Der autoritäre Revisionist – oder: was interessiert mich mein Geschwätz von gestern

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Von der Kontinuität eines Ressentiments in der Diskontinuität der Ereignisse. Theoretische Skizzen anhand antisemitischer Emails an das jüdische Internetportal haGalil.com, Teil VII…

Von Niklas Barth

Zum ersten gehört der Typus des autoritären Nationalisten, der aus einer diffusen Mischung aus Schuldkomplex und Schuldabwehr den längst fälligen „Schlußstrich“ hinter die „Aufarbeitung der Vergangenheit“ ziehen will. Kennzeichnend ist ein zutiefst instrumentellrationales Denken: die Vergangenheit muss aufgearbeitet sein, denn mit der im Luxemburger Abkommen vereinbarten „Wiedergutmachung“, die als Begriff die perfide Logik hinter der materiellen Entschädigung versinnbildlicht, und der regen „Holocaust Industrie“ ((Vgl. DS#22haGalil)) wurden die Millionen Opfer in Auschwitz, Chelmo, Majdanek, Sobibor und Treblinka längst durch mindestens genauso viele Euro ausgeglichen. Der warenförmige Tausch kennt nur das Jetzt, ohne Rest. Die Vergangenheit war einmal.

„Das Deutschland von heute sieht sich zwar in der Pflicht, dem Verbrechen der Nazis zu gedenken – (dass jetzt überhaupt ein ABER kommt ist eher syntaktisch zu sehen) – wir sehen uns aber nicht in der Pflicht auf Immer und Ewig Zahlungen zu leisten. Kumulieren Sie mal die Zahlen der Leistungen, die an Opfer des Nazionalsozialismus und an den Staat Israel gegangen sind. Dazu sollten Sie auch mal die geldwerten Vorteile addieren, die sich durch Rüstungspläne und Waffenlieferungen saldieren.“ ((DS#23haGalil))

Einem ähnlichen Relativismus gibt sich die Gleichsetzung von Dresden mit Auschwitz hin. In der Aufrechnung der Opferzahlen kürzt sich – so logisch wie in der Bruchrechnung – die qualitative Dimension des Judenmords weg. Auschwitz war eben weder Kollateralschaden, noch ein unkontrollierbarer Prozess, sondern der logische Fluchtpunkt des Nationalsozialismus. Der Vergleich von Kampfhandlungen mit dem administrativen Mord an Millionen unschuldiger Menschen wird zur beliebten Strategie das narzistisch gekränkte Ich zu kurieren.(vgl. Adorno: 1973) Selbst ohne mit diesem Relativismus explizit zu operieren, lässt doch schon die alleinige Aussparung, das Nicht-Sagen der Shoa, also der alleinige Verweis nur auf Dresden als deutscher Sprecher innerhalb eines gesetzten Bezugsrahmens tief blicken. Dem Begriff des Opfers wird seine Partikularität geraubt und in den universalistischen Trog der deutschen Erinnerung geworfen.

„Nicht das wir uns falsch verstehen, ich habe rein gar nichts mit einer rechten Gesinnung zu tun (ausser Sie bezeichnen ein wenig Nationalstolz als rechte Gesinnung), ich bin demokratisch veranlagt, aber bei so etwas hört der Spaß auf. Es ist ja allgemein bekannt, dass die SS keine weisse Weste hat, aber nicht alle waren solch Mörder wie man sie aus den vielen Berichten kennt, und auch wenn, dies rechtfertigt nicht so etwas wiederwertiges wie das abschneiden einer Banderole die für die Opfer des zweiten Weltkrieges steht (von Deutscher Seite aus gesehen). Sie erzeugen damit unglaubliche Wut und provuzieren ja gar das unvermeidliche, dann beschweren Sie sich das ja alles so schlecht in Deutschland ist (nun, die Türen zu anderen Ländern stehen offen).“ ((DS#23haGalil))

Das Verdrängen, das Nicht-Sehen-Wollen und die Abwehr der Schuld münden in die „ungebrochen positive Identifikation“ mit der deutschen Nation und die Überwindung der kollektiv-narzisstischen Beschädigungen“ (vgl. Rensmann:1998). Was früher von nichts gewusst hieß, heißt nun: ich will nichts mehr wissen. Ergänzend zu diesen Verdrängungsdiskursen verhält sich das fast mantrahafte Selbstversichern einer neuen deutschen, respektive hier österreichischen, Normalität:

„ich frage mich warum sie immer wieder auf uns österreichern herumhacken müßen? ich mußte sogar strafe zahlen obwohl ich erst 1963 geboren bin und hatte mit der damaligen zeit (nazizeit) nichts zu tun warum klagen sie nicht die jenigen die ihnen und ihrem volk böses leid angetan haben ich finde es nicht korekkt von ihnen und ihrer kultusgemeinschaft auf die republik österreich herrumzuhacken den ich glaube das kein österreichischer politiker ein nazi war also finde ich lassen sie unseren schönen staat österreich in ruhe. ich glaube nicht an gott oder an einen mohamed ich finde jeder soll glauben an was er möchte ich habe meinen schutzgeist und seine helfer für das danke ich ihm auch und daher glaube ich das sie diese zeit jetzt ausnützen und eine uraltgeschichte aufwärmen um an geld zu kommen ich würde mir wünschen das sie uns österreicher in ruhe lassen und sie ihre arbeit tun und nicht nur jammern und vergangenes immer wieder aufwärmen lassen sie doch die alte geschichte ruhen.“ ((DS#24haGalil))

Ein Schlafwandler findet eben immer seinen Weg. Der ersehnten nationalen Normalität soll kein diskreditierender Rekurs auf den Holocaust im Weg stehen. Dazu muss er nur mit den Methoden des Revanchismus und Relativismus aus der Erinnerung getilgt werden. Es zeigt sich, dass kollektive Identitätsfiktionen das zentrale Bezugsproblem sind, an dem der Antisemitismus aus Schuldabwehr operiert. Gleichzeitig mündet dieses Drängen aufs Vergessen, das die Geschichte Geschichte sein lassen will, in eine Blindheit im Jetzt, die den Projektionen auf die „Juden“ gefährlichen Auftrieb verleiht: denn „Blindheit erfasst alles, weil sie nichts begreift.“ (Adorno:2006) So geht die Schuldabwehr eine unheilvolle Allianz mit den klassischen Ideologemen des Antisemitismus ein. „Sekundärer Antisemitismus“ und „primärer Antisemitismus“ lassen sich nur auf analytischer Ebene trennen. (vgl. Rensmann: 2004) Sie sind vielmehr in Sinne von Idealtypen zu verstehen, deren empirisch-spezifische, kontextuelle Revitalisierung und Hybridisierung zu untersuchen für die moderne Antisemitismusforschung unerlässlich zu sein scheint. Aus dem reaktionär-nationalen Milieu bis hinein in die „Neuen Rechte“ lässt sich jedenfalls die Virulenz etlicher klassischer Stereotype feststellen: der „rachsüchtige Jude“, der aus reiner Geldgier und
Machtgelüsten die Deutschen in die Haft der Kollektivschuld nimmt und sie dadurch mit dem „Erb-Stigma“ ((Vgl.: DS#25haGalil)), dem „Schand-Mantel mit dem Namen: Nazi-Nachkomme“ ((Vgl.: DS#26haGalil)) belastet, um politisch-finanzielle Reparationen zu erpressen. Die Medienmacht der jüdisch-allierten Allianz, hier schwingt auch ein nicht zu vernachlässigender Teil Antiamerikanismus mit, markiert den Deutschen unablässlich als Sündenbock, der nun bis in alle Ewigkeit für die „Juden“ zahlen soll. Eine Sprache, die mit Begriffen „Instrumentalisierung“, „Propaganda“, „Wiedererlangung der Souveränität“, „Ausbeutung“ ect. operiert, tritt semantisch ganz in die Nähe klassischer, antisemitischer Weltverschwörungssemantiken: eine Renaissance des rachsüchtigen Shylock.

Auch hier haben Aussagen ihren Weg vom öffentlichen Diskurs zurück in das persönliche Ressentiment gefunden. Der von Finkelstein geprägte Begriff der „Holocaust-Industrie“ ((Vgl.: Finkelstein, N.: Die Holocaustindustrie. Wie das Leiden der Juden ausgebeutet wird. Piper, München 2001.)) findet sich in adaptierter Form als „Shoa-Business“ ((Vgl.: DS#27haGalil)) wieder. Der Frage, wie sich diese diskursiven Rückkopplungseffekte konkret manifestieren, muss nachgegangen werden. An dieser Stellen können jedoch vielmehr nur Fragen aufgeworfen werden. Welche diskursive Spur führt zu wem? Aus welchen Quellen speisen sich die rhizomatisch vernetzten Aussagefamilien? Lässt sich doch sogar eine Art Ursprung markieren? Entlang welcher Fluchtlinien verlaufen diese Aussagen? Wie werden die Bilder vom „Juden“ dann im Kontext aktiv rezipiert und auf die persönliche  lebensweltliche Erfahrung gemünzt?

„Diese paranoide Hysterie war so ziemlich einzigartig, speziell in Zeiten einer sog. Informationsgesellschaft,und hat ironischerweise die Effizienz
absurder Propaganda auch in der heutigen Zeit bewiesen. Die Gründe für diesen „Antifazirkus“ waren, und sind jetzt hinlänglich bekannt-Angst vor
Kontrollverlust, Schulddruckablass mit Hilfe eines Sündenbocks,Revanche für polit. Machtverlust..etc..Neu war lediglich die Instrumentalisierung
jüd. Institutionen für diese lächerliche Farce, speziell der IKG und des WJC. Nur einen Effekt haben diese „Sandkasten-Strategen“ zu ihrem grossen Leidwesen nicht erwartet. Emanzipation d. österreichischen Politik gegenüber ausländischem Einfluss, Wiedererlangung der Souveränität und besonders erfreulich: Wir haben uns endgültig aus dem Klammergriff des Shoa-Business befreit. Also weiterhin, fröhliches Austria-watching.“ (( DS#27haGalil))

„schämen sie sich immer wieder neue feuer zu entfachen in deutschland schämen sie sich zionisten mit ihren aussagen und hetzparolen zu unterstützen es ist an der zeit, endlich damit auf zu hören!sie fördern ja buchstäblich einen neuen judenhass! denken sie eigentlich nicht? was läuft wirklich: zionismus und amerikanismus stecken unter einer decke = ausbeutung des deutschen menschen auf lange sicht hin was für eine sauerei! mfg“ ((DS#28haGalil))

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4 Kommentare

  1. @Karlheinz: Viel zu wenig ist noch über die Hintergründe und unseren eigenen misteriösen deutschen Volkscharakter bekannt…“

    Vergegenwärtigen Sie sich bitte, dass seinerzeit ca. 150.000 Menschen, beileibe nicht alle Deutsche, direkt und indirekt an der Judenvernichtung beteiligt waren. Im Zuge der Auseinandersetzung mit der Hohmann-Rede äußerte Prof. Knopp u.a.:

    „Es gibt kein jüdisches Tätervolk, es gibt auch kein deutsches Tätervolk. Von den 150.000 Tätern im Nationalsozialismus handelte es sich bei den meisten natürlich um Deutsche, aber Schuld und Verbrechen sind ja nicht kollektiv, sie sind immer individuell.“ (Prof. Knopp am 12.11.2003 im ZDF) http://tinyurl.com/n89exf

    Damit sind von damals lebenden 73,6 Mio. Deutschen maximal 0,2% tatsächlich „Täter“ gewesen. Wenn Sie bei einer solchen Relation auf einen „mysteriösen Volkscharakter“ der Deutschen schließen wollen, ist das gegenüber den übrigen 99,8% der damals lebenden Deutschen eine Infamie sondergleichen, die offensichtlich durch Unwissen, Halbwissen und sonstige irrationale, nationalmasochistische Anwandlungen gespeist wird. Rafael Seligmann schrieb zum angeblichen „deutschen Volkscharakter“:

    „Die Diskriminierung der Juden wurde toleriert. Doch die Gewalttaten des November 1938 erregten allenthalben in Deutschland Abscheu. Die Deutschen waren eben keine „eliminatorischen Antisemiten“. (Rafael Seligmann, „Das braune Nest war warm“, Rheinischer Merkur vom 11.3.2004, S. 17) http://tinyurl.com/kkbcsa

    Sollte es auch anderen Deutschen tatsächlich so gehen wie Ihnen, lesen Sie bitte Bücher jenseits der als bekannt vorausgesetzten Holocaust-Scholastik, z.B. von Erwin Goldmann, Zwischen zwei Völkern. Ein Rückblick, oder von Sonja Margolina, Das Ende der Lügen. Vielleicht hilft es Ihnen und den Menschen aus Ihrer Umgebung, von denen Sie schrieben.

  2.  
    @Gerd
    Der “diskreditierende Rekurs” wird ja auch nur in der Öffentlichkeit von einer ganz bestimmten Lobby geführt. Allen anderen Deutschen hängt das Thema mittlerweile zum Hals raus.
     
    Sachte, sachte, werter Landsmann!
     
    Wie kann man nur so verallgemeinern? Ich gehöre keiner Lobby an und mir hängt „das Thema“ noch lange nicht „zum Hals raus“. Viel zu wenig ist noch über die Hintergründe und unseren eigenen misteriösen deutschen Volkscharakter bekannt, als dass ich guten Gewissens ein Ende der Debatte (oder Aufklärung) verlangen könnte.
    Wie ich aus meiner Umgebung weiß, geht es auch anderen so.
     
    Daher wägen Sie in Zukunft Ihre Worte besser ab!

  3. „Der ersehnten nationalen Normalität soll kein diskreditierender Rekurs auf den Holocaust im Weg stehen.“
    Eben! Der „diskreditierende Rekurs“ wird ja auch nur in der Öffentlichkeit von einer ganz bestimmten Lobby geführt. Allen anderen Deutschen hängt das Thema mittlerweile zum Hals raus. Ich frage mich allerdings, was daran „judenfeindlich“ sein soll. Wollen Sie implizit ausdrücken, dass „der Jude“ ein Interesse daran hat, keine „nationale Normalität“ in der BRD und anderswo den Völkern zu gönnen, weil das bestimmte materielle und ideologische Interessen gefährden könnte? Gerade Sie als überzeugte Zionisten sollten sich auch an das Haavara-Abkommen, an Georg Kareski, Joachim Prinz und andere zionistischen Aktivisten während der NS-Zeit „erinnern“, um endlich selbst zur „Normalität“ zurückkehren zu können.

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