Juden auf den griechischen Inseln: Kreta

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Die Insel war in biblischer Zeit unter dem Namen Kaftor bekannt. Es bestanden enge Beziehungen zwischen den Philistern, die in Kanaan bereits saßen, als die Juden einwanderten, und diesem Kaftorlande — möglicherweise ihrer ursprünglichen Heimat. Den kulturellen Zusammenhang bestätigen die Ausgrabungen in Palästina, und zwar nicht allein in philistäischen, sondern auch in rein israelitischen Gebieten…

Dr. Mark Wischnitzer, Die Juden in der Welt: Die Inseln des Mittelmeers

Es wurden Geräte aus dem Kulturkreise von Kreta (Tongefäße, Werkzeuge und Schmuckgegenstände aller Art) gefunden. In der hellenistischen Zeit war auch Kreta, eine der größten Inseln im östlichen Mittelmeer, ein Zielland jüdischer Einwanderung geworden. In der kretischen Stadt Gortyna scheint schon 14o v. Chr. eine jüdische Gemeinde bestanden zu haben. Die Römer fanden jedenfalls bei der Besetzung der Insel 67 v. Chr. jüdische Niederlassungen vor. Der falsche Messias Alexander, der sich als Sohn des Königs Herodes ausgab, konnte in Kreta auf Anhang und Geldunterstützung rechnen. Der Philosoph Philo erwähnt Kreta als ein von Juden stark bevölkertes Land.

Im 13. Jahrhundert gab es auf Kreta unter der Herrschaft von Venedig eine jüdische Landbevölkerung und Gemeinden in der Hauptstadt Kandia, in Kanea, Retimo und auf der Festung Bonifazio. Die Juden betätigten sich als Lederarbeiter und Böttcher, sowie in der Erzeugung der vielgerühmten Hüllen und Schleier. Sie betrieben Landwirtschaft, Handel und das Bankgeschäft. Sie exportierten bis nach Österreich den nach der Stadt Kandia genannten Kandelzucker. Meschullam aus Volterra fand bei seinem Besuche in Kandia 1481 nicht weniger als 600 Familien vor. Es gab vier Synagogen im Ort. Nachdem bereits Ende des 14. Jahrhunderts die einheimische jüdische Bevölkerung Zuzug aus Spanien (1391) und Venedig (1394) erhalten hatte, nahm sie 1492 einen neuen starken Einwandererschub sefardischer Juden auf. Der Thoraschmuck der Synagogen wurde veräußert, um die auf den Schiffen gefangen gehaltenen Flüchtlinge auszulösen und nach Kreta zu bringen.

Geistige Fäden führten nach Italien, das das Kulturleben beherrschte. Kreta brachte im 14. Jahrhundert den Bibelkommentator Schemarja Ikriti hervor, im 15. den Philosophen Elia del Medigo, im 16. den Geschichtsschreiber Elia Kapsali und im 17. den Philosophen und Mathematiker Josua Salomon del Medigo, einen der markantesten Köpfe dieser hervorragenden Familie.

Es ist ein alter Brauch, am Nachmittage des Versöhnungstages in den Synagogen das Jonabuch in einer griechischen Übersetzung vorzutragen, die als ältestes Zeugnis der griechischen Volkssprache von sprachgeschichtlicher Bedeutung ist.

Wie auf so vielen anderen Inseln des östlichen Mittelmeers brachten die folgenden Jahrhunderte den Verfall. 1897 waren im ganzen 115o Juden auf Kreta, die vornehmlich Kanea bewohnten; 1933 gab es bloß noch 600.

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