Die grüne Bewegung für Gerechtigkeit: Demonstration von Exil-Iranern in Heidelberg

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Am 12. Juni 2009 fand im Iran die Wahl des Präsidenten statt. Neben konservativen Kandidaten stellten sich auch zwei Reformierte: Mussawi und Karubi zur Wahl. Die Wahlbeteiligung war mit 85% außergewöhnlich hoch. Ahmadinedschad wurde nach den Wahlen als Sieger verkündet. Am 11. Juli, knapp einen Monat danach, gab es auch in Heidelberg eine große Demonstration gegen das Regime. „Wir machen die Demonstrationen, weil die Bevölkerung sofort erkannt hat, dass das Wahlergebnis nicht in Ordnung war, das bekannt gegeben wurde. Zum ersten Mal haben sich alle Iraner sofort entschieden etwas zu unternehmen“, erklärt Kamyar*, einer der Demonstranten in Heidelberg…

Von Anke Dreyer

Der Bismarckplatz in Heidelberg. Dreh- und Angelpunkt des Einkaufsgeschehen am Samstag. Hier treffen sich die Demonstranten: Frauen, Männer, Kinder, alte und junge Menschen. Sie halten grüne Plakate hoch mit Aufschriften wie „Freie Presse im Iran“, „Where ist my vote“, „Weg mit dem Diktator“, „Schluss mit den Lügen“, „Freiheit für alle politischen Gefangenen“, „Medien zeigt die Wahrheit“, „Ahmadinedschad is not my president“. Das Grün steht nicht für den Islam sondern ist ein Symbol für gemeinsames und friedliches Handeln.

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Demonstration am Bismarkckplatz in Heidelberg

Ein grünes Stück Stoff wird auf dem Boden ausgebreitet mit der Überschrift: „Ahmadinedschad is not my president“ und darunter wird von vielen beteiligten Iraner unterschrieben. „Dieser grüne Stoff ist ein Projekt“, erklärt Kamyar*. „Damit wollen wir der Welt zeigen, dass Ahmadinedschad nicht unser Präsident ist. Die Länder, die sich an der Aktion beteiligen wollen, mittlerweile sind es 195, sollen sich über einen Weblog melden. Die Stoffe werden dann an die Zentrale in Paris geschickt, zusammengenäht und dann entweder am Eiffelturm oder am Toronto-Tower heruntergelassen. Mit dieser Aktion wollen wir der Welt zeigen, dass wir eine Änderung wollen und mit dieser Regierung nicht einverstanden sind. Nach der Aktion soll der Stoff als eine Art Dokument an die UNO geschickt werden.“

Was überraschend ist, dass die Demonstranten keine Parolen rufen sondern persische und englische Lieder singen. Die Texte werden an die beteiligten Demonstranten verteilt. „Als Neda am Rande einer Demonstration in Teheran erschossen wurde, haben hunderttausende Menschen schweigend auf der Straße demonstriert. Wir wollen durch diese friedliche Bewegung, ohne Gewalt, etwas erreichen, das ist vielleicht der längere, aber sichere Weg. Irgendwann bricht es. Den Willen der Bevölkerung im Iran sehe ich“, sagt Kamyar* voller Zuversicht.

Das Lied: „Yare Dabstaniye man“ („Mein alter Schulkamerad“) hat eine besondere Bedeutung. „Die Studenten haben dieses Lied gesungen, um ihren Protest gegen die Regierung auszudrücken. Es war ihre „Waffe“. Wir singen dieses Lied als Zeichen der Solidarität“, erklärt Kamyar*.

Die Methode scheint zu funktionieren. Spontan schließen sich Passanten an, wollen Informationen. Langsam setzt sich der Demonstrationszug in Richtung Universitätsplatz in Bewegung. Grüne Luftballons werden an Passanten verteilt. Immer wieder bleiben die Demonstranten stehen. Singen und erheben die Hände zum „Peace“-Zeichen.

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Auf dem Weg zum Universitätsplatz in Heidelberg

„Wir gehen sehr, sehr langsam“, erklärt Kamyar*, „damit die Menschen lesen können, was auf unseren Plakaten steht.“.

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Demonstration in Heidelberg

Auf einem der Plakate steht auch ein Spruch von Gandhi. Ist Gandhi ein Vorbild für euch, will ich von Kamyar* wissen. „Ja“, antwortet er, „1979 gab es eine Revolution. Wir haben gesehen, wohin das geführt hat. Heute wollen die meisten Menschen mit ihren Protesten keine Revolution in seiner ursprünglichen Bedeutung haben, sondern sie wollen mit friedlichen Bewegungen ihre Ziele erreichen. Dazu gehören auch „Gandhi-Methoden“. Ein Beispiel: Die Menschen im Iran gehen um 22 und 23 Uhr auf ihre Dächer und rufen Parolen, um ihre Forderungen zu verdeutlichen und um eine Gefahr der Auseinandersetzung mit dem Militär zu vermeiden“.

Auf der Abschlusskundgebung am Universitätsplatz trägt eine junge Studentin ein selbstverfasstes Gedicht vor, in dem sie das sinnlose Sterben von Menschen im Iran anprangert, das Leiden der Bevölkerung und die Brutalität der Regierung. Wiederum bleiben Passanten stehen, klatschen. Ein älterer Mann ergreift das Mikrofon: „Es ist sehr wichtig, was diese Menschen hier tun“, sagt er und singt die ersten Strophen von dem Joan Baez-Song: „We shall overcome“. Grüne Luftballons steigen wie Friedenstauben in den Himmel.

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Abschlusskundgebung auf dem Universitätsplatz in Heidelberg

Wie lange wollt ihr diese Demonstrationen fortsetzen, will ich noch wissen. „Zurzeit werden die Gefangenen im Iran sehr brutal behandelt“, berichtet Kamyar*. „Die Köpfe der Bewegung sind im Gefängnis und werden brutal gefoltert. Es gibt Gerüchte, dass der eine oder andere schon gestorben ist, d. h. wir werden solange Aktionen durchführen und die Stimmen der Gefangenen laut präsentieren. Wir können nicht hinnehmen, dass die Regierung einfach zum „Alltag“ übergeht.
Wir müssen schauen, wie es weiter geht, denn man kann nicht jede Woche eine Demonstration durchführen. Wir müssen das Projekt kreativer gestalten, z. B. mit KünstlerInnen hier in Deutschland oder besser gesagt in Heidelberg. Eine Idee von uns war ein Konzert oder ähnliches zu veranstalten. Gegen diese Brutalität, Folterungen von Gefangenen, müssen wir laut werden.
Es gibt Lieder von Joan Baez, Joan Baez hat ihrem Lied: „We shall overcome“ einige persische Textzeilen hinzugefügt, die wir singen oder Jon Bon Jovi und Richie Sambora haben den B. B. King Song „Stand by me“ zusammen mit dem Exil-Iraner Andy Madadian gesungen.
Wir müssen mit Kultur und Kreativität zeigen, dass wir die Stimme des Volkes sind. Ich bin sehr, sehr froh, denn durch diese Bewegung hat die Welt gesehen, dass das iranische Volk nicht für Ahmadinedschad und seine „Truppe“ ist und das ist gut rübergekommen. Ich bin sehr glücklich, dass nach 30 Jahren Revolution viele verstanden haben, dass das Volk anders denkt und diese Regierung nicht das ist, was wir wollen.“

*Name geändert

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