Solanas Fahrplan: Ein seltsamer Vorschlag

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Es ist unklar, was Javier Solana, den außenpolitischen Vertreter der Europäischen Union, zu der Rede bewegt hat, die er am 11. Juli in England hielt. Vielleicht war es sein baldiges Ausscheiden aus dem Amt, dass ihn dazu geführt hat, seiner Zunge freien Lauf zu lassen und seine Frustration darüber auszudrücken, dass der Friedensprozess zwischen Israel und seinen Nachbarn in den zehn Jahren seiner Amtszeit im Sande verlaufen ist; und vielleicht war es einfach ein Traum, der ihn in einer Sommernacht überkam und ihn zu dem seltsamen Vorschlag zur Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts veranlasst hat…

Von Oded Eran und Ruby Siebel, Haaretz v. 21.07.09

Die Grundannahmen, die hinter Solanas Fahrplan stehen, erstaunen in ihrer Simplifizierung. Demnach akzeptieren die Arabische Liga, die Europäische Union und die USA die Grenzen von 1967 als Verhandlungsbasis. Palästinensern und Israelis obliegt es dann, auf der Grundlage eines Gebietstauschs Verhandlungen über Veränderungen in dem Gebiet östlich dieser Linie zu führen – in einem Ausmaß von 2 bis 6%. So würden klare Grenzen für einen palästinensischen Staat geschaffen. Die umfassende Lösung läge im Bereich des Clinton-Entwurfs vom Dezember 2000, der Taba-Absprachen und sogar der Genfer Initiative.

Bis hier gibt es keine großen Neuerungen, aber in den beiden nächsten Schritten des Solana-Fahrplans gibt es Neuerungen – und sie sind besorgniserregend. Dem Vorschlag nach würde der Vermittler zwischen den beiden Seiten einen Zeitplan vorschreiben. Sollte es den Seiten bis zu dem Zieldatum nicht gelingen zu einem Abkommen zu gelangen, würde der Vermittler eine eigene Lösung vorstellen. An dem festgesetzten Tag wüde der UN-Sicherheitsrat eine Zwei-Staaten-Lösung verabschieden, die sich auf die Fragen der Grenzen, der Flüchtlinge, Jerusalems und der Sicherheitsregelungen bezieht. Der Sicherheitsrat würde den palästinensischen Staat als vollwertiges Mitglied in die UNO aufnehmen und einen Zeitplan zur Umsetzung der Lösung bestimmen. „Die zweite Hälfte dieses Jahres ist entscheidend, wenn wir es dem palästinensischen Volk ermöglichen wollen, im Januar 2010 einen Weg zu wählen, der nicht nur aus Verzweiflung und Gewalt besteht.“ D.h., die Verhandlungen zwischen den Seiten und die Involvierung des Vermittlers sowie des Sicherheitsrats im Falle eines Scheiterns sollten schon im kommenden Halbjahr vonstatten gehen.

Den Palästinensern und Israel bleibt nichts, als es sich in den Sitzen bequem zu machen, die Gurte anzuschnallen und den Flug zu genießen. Solana befreit sie von der Notwendigkeit, durch Verhandlungen eine Lösung zu erzielen. Der Vermittler und der UN-Sicherheitsrat tun dies für sie. Warum sollten sich die Palästinenser darum bemühen, ihre internen Auseinandersetzungen beizulegen, um geeint auf dem Weg zur Verwirklichung ihres Traums voranzuschreiten, und warum sollte sich Binyamin Netanyahu darum bemühen, seine Partei und seine Koalitionspartner von der Lebensnotwendigkeit der Zwei-Staaten-Lösung zu überzeugen – wenn der Sicherheitsrat demnächst beiden Seiten die Lösung des Konflikts unterbreitet?

Aber sowohl Mahmoud Abbas als auch Netanyahu können aufhören sich zu freuen, denn der Prozess, den Solana vorschlägt, ist wahrhaftig auf dem Niveau von UNO-Schmuno. Der Sicherheitsrat koordiniert keine Grenzen, gründet keine Staaten und löst keine Flüchtlingsprobleme. Der Sicherheitsrat hat in der Resolution 242 nicht die Grenze zwischen Israel und seinen Nachbarn festgelegt, wenngleich er sich Prinzipien zu Eigen gemacht hat, die seine damalige Meinung über die angemessene Grenze erkennen lassen. Der Teilungsplan von 1947 wurde von der UN-Vollversammlung verabschiedet, und nicht vom Sicherheitsrat, und auch die Resolutionen der Vollversammlung sind als Empfehlungen anzusehen. Die arabischen Staaten beschlossen 1947 ihre Ablehnung.

Ein Staat entsteht kraft der Einscheidung der auf seinem Gebiet lebenden Bewohner. Sollten die Palästinenser beschließen, einen Staat auszurufen (und wer hat sie bis jetzt daran gehindert, dies zu tun?), wird die UNO entschieden, ob dieser den Kriterien des internationalen Rechts standhält. Selbst wenn der Sicherheitsrat über sein Mandat hinausgehen und eine volle Lösung für den grundlegenden Konflikt zwischen uns und den Palästinensern adaptieren würde, wäre er nicht befugt, sie den Seiten aufzuzwingen. Ein Vermittler kann helfen, ist aber kein Ersatz für Verhandlungen zwischen den Seiten. Der Staat Israel braucht eine Lösung von zwei Staaten für zwei Völker, doch ist der Weg dahin noch weit, und die Abkürzung, die Solana vorschlägt, existiert nicht.

Eran Oded ist Leiter des Institute for National Security Studies. Ruby Siebel ist Dozent für internationales Recht an der Hebräischen Universität und ehemaliger Rechtsberater des israelischen Außenministeriums.

3 Kommentare

  1. Solana, war immer ein bekannter Antisemit und daher, alle seine Vorschläge werden immer und immer zum Nachteil Israels sein.
    Heute erscheint er als ein Großer Diplomat und vergass vollkommen das er vor Jahren gegen die UNO und NATO sehr aktiv war. Was für ein Held!!!

    Nichts neues unter die Wolken.

  2. Warum sollten sich die Palästinenser darum bemühen, ihre internen Auseinandersetzungen beizulegen, um geeint auf dem Weg zur Verwirklichung ihres Traums voranzuschreiten, und warum sollte sich Binyamin Netanyahu darum bemühen, seine Partei und seine Koalitionspartner von der Lebensnotwendigkeit der Zwei-Staaten-Lösung zu überzeugen – wenn der Sicherheitsrat demnächst beiden Seiten die Lösung des Konflikts unterbreitet?
     
    Da sich beide Seiten aber momentan sowieso nicht gerade durch konstruktive Tätigkeit hervortun…
    Im Übrigen gibt es für derlei ja schon ein Muster, wenn auch mit leicht anderen Rahmenbedingungen: Kosovo ist das letzte Beispiel. Wenn UNO und EU ihr Gewicht in die Wagschale werfen wollen, dann können sie da auch.

  3. Was ich schon an anderer Stelle in diesem blog gepostet habe: „Mr. Solana is a lame duck“, wie in den USA so trefflich formuliert wird. Seine Aussagen können höchstens noch einen „Sturm im Wasserglas“ hervorrufen, denn er tritt ab. Seine Funktion gibt es ab Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon nicht mehr, auch die derzeitige von Frau Benita Ferrero wird eingespart. Der neue Titel lautet „Hoher Beauftragter der EU für die Außen- und Sicherheitspolitik“ – man wird sich ansehen müssen, was Mr. Toni Blair in diesem Zusammenhang zu sagen hat, denn er gilt als „heißer Tipp“ für dieses neue Amt. Die Briten haben ja viel historische Erfahrung in dieser Weltgegend …

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