenfeinde in nahezu allen Bereichen deutschen Lebens, in der Religion wie in der Politik wie im Wirtschaftsleben, ja selbst im täglichen Umgang von Mehrheit und Minderheit, sich auf ihn, den Stifter einer Konfession, berufen konnten, wenn sie schlimmste Untaten begingen, wenn sie gegen die elementarsten Gebote ihrer eigenen Religion verstießen, wenn sie die Grenzen zwischen Moral und Unmoral nach Gutdünken selbst zu setzen sich anmaßten.

Protestantische Theologen versuchen zwar seit 1945, Papier ist geduldig, immer wieder aufs Neue die Schuld ihres erfreulicherweise inzwischen (wieder) umstrittenen ‚Idols‘ zu relativieren und werden dabei nicht müde selbst die gewagtesten Schutzbehauptungen aufzustellen, die alle beweisen sollen, „So war’s nicht gemeint…“, aber nichts Geringeres als unsere ureigenste deutsche Geschichte widerlegt bereits im Ansatz ihre vergeblichen Anstrengungen.

Der andere große Reformator, Johannes Calvin, beschritt gedanklich einen Pfad in ähnlicher Richtung, indem er einen scharfen Trennstrich zwischen dem biblischen Volk Israel und dem nachchristlichen Judentum zu ziehen forderte. Mit anderen Worten, Gnade und ewiges Heil käme ersteren zu, bliebe jedoch zweiteren versagt. Zumindest Gottes Segen befand er die Juden seiner Zeit für würdig. Spätere reformatorisch gesinnte und tätige Theologen wie Martin Bucer und Johannes Coccejus milderten die Sichtweisen ihrer Vorgänger insofern ab, als dass sie den Juden doch noch ein Eckchen in Gottes Heilsplan zugestehen wollten, vorausgesetzt diese beendeten endlich ihre „Verstocktheit“ und gäben ihr Judentum auf. Das Resultat blieb indes das gleiche.

Der Dreißigjährige Krieg (1618-48) wird religionsgeschichtlich mit dem Pietismus in Verbindung gebracht, einer Strömung, die die Judenmission als eine ihrer wesentlichsten Bestrebungen ansah. Pietismusrepräsentanten wie Philipp Jacob Spener, Esdras Edzardus, Johann Christoph Wagenseil, Johann Heinrich Callenberg, August Hermann Francke und Graf Zinzendorf sind Persönlichkeiten des 17. und 18. Jh. gewesen, die als Gelehrte, oft mit Hebräisch- und Talmudkenntnissen ausgestattet, jeder auf seine Weise und mit unterschiedlichem Erfolg, Judenbekehrung betrieben. Callenberg fällt dabei der, in protestantischen Augen, Verdienst, zu, mit der Gründung des Institutum Iudaicum in Halle/Saale der Judenmission eine ganz besondere eigene Basis verschafft zu haben, denn diese Einrichtung erforschte, bei sehr einseitiger Ausrichtung, versteht sich, nicht nur das Judentum, es bildete ferner Missionare aus, die u. a. in Kleinasien, Palästina und Ägypten zum ‚Einsatz‘ kamen. Ihr Erfolg freilich hielt sich in bescheidenstem Rahmen. Auf Zinzendorf geht die Gründung der Herrnhuter Brüdergemeinde zurück, die ihre Bekehrungen unter böhmischen und niederländischen Juden betrieb.

Das Zeitalter der Aufklärung mit seiner Auffassung von der auf menschlicher Vernunft aufbauenden Erkenntnis des Einzelnen, mit seinem angestrebten Ideal der Toleranz, ließ ab der zweiten Hälfte des 18. Jh. Bekehrung als nicht mehr zeitgemäß erscheinen. Jedoch ähnelt die Entwicklung der Kultur des Menschen gewöhnlich einer Sinuskurve mit Auf- und Abschwüngen, und so hatte der Aufklärung mit ihren größeren individuellen Freiheiten eine Epoche mit entgegengesetztem Wertesystem zu folgen.

Kolonialismus und Nationalismus gelten als ganz typische Erscheinungen des 19. Jahrhunderts und in dieser Zeit erlebte auch die Judenmission eine Wiederbelebung, ja, mehr noch, sogar einen regelrechten Aufschwung. Beteiligt waren nun (fast) alle europäischen Nationen und neuerdings auch die Nordamerikaner; sie gründeten ihre nationalen Missionsgesellschaften, deren Mitarbeiter sie weltweit einsetzten. Meist wurde dabei nun nicht mehr zwischen Völkermission und Judenmission unterschieden, man missionierte (oder versuchte es zumindest) alles, was noch nicht christlich war. Bisweilen kam es dabei zu frühen internationalen Kooperationen: in Jerusalem war das gemeinsame preußisch-anglikanische Bistum angesiedelt, dem ab 1841 der jüdische Konvertit Bischof Michael Salomo Alexander voranstand. Die Berliner Israelmission (Gesellschaft zur Beförderung des Christentums unter den Juden, 1822) ist ebenfalls auf internationalen Austausch zurückzuführen, sie wurde vom britischen Botschafter Sir George Rose angeregt. In ihre Geschicke eingebunden waren im Übrigen preußische Adelige und der Erweckungstheologe August Tholuck. Zwar gelang es dieser Gesellschaft 1824 in Berlin Massentaufen von Juden vorzunehmen, jedoch nicht die Getauften zu einer Abkehr von ihren jüdischen Traditionen zu veranlassen.

Ganz ähnliche Tätigkeiten entwickelten einzelne Landeskirchen mit ihren entsprechenden judenmissionarische Unterorganisationen, wie zum Beispiel dem Rheinisch-Westfälischen Verein für Israel (ab 1843); ferner existierten noch der von Franz Delitzsch 1871 gegründete Evangelisch-Lutherische Centralverein für Mission unter Israel und das 1883 von Hermann Leberecht Strack ins Leben gerufene Berliner Institutum Iudaicum (bis 1939) mit Zweigstellen in vielen deutschen Städten.

Besonders in der Epoche des deutschen Kolonialismus‘ (1884 bis 1914) kennzeichnete die deutschen Missionstheologen und ihre Gesellschaften ein von unterentwickeltem Selbstbewusstsein kündender, lächerlicher Nationalismus, von dem Jahrbücher sowie weitere Zeitdokumenten heute noch Zeugnis ablegen („Das deutsche Volk, das im Reformationszeitalter der Welt das Evangelium zurückgegeben hat, hat sicher auch heute den Weltberuf, der Menschheit das Christentum … zu bringen.“ bzw. „Deutsches Christentum, das sei die wahre Losung des nationalen Gedankens in der Mission.“ Julius Richter, Berliner Missionswissenschaftler, 1915). Eng verbunden mit diesem Zug war eine vehement antijudaistische Orientierung.

Die Weimarer Republik brachte diesbezüglich keine Kurskorrektur mit sich; vielmehr erkannten manche Judenmissionare den zunehmenden Antisemitismus als neue Chance, die es zu nutzen galt, um das Werk „der Bekehrung Israels“ zu vollenden.

An den unten wiedergegebenen Ausführungen des Predigers Anacker fällt zunächst auf, dass dieser nicht in der Lage war, alle Menschen als gleichwertig (vor Gott) anzusehen, sondern dass er vielmehr seine eigenen, deutschen Landsleute auf geradezu peinliche Weise erhöhte bzw. verklärte. Somit verhält er sich ganz zeittypisch, wie oben gezeigt wurde.

Die persönlichen Eindrücke des Missions-Sekretärs vom Leben der Juden im Osten erscheinen heute nur auf den ersten Blick hin als wirklich gewinnbringende Informationen. Denn, bedauerlicherweise erweist sich Anacker als alles Andere als ein neutraler Beobachter, vielmehr beschreibt er wertend und dies häufig verbunden mit einem negativen Unterton. Seine kaum zu zügelnde, christlich-deutsche Arroganz sowie seine blinde Ignoranz gegenüber der anderen Religion hinterlassen einen schalen Nachgeschmack.

Es waren in ihrem tiefsten Innern letztendlich doch judenfeindlich gesinnte Missionare, wie Anacker, deren schriftliche Erkenntnisse wenige Jahrzehnte später das Judenbild der „Deutschen Christen“ aber auch der Oberen und Getreuen der „Bekennenden Kirche“, jener beiden großen protestantischen ‚Sammelbecken‘ während des „Dritten Reiches“, mit formen halfen.

Ja, auch Pfarrer der „Bekennenden Kirche“, die doch gemeinhin als Gegnerin des Nationalsozialismus‘ gilt, bedienten sich in nicht geringer Zahl der Eidesformel „Ich … schwöre …, daß ich als ein berufener Diener im Amt der Verkündigung …, dem Führer des Deutschen Volkes und Staates Adolf Hitler treu und gehorsam sein … werde.“ und es waren bekennende Christen, die sich immer wieder auf die judenfeindlichen Lehren Martin Luthers beriefen, wenn sie die rassistische Gesetzgebung der Nationalsozialisten verteidigten oder sich für Judenverfolgung aussprachen.

Die Deutschen Christen lehnten die Judenmission in ihren Gründungsstatuten von 1932 ab, mit für sie naheliegender Begründung: „In der Judenmission sehen wir eine schwere Gefahr für unser Volkstum. Sie ist das Eingangstor fremden Blutes in unseren Volkskörper. Sie hat neben der Äußeren Mission keine Daseinsberechtigung. Wir lehnen die Judenmission in Deutschland ab, solange die Juden das Staatsbürgerrecht besitzen und damit die Gefahr der Rassenverschleierung und Bastardisierung besteht.“ Sie forderten anlässlich der Preußischen Kirchenwahlen, ebenfalls 1932, darüberhinaus dazu auf, die Judenmission einzustellen und Ehen zwischen „Deutschen und Juden“ zu verbieten.

Der evangelische thüringische Landesbischof Martin Sasse konnte von keinem Gläubigen ernsthaft angefochten 1938 Luther wie folgt zitieren: „Wenn ich einen Juden taufe, will ich ihn an die Elbbrücken führen, einen Stein um den Hals hängen und ihn hinab stoßen und sagen: Ich taufe dich im Namen Abrahams.“

„Reiseeindrücke aus dem östlichen Arbeitsgebiet der Leipziger Judenmission.

Das Bedürfnis, aus eigener Anschauung das östliche Arbeitsgebiet unsrer Mission kennen zu lernen und mit den Brüdern draußen über die Arbeit mich auszusprechen, war der Anlaß zu meiner im Auftrage des Direktoriums des ev.-luth. Zentralvereins für Mission unter Israel von Ende Mai bis Anfang Juli nach Galizien und der Bukowina unternommenen Reise, deren Eindrücke ich hier wiederzugeben mir erlaube, in der Hoffnung, damit die Teilnahme für unsre Arbeit auch in unserm lieben Sachsenlande fördern zu helfen.

Die Bevölkerung des Landes, deren Zusammensetzung und Charakter für unsre Arbeit von Bedeutung ist, besteht aus Polen und Ruthenen, Juden und Deutschen. Den vier Nationalitäten entspricht in der Hauptsache die Konfession, bez. Religion, indem uns Römisch- und Griechisch-Katholische, Juden und Evangelische begegnen. Die Führerschaft haben in Galizien die Polen, und auch in der Bukowina, die noch mehr deutschen Charakter trägt, suchen sie immer weiter vorzudringen. Die Ruthenen bilden die Landbevölkerung und stehen zumeist noch auf einer geringen Stufe der Bildung. Ihre Dörfer machen einen armseligen Eindruck im Vergleich mit den deutschen Kolonien. Die Stellung der Deutschen ist leider eine sehr schwierige. Sie haben für ihre Nationalität und für ihren Glauben einen schweren Kampf zu bestehen, und es ist zu bewundern, daß sie sich bisher beides bewahrt haben. Am 9. und 10. Juni wohnte ich dem Jahresfest des Zweigvereins der Gustav-Adolf-Stiftung in Galizien und der Bukowina, welches in Lemberg stattfand, bei und hatte hierbei Gelegenheit, aus dem Munde der Geistlichen und Gemeindevertreter die Klagen über die Notstände zu hören. Besonders groß ist die Not der Schulen, eine ganze Anzahl droht die Behörde wegen Baufälligkeit zu schließen; den Gemeinden fehlt das Geld, die notwendigen Änderungen vorzunehmen; zumal sie trotz des Besitzes einer eigenen Schule auch die katholische Schule mit unterhalten müssen. Verlieren sie aber die eigene Schule, so ist die Gefahr groß, daß die Kinder durch die katholische Schule der katholischen Kirche zugeführt werden. Eine weit größere Gefahr für die evangelische Kirche scheint mir jedoch darin zu liegen, daß die Zahl der zu einer Pfarrei gehörenden Gemeinden zu groß und darum die rechte Versorgung derselben nicht möglich ist. Wie kann eine Gemeinde leben, wenn nur zwei- bis viermal im Jahre ihr Pfarrer zu ihr kommt, um zu predigen und die nötigen Amtshandlungen zu verrichten? Hiermit hängt der Übelstand zusammen, daß Kinder evangelischer Eltern vom katholischen Priester getauft und dabei bisweilen auch katholisch immatrikuliert werden, so daß es später große Schwierigkeiten macht, sie für die evangelische Kirche zu reklamieren. Es ist bei dieser Lage der Dinge dringend erwünscht, daß an Orten, wo die evangelische Kirche Galiziens und der Bukowina keine Pfarr- und Vikarstelle hat und auch die Mittel zur Gründung fehlen, vorläufig von anderer Seite Hilfskräfte eingestellt werden, etwa vom Gustav-Adolf-Verein oder vom luth. Gotteskasten, wie es in Stanislau durch den dänischen Verein für Israelsmission geschehen ist. In Stanislau zeigt es sich, wie segensreich solche Hilfe ist und wie dankbar sie von der Gemeinde und von der Kirchenbehörde angenommen wird. Daß eine Judenmissionsgesellschaft in dieser Weise der deutschen evangelischen Gemeinde die Hand zur Hilfe bietet, darf uns nicht wundern, da es einerseits eine mit Recht von jüdischer Seite der Mission entgegengehaltene Frage ist: ‚Warum kommt ihr zu uns und wollt uns besser machen, kümmert euch aber nicht um eure eigenen Leute?‘ und da andrerseits die Hebung des Glaubenslebens unter den Evangelischen für die Judenmission selbst von Vorteil sein wird. Denn das ist gewiß, wenn die Juden dort etwas von der Macht des Evangeliums spüren sollen, so kann dazu weder die römisch-katholische noch die griechisch-katholische Kirche helfen, sondern allein die auf dem Worte Gottes gegründete und in ihm lebende evangelische Gemeinde. Wenn der seitens des ev.-luth. Zentralvereins in Lemberg gemachte Versuch in die Arbeit an der evangelischen Kirche mit einzutreten, fehl geschlagen ist, so lag dies neben andern Ursachen gewiß mit daran, daß es sich hier um Übernahme der schon vorher geregelten Stelle eines Hilfsgeistlichen handelte, so daß das Bemühen hierum weniger als willkommene Hilfe, als vielmehr als Eindringen Fremder erscheinen konnte.

Wenden wir unsre Blicke den Juden zu, so ist ja über sie schon verschiedentlich, z. B. in: Faber, Der Kampf des Lichts mit der Finsternis unter den Juden Osteuropas (Schriften des Inst. Jud. Nr. 29) und im Jahrbuch von 1893, geschrieben worden, so daß ich vom Allgemeinen absehend nur Ergänzendes aus meiner Beobachtung hinzufügen will. Daß es unter der großen Menge der Juden Galiziens auch reiche und wohlhabende giebt, wird nicht zu leugnen sein, aber im großen und ganzen scheint viel Armut und Elend unter ihnen zu herrschen. Das Judenviertel in Krakau bietet einen armseligen Anblick dar. Dasselbe ist übrigens, wie mir mein freundlicher Führer, Prediger Pick in Krakau, mitteilte, im Frühjahr dieses Jahres der Gefahr einer blutigen Judenhetze ausgesetzt gewesen. Ein Jude war am Purimfest als römischer Priester verkleidet mit dem Allerheiligsten durch die Straßen gegangen, so daß mancher Katholik auf das Läuten der voranschreitenden Knaben hin seiner Verehrung Ausdruck gegeben hatte. Dafür sollte anläßlich der Kosciuskofeier Rache genommen werden, die nur durch militärische Bewachung des Judenviertels vereitelt wurde. Die Beschäftigung der Juden ist nicht auf den Handel beschränkt, sondern sie suchen auch als Handwerker, Fuhrleute, Ackerbauer ihren Lebensunterhalt zu erwerben. Was ihre geistige Bildung betrifft, so ist deutlich zu merken, daß die Bildung des Westens bei ihnen Fortschritte macht und der Beschränkung auf talmudische Kenntnisse Abbruch thut. Es darf als äußeres Merkmal hierfür angesehen werden, daß in der Kleidung sich ein Zug zum Modernen zeigt, so daß vielfach neben den Puies der lange Kaftan verschwindet und an die Stelle der sabbathlichen Pelzmütze der Cylinderhut tritt. Noch deutlicher zeugt von dem Eindringen eines anderen Geistes der Umstand, daß in Lemberg seit zwei Jahren ein sozialdemokratisches Blatt „Der Arbeiter“ in Jargon und mit hebräischen Lettern erscheint und gelesen wird. Auch im gottesdienstlichen Leben finden wir die Zeichen einer neuen Richtung. Die ‚Tempel‘ erstehen neben den orthodoxen Synagogen als Versammlungsstätten der Reformer. Sie zeichnen sich vor den alten Synagogen durch die größere Ruhe und Ordnung, die in ihnen herrscht, aus. In Czernowitz versieht ein Portier mit Dreimaster, breitem Bandelier und langem Portierstab den Ordnerdienst. Die Stellen der Liturgie, welche sonst von der ganzen Gemeinde laut mitgesprochen worden, werden hier von einem zu beiden Seiten des Lesepultes (Altar) stehenden Sängerchor vorgetragen, dessen Glieder mit schwarzen Chormänteln und Baretts bekleidet sind. Die Gebetsmäntel werden nicht in ihrer ganzen Breite um Schulter und Rücken, sondern zu einem Shawl zusammengefaltet nur um den Rücken gelegt, so daß die beiden Enden rechts und links auf der Brust herunterfallen. Die betrübendste Erscheinung bei dem jüdischen Gottesdienst ist die geringe Achtung und Aufmerksamkeit, die dem Verlesen der Torah, des Gottes-Wortes, besonders in den orthodoxen Synagogen, entgegengebracht wird. Man unterhält sich und lacht sogar während desselben. In Czernowitz erhielt ich, nachdem die Torah-Lesung beendet und die Torahrolle, von denen, die sie erreichen konnten, geküßt, wieder in den Schrein gebracht war, von dem hinter mir sitzenden Juden einen freundschaftlichen Stoß mit der Bemerkung, jetzt müsse ich aufstehen, denn jetzt komme das Gebet für den Kaiser. So wird der Kaiser im Gottesdienste mehr geehrt als Gott.

Einen Eindruck davon, wie doch auch noch alte Anschauungen fest wurzeln, hatte ich in dem kleinen rumänischen Städtchen Podul Iloi bei Jassy. Ich besuchte diesen Ort mit einem Missionar der Berliner Gesellschaft, Gottlieb in Jassy. Derselbe wollte bei der Gelegenheit das Haus des Rabbiners photographieren und hätte gern diesen selbst mit auf das Bild gebracht. Aber er weigerte sich entschieden und hüllte, als ihm Dr. Gottlieb den photographischen Apparat zeigen wollte, ängstlich sein Gesicht in den Talith, indem er rief: ‚Ich will nicht, ich will nicht.‘ Diese Angst beruht auf der Auffassung des Verbotes: ‚Du sollst dir kein Bildnis machen oder irgend ein Gleichnis‘, als ob damit auch das Abbilden des Menschen verboten sei. Nach derselben Auffassung findet sich in einer alten, rings mit Bildern geschmückten Synagoge Lembergs auf keinem der Bilder eine menschliche Gestalt. Die Strenge des rumänischen Rabbiners zeigte sich auch darin, daß er mir als einem Goi Hand und Gruß verweigerte.

Gelegenheit, jüdische Anschauungen über die Mission zu hören, hatte ich in Boryslav und Drohobycz, wo ich zwei schon von P.(rediger) Faber mehrfach aufgesuchte Juden besuchte. In dem einen fand ich einen Mann, dem es viel Kummer bereitet, daß sein Volk so wenig auf Gottes Wort hört. Er versucht selbst durch Vorträge dagegen zu arbeiten. Betreffs der Mission meinte er, wenn wir eine Kolonie gründeten, in die wir nur wirklich fleißige Leute aufnähmen, oder für Ausbildung von Juden sorgten, so würden wir gewiß Erfolge haben. Aber wenn wir nur das Heil der Seelen wollten, da sei unter den Juden nichts zu machen. ‚Wir haben dafür keine Zeit, wir haben unsre Geschäfte und Sorgen; wir brauchen zwar auch für dieses Leben einen Gott, der für uns sorgt, aber was dann wird, das weiß Gott allein.‘ Der andere Jude neigte mehr der Ansicht zu, daß das Judentum Christum annehmen müsse, anstatt in eine der bestehenden Sonderkirchen überzugehen, und bedauerte es, daß seine Söhne sich so wenig mit hebräischer Sprache und Litteratur befaßten. Daß man sonst für Erhaltung hebräischer Sprachkenntnis sorgt, darüber belehrte mich ein liebliches Bild in einer Lemberger Synagoge. Ich kam mit Br. Zöckler am Schluß des Pfingstgottesdienstes dahin; wir sahen da einen würdigen Greis von 70 Jahren stehen, der sein 4-5 jähriges Söhnchen hebräisch lesen ließ und mit Stolz erzählte, daß dasselbe schon von 600 hebräischen Wörtern die deutsche Bedeutung wisse, was er sogleich durch ein kleines Examen zu beweisen suchte. Ein Blick in die Augen des Knaben zeigte freilich, wie sehr dieselben schon in dem zarten Alter überanstrengt waren. Für Erhaltung hebräischer Sprache und Litteratur treten besonders die Zionisten ein, eine Partei unter den österreichischen Juden, die auch in Galizien ihre Anhänger hat. Sie hält das nationale Banner in Israel hoch und setzt sich die Wiedergewinnung Palästinas für die Juden zum Ziel; ein vergebliches Bemühen freilich, so lange die Erkenntnis fehlt, weshalb Jerusalem zerstört wurde, und so lange die reuevolle Rückkehr zu Gott fehlt. Eben damit bietet aber diese Bewegung einen Anknüpfungspunkt für die Mission, indem sie auf diesen Mangel aufmerksam machen muß.

Damit wende ich mich zu einem Blick auf unsre Arbeit in Galizien und in der Bukowina. Ihre Erfahrungen und ihre Bedürfnisse sind außer im Privatgespräch in einer in Czernowitz abgehaltenen Konferenz von mir mit den Brüdern draußen besprochen worden. An derselben nahmen außer mir Kandidat Vollert – Czernowitz, Prediger Zöckler – Stanislau, der von dem dänischen Verein für Israelmission angestellt ist, aber einen Teil seines Gehaltes vom Zentralverein empfängt, und der christgläubige Israelit Lucky – Stanislau, der unabhängig von jeder Gesellschaft unter seinen Brüdern arbeitet, teil.

Die Besprechung suchte zuerst die Frage zu beantworten: Wie haben wir uns solchen Juden gegenüber zu verhalten, die sich aus freien Stücken entweder a) in offenbar unlauterer oder b) in scheinbar lauterer Absicht an uns behufs Übertritts zum Christentum wenden? Auf Grund des Referates des Verfassers, in welchem betont wurde, daß es sich hier nicht um missionarische, sondern um seelsorgerische Arbeit handele, und der Begriff ‚unlauter‘ als gleichbedeutend mit ‚aus irdischen Gründen‘ (Stellung, Heirat, Antisemitismus u. dgl.) bezeichnet wurde, einigte man sich nach längerer Besprechung in Annahme folgender zwei Sätze: 1) Es ist eine Thatsache, daß die Juden, welche die Missionare und Pastoren in gegenwärtiger Zeit behufs Übertritts zum Christentum aufsuchen, fast durchgängig nicht von Heilsverlangen, sondern von unlauteren oder jedenfalls von ungeistlichen Motiven getrieben werden. 2) Um des Namens Christi willen und um der Seelengefahr der Betreffenden willen sind alle derartigen Übertrittsabsichten von vornherein auf das Bestimmteste und Klarste zurückzuweisen. Daß wir aber gleichzeitig keine Gelegenheit unbenutzt lassen, um auf das Gewissen solcher Leute einzuwirken, versteht sich für Jünger Christi, besonders wenn sie noch eine speziellen Berufung als Missionare oder Pastoren haben, von selbst. – Die in These 1 ausgesprochene Behauptung wurde durch mannigfache Beispiele seitens Vollert und Zöckler bewiesen. (Sie wurde übrigens vor kurzem dem Schreiber dieses gegenüber auch von einem Missionar einer anderen Gesellschaft aufgestellt). Es macht einen merkwürdigen Eindruck, wenn man hört und liest, wie die Leute es gleichsam als eine Gefälligkeit ansehen, für die sie Lohn beanspruchen können, wenn sie sich taufen lassen. Die schon mehrfach geübte Zurückweisung hat aber den guten Erfolg, daß die Juden einen Eindruck davon gewinnen, daß die Taufe kein Handelsobjekt und kein Mittel zur Erreichung irdischer Vorteile ist, sondern daß es sich bei ihr um die höchsten Güter für Zeit und Ewigkeit handelt. Es wäre dringend zu wünschen, daß man überall, wo sich Juden zur Taufe melden, recht langsam und ernstlich prüfend vorgehe, denn es ist weder der Kirche, noch den betreffenden Juden geholfen, wenn letztere ohne jede innere Überzeugung, ohne jede Sündenerkenntnis, ohne Buße und Glauben zur Taufe zugelassen werden. – Die Beantwortung der zweiten Frage b) konnte wegen vorgerückter Zeit nicht abgeschlossen werden; doch war man soweit einig, daß es auch hier gelte, die betreffenden Juden auf die große Bedeutung ihres Schrittes aufmerksam zu machen und sie unter treuer Seelsorge und ernstem Gebet in der christlichen Lehre und dem christlichen Glauben zu unterweisen, wobei der Zusammenhang zwischen dem Christentum und dem alttestamentlichen Judentum hervorzuheben und der Jude zur Treue gegen sein Volk zu ermahnen sei.

Bei der in These 1 festgestellten Thatsache ergiebt es sich als Pflicht der Mission, denen nachzuspüren, die ernstlich nach der Wahrheit forschen, die sich aber von der falsch verstandenen und als größten Feindin betrachteten Mission fernhalten. Daß es solche suchende Seelen giebt, haben unsre Freunde im Osten mit Freude zu erfahren Gelegenheit gehabt. Im Zusammenhang mit der Frage, wie man diesen Leuten näher kommen kann, stand der zweite Verhandlungsgegenstand, über den Br. Lucky referierte: ‚Was können wir thun, um auf litterarischem Wege der Evangelisation Israels vorzuarbeiten?‘ – Es handelt sich für die Mission nicht nur darum, einzelne Seelen zu gewinnen, sondern die Rückkehr Israels zu seinem Herrn und König vorzubereiten, also dahin zu wirken, daß die Frage: ‚Was dünket euch um Christus?‘ in Israel lebendig werde. Dazu ist einer der geeignetsten Wege der litterarische, denn die Juden sind ein Litteraturvolk. Aber es fehlt an der rechten Litteratur. Um sie zu schaffen, gilt es erst einzudringen in den Geist des Volkes. Die litterarische Thätigkeit wird sich dann teilen in die journalistische, die teils friedestiftend und aufklärend zu wirken, teils auch direkt an der Verbreitung christlicher Gedanken unter den Juden zu arbeiten hat, ferner in die wissenschaftliche, die gediegene wissenschaftliche Werke hervorbringen muß, und endlich die belletristische, der ebenfalls eine wichtige Aufgabe zufällt. Sie hat besonders judenchristliche Entwicklungen psychologisch zu schildern (vgl. Elisabeth Frey: The Lion of Juda oder Naomi). – Eine derartige litterarische Thätigkeit wird die betreffenden Schriftsteller auch in Beziehung zu einzelnen Juden bringen und ihnen Gelegenheit zu persönlicher Aussprache verschaffen. In der Besprechung wurde besonders auf Delitzsch als auf das rechte Vorbild für solche litterarische Arbeit hingewiesen.

Als dritter Referent sprach Br. Vollert über Judenmission und Evangelisation. Wie die Apostel des Herrn, auch der Heidenapostel Paulus, sich zuerst an die Juden wendeten, so erweist es sich umgekehrt als Weg der Judenmission in Galizien bei den deutschen evangelischen Gemeinden zu beginnen; es gilt das vielfach abgestorbene Leben wieder zu wecken. Erwacht dieses, so wird es auch an den Seiten grünen und blühen; auch Israel wird davon berührt werden (…). Freilich soll dies nicht der einzige Weg oder der beste sein. Das Beste ist, wenn ein gläubiger Jude den Juden das Evangelium verkündigt. Auch heidenchristliche Boten werden nur dann etwas ausrichten, wenn sie sich assimilieren; die unsern also, wenn sie denen, die unter dem Gesetz sind, als unter dem Gesetz werden.

Die zuletzt von Br. Zöckler behandelte Frage: ‚Ist es ratsam, daß Lemberg wieder besetzt werde?‘ wurde verneinend beantwortet, dagegen auf einen anderen Punkt, an dem eine Anknüpfung möglich wäre, hingewiesen.

Die Stunden brüderlichen Zusammenseins in Czernowitz bildeten den Höhepunkt meiner Reise. Die Liebe zu Israel, die uns zusammengeführt, fand in den erbaulichen Betrachtungen und Gebeten, mit denen wir die Verhandlungen begannen und schlossen, ihren Ausdruck. Die Größe und die Schwierigkeit unsrer Aufgabe, nicht nur in Galizien und der Bukowina, sondern in der Judenmission überhaupt, traten uns vor die Seele; aber nicht entmutigt, sondern freudig und gestärkt zu weiterer Arbeit gingen wir auseinander, in der Hoffnung, daß der Herr sich zu unserm schwachen Werke bekennen und ihm Seinen Segen geben werde.
Die lieben Missionsfreunde aber bitten wir, auch weiterhin unsrer Arbeit in treuer Fürbitte zu gedenken und den Herrn der Ernte anzurufen, daß er Arbeiter in Seine Ernte sende, damit das Werk nicht stillstehe, sondern sich weiter ausbreiten könne.

Leipzig, Oktober 1894 P. L. Anacker, Missions-Sekretär.“

Erläuterungen zu Orten und Begriffen des vorangegangenen Textes

Boryslav (Borislav), in Galizien im Waldkarpatenvorgebirgsland, etwa 110 km südwestl. von Lemberg gelegen; im Jahre 1900 zählte man etwa 11 000 Einwohner, von denen drei Viertel Juden waren; Erdöl- und Erdwachsvorkommen in der Umgebung gaben dem Ort ab Mitte des 19. Jh.s gewisse Bedeutung bzw. Wohlstand; Boryslav galt offiziell bis 1940 als „Dorf“ und wurde erst danach Stadt. Nur wenige Monate nach dem Überfall Deutschlands auf die Sowjetunion (1941) war der später vom Staat Israel mit dem Titel „Gerechter der Völker“ geehrte, deutsche Industrielle Berthold Beitz vom Krupp Konzern Zeuge von abscheulichsten Judenmassakern, begangen von seinen Landsleuten in Boryslav und Drogobytsch, geworden. Diese veranlassten ihn, als einen von sehr wenigen anständigen Deutschen in höherer Position, bei bewusster Gefährdung seiner eigenen Person, zu helfen. Wie später von Überlebenden glaubhaft bezeugt wurde, gelang es Beitz und seiner Frau Hunderte vor Ermordung und Todeslager zu bewahren; für die Mehrheit der Juden jedoch gab es keine Rettung – zu zuverlässig, zu systematisch, zu perfekt organisiert funktionierte die deutsche Tötungsmaschinerie, bei der Ukrainer und Rumänen zu willigen Mittätern geworden waren; 1967 hatte Boryslav ca. 35 000 Einw., darunter nur noch ein geringer Anteil Juden.

Bukowina, Bezeichnung einer historischen Landschaft im Gebiet der heutigen Westukraine sowie Nordrumäniens, zwischen den Ostkarpaten und dem oberen Dnjestr gelegen; flächenmäßig kleiner als Thüringen aber größer als das Saarland. 1780 zählte die Bukowina noch 79 500 Einw., 1890 bereits 646 591 und im Jahre 1910 : 795 000, davon 305 000 Ukrainer (Ruthenen), 273 000 Rumänen, 169 000 Deutsche (zu denen sich die meisten Juden zählten), 36 000 Ungarn, 10 000 Polen sowie Roma. Eine andere Statistik, veröffentlicht 1904, gibt an: 41 % Ruthenen, 32 % Rumänen, 22 % Deutsche, 3, 7 % Polen, 1, 3 % Ungarn. Sie gibt ebenfalls über die konfessionellen Verhältnisse Auskunft: 69 % Angehörige der griechisch-nichtunierten (orthodoxen) Kirche, 15 % Katholiken, 13 % „Israeliten“, 2, 6 % Evangelische sowie ein kleinerer Prozentsatz Mitglieder von Sekten. Das schon früher multiethnische Territorium mit seit dem 14. Jh. sesshafter jüdischer Bevölkerung wurde 1514 Teil des Osmanischen Reiches (bis 1769), dann kurz russisch, schließlich 1774/1775 österreichisch. 1786/1789 erfolgte die Angliederung der Bukowina an Galizien. Um jene Zeit fanden auch größere Wanderungsbewegungen statt durch Zuzug von Rumänen, Ukrainern und Deutschen. Im Gegensatz zur osmanischen Epoche der Bukowina, in der Juden politische wie wirtschaftliche Unabhängigkeit genossen, begann mit der österreichischen Herrschaft für die Minderheit eine Zeit des Verlustes alter Rechte, der Einschränkung persönlicher Freiheiten, zunehmender administrativer Repressionen und Behinderung von jüdischer Zuwanderung. Erst spät, und erst nach der Erkenntnis, dass jüdisches Unternehmertum sowie jüdischer Handel von beträchtlichem materiellen Nutzen waren, milderten die k.u.k.-Behörden ihre Haltung. Im 19. Jh. traten zwei Zentren des Chassidismus in Erscheinung, in Sadagura (Rabbinerhof) und in Bojan, die über die Landesgrenzen hinaus Bekanntheit erlangten. 1910 lebten 102 000 Juden in der Bukowina, 1914 waren es 120 000, die auch eigene Vertreter (10 von 63) in den Landtag und in den Gemeinderat (20 von 50) der Hauptstadt Czernowitz entsenden konnten. Czernowitz standen zwei, anderen Städten der Bukowina wesentlich mehr jüdische Bürgermeister voran. Auch in der Zwischenkriegszeit spielten Juden im sozialen und politischen Leben eine nicht unbedeutende Rolle, trotz zunehmenden rumänischen Nationalismus‘ und Antisemitismus‘ ab den 1930er Jahren. Die deutsche Literatur verdankt jüdischen Schriftstellern aus der Bukowina wichtige Impulse: Paul Celan, Rose Ausländer, Alfred Margul-Sperber; desgleichen die jiddische Literatur und andere Sparten der Kultur. Gemäß Beschluss eines der Pariser Vororteverträge war die Bukowina nach dem Ersten Weltkrieg rumänisch geworden, jedoch erzwang 1940 ein sowjetisches Ultimatum die Abtretung des nördlichen Teils, einschließlich Czernowitz‘, von Rumänien an die Ukrainische SSR; wie bereits zuvor die repressiven und entrechtenden Maßnahmen der rumänischen Regierung leitete dieser ‚Besitzerwechsel‘ nun das Ende des jüdischen Kulturlebens ein, auch, weil die Sowjets Zwangsmaßnahmen gegen Juden verhängten und 1941 an die 3800 (nach anderen Angaben etwa 10 000) von ihnen nach Sibirien deportierten. Noch 1940 fand die Umsiedlung der 70 000 Bukowina-Deutschen gemäß einem Abkommen zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion bzw. Rumänien statt. Der bald darauf erfolgende deutsche Überfall auf die Sowjetunion bedeutete für die Region eine von 1941 bis 1944 währende zunächst rumänische, dann deutsche Schreckensherrschaft vor allem für die Juden (Massenmassaker und Deportation in Vernichtungslager), von denen wenigstens die Hälfte ausgelöscht wurde. Der Pariser Frieden (1947) bestätigte im Wesentlichen die früheren Gebietsverhältnisse, die Nordbukowina blieb sowjetukrainisch. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetmacht wanderten Juden aus, jedoch blieben bis in die Gegenwart einzelne kleinere jüdische Gemeinden in der Bukowina erhalten.

Czernowitz, (ukrain. Černivci, rumän. Cernăuţi, deutsch Tschernowitz), ukrainische Gebietshauptstadt und kulturelles wie wirtschaftliches Zentrum der ukrain. Bukowina, ehemalige Hauptstadt der Bukowina; im nördl. Vorland der Waldkarpaten, auf einer Anhöhe am rechten Pruthufer gelegen, war Czernowitz 1816 mit etwa 5400 Einw. noch ein unbedeutendes Dorf, während es um 1900 bereits 67 622 Einwohner zählte; davon waren 34 441 „Deutsche“ (bzw. Österreicher), 13 030 Ukrainer („Ruthenen“), 9400 Rumänen, 8601 Polen – insgesamt darunter 21 587 Juden („Israeliten“). Industrie und Handel befanden sich zu Beginn des 20. Jh.s in voller Entfaltung; die Stadt beherbergte damals neben christl. Kirchen, zahlreiche Synagogen sowie jüdische akademische Vereine, zionistische Gesellschaften und Organisationen, jüdische Verlage und (seit 1875) die „östlichste deutschsprachige“, die Franz-Josephs-Universität, deren Studenten im Jahre 1896 fast zur Hälfte Juden waren. Die wechselvolle Stadtgeschichte weist folgende Eckpunkte auf: Im 12. Jh. Festung des Fürstentums Galitsch; im 15. Jh. Handelsstadt des Fürstentums Moldau; im 16. Jh. von den Osmanen erobert; im 18. Jh. an Österreich, ab 1849 (österr.) Hauptstadt des Kronlands Bukowina; nach dem Ersten Weltkrieg zwischen Rumänen und Ukrainern umkämpft. 1919 wurde die Stadt Rumänien zugesprochen und entwickelte sich bald darauf zu dessen größter israelitischer Kultusgemeinde mit im Jahre 1930 einem Anteil von 40 % Juden an der Stadtbevölkerung, jedoch ging ein sich stetig verstärkender rumänischer Nationalismus bzw. Antisemitismus bald in brutale Judenverfolgungen über. 1940 gliederte die Sowjetunion Czernowitz ihrer Ukrain. SSR an, um wenig später auch jüdisches Eigentum und Vermögen zu beschlagnahmen und Juden (Juni 1941) nach Sibirien zu verbannen. Andere Juden wurden von der sowjetischen Roten Armee eingezogen und kämpften an der Front. Von 1941 bis 1944 dauerte die deutsch-rumänische Besatzung, die von Morden, Misshandlungen, Vergewaltigungen, Plünderungen bzw. von Raub an jüdischem Eigentum durch Deutsche, aber auch durch rumänische und ukrainische Stadtbewohner begleitet war. Unter Deutschen und Rumänen taten sich durch völkerrechtswidrige Verbrechen an Juden ganz besonders die Angehörigen des (Wehrmachts-) Einsatzkommandos 10b, die Einsatzgruppe D unter Kommandeur Otto Ohlendorf sowie die rumänische reguläre Polizei hervor. Verhaftungen, Deportationen und Vernichtung vieler Tausender des im Jahre 1940 auf etwa 50% der Gesamteinwohnerschaft (etwa 50 000 Personen) angestiegenen jüdischen Bevölkerungsanteils der Stadt, zumeist auf deutsches Geheiß hin bzw. durch Deutsche und Rumänen standen besonders in den Jahren 1941 und 1942 auf der Tagesordnung. Die strengen Vorschriften und Repressalien für die verbliebenen 16 000 Juden wurden ab Herbst 1943 etwas gemildert, jedoch angesichts der immer näher rückenden sowjetischen Front Juden am Verlassen der Stadt gehindert. Noch im Februar 1944 stand Czernowitz unter deutscher Kontrolle und die bereits eingeleitete Ermordung der letzten Juden durch Deutsche verhinderte ‚in letzter Minute‘ nur das rasche Vordringen der Roten Armee, die diesmal als Befreier begrüßt wurde. Nach dem Krieg blieben lediglich noch 2000 Juden in der Stadt, während die Mehrheit der Überlebenden über Rumänien nach Palästina auswanderte. Aus verschiedenen Landesteilen kamen in den darauffolgenden Jahren Juden nach Czernowitz, das mit etwa 15 000 bis 20 000 Juden, zu einem neuen Zentrum jüdischen Lebens in der Westukraine wurde. Jedoch nach Ende der Sowjetunion beschlossen auch diese mehrheitlich Stadt und Land zu verlassen. Heute zählt Czernowitz 240 000 Einwohner, darunter nur noch, vergleichsweise, wenige Juden.

Delitzsch, Franz („ …wurde besonders auf Delitzsch als auf das rechte Vorbild für solche litterarische Arbeit hingewiesen…“) lebte von 1813 bis 1890, war ein deutscher evangelischer Theologe, Spezialist für Hebräisch und ‚Pionier‘ der christlichen Judenmission (Gründer des Evangelisch-Lutherischen Centralvereins für Mission unter Israel, 1871; Übersetzer des Neuen Testaments ins Hebräische). 1886 stand er in Leipzig hinter der Gründung des „Institutum Judaicum Delitzschianum“ (nach seinem Tod auch nur „Delitzschianum“ genannt), einer der evangelisch-theolog. Fakultät der Leipziger Universität angeschlossenen Einrichtung zur Ausbildung evangelischer Theologen zu Judenmissionaren. Diese Aufgabenstellung wechselte mit Beginn des 20. Jahrhunderts mehr und mehr in Richtung auf wissenschaftliche Betätigung. Das von den Nationalsozialisten geschlossene Institut lebte später in Wien (1936) bzw. in Münster (1948) wieder auf und befasste sich bes. mit christlich-jüdischer Beziehungsgeschichte, außerdem mit der Herausgabe lateinischer und hebräischer Texte. Delitzschs Lebenslauf weist besonders in dessen Kindheit und Jugend häufige Kontakte zu Juden auf und es gibt Hinweise darauf, dass er möglicherweise selbst jüdische Vorfahren hatte. Trotz seiner judenmissionarischen Ambitionen errang er sich auch die Anerkennung mancher jüdischer Gelehrter – aufgrund seiner wissenschaftlichen Leistungen.

Drohobycz (poln.), Drohobyč (ukrain.), Drogobytsch (deutsch); galizische Stadt im Gebiet Lemberg, im nordwestl. Vorland der Waldkarpaten, heute ukrainisch. Die Stadt gehörte von 1772 bis 1918 zur Habsburgermonarchie und in der Zwischenkriegszeit zu Polen. 1939 bis 1941 war sie Teil der Ukrainischen SSR, nachdem sie die Sowjetunion ihrem Territorium angegliedert hatte. Es liegen Dokumente vor, die belegen, dass Juden bereits im 15. Jh. in Drogobytsch lebten. Die Förderung von Öl bereits im 19. Jh. in der Umgebung der Stadt begünstigte auch die Lebensbedingungen der Juden. Im Jahre 1900 zählte die Stadt insgesamt etwa 20 000 Einwohner, von denen rund 45 % Juden waren. Bis Kriegsbeginn wuchs die jüdische Gemeinde bei einer Gesamtstadtbevölkerung von 37 000 auf 15 000 Personen an, wobei sich unter den neu Hinzugekommenen zahlreiche Flüchtlinge aus den deutsch besetzten Teilen Polens befanden.

Als am 1. Juli 1941 die Deutschen die Stadt besetzten, begann für die Juden ein Terrorregiment, das nur wenige überleben sollten. Von Anfang an erwiesen sich dabei eigene, christliche, ukrainische Landsleute für die Drogobytscher Juden als Verräter, Denunzianten, Hetzer, Schänder und nur zu willige Henkersknechte der Deutschen. Bei den Mordaktionen in der Stadt und ihrer Umgebung, aber auch bei der Rekrutierung von Zwangsarbeitern traten Deutsche immer wieder in Erscheinung, während sie sich sonst auf ihre ukrainischen Verbündeten verließen. In den Wäldern um Drogobytsch erschossen sie Tausende Juden. Sogenannte „Aktionen“ dienten dabei der Selektion, Verhaftung und Deportation in die Arbeitslager oder in den Tod. Besonders grausam gingen die deutsche SS und die ukrainische Hilfspolizei vor. Auch auf offenen Straßen und Plätzen der Stadt wurden Menschen, die man dazu verpflichtete den Davidstern zu tragen, geschändet und ermordet. Im Oktober 1942 entstand in Drogobytsch ein Ghetto für 10 000 Juden, darunter Überlebende aus benachbarten Gemeinden. Seine Auflösung erfolgte Mai bis Juni 1943, da seine Insassen bereits deportiert oder ermordet worden waren. Selbst Häftlinge in Arbeitslagern verschonte die deutsche Mordmaschinerie in jener Zeit des Rückzugs ihrer Truppen und der sich häufenden Niederlagen nicht. Nur unverzichtbaren, für den Arbeitsprozess „nützlichen Elementen“ gestatten die Angehörigen der Kulturnation Deutschland, sich gleichsam Gottesebenbürtigkeit anmaßend, ein, meist nur befristetes, Weiterleben. Am 6. August 1944 endete mit dem Vordringen der Roten Armee die deutsche Besatzung. Gegenwärtig hat Drogobytsch ca. 80 000 Einw., darunter nur wenige Juden.

Der ev.-luth. Zentralvereins für Mission unter Israel war 1871 von Franz Delitzsch (siehe dort) gegründet worden.

Galizien, Landschaft im Vorland der Karpaten, zwischen oberer Weichsel und oberem Pruth gelegen, etwas größer als Bayern. „Galizien“ war in den Jahren 1772 bis 1918 die Bezeichnung für jene Gebiete Kleinpolens und Rotreußens, die nach der ersten Polnischen Teilung an Österreich gefallen waren; ab 1918 verstand man unter „Galizien“ die südpolnischen Woiwodschaften Krakau, Lemberg, Stanisławów und Tarnopol. Der Westen Galiziens ist heute polnisch, während der Osten zur Ukraine gehört. Die ethnischen Verhältnisse im 19. Jh. lauteten: 47 % Polen, 45 % Ukrainer und 6 % Juden; die Ansiedlung von 5000 zumeist protestantischen deutschen Familien durch Joseph II. im 18. Jh. geschah in der Absicht die Landwirtschaft zu fördern. Diese Deutschen, deren Zahl im Laufe der Jahre auf 64 600 anwuchs, wurden 1939/1940 gemäß deutsch-sowjetischer Abmachungen umgesiedelt. Juden (Aschkenasim) wanderten aus den Vertreibungsgebieten Mitteleuropas ab dem 13. Jh. in Galizien ein; ihre Umgangssprache war das Jiddische. Besonders ab dem 18. Jh. entwickelte sich das jüdische Galizien zu einem Zentrum der Aufklärung und der Gelehrsamkeit, litt jedoch in dieser Zeit und im 19. Jh. unter Bestimmungen der Regierung der Habsburgermonarchie, die jüdische Ansiedlung bzw. Selbstverwaltung stark behinderten oder einschränkten und damit einen Bevölkerungsrückgang (1773: 225 000 Juden, 1777: 145 000) einleiteten. Erst die rechtliche Emanzipation von 1867 verbesserte wieder die Lebensbedingungen der Juden, was einen Bevölkerungszuwachs (1803: 400 000 Juden, 1910: 900 000 = 10,5 % der Gesamtbev.) bewirkte. Der Erste Weltkrieg und die sich ihm anschließenden Kämpfe zwischen Polen und Ukrainern hingegen lösten Massenfluchten (bes. nach Böhmen, Mähren, Ungarn, Wien) sowie Judenpogrome vor allem durch die Polen aus. Jedoch waren letztere nicht im Mindesten mit dem vergleichbar, was das Terrorregiment der Deutschen 1939-1944 für Juden in Galizien mit sich brachte – nämlich die fast vollständige Ausrottung, jener, die nicht rechtzeitig flüchten konnten.

Gustav-Adolf-Verein, eine Vereinigung innerhalb der evangelisch-protestantischen Kirche, die sich zur Aufgabe gesetzt hatte, sich um das Seelenheil der eigenen Gläubigen in der Diaspora zu kümmern. 1832 in Sachsen erstmals gegründet und zunächst nur auf Sachsen ausgerichtet, kam es 1841 zu einer Neugründung unter Beteiligung Interessierter auch aus anderen Teilen Deutschlands. Seine Mittel bezog der Verein aus einem Kapitalfonds sowie aus Jahresbeiträgen, Spenden, Schenkungen, Kirchenkollekten etc. Sitz und Verwaltung waren in Leipzig angesiedelt. Hilfsvereine entstanden mit zeitlicher Verzögerung auch in Österreich, in Ungarn, der Schweiz, in Frankreich, Rußland, Schweden, Rumänien, Italien und Holland. 1903 betrug das Gesamtvermögen dieser Vereine und des Zentralvorstandes die beträchtliche Summe von über 5 Millionen Mark. Die Vereine traten ebenfalls als Herausgeber von Periodika, Jahrbüchern, Kalendern und Berichten hervor, worin sie detailliert und voller Pathos über ihre Tätigkeiten Rechenschaft ablegten.

Israel (“…hält das nationale Banner in Israel hoch…”) hieß im damaligen Sprachgebrauch soviel wie die Juden bzw. die Gesamtheit der Juden.

Jassy, (Iaşi, rumän.), Distrikthauptstadt, am Fluß Bahlui, 8 km vom Strom Pruth entfernt, in Nordostrumänien, nahe der Grenze zu Moldawien gelegen; Handelsstadt mit seit langer Zeit bedeutendem Flussschiffs- und später auch Eisenbahnverkehr. Belege von der Anwesenheit von Juden liegen für die Zeit ab dem 15. Jh. vor, während die Gründung einer jüdischen Gemeinde auf das 16. Jh. zurückgeht. Jassy wurde 1565 Hauptstadt der Moldau sowie bald zu einem bedeutendem Zentrum ebenso der rumänischen wie der jüdischen Kultur, dann, im 18. und 19. Jh., zu einem Dauerzankapfel zwischen Russen und Türken. Es erlebte Janitscharenüberfälle und schließlich die Besetzung durch die Habsburger. Überregionale Bekanntheit erlangten, durch ihre vielfältigen Aktivitäten, Jassys Rabbiner, seine jüdischen Intellektuellen, sein jüdisches Theater und die lokale zionistische Bewegung. Gleichzeitig errang die Stadt früh einen traurigen Ruf als Hochburg rumänischen Antijudaismus‘ bzw. Antisemitismus‘, deren Folgen, u.a. 1899 und 1923, auch blutige Pogrome waren. Im Jahre 1899 betrug die Anzahl der Stadtbewohner mehr als 78 000, davon etwa 50 000 Juden, außerdem Armenier, Russen, Ungarn, Tataren, Roma („Zigeuner“). Um 1900 zählte Jassy 43 orthodoxe, eine römisch-katholische, eine protestantische sowie eine armenische Kirche – gegenüber 58 Synagogen; für 1930 werden für dort 35 462 Juden angegeben. 1940 erwarb sich Jassy den äußerst zweifelhaften Ruf „Hauptstadt der Eisernen Garde“, was in Zusammenhang mit dem Machtantritt des autoritären Rumänenführers Ion Antonescu steht und für die Juden Jassys willkürliche Festnahmen, Mißhandlungen, Erpressung, Enteignung, Beschlagnahme, Schauprozesse, Zerstörung von Synagogen und andere Repressionen bedeutete. Das nationalsozialistisch-deutsche Vorbild wurde von den Rumänen nur zu dankbar aufgenommen und kopiert. Vor dem Überfall der Deutschen auf die Sowjetunion hatten sich Juden, aufgrund von Vertreibungen aus den umliegenden Kleinstädten und Dörfern nach Jassy geflüchtet und die Anzahl der dortigen Juden war auf 51 000 angestiegen; gleichzeitig war die Stadt Sammelpunkt rumänischer und verbündeter deutscher Truppenkontingente geworden. Von Hetzern noch zusätzlich genährte Spannungen keimten auf und kulminierten in von Rumänen und Deutschen begangenen Gewaltausbrüchen gegen Juden, die Tausende Opfer forderten. Weitere Tausende wurden verhaftet. Der 29. Juni 1941, der später den Beinamen „Schwarzer Sonntag“ erhielt, war der Tag, an dem im Hof des Polizeihauptquartiers von Jassy Massenerschießungen von Juden stattfanden. Anschließend wurden mehr als 4000 Überlebende wie Vieh in Güterwaggons gepfercht und deportiert, wobei mehr als die Hälfte verdurstete oder erstickte.
1948 fand ein Prozess gegen rumänische Kriegsverbrecher statt, in dessen Verlaufe festgestellt wurde, dass mehr als 10 000 Juden in der Stadt ermordet worden waren.
Derzeit hat Jassy 304 000 Einwohner und ist Sitz eines rumänisch-orth. Metropoliten sowie eines kath. Bischofs. Juden hingegen sind zu einer verschwindenden Minderheit geworden.

Kosciuskofeier, die Feierlichkeiten zur Erinnerung an den polnischen Nationalhelden Tadeusz Kościuszko, 1746-1817, dessen Aufstand von 1794, zwar scheiterte, aber dennoch einen besonderen Eckpunkt in der nationalen polnischen Geschichtsschreibung darstellt. Das Bild Kościuszkos als eines fähigen militärischen Führers, dessen durch Uneigennützigkeit und Eintreten für die Armen und Schwachen der Gesellschaft gekennzeichneter Charakter (so die populäre Überlieferung) aus der Menge der anderen Persönlichkeiten des öffentlichen Gedächtnisses herausragte, diente vielen Generationen von Polen als bedeutende Integrationsfigur.

Lemberg, Lwiw (ukrain.), Lwow (russ.), Lwów (poln.), um 1900 Hauptstadt des österr. Kronlandes Galizien, heute Gebietshauptstadt, in der Westukraine (Ostgalizien), im Hügelland des westl. Podolischen Landrückens am Peltew, einem Nebenfluss des Bug gelegen. Im Jahre 1900 zählte die Stadt 159 877 Einw., von denen 82 597 römisch-katholisch, 29 327 griechisch-uniert sowie 44 258 jüdisch waren. Der jeweiligen Umgangssprache nach ergab sich folgendes Verhältnis: 120 634 Polen, 20 409 Deutsche (Österreicher) bzw. 15 159 Ruthenen (Ukrainer). 1939 war die Stadtbevölkerung auf 340 000 angewachsen und der Lemberger jüdischen Gemeinde gehörten 110 000 Mitglieder an; Lemberg beherbergte damit die drittgrößte Judengemeinde Polens. Heute (2006) beträgt die Anzahl der mehrheitlich ukrainischen Stadtbevölkerung 733 000 Personen.
Die Ursprünge der Stadt gehen zurück auf das 13. Jh. (erste urkundl. Erwähnung), als man eine ukrainische Festung gegen Tatareneinfälle errichtete. Im 14. Jh. folgten die Eroberung durch die Polen, die Ansiedlung deutscher Kolonisten, die Verfügung des Magdeburger Stadtrechtes, auch Juden erhalten um diese Zeit ihre ersten Privilegien (ab 1356), die vorübergehende Besetzung durch die Ungarn sowie schließlich die Vereinigung mit Polen. Ab dem 15. Jh. führten Handelsprivilegien für die Stadt zu wirtschaftlichem Aufschwung und Wohlstand, wozu auch deren Lage als Tor zum Orienthandel beitrug. Für diese Zeit ist für Lemberg auch der erste jüdische Friedhof belegt (1411) und zwei jüdische Gemeinden. Zwei Synagogen gehen auf das 16. und 17. Jh. zurück. Das 17. Jh. stand vor allem unter dem Eindruck der Kosakenkriege (ab 1648) mit Belagerungen. Der ukrainische Judenschlächter Bogdan Chmelnizky forderte damals die Auslieferung der Juden und musste mit hohen Lösegeldern abgefunden werden.
Durch die erste polnische Teilung von 1772 wurde Lemberg österreichisch (bis 1918), was für die Juden eine Verschlechterung ihrer Lage bedeutete, ferner Repression und Abdrängung ins Ghetto. Erst 1867 durften sie sich frei niederlassen. Handel (55% der berufstätigen Juden im Jahre 1820), aber auch Handwerk (24 %) waren ihre Haupterwerbszweige. Wichtige rabbinische Persönlichkeiten lehrten bzw. hielten sich längere Zeit in der Stadt auf: Salomon Juda Leib Rapoport, Jakob Bodek, Abraham Kohn u. a.
Im 19. Jh. gab Lemberg den Hintergrund sowohl für das Aufleben des neuen polnischen kulturellen Lebens als auch für das Erwachen der ukrainischen Nationalbewegung ab. Bei den Kämpfen zwischen Polen und Ukrainern um die Stadt nach dem Ersten Weltkrieg gerieten die zumeist neutralen Juden zwischen die Fronten und litten unter Polen wie unter Ukrainern. In den 1920er und 1930er Jahren kam es zu einem Aufleben der jüdischen Kultur bzw. des jüdischen Geisteslebens in der nun polnischen Woiwodschaftshauptstadt. 1939 erfolgte die Angliederung an die Sowjetunion aufgrund des Hitler-Stalin-Abkommens. Bis zum deutschen Überfall auf die UdSSR wurde Lemberg auch Sammelplatz vieler jüdischer Flüchtlinge. Hatte der jüdische Anteil an der Stadtbevölkerung 1939 noch rund ein Drittel betragen, stieg er bis Juli 1941 auf etwa 150 000.
Der deutschen Besetzung vom 30. Juni 1941 und damit einem meist furchtbaren Schicksal konnten sich etwa 10 000 Lemberger Juden dadurch entziehen, dass sie sich der sich nach Osten zurückziehenden Roten Armee anschlossen.
1941-1944 gehörte die Stadt als Hauptstadt des Distrikts Galizien zum sog. Generalgouvernement und bereits am ersten Tag der Besetzung begann das deutsche Morden, woran die berüchtigte Einsatzgruppe C, aber auch ganz ‚normale‘ Wehrmachtsangehörige, ukrainische Nationalisten und die ukrainische Stadtbevölkerung ihren verschieden hohen Anteil hatten. Allein im Verlaufe vierer Tage erschossen Deutsche und Ukrainer bzw. folterten sie 4000 Juden zu Tode. Der deutsche Völkermord an den Lemberger Juden, bei dem die Ukrainer willige Helferdienste verrichteten, wurde begleitet von Raubzügen auf jüdisches Eigentum, welches güterzugsweise in Richtung Deutschland und Österreich abtransportiert und dort als Kriegsbeute zur Hebung der Volksmoral verteilt oder verkauft wurde. Ebenso wie sie bereits im Krieg von 1870/1871 gegen Frankreich und im Ersten Weltkrieg, als sie durch ihre geradezu abartigen Grausamkeiten und ihre barbarische Neigung zum Massenmord an unbeteiligten, unschuldigen Zivilisten der Welt das Fürchten gelehrt hatten, gingen Deutsche in Lemberg gegen Juden vor. Sie schändeten, vergewaltigten, folterten, sie begingen Kriegsverbrechen, wie man sie bis dahin nicht für möglich gehalten hätte, oder sie deportierten in ihre Vernichtungslager, was in der Mehrzahl der Fälle nur einem Aufschub der Massaker gleichkam. 1941 wurde von ihnen der Bau eines Ghettos initiiert, das bis 1943 existierte. Ghettoinsassen, ebenso wie andere Juden, die nicht dem Massenmord zum Opfer gefallen waren, wurden für Bau- und Rüstungsprojekte zur Zwangsarbeit herangezogen, die viele nicht überlebten. Im Juni 1943, als man von deutscher Seite die letzten Juden des Ghettos ‚abholen‘ wollte, leisteten diese tapferen bewaffneten Widerstand – es gelang neun Deutsche und Ukrainer zu töten sowie 20 zu verwunden. Die Existenz weiterer jüdischer Widerstandsgruppen, deren Mitglieder immer wieder einzelne ihrer Unterdrücker auszulöschen vermochten, ist belegt. Der deutsche Terror endete für Lemberg am 27.Juli 1944.
Es schlossen sich die Vertreibung der Polen durch Sowjetukrainer und die Ansiedlung von Ukrainern in der Stadt an. Die relativ vielen Juden, zum Teil aus anderen Teilen der Ukraine zugezogen, die nach Kriegsende in Lemberg lebten, litten unter den Auswüchsen des immer wieder auflebenden ukrainischen Antisemitismus sowie unter der offen judenfeindlichen Sowjetadministration (Judenverhaftungen, Schließung der Synagoge, Ende des Gemeindelebens).
Ab 1989 ergriffen viele Juden der Stadt die Gelegenheit zur Auswanderung und ihre Zahl nahm rapide ab. Inzwischen, auch unter politisch-moralischem Druck stehend und weil gezwungen gewissen internationalen Konventionen des Anstands zu gehorchen, verbesserte die ukrainische Regierung die Lebensbedingungen für die Angehörigen der so lange verachteten und verfolgten Minderheit. 1996 zählte man in Lemberg ca. 6000 Juden.

„der christgläubige Israelit Lucky“ – im Polnischen wird die Buchstabenkombination -ck- nicht wie im Deutschen „k“ gesprochen, sondern „zk“; daher lautet die korrekte Aussprache dieses Namens: Luzky.

Lutherischer Gotteskasten wurden zahlreiche Vereine in Deutschland genannt, die solchen Lutheranern, die als Minderheit unter Katholiken, Reformierten und Unierten lebten, geistlichen Beistand leisten sollten. Erstmals traten diese Vereine, die sich aus Spenden finanzierten, im Jahre 1876 an die Öffentlichkeit. Den Nachwuchs sicherte man sich durch die materielle Unterstützung von ausgewählten Studenten aus Österreich-Ungarn, deren hauptsächlichem späteren Einsatz- und Missionsgebiet also, an deutschen Universitäten.

Ruthenen nannte man früher die Ukrainer. Jedoch bezeichnete der Terminus gleichzeitig bis 1918 die Westukrainer der Habsburgermonarchie in den Kronländern Galizien und Bukowina, sowie in den ehemaligen nordostungarischen Komitaten Máramaros, Bereg, Ung. Sáros, Zemplén und Szepes am Fuße der Karpaten (Karpatoruthenen-Karpatoukrainer). Die Mehrzahl der Ruthenen in Galizien und Ungarn war griechisch-katholischen (unierten) Glaubens und in der Bukowina zumeist orthodox. Ihre Eigenbezeichnung lautete bis Ende des 19. Jh. Russinen, danach Ukrainer.

Shawl (aus dem Pers. bzw. Arab.: Chalat oder Chyl’at) – Schal

Stanislau: deutscher Name der galizischen Stadt Stanisławów/Stanislaw, heute Iwano-Frankiwsk (Ukraine), zwischen Dnjestr und Pruth, bzw. zwischen Lemberg und Czernowitz gelegen; im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts bestand die Einwohnerschaft von ca. 30 000 Personen mehrheitlich aus christlichen wie jüdischen Polen, hinzu kamen noch Ukrainer und Angehörige anderer Minderheiten. 1931 lebten 24 823 Juden in Stanislau.
Die Stadtgründung geht auf 1662 durch Polen zurück; 1772 geriet Stanislaw an Österreich und war zwischen 1867 und 1918 Bestandteil der österr.-ungar. Doppelmonarchie. Nach kurzem Regime unter ukrainischen Nationalisten wurde die Stadt 1919 bis 1939 wieder polnisch, um schließlich der Sowjetunion angegliedert zu werden. Bis 1941 versammelten sich in Stanislau zahlreiche jüdische Flüchtlinge aus den westlichen und zentralen polnischen Landesteilen, die von Deutschen besetzt worden waren.
Zehn Tage nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion besetzten die mit dem Deutschen Reich verbündeten Ungarn die Stadt. Die neu eingetretene rechtlose Situation beabsichtigten ukrainische Bürger dazu zu benutzen, sich an jüdischem Eigentum zu vergreifen und gewaltsame Übergriffe auf Juden durchzuführen. Die Ungarn konnten dies im Wesentlichen unterbinden, deportierten aber aus Transkarpatien weitere Juden in die Stadt. Als die Deutschen schließlich das Kommando Ende Juli 1941 übernahmen, hielten sich in ihr bereits 40 000 Juden auf. Es begann sehr bald die Selektion. Zunächst wurden jüdische Intellektuelle ausgesondert und vor der Stadt ermordet, andere Juden zur Zwangsarbeit herangezogen, ihr Eigentum konfisziert, sie zu willkürlichen Strafzahlungen genötigt. Das erste große Massaker fand am 12. Oktober 1941 statt, als Deutsche am Neuen Friedhof, nachdem man sie ihrer Wertsachen beraubt hatte, 10 000 Juden erschossen. Noch im gleichen Jahr richteten Deutsche ein Ghetto in der Stadt ein, in dem so erbärmliche Lebensbedingungen herrschten, dass deren Bewohner in großer Zahl an Hunger und Krankheit starben. Eine weitere Selektion, von den deutschen Barbaren gern verharmlosend „Aktion“ genannt, fand am 31. März 1942 statt, als deutsche und ukrainische Polizisten Juden nach den Kategorien ‚wertvoll‘ und ‚wertlos‘ sortierten und erste Erschießungen an als ‚wertlos‘ eingestuften Juden gleich selbst vornahmen. Für 5000 Juden zog diese Maßnahme die Deportation in das Vernichtungslager Belzec nach sich. Andere erhielten Arbeitsdokumente, deren Besitz in vielen Fällen über Leben und Tod entschied. Im Juli 1942 reichte ein nichtiger Anlass zur Begründung für einen neuerlichen Mord an 1000 Ghettobewohnern und eine weitere „Aktion“ mit einer ähnlich hohen Opferzahl ist für den 12. September jenen Jahres dokumentiert, während gleichzeitig Deportationen stattfanden. Bis Anfang März 1943, der deutsche Vormarsch in Russland war zu seinem unrühmlichen Ende gekommen, erfolgte die Auflösung des Ghettos. Mit gnadenloser Grausamkeit setzten Deutsche wie Ukrainer ihre Morde an den Juden fort bzw. nahmen sie sie erneut auf. Um die Spuren jener nie zu vergessenen und nie sühnbaren Verbrechen zu tilgen, entsandten hohe SS-Kader Anfang 1944 ein Sonderkommando der Aktion 1005 nach Stanislau, das die Aufgabe hatte, die Massengräber zu öffnen, die Leichen zu exhumieren und unter Zuhilfenahme von Brandbeschleunigern zu verbrennen.
Als die Rote Armee die Stadt am 27. Juli 1944 von der Herrschaft der deutschen Menschlichkeitsfeinde befreite, hatten von der einstigen jüdischen Bevölkerung gerade 1500 Personen überlebt, die meisten von ihnen auch nur deshalb, weil sie noch rechtzeitig in die Sowjetunion geflüchtet waren.

Talith, Tallit (hebr. “Gebetsmantel”), weißes Tuch mit blauen oder Schwarzen Streifen, das von männlichen Juden beim täglichen Morgengebet und an gewissen Feiertagen auch zu anderen Tageszeiten umgelegt wird. Der Tallit dient darüberhinaus der ständigen Mahnung zur Beachtung der Toragebote.

Textquelle:
Jahrbuch der Sächsischen Missionskonferenz für das Jahr 1895, Leipzig (1895), S. 111-118

Anmerkungen:
Der Wortlaut von Anacker wurde in seiner Originalschreibweise wiedergegeben, ein rückblickender Verweis auf eine Seitenzahl nicht berücksichtigt.

Literatur:
Bol’schaja Sovetskaja Enziklopedija, 3. Aufl., Moskau 1970; Stichworte: Borislav; Drogobytsch; Ivano-Frankovsk
E. Brocke, Kirche und Judentum, in: Neues Lexikon des Judentums, (Hg.) J. H. Schoeps, Gütersloh/München 1998, S. 462-467
Brockhaus Enzyklopädie in 30 Bänden, 21. Aufl., Leipzig u. Mannheim 2006; Stichworte: Iaşi; Delitzsch, Franz; Drogobytsch; Galizien; Galizier; Kościuszko, Tadeusz; Lemberg; Ruthenen, Tschernowzy
Enzyklopädie des Holocaust, (Hg.) Israel Gutman, Tel Aviv und Berlin 1990/1993; Stichworte: Beitz, Bernhard; Bukowina; Czernowitz; Drogobytsch; Jassy; Lemberg; Stanislau
Enzyklopädie des Nationalsozialismus, (Hg.) W. Benz u. a., Stuttgart 1997/1998; Stichworte: Bekennende Kirche; Deutsche Christen
H. Kammer u. a., Jugendlexikon Nationalsozialismus, Berlin 2006; Stichworte: Bekennende Kirche; Deutsche Christen
Meyers Großes Konversationslexikon, 6. Aufl., Leipzig und Wien 1904/1905/1906/1908; Stichworte: Boryslaw; Bukowina; Czernowitz; Delitzsch, Franz; Drohobycz; Gustav Adolf-Verein; Jassy; Lemberg; Lutherischer Gotteskasten; Shawl>Schal; Stanislau
Neues Lexikon des Judentums, (Hg.) J. H. Schoeps, Gütersloh/München 1998, Stichworte: Bukowina, Galizien, Institutum Judaicum; Judenmission; Lemberg; Tschernowitz
http://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Delitzsch (aufgerufen am 11. 7. 2009)
http://de.wikipedia.org/wiki/Judenmission (aufgerufen am 11. 7. 2009)

Exkurs
Anackers Worte in Zusammenhang mit der kulturellen und sprachlichen „Führerschaft“ der Polen in Galizien (die infolge von deren Mehrheit an der dortigen Bevölkerung auch zu erwarten war) fordern geradezu den Gedanken heraus, dass es anscheinend der deutschen Siedler im Osten Sache nicht war, sich unterzuordnen und eventuell die polnische Sprache zu erlernen, mit anderen Worten, sich allmählich zu assimilieren. – Diese deutsche Haltung stelle man im Geiste einmal den Forderungen moderner bundesrepublikanischer Politiker nach bedingungsloser und völliger Anpassung von Ausländern, Aus- oder Umsiedlern an die deutsche „Leitkultur“ gegenüber (!). Eine weitere Überlegung könnte sein, wie es wohl möglich war, dass Deutsche, die um die Zeit, in der der oben wiedergegebene Text entstand, also in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, nach Nordamerika ausgewandert waren, sich dort relativ rasch assimilierten, auch ihre Sprache bald zugunsten des Englischen aufgaben, während ihre Landsleute in mehrheitlich polnisch- oder ukrainischsprachigen Gebieten, oder in Russland oder anderswo in Osteuropa so zäh und verbissen an ihrem Deutschtum festhielten. Wurde demnach die angloamerikanische „Leitkultur“ deshalb bereitwilliger anerkannt, weil möglicherweise als höher stehend als die eigene empfunden, während man sich der östlichen Lebensweise gegenüber so sehr ‚überlegen‘ fühlte, dass eine Anpassung/Unterordnung nicht in Frage kam?

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