Gefährliche Dummheit: Wie die Nürnberger Gesetze nach Zypern kamen

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Es gibt Artikel, da geht schon aus der Titelzeile hervor, dass nichts Gescheites folgen wird. So auch am 8. August 2009, als die Süddeutsche den Artikel „Jawort ohne Jahwe“ brachte. Trotzdem hat unser Autor weitergelesen. Offensichtlich wurde es irgendwann auch der Online-Redaktion der Süddeutschen Zeitung zu bunt. Nur wenige Tage nach der Veröffentlichung der Reportage von Sarah Sticker über standesamtliche Trauungen israelischer Paare auf Zypern wurde die Kommentarfunktion abgeschaltet…

Mit den Vorwürfen „Rassismus“, „Mittelalter“ oder gar „wie die Nürnberger Gesetze“ belegten dort einige User Israel. Sie reagierten auf einen Artikel, dessen Inhalt der Vorspann so zusammenfasst: „In Israel werden Ehen zwischen Juden und Nichtjuden vom Staat nicht anerkannt. Was tun? Am besten zur Hochzeit nach Zypern fliegen.“

Von Janis Pelachis

Dabei hat die Autorin den Hintergrund des israelischen Heirat-Tourismus schlecht (man ist geneigt „gewohnt schlecht“ zu sagen) recherchiert. Schon der Einleitungssatz ist schlichtweg falsch. Wenn der Staat Israel keine Ehen zwischen Juden und Nichtjuden anerkennen würde, warum sollten solche Paare nach Zypern zum Heiraten fahren? Auch die Erklärung, die die Autorin zur „Auflösung“ dieses Widerspruchs liefert, ist falsch: Nach internationalem Recht muss Israel Ehen, die im Ausland geschlossen wurden, anerkennen, behauptet Sticker. Nur: Ein solches internationales Recht gibt es nicht und die auf Zypern Jungvermählten brauchen sich auf „internationales Recht“ gar nicht berufen. Die Gesetzgebung Israels hat seit der Staatsgründung festgelegt, dass die im Ausland geschlossenen Ehen seiner Staatsbürger anerkannt werden. Andere Regelungen wären in einem Land, dessen Bevölkerung bis heute zum großen Teil aus Zuwanderern besteht, gar nicht möglich gewesen.
Im Übrigen sind in Israel – was die Ansprüche gegenüber dem Staat betrifft – im Sozial-, Steuer- und Erbrecht nichteheliche Gemeinschaften den ehelichen weitgehend gleichgestellt. Dies schließt auch gleichgeschlechtliche Partnerschaften ein und umfasst – auch für diese – das Recht auf Adoption von Kindern. Von einer solchen Gleichstellung ist z.B. Deutschland noch weit entfernt.

Was stimmt: In Israel werden Ehen nur von (orthodoxen) Rabbinern oder Geistlichen anderer Religionen geschlossen. Diese trauen – und zwar nicht nur in Israel – keine konfessionsgemischten Paare. Sie bestehen entweder auf dem Übertritt des „andersgläubigen“ Partners (eine Option, die im Artikel unterschlagen wird, die aber bisher Hunderte der Zuwanderer aus der früheren UdSSR wählten, die „nur“ einen jüdischen Vater haben) oder verweigern die Heirat. Der Grund dafür, dass in Israel das Eherecht (was neben Hochzeiten auch die Scheidungen betrifft) exklusiv den Religionsgemeinschaften übertragen wurde, ist keineswegs nur einem Kompromiss der Zionisten mit der jüdischen Orthodoxie geschuldet. Mit seinem im Artikel erwähnten Status-quo-Brief vom Juni 1947 hat David Ben Gurion nicht nur das Eherechts-Monopol der Orthodoxen, sondern auch das der Muslime und der christlichen Konfessionen bestätigt, das schon im Osmanischen Reich und unter britischen Mandat zur Erhaltung des Religionsfriedens im „heiligen Land“ galt.

Die Bemühungen, zusätzlich auch Zivilehe einzuführen, sind so alt wie der Staat Israel. Die Linken, die Liberalen und sogar Teile der Rechten haben sich dafür eingesetzt; im letzten Wahlkampf besonders vehement Avigdor Liebermans rechtsnationales „Haus Israel“, das sich als Vertretung der russischen Zuwanderer versteht. Nur konnten sich diese Kräfte bisher in den Koalitionsregierungen gegen das Veto der Religiösen nicht durchsetzen – in einer Demokratie kein unbekanntes Phänomen.

Wenn man so will, leidet die israelische Gesellschaft in diesem Punkt nicht an einer fehlenden Trennung von Staat und Religion, sondern an einer zu gründlichen Trennung. Die Diagnose der Autorin „61 Jahre nach der Staatsgründung hat Israel noch immer nicht geklärt, was es eigentlich sein will: Ein Judenstaat auf den Säulen der Halacha, der jüdischen Religionsvorschriften, oder eine weltliche säkulare Demokratie“ ist nämlich unzutreffend. Der Staat Israel erlaubt zwar den einzelnen Glaubensgemeinschaften, ihre inneren Angelegenheiten nach eigenen Religionsgesetzen zu regeln, stellt aber die Religionsvorschriften keineswegs über die staatlichen Gesetze. So gibt es z.B. kein staatliches Verbot für das nach der (orthodoxen) Halacha unzulässige Autofahren am Schabbat. Dass an manchen Orten am jüdischen Ruhetag keine öffentlichen Busse fahren, ist eine Mehrheitsentscheidung der zuständigen kommunalen Gremien, kein gesetzlicher Zwang. Im Übrigen verbietet der jüdische Staat auch nicht, am Schabbat Geschäfte zu öffnen. Damit geht der Staat Israel mit dem Gebot der Schabbatruhe – einer der wichtigsten Religionsvorschrift des Judentums – weit liberaler um, als das säkulare Deutschland mit dem aus christlicher Tradition stammenden Sonntagsverkaufsverbot.

Sind alle diese Ungenauigkeiten  – und weitere ließen sich noch aufzählen (so ist es ein – leider weit verbreitetes – Zeichen der Ignoranz, das Tetragramm, den aus vier Buchstaben bestehenden „unaussprächlichen“ Namen Gottes, mit Jahwe wiederzugeben; Mamser ist nicht jedes uneheliche Kind, sondern nur das in einer außerehelichen Beziehung gezeugte Kind einer verheirateten Frau…)  – lässliche Sünden in einem launigen Bericht über drei Liebespaare? Könnte man meinen, würde damit nicht ein schiefes Bild Israels gefestigt. Wie gefährlich dies ist, belegen die nun nicht mehr zugänglichen bösartigen Kommentare auf sueddeutsche.de.

3 Kommentare

  1. bleibt anzumerken, dass ein derartiges Eherecht, welches Ziviltrauungen und gemischtkonfessionelle Ehen verunmöglicht, in fast allen Staaten (Ausnahmen neben Zypern m.W. u.a. die Türkische Republik und Tunesien) der Region gilt, es handelt sich dabei um eine Fortsetzung des osmanischen Millet-System, welches viele zivilrechtliche Fragen nicht durch staatliche Gesetze sondern durch die Bestimmungen/Traditionen der jeweiligen Religionsgemeinschaften regelt (für KatholikInnen bedeutet das bspw., dass ihr Eherecht das kanonische Recht ist und im Vatikan „gemacht“ wird) … m.W. profitiert Zypern u.a. auch von HeiratstouristInnen nicht nur aus Israel sondern daneben v.a. auch aus dem Libanon und Syrien

  2. Der Internetauftritt der SZ ist ein beliebter Sammelplatz von unehrlichen Antisemiten, unehrlich, weil sie sich zwar in völliger Konformität mit den Benimmregeln eines Antisemiten verhalten, sich aber weigern, die offensichtliche Wahrheit über ihre Weltanschauung zuzugeben. Dass die SZ selbst aber mit NS-Blättern zu vergleichen ist, ist ein Zeichen ungesunder Besessenheit Mancher mit dem Thema Israel und Israelhaltung der Deutschen Medien.
     
    Der Name Gottes wurde aber richtig wiedergegeben, Jehova wäre falsch gewesen. 😉

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