Israels Straßenschilder werden jüdisch

7
58

Israels Verkehrsminister Israel Katz will alle Straßenschilder zum „Judentum zu konvertieren“. Alle Städtenamen auf den dreisprachigen Straßenschildern sollen künftig nur gemäß ihrer hebräischen Aussprache wiedergegeben werden, auf Arabisch wie auf Englisch. So wird man künftig nicht mehr nach Jerusalem fahren oder (auf Arabisch) nach El Kuds, sondern nur noch nach Yerushalayim, auf Hebräisch und in arabischen wie lateinischen Lettern. Ceasarea wird zugunsten von Kesariya abgeschafft. Selbst das alte Nazareth soll von Israels Straßen verschwinden. Es heißt künftig in der englischen Zeile „Natsrat“…

Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 13. Juli 2009

Seit über einem Jahr arbeite das Verkehrsministerium an einer Vereinheitlichung von 2000 Ortsnamen. So wiesen bisher Schilder zum „Sea of Galilee“ oder zum „Yam Kineret“, womit der See Genezareth gemeint ist. Die Hafenstadt des Pontius Pilatus heißt auf den uneinheitlichen Straßenschildern Qesariyya, Qesarya, Ceysaria oder eben klassisch Caesarea. Dieses Durcheinander bei der Schreibweise habe es Touristen, die weder hebräisch noch arabisch lesen können, erschwert, ihren Weg zu finden, hieß es im Verkehrsministerium. Offenbar glaubt das Verkehrsministerium, dass künftig die Touristen sofort kapieren, wo es zum biblischen Caesarea langgeht, wenn auf den neuen Einheitsschildern neben Hebräisch und Arabisch künftig „Kesariya“ das Ziel ist.

Zudem will der Minister vom ultrarechten Flügel des Likudblocks nicht mehr palästinensischen Nationalismus unterstützen. Bisher stand in der arabischen Zeile der Verkehrsschilder neben Jerusalem in Klammern auf Arabisch „El Kuds“. Das soll ersatzlos gestrichen werden.

Städte- und Ländernamen waren freilich seit jeher ein Politikum. So hat der römische Kaiser Hadrian die von ihm besetzte Provinz Judäa in Palästina umgetauft und deren Hauptstadt Jerusalem in Aelia Capitolina. Aus gleichen Gründen reden die Russen heute von Kaliningrad und strichen den deutschen Namen Königsberg.

Ohnehin strotzen auf israelischen Straßenschildern zum Teil köstliche Schreib- und Übersetzungsfehler. So weist in Haifa ein Schild in lateinischen Lettern nach „Lanamal“. Wörtlich aus dem Hebräischen Übersetzt bedeutet das: „Zum Hafen“. In der südisraelischen Stadt Beer Schewa befindet man sich vermeintlich in zwei verschiedenen Straßen, wenn man die Straßennamen nur auf Englisch liest. Links geht man die „Rehov Hertzel“ entlang, rechts steht man korrekt auf der „Rehov Herzl“, benannt nach dem Wiener Journalisten Theodor Herzl. Gelegentlich kommen die Schildermacher den Touristen soweit entgegen, dass sie statt „Rehov“ (Straße auf Hebräisch) wenigstens „Street“ oder „Road“ schreiben.

Auf eine originelle Idee kam der Schildermacher der „Hpalmach“ Straße. Auf der anderen Straßenseite, auf dem etwas korrekten Schild der „Ha-Palmach“ Straße, hat der Schildermacher sogar „diakritische“ Zeichen eingesetzt. Das sind Pünktchen und Strichlein, die in der vokallosen hebräischen Bibel als Lesehilfen die Vokale ersetzen. Chaotisch geht es auch beim biblischen Erzvater Abraham zu. Die Straße zu seinen Ehren heißt „Abreham“ oder „Avraham“

Nicht einmal den Namen ihres ersten Staatspräsidenten Chaim Weizman können die Schildermacher einheitlich und korrekt wiedergeben. Auf der einen Straßenseite wird er mit einem „n“ geschrieben, auf der anderen mit einem doppelten „n“.

strassenschilder

Die Pläne des nationalistischen Verkehrsministers stoßen erwartungsgemäß bei arabischen Knesset-Abgeordneten auf Widerstand. Ibrahim Sarsur bezeichnete das “Bemalen der Hinweisschilder mit einem ideologischen Pinsel” als eine „Beleidigung der nationalen Identität“ der israelischen Araber. „Das ist ein rein rassistischer Akt und ein Zeichen für den moralischen Niedergang des Verkehrsministers.“

© Ulrich W. Sahm / haGalil.com

7 Kommentare

  1. Normalerweise ist solch ein Vorschlag ja lächerlich, aber hier ergibt er mal wirklich Sinn: Man sollte Gremien bilden.
    1) Ein Gremium israelischer Staatsangehöriger, deren Muttersprache Hebräisch ist (seien sie Juden oder nicht).
    2) Ein Gremium isralischer Staatsangehöriger, deren Muttersprache Arabisch ist (seien sie Muslime, Christen oder – hallo, das gibt es nämlich auch! – Juden).
    3) Ein Gremium israelischer Staatsangehöriger, deren Muttersprache Sprachen mit lateinischer Schrift sind.

    Möglichst sollten diese Gremien aus Leuten besetzt sein, die einen Hang zum Pragmatismus und zugleich ein Gefühl für Sprache haben.

    So, und diese Gremien sollten nun durch den Gesetzgeber beauftragt werden, einheitliche Orts- und Straßenbezeichnungen in der jeweiligen Sprache festzulegen. Maßstab sollte die Leichtigkeit des Straßenverkehrs sein, nichts anderes. Wohin fährt die arabische Familie aus Haifa, wenn sie die Tante in Jerusalem besucht? Nach „al-Kuds“ oder nach „Yerushalayim“? Was sucht der frisch eingewanderte Ami, der in diesen unaussprechlichen religiösen Vorort von T“A will: „Bene Beraq“ oder „Bnei Brak“? Oder sind die Deutschsprachigen mal wieder in der Mehrheit, so dass „Bnäi Brack“ angemessener wäre? Oder sind es gerade die Franzosen, so dass man „Bneye Braque“ schreiben sollte?

    Ich würde ja sagen, die Leute in Israel sind etwas „verstrahlt“, wüsste ich nicht, dass in Düsseldorf lauter Schilder nach Köln zu fnden sind, in Köln aber keine Schilder nach Düsseldorf, weil die Schilder- (Schilda-?) Behörde, die das mal festgelegt hatte, in Köln saß, wo man Düsseldorfer bekanntlich nicht mag.

    Zom Kal und LG Danny

  2. @Jürgen Paschke
    Vermutlich haben sie erstmalig darüber im Spiegel gelesen… die Straßenschilder bleiben natürlich dreisprachig, auch wenn die deutschsprachigen Journalisten das bewußt (?) mißverstehen wollen … nur für die „Transkriptionen“ vom hebräischen ins englische oder arabische werden die „jüdischen“ Ortsbezeichnungen als Grundlage genommen… natürlich wird „Al Kuds“ schmerzlich vermisst werden, wer kennt die Ortschaft schon unter „Jeruschalaim“…
     

  3. Den Vorschlag, einheitliche Regelungen und Schreibweisen für Straßenschilder zu entwickeln, finde ich sinnvoll. Doch die jetzt geplante Aktion von Verkehrsminister Katz halte ich für eine grobe Engführung.
    Länder mit nationalen Minderheiten zeigen sich heute zunehmen offen für mehrsprachige Orts- oder Straßenschilder. Städte z. B. im asiatischen Raum, die auf Touristen aus aller Welt wert legen, bringen extra für sie Orts- und Straßennamen in lateinischen Buchstaben an. Und Israel schreibt künftig nur noch Hebräisch?
    Ich werde die Schilder gern in der Sprache der Väter und Mütter Israels lesen, aber sollen alle Menschen, die der hebräischen Lettern nicht mächtig sind, künftig ausgegrenzt werden? Das wäre weder freundlich noch barmherzig. Und „Fremdlinge“ würden auch nicht mehr geehrt, wie es die Worte der Schrift anraten. Meine Hoffnung bleibt, dass G’tt – wie so oft in der Geschichte Israels – Wunder tut. An kleinen wie an großen Leuten.

  4. Seit vielen Jahren lache ich über den Schildersalat in Israel, ganz besonders über die Liebesaffaire der Schildermacher mit dem Buchstaben Q. Schauen Sie sich einmal die Schilder nach Petach Tikva oder Bne Brak an, aber tun Sie das nur wenn Sie in guter Laune sind. Schade, dass Efraim Kischon schon gestorben ist.Ich hoffe sehr, dass auch dort Ordnung gemacht wird.
    gruss Lea

  5. Ich schlage vor:
    1. Gesetz zur Vereinheitlichung der Größe der Schilder
    (Vereinheitlichungsgesetz, VereiG)
    2. Gesetz zur Vervielfältigung der Strassenamensschreibweisen
    (Strassennamenvervielfältigungsgesetz, StrassVervieG)
    3. Auftragszuordnungsmonopolgesetz
    (AuftrzuMoG)

    Die beiden erstgenannten Gesetze sind die Vorbereitung zum 3., dem Wichtigsten. Da wird dann drin geregelt, dass nur meine Firma die neuen Schilder herstellen und installieren darf. Ich lasse Klebefolien verwenden, dann ist die Änderung zukünftig leichter. Wer weiß, was da noch alles an Regierungen und Ministern kommt. Vielfalt durch Einfalt.

  6. Die Straßenschilder und Wegweiser müssen eindeutig vereinheitlicht werden, wird höchste Zeit, das steht außer Frage. Aber es gibt überhaupt keinen Grund, die hebräische Version in andere Sprachen phonetisch zu übernehmen. Das wird noch das ganze Projekt (das bei dem herrschenden Chaos dringend nötig ist) zum Stillstand führen, denn nicht alle werden diesen verrückten Nationalismus unterstützen.

  7. „Ortstafelstürmer“ gab und gibt es also nicht nur im österreichischen Kärnten. Geistesverwandte treiben demnach auch in Erez Israel ihre perversen Spielchen …

Kommentarfunktion ist geschlossen.