Vatikan produziert künstlich Ärger

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„Nie, nie, nie“ sei Josef Ratzinger bei der Hitlerjugend gewesen. So hatte der Vatikansprecher Frederico Lombardi bei einer Pressekonferenz in Jerusalem „ungerechte Kritik“ am Papst zurückgewiesen…

Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 13. Mai 2009

In der Tat waren in Israel teilweise ungeheuerliche Dinge über den deutschen Papst behauptet worden, etwa dass er – wie der österreichische Präsident Kurt Waldheim als Soldat der Wehrmacht (als 16-jähriger Flakhelfer) Kriegsverbrechen begangen haben könnte und das auch noch an Juden. Ebenso wurde behauptet, Ratzinger sei NSDAP-Mitglied gewesen.

Nachdem Journalisten dem Sprecher des Heiligen Stuhls vorhielten, dass Ratzinger doch selber in seinem autobiographischen Buch „Salz der Erde“ bestätigt habe, als vierzehnjähriger zusammen mit allen anderen Schülern seines Theologieseminars zum Dienst bei der HJ gezwungen worden zu sein, machte Lombardi am nächsten Tag einen Rückzieher. Gleichwohl habe der junge Ratzinger das nicht freiwillig getan, versuchte er erneut abzuschwächen, um den Ruf seines Chefs zu schützen.

Das von Lombardi verbreitete falsche Dementi bewirkte freilich das Gegenteil von dem, was er bezweckte. Anstatt die Kritik der Israelis an der missglückten Rede des Papstes in Jad Vaschem zum Schweigen zu bringen, verursachte er Neugier, in der Vergangenheit des Papstes zu wühlen. In den Medien wurde erneut über Hitlerjugend, Wehrmacht und andere unangenehme Themen diskutiert.

Dabei stellte sich heraus, dass Lombardi vielleicht nur schlecht informiert war. Angesichts der intensiven Vorbereitungen des Vatikans für den Besuch in Israel und der allgemein bekannten Empfindlichkeiten von Juden und Israelis kann es nur verwundern, dass dieses Detail dem Vatikansprecher unbekannt war. Gleichwohl vertuscht der offizielle Vatikan die durch Dokumente belegte und vom Papst selber eingestandene Mitgliedschaft bei der HJ.

In der Papstbiographie auf der offiziellen Homepage des Vatikans wird ganz offen über seinen Dienst bei der Wehrmacht berichtet: „In den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs wurde er in den Hilfsdienst der Fliegerabwehr eingezogen.“ Doch die Zeit davor wird poetisch verklärt: „Die Kindheit und Jugend verbrachte Joseph Ratzinger in Traunstein, einer Kleinstadt nahe der österreichischen Grenze, 30 km von Salzburg entfernt. In dieser Umgebung, die er selber als „mozartianisch“ bezeichnete, erhielt er seine christliche, menschliche und kulturelle Prägung. Die Zeit seiner Jugend war nicht einfach. Der Glaube und die Erziehung in der Familie bereiteten ihn auf die schwere Erfahrung jener Jahre vor, in denen das nationalsozialistische Regime ein Klima starker Feindseligkeit gegen die katholische Kirche verbreitete. Der junge Joseph wurde Zeuge, wie die Nazis den Pfarrer vor der Feier der Heiligen Messe verprügelten.“ Dass er junge Ratzinger in genau dieser Zeit nicht nur die „Wahrheit des Glaubens an Christus“ entdeckte, sondern auch mit der Wirklichkeit in Hitlers Jugendbewegung konfrontiert wurde, ist da wegzensiert.

Israelis akzeptieren es problemlos, wenn ein Deutscher offen zur Vergangenheit und sogar zu schwarzen Flecken in der Lebensgeschichte seiner Vorfahren steht. Der verstorbene Historiker Dan Bar-On hat vor einigen Jahren Kinder prominenter Nazis, mit Nachnamen wie Himmler, Hess, Bormann, Göring und Mengele interviewt. Einige Kinder der schlimmsten Verbrecher in der Menschheitsgeschichte hat er sogar nach Israel eingeladen. Das verursachte Aufsehen und Neugierde, aber keine Ablehnung. Dadurch, dass der Papst seine mutmaßlich harmlose und mit Sicherheit nicht verbrecherische Vergangenheit verschweigt, sein Sprecher sie erst dementiert und am nächsten Tag abwiegelnd bestätigt, hinterlässt das ungute Gefühl, als werde da doch etwas verheimlicht.

© Ulrich W. Sahm / haGalil.com

18 Kommentare

  1. Na, das freut mich. Sie haben meine Meinung doch veröffentlicht. Für meinen übereilten Vorwurf möchte ich mich daber entschuldigen. Ich bin hinsichtlich Zensur sehr sensibel, da Meinungsfreiheit ein Grundrecht ist, dass zu einer freiheitlichen Gesellschaft gehört. Im Nahen Osten ist gerade Israel der einzige Staat, in der  dieses Recht auch heimisch ist.

  2. Dan Bar-On war Professor der Psychologie und kein Historiker.   Er hatte eine Technik entwickelt damit sich befeindete Lager naher kommen konnen.   Nach den Interviews mit Nachkommen von aktiven Nazitaetern (und auch von Holocaustuberlebenden) brachte er diese zusammen in eine Gruppe die sich regelmassig traf.  Die Gruppe nannte sich TRT.   Spaeter benutzte Bar-On dieselbe Technik um palaestinensische und judische Studenten an der Ben Gurion Universitat zusammen zu bringen.  In den letzten Jahren leitete er ein dreijahriges “Storytelling in Conflict” Programm an der Koerberstiftung in Hamburg.   Er ist im letzten Herbst verschieden.

  3. Nichts gegen sachliche Kritik. Auch muss die Schoa als ein mahnendes Denkmal der Geschichte stets uns vor Augen bleiben! Leider muss aber auch an dieser Stelle einmal gesagt werden, dass so manche nachvollziehbare Kritik traumatisierter Juden, die  die Schoa überlebt haben, inzwischen ersetzt wird durch eine Hassgesinnung voller Frechheit. Das gilt vor allem für viele Äußerungen, die in den letzten Wochen gegen den, sicherlich moralisch nicht unfehlbaren Papst, wahrzunehmen waren. Deshalb klink ich mich als Newsletteradressat aus Hagalil.com aus.

  4. Dan Bar-On war Professor der Psychologie und kein Historiker.   Er hatte eine Technik entwickelt damit sich befeindete Lager naher kommen konnen.   Nach den Interviews mit Nachkommen von aktiven Nazitaetern (und auch von Holocaustuberlebenden) brachte er diese zusammen in eine Gruppe die sich regelmassig traf.  Die Gruppe nannte sich TRT.   Spaeter benutzte Bar-On dieselbe Technik um palaestinensische und judische Studenten an der Ben Gurion Universitat zusammen zu bringen.  In den letzten Jahren leitete er ein dreijahriges „Storytelling in Conflict“ Programm an der Koerberstiftung in Hamburg.   Er ist im letzten Herbst verschieden.

  5. Es wurde dir vielleicht Schlimmes angetan, Karlheinz. Aber wenn du ein Opfer der katholischen Kirche bist, solltest du dich vielleicht mit denen auseinandersetzen und deinen Hass nicht in einer jüdischen Publikation verstecken.
    So macht es fast den Eindruck, als sei dieser schreckliche Hass etwas Jüdisches, und das stimmt nicht. Ich denke, dass du bei soviel Hass, wie du auf Christen und Deutsche hast, katholischer Christ aus Deutschland sein musst. Warum sollte ein Jude heute den Papst so sehr hassen?

  6. „Dadurch, dass der Papst seine mutmaßlich harmlose und mit Sicherheit nicht verbrecherische Vergangenheit verschweigt“

    Erstaunlich, daß ein so renommierter Journalist dem Papst vorwirft, er verschweige etwas. Das stimmt nicht: Nur Lombardi war über biographische Details Ratzingers schlecht informiert, im Buch „Salz der Erde“ ist nachzulesen, daß der Papst mit 14 automatisch in die HJ eingeschrieben wurde. Die Vergangenheit des Papstes ist bestens dokumentiert.

  7. Hier eine Meldung von heute. Weil es soviele Ignoranten gibt, haben wir solche Zustände.

    14.05.2009 Die Polizei hat einem Zeitungsbericht zufolge von Januar bis Ende März bundesweit 3293 rechtsgerichtete Delikte registriert. Rechnerisch seien dies pro Tag mehr als 35 Straftaten, schreibt der Berliner „Tagesspiegel“ (Freitagausgabe) unter Berufung auf Statistiken des Bundesinnenministeriums.

    Wahrscheinlich wird die Zahl der Straftaten für das erste Quartal laut Bericht noch steigen, da die Landeskriminalämter dem Bundeskriminalamt erfahrungsgemäß viele Nachmeldungen schicken. Deshalb sei ein Vergleich der vorläufigen Zahlen mit den Werten des Vorjahres schwierig. Für das erste Quartal 2008 waren 3364 rechtsgerichtete Delikte gemeldet worden. Auch diese Zahl war zunächst niedriger, hatte sich nach Nachmeldungen aber erhöht.

    Von den rechten Delikten waren in den ersten drei Monaten des Jahres 315 Delikte antisemitisch motiviert, darunter zwei Gewalttaten. Ein Mensch wurde verletzt. Im ersten Quartal 2008 hatte die Polizei 264 antisemitische Delikte gemeldet, in acht Fällen handelte es sich um Gewalttaten mit zehn verletzten Opfern.
    (ddp)

  8. Das ist es ja eben, mit Euch deutschen Ignoranten, Ihr fühlt Euch nie angesprochen:
    „Holocaust, juckt mich nicht, war ich nicht“, „Kirchenverbrechen, zählt nicht, schon so lange her“, „Neonazis, kenne ich keine, ist mir wurscht“.
    Dass Dein, unser, Deutschland unter zehn europäischen Nationen die meisten Antisemiten aufweist, verdanken wir Leuten wie Dir, die sich einfach nicht angesprochen fühlen wollen, die nichts ändern wollen, denen es anscheinend so passt wie es ist.
    Leute wie Du haben Hitler erst möglich gemacht – „Wer regiert – ist mir doch egal…“
    Und dann war er da und das große Jammern ging los.

  9. @kaleinz

    Dann wissen wir es endlich! Es geht also nicht um das, was einer sagt oder tut, sondern schlicht und einfach um seinen Reisepass! Damit können wir jede inhaltliche Debatte sowieso als sinnlos beenden.

    Ich habe übrigens bisher noch nicht mal eine Wirtshausrauferei angefangen und schon gar keinen Weltkrieg. Ich fühle mich daher von Ihrer Kritik nicht angesprochen!

  10. Warum den Papst verteidigen, warum Lombardi verteidigen, warum überhaupt eine solch zweifelhafte Einrichtung wie den Papismus verteidigen – angesichts der durch nichts zu rechtfertigenden, durch nichts zu entschuldigenden Verbrechensgeschichte des römischen Katholizismus und des mehrjährigen, vielfachen und eindeutigen Fehlverhaltens von Ratzinger!
    Was muss man für ein verbohrter deutscher Katholik sein, um immer wieder den Papst rauszureden!
    Benedikt hat in Israel (und nicht nur da) einen bitteren Nachgeschmack hinterlassen und dafür trägt er allein die Verantwortung. Da gibt es nichts zu entschuldigen.
    Das steht genau so fest, wie die Tatsache, dass sein Heimatland Deutschland in den Geschichtsbüchern der ganzen Welt als die Auslösenation zweier Weltkriege dasteht, als Begeher eines beispiellosen Völkermordes, als Vergewaltiger der Zivilisationsgeschichte der Menschheit.
    Warum werden solche, der ganzen Welt vertrauten, Tatsachen in deutschen Hirnen (und Herzen) so gerne ausgeblendet!
    Deutsche, deutsche Katholiken, Katholiken – Ihr tragt mehr Verantwortung als der Rest der Menschheit, merkt Euch das endlich!

  11. Der Papst verschweigt seine Vergangenheit ja nicht. Wie hier ja zu lesen ist, hat Ratzinger sie 1996 eingeräumt.  Und meiner Ansicht nach, gibt es keinen Grund eine Mitgliedschaft in einer Zwangsorganisation, in die man einfach eingetragen wurde, zu verschweigen. Interessant wäre, ob er je überhaupt HJ-Dienst geleistet hat. Man weiß durch die Forschungen Arno Klönnes, dass gerade in den ländlich-katholischen Regionen Deutschlands bisweilen kein akiver HJ-Dienst zustande kam, weil sich schlicht niemand fand, der sich dafür engagieren wollte.

    Die andere Seite ist die, dass Lombardi mit seiner Aufgabe als PR-Sprecher erkennbar überfordert ist. Es ist in der Tat unverständlich, wenn er dieses Aspekt der Biographie Ratzingers nicht kennen sollte oder gar verschweigen wollte.

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